Beiträge von Spaziergänger

    Hallo Gerchla,

    vielen Dank für Deine Worte. Deine Nachrichten hier im Forum hinterlassen bei mir insgesamt vor allem ein Gefühl der Hoffnung. Das ist schön, die kann ich gebrauchen. Jeder wohl. Danke dafür.

    Sehr interessant Dein ganz persönlicher Weg mit Deinem privaten Mönch. Da wüsste ich momentan nicht, wo ich einen hernehmen sollte. ;) Aber mit vielen Deiner Ideen kann ich etwas anfangen.

    Kommt bei Dir das Vorgehen, Gedanken zu "überschreiben" aus der Verhaltenstherapie? Der Ansatz kommt mir bekannt vor aus dieser Richtung. Ich habe mich vor vielen Jahren einmal eine Zeit damit beschäftigt, um gegen Ängste vorzugehen. Die Theorie ist ja, falls ich es richtig beschreibe, dass negative Gefühle ausgelöst werden von negativen Gedanken, die man sich (überwiegend unbewusst) macht. Und der "Trick" ist, in sich hineinzuhören, diese destruktiven Gedanken zu identifizieren und mit positiven/konstruktiven zu "überschreiben". Ich fand auch, dass das funktioniert. Wurde nur mit der Zeit nachlässig und dann schleichen sich die alten Denkmuster wieder ein. Aber ich finde den Ansatz einleuchtend, da er das Problem bei der Ursache packt.

    Dagegen ist der Ansatz bei meiner Suchtberatung jetzt "systemisch". Damit kann ich bisher nicht viel anfangen. Man geht dabei wohl davon aus, dass Gefühle nun mal da sind und ihre Berechtigung haben und muss dann schauen, wie man mit diesen umgeht. Das scheint mir weniger logisch, aber ich schaue mir das einmal an und lasse mich überraschen.

    Danke auch für Deinen Hinweis, die heimischen Alkoholvorräte zu vernichten. An solch einfachen Basics mangelt es mir bisweilen noch. Allerdings waren das ohnehin "nur" eine Flasche Sekt und ein Glühwein, die ich in Jahren nicht angerührt habe. Denn ich radele zur Not lieber nachts im Schneesturm zur Tanke und hole Bier bevor ich Sekt trinke. Aber nun sind auch die weg.

    Vorratshaltung habe ich ohnehin nie betrieben. Bei mir war/ist das relativ einfach: was an Bier im Haus ist, überlebt den Tag nicht. Nix mit Vorräten. Meine "Taktik" bestand darin, mir am Abend im Supermarkt 3-4 Bier zu kaufen, denn: heute mache ich mal einen ruhigen Abend. Wohl wissend, dass ich sowieso noch zum Kiosk gehe für Nachschub sobald die weg sind. Und Kioske, die bis nachts aufhaben, habe ich hier mehrere in fußläufiger Entfernung. Ich habe allerdings auch nie heimlich getrunken. War mir auch völlig egal, was die Leute im Kiosk denken, wenn ich da vielleicht mehrmals am selben Abend aufschlage (was allerdings nicht so oft vorkam). Na gut, ein bisschen peinlich war es vielleicht, als der Nachbar hinter mir am Pfand-Automaten mit seinen 2 Wasserflaschen warten musste während ich meinen Wochenvorrat an Bierdosen abgebe und er sowas sagte wie "Ooh... manche Sachen schiebt man lange auf, nicht?". Aber eigentlich hätt ich mich schlapp lachen können.

    So, spät genug, ich höre mal auf für heute. Und ich denke, ich werde hier jetzt erstmal etwas kürzer treten mit der Aktivität. In letzter Zeit habe ich mich vielleicht etwas zu viel mit dem Trinken beschäftigt. Morgen (Sonntag) wird schon wieder tolles Wetter. Radtour ist angedacht.

    Macht es gut!

    der Spaziergänger

    Hallo Britt,

    danke Dir für das Willkommen. Ich muss allerdings sagen, dass mich Deine Antwort etwas irritiert. Wie ich beschrieben habe, bemühe ich mich um eine strukturierte Therapie. Das ist der Plan. Da dies im Moment noch nicht möglich ist, improvisiere ich. Von daher verstehe ich Deinen Vorschlag nicht, ich solle doch lieber eine Therapie machen.

    Hier bei mir im Ort findet seitens der Suchtberatung keine Kurse statt. Die Mitarbeiter wurden auf Kurzarbeit gesetzt. In der nun eingeschränkten Arbeitszeit sind sie aber sehr gut beschäftigt mit telefonischer Beratung ihrer Patienten/Klienten, die teilweise am Rad drehen, weil deren gewohnten Gruppen und SHGs nicht stattfinden.


    "Corona" ist nicht Schuld daran, irgendetwas nicht zu tun. Es gibt immer einen Weg, du musst nur wollen.


    Genau. Corona ist nur eine Ausrede.

    Tatsächlich kommt mir persönlich (und ganz egoistisch betrachtet) die Corona-Zeit entgegen. Ich kann im Home-Office arbeiten statt mit teilweise nervigen Kollegen im Großraumbüro. Beim Einkaufen etc. halten die Mitmenschen endlich Abstand. Das gefällt mir, das entspannt mich. Von mir aus kann das so bleiben mit den Abstandsregeln. Außerdem haben weder Kioske noch Biergärten geöffnet. Könnte nicht besser laufen. 44.

    Von daher warte ich ab, bis eine Präsenz-Therapie wieder möglich ist und improvisiere in der Zwischenzeit weiter.

    So, da bin ich wieder. Nochmals vielen Dank für Eure Gedanken.


    Deine Geschichte ist ein sehr schönes und sehr typisches Beispiel, wie diese Sucht funktioniert und wie man langsam immer tiefer hinein rutschen kann. Vor allem auch die Schilderung der zeitlichen Abläufe zeigt sehr gut, wie lange man doch eigentlich mit bereits vorhandener Sucht einigermaßen "gut" leben kann und wie es immer wieder zu längeren Phasen der Hoffnung und Zuversicht kommen kann, obwohl diese überhaupt nicht angebracht sind. Eine perfide Sache, diese Alkoholsucht.

    Interessant. Dass ich ein Musterbeispiel für Alkoholsucht bin habe ich so nicht gedacht. Wie Du auch schreibst, hatte ich doch noch eine gewisse Hoffnung, dass das alles halb so wild ist. Beim Aufschreiben der Entwicklung in den letzten Jahren ist mir allerdings auch selbst erst wirklich aufgefallen, dass ich den Konsum in den letzten Jahren - entgegen meiner Vorstellung - letztlich null unter Kontrolle hatte.


    Die Trinkpausennummer kenne ich von mir, damit habe ich mir jahrelang einen vorgegaukelt, alles im Griff zu haben, da richtige Säufer so was ja eh nicht können.

    Hups, ja, kommt mir bekannt vor.

    Danke auch für den Link zur Bücher-Liste. Normalerweise kaufe ich gerne Bücher, nehme mir aber dann keine Zeit mich tatsächlich hinzusetzen und zu lesen, so dass die sich hier sinnlos stapeln. Daher habe ich mir gestern ein Herz gefasst und mich bei Audible angemeldet und "Nüchtern" als Hörbuch erstanden. Das kann ich jetzt während meiner Spziergänge hören, was mir Spaß macht und zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt.

    An Sportmöglichkeiten hätte ich hier immerhin noch einen Heimtrainer, also so ein Fahrrad. Der ist zwar nicht gerade mein bester Kumpel, aber bei schlechtem Wetter gut zu haben. Wenn möglich bleibe ich aber bei meinen Spaziergängen, das passt schon.

    Ansonsten versuche ich noch etwas Tagebuch zu schreiben, bzw. meistens eher Listen mit Zielen, bereits Erreichtem, Zitaten die ich hilfreich finde usw..

    Auf meiner Todo-Liste steht noch: eine Meditations-/Hypnose-App (HypnoBox?) zu kaufen und vielleicht einen Youtube-Kurs in Tai Chi oder Yoga anzufangen.

    Das wären bisher die Bausteine meiner selbstgebastelten Therapie. Und hier und im Internet zu lesen natürlich.

    Über weitere Ideen und Erfahrungen, was Ihr am Anfang hilfreich fandet, würde ich mich auch freuen.

    Viele Grüße
    vom Spaziergänger

    Hallo zusammen,

    ich bin Martin, 48 und habe Anfang des Jahres das Trinken (und Rauchen) eingestellt, also seit 3 1/2 Monaten jetzt. Kurz zu mir: Viele Jahre habe ich mir keine großen Gedanken über meinen täglichen Alkoholkonsum gemacht. Vor sechs Jahren fragte dann ein Freund, der jedes Jahr zur Fastenzeit 40 Tage auf Alkohol verzichtet, ob ich dieses Jahr nicht mitmachen möchte. Und ich sprach: "Sag mal, bist Du des Wahnsinns?", denn 40 Tage ohne Alkohol - das geht ja überhaupt nicht. Nun, es ging. Ich habe einfach angefangen mitzumachen, ohne mir die ganzen 40 Tage vorzunehmen. Ein Tag nach dem anderen. Und es ging mir gut damit: nach ein paar Wochen verschwanden Angstzustände und Depressionen, ich nahm ab und hatte mehr Energie und auch Lust, Sport zu machen.

    Aber ganz aufzuhören war nie der Plan, also fing ich nach den 40 Tagen wieder an zu trinken. Allerdings mit Respekt, ich hatte auch geradezu Angst davor, denn die positiven Veränderungen wollte ich auch nicht mehr missen. Ein Jahr lang ging das ziemlich gut. Ich trank an maximal 3 Abenden der Woche, trieb viel Sport und achtete auf die Ernährung. Nach einem Jahr hatte ich mein Idealgewicht erreicht, die Problemchen der Vergangenheit waren schon fast vergessen und wahrscheinlich fühlte ich mich unbesiegbar. Jetzt nervten mich zunehmend die Beschränkungen, die ich mir auferlegt hatte: alle Getränke wurde notiert, das Sportpensum und jede verzehrte Kalorie in einer App erfasst. Auf das Kalorienzählen hatte ich als erstes keine Lust mehr. Beim Bäcker kaufte ich z.B. nicht das, worauf ich Lust hatte, wenn ich nicht wusste mit wieviel Kalorien ich das in die App eintragen kann, auch wenn ich es mir hätte erlauben können. Verrückt, oder? Jedenfalls flog das als erstes raus. Das Wetter wurde schön (so wie jetzt gerade) und es machte wieder Spaß, am Wasser zu liegen und ein paar mehr Bier zu trinken. Da ließ ich auch gleich mal alle Fünfe gerade sein. Mit einem Dicken Kopf am Morgen entschied ich mich dann auch öfters für den Bus als für das Fahrrad für den Arbeitsweg. Und so weiter. Bald war ich dann wieder da, wo ich nicht mehr hinwollte.

    In den letzten fünf Jahren habe ich dann sehr oft versucht, wieder zu diesem "Idealzustand" (des kontrollierten Trinkens) zu kommen. Die Taktik war immer dieselbe wie beim ersten Mal: 40 Tage Abstinenz, um im Anschluss gemäßigt zu trinken. Die 40 Tage habe ich nur noch ein Mal geschafft und das auch nur durch eisernes Durchhalten mit dem Ziel vor Augen, dann endlich wieder trinken zu können. Die meisten Versuche scheiterten nach 0 Tagen bis 3 Wochen. Im letzten Jahr habe ich wohl etwa alle 2 Monate versucht aufzuhören. Ohne Erfolg.

    Ende des Jahres habe ich mir dann eingestanden, dass ich so nicht weiterkomme und etwas Hilfe gebrauchen könnte. Als Hauptproblem habe ich dabei nicht unbedingt den Alkohol gesehen. Mehr ein generelles Kuddelmuddel in meinem Kopf aus Burnout/Erschöpfung/Depression und auch einem Alkoholproblem. Von daher war ich auch unsicher, um was für eine Art der Hilfe/Therapie ich mich bemühen soll. Letztlich habe ich entschieden, es zunächst mit der Sucht-Beratung zu versuchen und mich dort schweren Herzens Anfang Januar gemeldet. Und aufgehört zu trinken, erstmals mit offenem Ende, also ohne zeitliches Ziel.

    Das Timing war wohl etwas unglücklich. Einen Termin für die Erstberatung bekam ich erst im Februar. Da hatte deren mehrwöchige Therapie-Gruppe bereits begonnen, die nächste Ende März. Für die war ich angemeldet, dann kam Corona, also alles abgesagt. Zu meiner Betreuerin stimmt zum Glück die Chemie und sie bietet auch telefonische Beratung an für Fragen. Aber eine strukturierte Therapie findet jetzt nicht statt. Von daher dümpele ich seit 3 1/2 Monaten eher planlos herum und trinke nicht. Das ist OK, es geht schon. Ich hatte bisher keine ernsthaften Krisen. Aber nur nicht trinken ist irgendwie auch keine Lösung.

    Eine dauerhafte Anspannung und Gereiztheit habe ich im Angebot und ich würde mich gerne mehr auspowern. Leider kann ich überhaupt nicht joggen und schwimmen (mein Sport) ist derzeit nicht möglich. So gehe ich nachts spazieren und bewerfe streunende Katzen mit Futter. Daher auch mein Benutzername, streunendeKatzenMitFutterBewerfer.

    Schön finde ich, das Forum hier gefunden zu haben. Ein Schatz an Erfahrungen. Das hilft sicher sehr und ich werde fleißig lesen.

    Viele Grüße
    vom Spaziergänger