Meine Geschichte

  • Schon längere Zeit lese ich hier mit, habe aber noch keinen Beitrag verfasst. Möchte gleich anmerken, ich bin sechzig Jahre alt, habe eine Frau, erwachsene Kinder und auch Enkelkinder. Vom Typ her bin ich ein sehr umtriebiger Mensch mit einigen ehrenamtlichen Funktionen. Nun denke ich, ist es soweit und ich schreibe meine Geschichte mal auf! Wie soll ich anfangen? Mit 15 kam ich das erste Mal mit Alkohol in Kontakt. Schon bald merkte ich, das Zeug macht locker und beschwingt, man sieht alles nicht mehr so eng um sich herum. Als jugendlicher besuchte ich Diskotheken und bevor ich mich auf die Tanzfläche wagte oder ein Mädchen zum Tanz aufforderte, brauchte ich ein paar Schlucke und alles lief wie geschmiert. Filmrisse wurden immer häufiger. Ich lernte einen handwerklichen Beruf und da gab es schon immer mal sogenannte Richtfeste oder Einweihungen und da wurde natürlich auch so richtig zugelangt. Mit Anfang zwanzig heiratete ich, unsere Tochter wurde geboren und ein Häuschen gebaut. Der Alkoholkonsum nahm zu und meistens Samstag nach getaner Arbeit saßen wir zusammen und der Alkohol war unser bester Freund. Kurze Zeit nach dem Einzug verließ mich meine Frau. Grund, DER ALKOHOL! Ich lernte meine zweite Frau kennen und diese hinterging mich mit anderen Partnern. Für mich ein Grund mich von ihr zu trennen. Meine Arbeit verrichtete ich ohne Beanstandungen, aber wenn das Wochenende kam, dann hatte mich der Alkohol in Griff. Er sagte mir wo es entlang ging. dazu kam noch ich war allein und der Kneipenstammtisch war ein "geselliger Ort". Es dauerte nicht lange und ich lag im Krankenhaus zur Entgiftung. Danach schwor ich mir nie wieder einen Tropfen Alkohol anzugreifen. Es war eine Frage der Zeit und ich lag wieder im Krankenhaus zur Entgiftung. Meine Arbeit hatte ich verloren, da Betriebe nach der Wende aufgelöst wurden. Anfang 2000 lernte ich meine jetzige Frau kennen, sie ist ein herzensguter Mensch, manchmal denke ich zugut für mich. Mit ihrer Hilfe, dem Blauen Kreuz und der Hilfe von Therapeuten gelang es mir 2003 vom Alkohol loszukommen. Im Jahr 2007 gab es einen Rückfall der aber sofort behandelt wurde und ich wieder der alte war, also ohne Alkohol mein Leben bestritt. Jahre später kamen dann aber so "kleine" Delikte dazu. Ein Bier, manchmal auch zwei kleine Flaschen Sekt. Aber immer zeitliche Abstände von ein paar Wochen dazwischen. 2015 hatte ich dann einen Rückfall der sich ein paar Tage hinzog. Schlagartig aufhören ging nicht, ich brauchte ein paar Tage und habe dabei die Alkoholmenge immer mehr reduziert bis ich auf null war. Dann ging es mir ca. 10 Tage so richtig schlecht. Alpträume, depressive Verstimmungen, Übelkeit usw. . Ich schwor mir, nie wieder so einen Absturz. Dabei ist es auch geblieben, aber nach einen halben Jahr habe ich mich verleiten lassen, obwohl ich weiß, ein Schluck und du bist wieder im Geschäft.
    Aber es passierte nichts. Den Piccolo habe ich vertragen und bestimmt 4 Wochen verspürte ich kein Verlangen nach Alkohol. Dann aber dachte ich so bei mir "naja, kannst ja wieder einen Schluck Sekt trinken". Das hat sich nun gesteigert. Nicht wesentlich in der Menge, aber aus den 4 Wochen ist eine Woche geworden. Ist es Freitag dann hohle ich mir 1-2 Piccolo trinke diese und habe für 5 Minuten einen kleinen Kick und das war's. Eigentlich lächerlich und man könnte sagen dann lasse es doch einfach. Aber das ist eben mein Schwachpunkt. Nun habe ich aber das Gefühl, das der Alkohol mich beherrscht. Ganz aufzuhören habe ich versucht. Nach 4 Wochen beherrscht mich der Gedanke an Alkohol so, dass ich ständig daran denken muss. Ich kann mich noch daran erinnern wie schön es war nichts zu trinken, wie in den Jahren wo ich abstinent lebte. Ich erinnere mich noch an damals, ich ging aus unseren Garten nach Hause, es war ein herrlicher Tag, ich erfreute mich an der Natur und sagte zu mir im Innersten, wie schön ist das Leben ohne Alkohol. Das Gefühl möchte wiederhaben. Bis jetzt konnte ich es immer vor meiner Frau verbergen. Sie hat noch nie was mitbekommen. Sie zu belügen macht mich zusätzlich noch fertig. In letzter Zeit habe ich auch samstags getrunken, aber immer so das nie jemand etwas mitbekommt.
    Nun wiest ihr wie es um mich bestellet ist und hoffe auf regen Gedankenaustausch.

  • Hallo Thomas,

    ich grüße dich freundlich. Schön, dass du dir "dein Geheimnis" von der Seele geschrieben hast. Evtl. ist es nicht so geheim, wie du denkst, vielleicht "riecht deine Familie schon länger den Braten" und sorgt sich um dich.

    Da wir beide die gute Arbeit vom Blauen Kreuz kennen (ich war auch lange dort Besucherin, bin seit 2007 zufrieden trocken) hoffe ich, dass du bald den Mut findest, deine alte Gruppe wieder zu besuchen. Sie werden dich herzlich aufnehmen, da bin ich sicher!

    Und bis dahin tut es dir sicher gut, hier zu lesen und auch gern zu schreiben. Du bist nicht allein. Ich bin selbst erst seit zwei Tagen hier, aber über Silvester wurde mir sehr gut geholfen.

    Netten Gruß,

    ichso

  • Hallo ichso,

    danke für deine nette Begrüßung und die lieben Worte, die du mir geantwortet hast. Wie ging es dir bzw anderen, wenn man in die Abstinenz einsteigt? Bei mir ist es so, den ganzen Tag komme ich gut klar. Habe immer genug Ablenkung und der Gedanke an Alkohol quält mich kaum. Besser gesagt lässt mich in Ruhe. Aber abends beim Fernsehen und dann wenn wir schlafen gehen wünsche ich mir einen Schluck trinken zu können. Es macht sich so eine Leere und Interessenlosigkeit um mich breit. Meist stehe ich das durch, aber nach einer Woche dann packt es mich und ein oder zwei Piccolo trinke ich dann.
    Ich hoffe , ich konnte mich verständlich ausdrücken.

    LG Thomas

  • Hallo Thomas,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum.

    Ich bin 50 Jahre alt, Alkoholiker und trinke jetzt schon lange keinen Alkohol mehr.

    Habe ich das jetzt richtig verstanden: Du trinkst seit 2015 (in etwa) einmal in der Woche, immer freitags, 1-2 Piccolo und sonst überhaupt nichts?

    Phuuuu, das machst Du dann ja jetzt schon seit 4 Jahren so. Keine Steigerung? Keine Ausnahmen wo's doch mal mehr wurde? Kein Verlangen, nach den Piccolos gleich noch ne ganze Flasche Sekt folgen zu lassen?

    Die Fragen mögen Dir blöd erscheinen aber das was Du da über Dein Trinkverhalten schreibst, ist für mich nicht alltäglich. Würde man jetzt mal ganz neutral, ohne Deine Suchtgeschichte, darauf blicken, dann stellt das ja ein gänzlich unkritisches Trinkverhalten dar. Das einzige was spontan kritisch erscheint, ist die Tatsache, dass Du es heimlich machst, also Deiner Frau verheimlichst. Heimliches Trinken ist, wie wir ja wissen, ein Indikator für ein Suchtproblem. Wobei das Verheimlichen in Deinem Falle aus der Angst heraus zu kommen scheint, dass Deine Frau wiederum in die Angst verfallen könnte, Du hingest erneut an der Flasche.

    Lieg ich da richtig oder total falsch?

    Selbstveständlich, da gibt es nichts zu diskutieren, wäre es für Dich allerbesten, einfach auf diese zwei Piccolo zu verzichten und überhaupt gar keinen Alkohol mehr zu trinken. Warum Dir das nicht gelingt, kann ich Dir natürlich nicht beantworten. Denn wenn Du das seit Jahren machst und seit Jahren "nur" diesen kurzen "Flash" hast aber nicht nach einem längeren, häufigeren oder gar dauerhaften "Flash" gierst, dann lässt mich das schon einigermaßen ratlos zurück. Und Dich ja scheinbar auch. Denn ob Du jetzt diese 5 Minuten einmal die Woche hast oder nicht, im Grunde ist das doch völlig egal.

    Frage ist also: Was bringt Dir das? Und warum hast Du nach 4 Wochen ohne den freitäglichen Piccolo derartige Entzugsgedanken....?

    Also, meine Gedanken dazu:

    Das könnte eine hochgefährliche Geschichte für Dich sein. Zwar funktioniert es ja jetzt schon sehr lange so und das Niveau ist ja absolut im unkritischen Bereich. Jedoch sieht es ein wenig so aus, als würde sich da die Sucht auf niedrigster Flamme nebenher am Köcheln halten. Was Du ja aber auch so zu erkennen scheinst. Und die Sucht wartet wohl einfach nur ganz geduldig darauf, mal wieder richtig zuschlagen zu können. Sie wartet einfach darauf, dass sich bei Dir irgendwas tut. Da ist vieles denkbar, eine Reihe von schlechten Nachrichten die Dich ereilen, vielleicht mal größeren Ärger mit Deiner Frau, vielleicht gesundheitliche Probleme die Dich aus der Bahn werfen, etc. Die Sucht steht bereit, denn sie war / ist ja immer da und hat ihre kleinen Freitagstermine bei Dir.

    Wahrscheinlich nichts besonders spannendes was ich Dir da jetzt geschrieben haben. Das werden auch Deine Gedanken sein, sonst wärst Du ja nicht hier. Was tun, das ist die Frage.

    Ich würde Dir raten, offen mit Deiner Frau darüber zu sprechen. Gleich mal als ersten Schritt. Und ihr auch sagen, dass Du diesen einen (zwei) Piccolo nicht mehr trinken möchtest. Ich würde auch bei dieser geringen Menge das gleiche "Programm" durchziehen, dass ich bei der 10 oder 100 fachen Menge als angeraten empfinden würde. Denn es ist ja so: Nicht die Menge entscheidet ob man süchtig ist, sondern die Tatsache ob man trinken muss oder nicht. Und Du scheinst trinken zu müssen und hälst es nicht länger als 4 Wochen ohne aus.

    Also das ist für mich wirklich nicht alltäglich was Du schreibst. Aber ich finde es sehr gut, dass Du das ernst nimmst und etwas dagegen unternehmen möchtest. Vielleicht klappt es ja, wenn Du wirklich alle Register ziehst, so wie es eben bei 2 Flaschen Sekt pro Tag auch der Fall wäre. Und, vielleicht versuchst Du auch mal zu ergründen, warum Du die Leere spürst, diese Interessenlosigkeit, wie Du es selbst beschreibst. Darin könnte grundsätzlich ein Schlüssel für Dich liegen. Denn das scheinst Du ja dann durch Alkohol ändern zu wollen. Vielleicht ist da etwas grundsätzliches, dass an Deinem Leben für Dich nicht so richtig stimmt. Das Du dann aus dem durch die Sucht erlerntem Wissen mit Alkohol zu kompensieren versuchst. Wobei dann aber Dein Wille und Dein Verstand dafür sorgt, dass Du nach 2 Piccolo schluss machst und sozusagen über die Sucht siegt. Aber wie gesagt, damit köchelt sie eben so vor sich hin, die Sucht....

    Es müsste der Grund weg, weswegen Du meinst diese zwei Piccolo trinken zu müssen. Wenn Du den findest, ihn beseitigst oder Dir anderweitig "ein gutes Gefühl" verschaffen lernst, dann werden diese Piccolos Geschichte sein. Für mich waren damals die Beantwortung ganz grundsätzlich Fragen sehr wichtig. Das waren Fragen wie: wer bin ich und wer möchte ich eigentlich sein? Was erwarte ich (noch) von mir und meinem Leben? Was für ein Mensch möchte ich sein? Was ist der Sinn meines Lebens bzw. welchen Sinn möchte ich meinem Leben geben? Und: Was ist für mich eigentlich Glück? Wie muss mein Leben aussehen, dass ich sagen kann, ich führe ein glückliches Leben?

    Bei der Beantwortung dieser Fragen (und noch einiger mehr) wurde mir die Bedeutungslosigkeit des Alkohols immer wieder und immer deutlicher bewusst. Das war natürlich ein Prozess und es hat gedauert und ich habe mein "Ziele" auch immer wieder korrigiert. Aber alleine das darüber nachdenken, über solche Fragen, haben mir bewusst gemacht, dass mir bei keinem dieser Ziele der Alkohol in irgendeiner Form helfen kann, dass er mich im Gegenteil daran hindert sie zu erreichen. Dass er einfach nicht wichtig ist in meinem Leben. Und dann war jeglicher Wunsch Alkohol trinken zu wollen weg. Wirklich weg, auch in Ausnahmesituationen oder in Situationen, bei denen ich positive Erinnerungen bezüglich Alkohol habe ( die gibt es nämlich auch und gar nicht so wenige).

    Also, das waren jetzt mal meine Gedanken. Vielleicht ist was für Dich dabei.

    Allles Gute und ich wünsche Dir, dass Du einen Weg finden wirst.

    LG
    gerchla

  • Hallo Thomas,

    vorab: ein sehr guter Beitrag von Gerchla :) In meiner BK-Gruppe war mal Thema: Hinter jeder Sucht steckt eine Sehnsucht...

    Und Ehrlichkeit gegenüber deiner Frau empfinde ich auch als sehr wertvollen Schritt in die richtige Richtung - nur Mut :)

    Nun zu deiner Frage an mich: Ich habe drei Suchtmittel entzogen und jedes war die Hölle, tatsächlich... Hatte mich aber vorab informiert und mir einen Notfallplan groß an die Wand gehängt.

    Ein Beispiel: Bei Nikotinentzug empfahl man damals z.B. einen Schluck Wasser zu trinken, oder bis 10 zu zählen.

    Beim Alkoholentzug hat mir am besten laufen geholfen. Wenn ich zu schlapp war rauszugehen, bin ich eine halbe Stunde von Küche zu Wohnzimmer und wieder zurück marschiert, also sozusagen im Kreis.

    Und bei den Drogen hatte ich eine Lederjacke auf dem Flohmarkt gefunden und nahm "einen alten Traum" als Motivation. Ich dachte, wenn ich aufhören zu kiffen, kann ich mir den Mopedführerschein leisten. Das hat leider nicht geklappt, aber ich bin seit über 17 Jahren drogenfrei, yesss

    Lange Rede, kurzer Sinn: Man/frau beschäftigt sich ja meist vor dem Entzug mit dem Entzug, wie du das hier auch tust. Und ich glaube, es klappt am besten, wenn man/frau sich von allen Ratschlägen (die ja auch Schläge sein können!) die raussucht, die am vom Gefühl her am besten zu einem selbst passen.

    Ich drücke dir fest die Daumen!!

    Netten Gruß,

    ichso

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