Beiträge von Larry_2019

    Liebe Kollegen,

    Ich traue mich mal wieder mich zu melden. Das erste Mal habe ich mich hier vor ca zwei Jahren vorgestellt. Ich war damals ca ein Jahr trocken. Nun sind es schon über drei Jahre und ich hätte es mir nie zu träumen gewagt dass es sich son entwickeln würde.
    Ich war im August 2019 und dann nochmal im Oktober 2019 in einer Klinik, zu Anfang dachte ich (redete mir ein) wegen burnout. Ich habe zu viel gearbeitet, keine Frage aber viel mehr habe ich zu viel getrunken. Und umso mehr ich trank umso mehr habe ich gearbeitet…. Zum Schluss war ich nur noch unglücklich und ich glaube auch wirklich depressiv. In der Klinik musste ich wegen meiner krassen Leberwerte drei Tage auf die Sucht Station. Es kam mir so unwirklich vor. Ich? Alkoholikern? Toller Mann, haus, toller job, zwei Stiefkinder… ich hab studiert, mein Leben aber nie so richtig bewusst geordnet.

    Ich brauchte den zweiten Aufenthalt um zu wissen: ja, ich bin ganz unten und da werde ich bleiben wenn ich es nicht selbst rumreisse, das Ruder. War nicht leicht und auch heute noch gibt es Tage wo ich so unsicher bin. Ich leide unter gelegentlichen Panikattacken, die sich anfühlen wie ein Entzug. Ich weiß nicht ob das jemand von euch hier kennt. Nach meinem ersten Jahr habe ich mich hier vorgestellt und bin dann auch in eine richtigen SHG gegangen. Die war ein guter Anker für mich und ich gehe heute noch hin. Ich versuche einmal im Monat mindestens hinzugehen. Nach wie vor habe ich meinen Therapeuten mit dem ich auch einmal im Monat arbeite um zu verstehen… und einfach mich besser zu verstehen. Ich glaube ich kann mich langsam leiden 😀. Das hat ganz schön lange gedauert und es ist so schade, dass ich nun fast 42 Jahre auf der Erde bin und mich selbst erst jetzt sehe. Mein Mann ist eine große Hilfe für mich und ja, die Liebe meines Lebens. Er trinkt so gut wie nie und macht es mir von daher sehr leicht.
    Ich habe hier und auch in anderen Foren oft gelesen und oft um mich selbst zu verstehen, Hoffnung zu schöpfen und mir Kraft zu holen.
    Ich bin nun seit über drei Jahren abstinent und ich glaube ich kann mir langsam über den Weg trauen. Das fällt mir so unendlich schwer. Gerade wenn diese Panik kommt, die ich noch nicht ganz verstanden habe. Ich war Leistungssportlerin, bin unheimlich engagiert im Job und leite ein tolles Team. Bin glaub anerkannt und geschätzt und zweifle dennoch oft so an mir.
    Mittlerweile kennen mich im Job auch viele nur als jemand die keinen Alkohol trinkt und irgendwie bin ich da sogar stolz drauf.

    Wie auch immer. Ich bin dankbar für Foren wie diese und die Unterstützung die man hier bekommen kann und die Zuversicht. Ich will daher gern auch mal einen Gruß hier lassen und Zuversicht und Hoffnung für jemanden der es jetzt vielleicht braucht. Der Weg ist sicher nicht leicht aber ich kann nur sagen, es ist ein schöner Weg. 😀 ich danke euch

    Lieber gerchla,

    Vielen Dank für deine ausführliche Antwort und deine Gedanken. Tatsächlich hast du ganz gut beschrieben was mich umtreibt. Mit „ein guter Mensch“ sein meine ich nicht es allen recht machen zu wollen. Ich muss auf mich und meine Grenzen achten. Das weiß ich und daran arbeite ich mit meinem Therapeuten wöchentlich. Viel zu oft habe ich diese in der Vergangenheit gar nicht erkannt bei all dem Speed mit dem ich durch mein Leben gerast bin.
    Ich befinde mich auf einer Reise zu mir, auch wenn sich das blöd anhört. Für mich ist die Reise eben auch für mich, meine Familie und meine Freunde da zu sein. Ich habe gemerkt, dass ich durch den Alkohol auch viel mehr bewusster auch meine Umgebung wahrnehme und es macht mir auch Freude für andere da zu sein. Es geht mir nicht darum, irgendwas perfekt zu mache, es jemand recht zu machen. In erster Linie will ich es mir recht machen und ich nehme ganz bewusst wahr, wie es mir selbst gut tut wirklich da zu sein. Früher war ich auch da und habe gemacht aber es war anders. Ich habe nichts gespürt oder wenig.
    Ich weiß nicht ob ihr das versteht. Eigentlich hast du es gut beschrieben, gerchla, ich frage mich wer ich bin und was mir wichtig ist und was ich geben kann und will, was will ich tun, mit was und wem meine Zeit verbringen, was will ich mit meinem Leben erreichen und wahrnehmen.
    Viele Dinge, wie die Familie, die Freunde, die Natur, die Bewegung und der Job waren mir früher auch wichtig aber ich habe es nicht bewusst gefühlt. Ich denke weil ich nicht konnte und wollte und ich wusste auch nicht was das heißt.
    Meine Therapeutin in der Klinik meinte immer „reinführen“ und ich dachte was für ein Mist. Da ist nichts. Und jetzt weiß ich und merke da ist eine ganze Menge. Das bewusst zu fühlen, darüber nachzudenken und es einzuordnen fällt mir manchmal noch schwer. Ich merke auch, dass mich manche Dinge wie ein Tag ohne Pläne überfordern oder nervös machen. Doch ich merke auch, wie viele Themen ich nun bewusst durchdenke und es kommt auch Lebensfreude zurück.
    Ich freue mich zum Beispiel auf das Alter und die Kinder meines Mannes begleiten zu dürfen auf ihrer Reise in die Welt. Ich merke auch wieviel da zurück kommt. Das sind Dinge die ich früher gar nicht sehen konnte. Da hat mir die Zukunft Angst gemacht.
    Ich spüre auch viel Dankbarkeit weil ich eine Chance bekommen habe. Weil ich merke wie viel ich gewonnen habe. Die Schuld von der du schreibst gerchla, kenne ich. Auch ich habe vor meinem Mann viel geheim gehalten, aus scham, aus Feigheit, aus Angst. Ich habe viel darüber nachgedacht und auch manchmal gibt es Momente wo Schuldgefühle mich wie eine Faust umklammern und mir die Luft nehmen. Ich versuche dann bewusst nach vorn zu schauen. Ich begreife es auch so, dass ich für meine Ehe eine Chance bekommen habe denn ich liebe meinen Mann sehr und spüre auch seine Liebe. Das gibt mir Kraft. Früher hat auch das Angst gemacht. Ich weiß nicht mal warum.

    Ich weiß, dass der Weg noch lang ist. Ich bin froh, dass ich die Unterstützung durch meinen Therapeuten habe. Ich brauche das sehr und bin oft erstaunt was ich über mich erfahre. Es ist nur manchmal so, dass ich in manchen Momenten ein Gefühl bekomme als wenn ich auf einem Drahtseil jongliere. Manchmal erfasst mich diese Panik zu fallen. Es macht mir aber Mut, dass diese Momente nicht mehr ganz so heftig und oft auftreten.
    Und wie sagt mein Therapeut, nicht jeder Tag fühlt sich gleich gut an und manchmal ist man einfach traurig oder bedrückt. Das sind andere Menschen auch.

    Ich danke euch für eure Zeit und eure Hilfe

    Eurer Larry

    Hallo liebe mitlesen,

    Erst einmal wünsche ich allen ein gesundes neues Jahr! Ich habe heute morgen den Beitrag eines Schreibers hier gelesen, der nun ein Jahr trocken ist aber eben auch Höhen und Tiefen durchlebt und haarscharf an einem Rückfall vorbei geschlittert ist. Ich bin nun auch seit fast 15 Monaten abstinent und die letzten Tage, dir letzten zwei, waren wieder geprägt durch innere Unruhe und Panik. Das gute ist, ich merke es wird besser, die Abstände größer und auch die Übelkeit nicht mehr so groß. Dennoch belastet mich das sehr. Ich habe oft solche Angst vor einem Rückfall und kann mich in Gedanken dort so sehr reinsteigern. Ich könnte dann heulen und habe solche Angst und Panik, die mir fast die Luft nimmt und mich fast lähmt.
    Ich lese hier oft, dass es eine Reise ist und je zufriedener man mit sich und seinem Leben ist auch die Gedanken an Alkohol abnehmen. Ich bin zufrieden mit meinem Leben. Ich habe einen tollen und sehr liebevollen Mann, einen guten Job und ein schönes Haus mit Garten. Wir haben viele Hobbies und ich bin gern aktiv draußen. Ich mache viel Sport, bin gern in der Natur und mit unserem Hund draußen.

    Ich merke dennoch wie mich der shutdown belastet. Und finde das zugleich unfair da es so viele Menschen gibt denen es schlecht geht. Ich habe ein gutes Leben und frage mich in solchen Situationen was mir fehlt, was ich besser und anders machen kann. Bin ich zu ungeduldig? Bin ich zu unzufrieden?

    In solchen Momenten versuche ich mit meinem Mann zu reden, mir klar zu machen, was ich erreicht habe. Und jetzt schon hilft es mir hier zu schreiben, die Gedanken zu formulieren. Manchmal bin ich schon verzweifelt weil ich gefühlt unter mir selbst leide. Ich frage mich nur warum?
    Ich versuche viel für andere da zu sein, die Familie, die Kinder meines Mannes, für die Freunde. Ich versuche ein guter Mensch zu sein. Ich hoffe sehr diese Unruhe in mir wird irgendwann gehen. Es packt mich manchmal einfach und gibt mir ein Gefühl der Panik und Hoffnungslosigkeit, die ich wenn mein Kopf eingeschalten ist nicht nachvollziehen kann.

    Ist hier jemand der mich verstehen kann, der das kennt?

    Danke euch fürs lesen

    Euer Larry

    Hallo Greenfox,

    danke für deine Nachricht. Ja, ich rede mit meinem Mann darüber - auch gestern. Wir haben am Abend dann noch ausführlicher geredet. Er kennt auch meine Pläne am Montag in die SHG zu gehen und findet das gut. Er ist schon sehr für mich da und ich beziehe ihn auch ein - gerade auch in solchen Momenten.
    Manchmal nimmt er mich dann einfach in den Arm oder wir reden darüber was mir helfen würde - gestern zum Beispiel Termine absagen oder es versuchen...

    Ich versuche schon und zwinge mich auch dazu ihn teilhaben zu lassen, gerade auch in solchen Momenten.

    Liebe Grüße

    Hallo am See,

    Nun schrieb ich Montag, dass die letzte Panikattacke fast anderthalb Monate her ist und nun erwischt es mich heute. Ich war heute morgen mit dem Hund laufen im Wald und daheim beim duschen habe ich es schon gemerkt: unruhe, Angst und ein dickes Kribbeln im Bauch (wie bei Aufregung oder Anspannung). Ich konnte dann auch kaum was essen und es kam wieder Übelkeit und Panik. Auch eine regelrechte Verzweiflung. Blöderweise hatte ich heute wichtige geschäftlich Termine ( zwar per Telkos aber ich musste konzentriert sein). Mein Mann war auch daheim, hatte aber selbst eine wichtige telko, in der er im Lead war. Ich habe mich dann also gezwungen, mich durch das geschäftliche Tun, wo ich selbst mich nicht rausnehmen konnte, abzulenken und habe auch bewusst tief geatmet.

    Es ging dann nach ca. Anderthalb Stunden besser. Aber in dem Moment: Panik pur, in den Momenten muss ich ganz oft an den Alkohol denken und gegen den Wunsch was zu trinken damit das Gefühl aufhört. Ich habe immer das Gefühl ich könne das nicht aushalten. Es ist dann schon ein Kampf.

    Jetzt heute Abend bin ich total platt. Mein Mann sagte auch ich sehe müde aus. Ich verstehe es manchmal nicht: ich gehe wirklich früh zu Bett, bewege mich viel und gut an der frischen Luft, versuche auf mich zu achten und dennoch muss ich mich manchmal so durchkämpfen.

    Die Dankbarkeitsübung mache ich übrigens auch sehr oft, eigentlich jeden Tag denke ich bewusst darüber nach für was ich dankbar bin und schätze. Mir fällt das auch nicht schwer denn es gibt da sehr viel. Heute bin ich dankbar, dass ich den Moment geschafft habe und stark geblieben bin, dass ich den Arbeitstag geschafft habe und heute Abend war ich mit unserem Hund lang noch draußen und habe die Kinder mit ihren bunten Lichtern bestaunt.

    So ein Tag mit so einer Attacke schlaucht mich immer brutal. Ich bin am Freitag wieder bei meinem Therapeuten und werde diese Situation mit ihm besprechen. Ich habe mir das auch heute im Kalender notiert und will beobachten, wie sich das entwickelt. Ich hoffe ich muss nicht mehr so viel eintragen. :-\...

    Ich wünsche euch einen schönen Abend.

    Hallo Am See,

    tatsächlich arbeite ich sehr viel meinem Therapeuten an diesen "vielen Stimmen" die in mir wohnen. Ja der "innere Kritiker" (ich habe ihn Johhny Controlletti getauft) hat bei mir einen groooooße Anteil und hinterfragt eigentlich alles - stets und ständig - privat und beruflich. Er sorgt auch dafür, dass ich ständig in Bewegung bin und ja auch nicht nachlasse. Ich habe früher Leistungssport gemacht und bei mir ist der Leistungsgedanke sehr stark ausgeprägt. Aber ich war und bin überrascht, wie viele andere "Stimmen" noch dazu in mir wohnen - das innere Kind, z.B.

    Mir wird immer mehr bewusst, wann die "Stimme" mit welchen Forderungen auftaucht. Aber auch hier übe ich noch.
    Bezüglich Achtsamkeits-Training: Ja, auch hier probiere ich mich aus. Ich habe Phasen (meist ist es einen Tag ganz besonders schlimm und zwei Tage danach wird es besser), wo es mir auch körperlich schlecht geht. Mir ist dann übel, ich habe ganz viel Unruhe in mir und dann beginne ich Panik zu entwickeln. Das ist das Gefühl wie damals als ich in die Klinik bin, wo es mir ganz schlecht ging. Und wenn es mir so geht (es war das letzte Mal so vor zwei Monaten und davor immer so alle anderthalb Monate) dann kommt der Gedanke: Trink jetzt was, dann geht es dir besser und dann bekomme ich noch mehr Panik. Ich habe dann bislang immer meinen Therapeuten angerufen (der rief dann zurück) und ich bin, um mich abzulenken, mit unserem Hund in den Wald und habe ganz bewusst einen Spaziergang gemacht. Ich versuche dann Laub in die Hand zu nehmen, die Rinde anzufassen, zu riechen und zu spüren (die Temperatur, den Wind - alles). Das hilft mir dann immer und die Panik wird weniger. Überhaupt hilft es mir rauszugehen in die Natur. Auch funktioniert bei mir PMR ganz gut - aber unter Anleitung geht es am besten. Auch rufe ich immer meinem Mann an, der dann meist auch schnell nach Hause kommt und dann einfach da ist wenn ich in Panik verfalle (wie gesagt es kommt nicht jede Woche vor und im Moment habe ich das Gefühl die Abstände werden größer). Mein Therapeut meint, das seien wie so emotionale ZUsammenbrüche. Ich denke dann sofort, ich kann nichts mehr, ich stehe wieder ganz am Anfang und steigere mich rein...

    Manchmal finde ich das alles sehr mühsam aber wenn ich mich dann bei mir selbst beklage muss ich auch in mich hinein lächeln und stelle fest: Mir geht's gut. Mir geht es viel besser und das gefällt mir einfach.

    Ich kann es einfach nicht besser ausdrücken aber so fühle ich es. Vielleicht ist es auch so, dass ich jetzt erst lerne, die Dinge so richtig zu fühlen und Worte dafür zu finden für mich. Dadurch kommt mir alles manchmal auch ganz neu vor. Ich weiß nicht, ob das jemand von euch kennt.

    Danke Greenfox und Am See für eure Antworten und eure warme Begrüßung. Wie fühlt es sich an, das auch mal rauszulassen, fragst du Greenfox? Es fühlt sich gut an. Ich tue mich so schwer damit, mir auch mal selbst auf die Schulter zu klopfen. Es ist eines meiner Themen mit meinem Therapeuten. Irgendwie hat es sich immer so angefühlt, wie, wenn ich es laut sagen würde - könnte es ganz schnell vorbei sein mit dem guten Gefühl und zu viel Eigenlob ist nicht gut und wägt nur in Sicherheit.

    Ich kann sehr streng mit mir sein - und das hat mich auch gerade am Anfang viel beschäftigt. Die Schuldgefühle - die Frage warum ich so lange mich selbst gequält habe und so lange es habe so "hin werden lassen" auf der Reise in den Abgrund... Mit dem Versuch "gut zu mir zu sein" werde ich noch lange üben müssen. Das ist mir bewusst. Auch mit meinem Mann zu reden - über uns, über mich und wie es mir geht muss ich noch üben. Wir sind herrlich gut im organisieren: des Jobs, seiner Kinder (die zur Hälfte bei uns leben), unsers Lebens - dabei vergessen wir gern uns selbst.

    Ich habe auch viel Glück gehabt, dass nach der Klinik auch gleich die therapeutische Anbindung geklappt und - das ist ja auch nicht leicht - ich mich mit ihm sehr wohl fühle. Ich habe in der Klinik viele Leitsätze für mich erarbeitet, die ich mir versuche möglichst jeden Tag in das Gedächtnis zu rufen. Es gibt immer aber oft Momente, wo mich der Suchtgedanke quält. Mittlerweile nicht mehr so oft.

    In der Klinik sagte meine Therapeutin immer: und dann fühlen Sie mal in sich hinein - und ich dachte: Was soll der Quatsch? Was soll ich denn da fühlen... Jetzt mit der Zeit fühle ich tatsächlich Dinge und zwar ganz bewusst. Darüber bin ich glücklich.

    Dennoch habe ich auch Angst und Sorge weil ich manchmal so viel denke. Ich glaube manchmal ich denke zu viel. Ich bin ein unheimlich viel grübelnder Mensch und muss über alles nachdenken - was war, was ist und was werden wird. Auch über meine Sucht denke ich viel nach. Das belastet mich manchmal sehr und ich rede viel mit meinem Therapeuten und auch mit meiner Suchtberaterin darüber, wie schwer es mir fällt das Grübeln zu durchbrechen.

    Durch den Austausch hier erhoffe ich mir auch ein wenig, die Dinge mal "rauszulassen" - vielleicht auch mal aus meinem Kopf hier reinzuschreiben und dann sind sie hier drin und raus aus meinem Kopf. Ähnliches erhoffe ich mir auch von nächsten Montag wenn ich in die SHG gehe. Ich bin da sehr gespannt drauf, ob es ein weiterer Baustein werden kann auf "meiner Reise"...

    Danke für eure Zeit

    … liebe Mitleser. Ich bin seit ca. 10 Monaten ein "stiller" Mitleser und ziehe dennoch aus den Diskussionen hier wichtige Erkenntnisse für mich und viele hilfreiche Impulse. Zu mir: Ich bin nun seit ca. 13 Monaten trocken. Ich habe keine klassische Langzeittherapie oder ähnliches gemacht sondern bin irgendwie über andere "Umwege"? zu der Abstinenz gekommen. Dass mit meinem Alkoholkonsum etwas nicht stimmt oder es sich in eine sehr bedenkliche Richtung entwickelt hat, war mir schon länger klar. Nur, wie bei vielen Süchtigen wollte und konnte ich mich dem nicht stellen.
    Ich bin 39 Jahre alt, haben einen sehr guten Job, der mir wirklich Freude macht, bin verheiratet mit einem wunderbaren Mann. Ich habe von außen betrachtet alles - schönes Haus, guten Job, finanziell geht es uns auch gut. Die letzten vier Jahre bevor mein "Zusammenbruch" kam, habe ich sehr viel gearbeitet - eigentlich nur noch gearbeitet. Ich war sehr viel unterwegs und berufsbedingt oft fünf Tage auf Dienstreise. Immer mehr kam dann in den Jahren der Alkohol dazu. Meist abends um vermeintlich fitter, konzentrierter zu sein und es wurde zum Selbstläufer. Ich habe völlig die Kontrolle über meinen Konsum verloren und brauchte immer mehr. Die Arbeit wurde auch immer mehr - ich war nur noch weg. Manchmal sogar froh darüber da ich dann einfach auch trinke konnte wie ich wollte. Parallel bin ich aber auch sehr aktiv - laufe viel und mache sonst viel Sport mit meinem Mann oder allein. Auch das wurde mir dann zu viel - natürlich war ich auch körperlich bald nicht mehr so dazu in der Lage. Schlechter Schlaf, Kater - ich fühlte mich einfach nicht mehr wohl in meiner Haut. Im Nachhinein weiß ich nicht was zuerst da war - die vielen Forderungen im Geschäft, der Alkohol und damit der Drang leistungsfähiger zu sein...? Ich hatte letztes Jahr im Sommer völlig den Draht zu mir verloren. Mir war nur noch schlecht - ich konnte kaum noch etwas essen, war unausgeruht und emotional völlig überfordert. All dies hielt ich bis zu meinem Zusammenbruch vor meinem Mann geheim - ich wollte irgendwie immer funktionieren. Heute weiß ich nicht mehr warum. Im August ging es dann nicht mehr - ich bin in eine Klinik (wir haben die hier bei uns im Ort), von einem Tag auf den anderen. Ich war der Meinung - Burnout - doch in der Klinik wurde durch meine Blutwerte klar, dass ich ein massives Alkoholproblem habe, ein Suchtproblem habe. Ich war dann zur Sicherheit zwei Tage auf der Suchtstation (die Tage waren schlimm). Dann war ich vier Wochen in Therapie aber ich war einfach nicht so weit, wirklich hin zu schauen (heute empfinde ich das so). Ich wollte einfach wieder arbeiten gehen, wollte mein Leben zurück.
    Ich war dann im September drei Wochen wieder arbeiten und ich packte es nicht mehr - griff wieder zum Alkohol und war dann wieder im Oktober in der KLinik (Akutstation). Dann hat es irgendwie "Klick" gemacht. Mir war plötzlich klar - ich kann so nicht mehr weitermachen. Ich kann nur durch Abstinenz meine vielen Probleme und Themen angehen. Und ich war auch so weit zu sagen: Ich bin auch bereit, meinen Job in Frage zu stellen und ich nehme mir jetzt Zeit so lange wie es dauert. Ich war dann vier Wochen in der KLinik bis Mitte November 2019. Dann war ich bis Januar daheim (hatte viele Hausaufgaben mitbekommen) und im Januar nochmal drei Wochen geplant in der Klinik. Seit März arbeite ich wieder und arbeite weiter an mir Ich bin wöchentlich bei meinem Therapeuten und einmal im Monat bei meiner Suchtberaterin. Ich möchte euch allen danken - ich habe viele eurer Beiträge gelesen. Gerchla, Greenfox etc. - ihr leistet hier viel Hilfe und dafür möchte ich mich bedanken. Vieles verstehe ich in mir immer noch nicht. Ich habe auch sehr große Angst vor einem Rückfall. Bislang habe ich durch die vielen Instrumente, die ich mir mit meinem Therapeuten erarbeite, auch schon viele schwierige Situationen bewältigen können. Mein Mann steht komplett hinter mir - ich kann mit ihm mittlerweile sehr gut reden und muss das auch tun. Ich habe viel zu viel in mich hinein gefressen, um zu funktionieren. Es fällt mir manchmal noch schwer, Gefühle auszuhalten und auch klare Grenzen zu ziehen - im Beruflichen und auch privat. Es ist eine stetige Reise, die mich immer mehr zu mir bringt. So empfinde ich es. Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Chance bekommen habe und ich möchte sie gern nutzen.
    Ich war gestern bei meiner Suchtberaterin. Ich habe ihr des Öfteren erzählt, dass ich in dem Forum lese und versuche Dinge zu verstehen (warum geht es mir gerade so, ist das normal... etc.). Sie riet mir, mich doch auch mal aktiv einzubringen und auch mal eine SHG zu besuchen. Die SHG will ich nächsten Montag das erste Mal besuchen. Heute nun das erste Mal eine Vorstellung meinerseits.

    Mir ist bewusst, dass ich auf mich aufpassen muss und ich sehe auch, dass das vergangene Jahr - trotz all der Fragen, die ich für mich beantworten musste - ein wunderschönes war. Ich genieße es, abstinent zu leben und einen klaren Kopf zu haben. Gerchla hat es mal beschrieben, dass das erste Jahr geprägt war für ihn von den vielen Themen, die ihn beschäftigt haben - auch mir geht es so. Manchmal - zum Beispiel letztes Wchenende - merke ich, dass sich die Sucht in mir meldet und sagt "He - ich bin da. wie sieht es aus mit uns beiden?". Ich versuche in den Momenten das anzunehmen und den inneren Dialog zu führen und auch zu hinterfragen, warum der Gedanke plötzlich aufkommt. Was steckt dahinter. Ich habe viele Dinge verändert: Ich reise weniger - weil ich es nicht mehr will, weil ich gern daheim bin, weil ich diese Sicherheit brauche. Ich mache viel Sport. Ich bin gern und viel in der Natur mit unserem wunderbaren Hund, den wir seit einem Jahr haben. Ich verbringe bewusster Zeit mit meinem Mann - ich versuche zu verstehen, was ich will, wer ich bin und warum ich so bin und viel wichtiger: Ich habe gelernt, dass ich ein guter Mensch bin, dass ich es wert bin geliebt zu werden. Und das ist ein Prozess, den ich ganz bewusst wahrnehme und bei dem ich viel Unterstützung durch meinen Therapeuten erfahre.

    Das war jetzt sehr viel und ich hatte nun einfach mal den Gedanken: jetzt schreib doch mal. Jetzt zeig dich doch mal. Hab ich lange vor mir her geschoben. Vielen Dank vorab fürs Lesen. Und nochmals danke an alle, die in den letzten Monaten mit ihren Beiträgen mir geholfen haben. Vielleicht - so war auch mein Gedanke - kann ich auch jemandem mit meinem Beitrag helfen.