Ich bin Co. - ratlos und mittendrin - Hilfe

  • Liebe Ira Jean,

    wenn Gerchla schreibt …

    Zitat

    dass ich als Alkoholiker wahrscheinlich die gleichen Schwierigkeiten habe einen Co-Abhängigen zu verstehen, wie die Co-Abhängigen Schwierigkeiten haben das Verhalten der nassen Alkoholiker zu verstehen.


    .. dann möchte ich Dir aus meiner Sicht als trockener Alkoholiker darüber meine Gedanken nahebringen: Ich sehe mich heute, als trockener Alkoholiker, immer wieder in großer Gefahr auf die andere Seite, also die Co-Abhängigkeit zu switchen. Und durch meine vielen Kontakte in der Selbsthilfe weiß ich, dass ich diesbezüglich nicht alleine bin.

    Aus aktuellem Anlass eine Begebenheit: Vor zwei oder drei Wochen klingelte es spät abends an meiner Tür. Draußen stand mein ehemals bester Freund und bettelte mit weinerlicher Stimme: „Bitte, bitte Dietmar, mach mir auf! Helf mir bitte, ich weiß ohne Dich nicht mehr weiter.“
    Mein Glück in der Situation war, dass ich durch seine Ex-Lebensgefährtin vorgewarnt war. Sie hatte mir berichtet, dass er inzwischen obdachlos sei und angedeutet hätte, dass er „auch bei mir vorbeikommen würde“. Vermutlich allein diese Information hat mich richtig reagieren lassen.
    Ich wies ihn am Türtelefon ab, und als er weiter jammerte, drohte ich, die Polizei zu rufen. Da gab er auf und ging.
    Ich blickte ihm dann vom Fenster hinterher. Ein furchtbarer Anblick für mich: Völlig verdreckt und heruntergekommen, schwankend, wie ein Schilfrohr im Wind. Die verdreckte Jeans hinten voller Kot und an den nackten Füssen Schlappen, die eher Fetzen waren. Aber hinten in der Jeans hatte er umgedreht eine Weinflasche stecken, sodass man den halben Arsch sah.
    Seine Ex-Lebensgefährtin berichtete mir dann, dass sie, die erst im vergangenen Jahr in dem Wirtschafts-Ballungszentrum hier eine Wohnung gefunden hatte, wegen ihm erneut ad hoc umziehen musste, weil er ständig am Haus randalierte, und sogar in deren Garten geschissen hat. Die Polizei nahm ihn ein paar Mal mit, aber insgesamt sagten sie zu ihr, dass sie erst richtig etwas unternehmen können, wenn er ihr gegenüber tätlich werden würde.

    Es ging mir nach seinem Besuch richtig schlecht. Ich war hin und hergerissen. Regelrecht gespalten, trotz all dem Wissen über die Sucht, das ich habe. Trotz vieler ähnlicher bis gleicher Fälle, die ich so oft als Außenstehender miterlebt habe.
    War meine Reaktion wirklich die richtige gewesen? Hätte ich nicht doch „noch einmal“ versuchen sollen, ihn dazu zu bewegen, dass er Hilfe annimmt. Trotz vier oder fünf erfolgter Langzeittherapien, trotz allem, was ich von ihm wusste, dass er – vermutlich gar nicht mehr Herr seiner Sinne, sondern einzig vom Alkohol und der Sucht diktiert – nur noch log, leere Versprechungen machte und seine Sucht mit gutgemeinter Hilfe anderer am Lauf hielt?

    Bestimmt 2 oder 3 Nächte habe ich deswegen richtig schlecht geschlafen. Immer wieder drehten sich meine Gedanken um ihn, der mal mein bester Freund gewesen war.
    Ich habe mir zu diesem Dilemma Hilfe bei meiner Suchtberaterin geholt, und mit ihr ausführlich über „diesen Fall“ gesprochen. Das hat mir sehr geholfen!
    Und genauso, wie Gerchla schreibt, dass es ihm bei seinen Gedanken zu Deiner Situation nicht um Deinen Ex-Partner geht, sondern einzig um Dich, genauso hat mir meine Therapeutin geholfen. Wir fanden gemeinsam heraus, was es bei mir war, das mich so mit dem Problem meines Ex-Freundes herumtrieb und nicht zur Ruhe kommen ließ.

    Ira Jean, egal wie schwer es für Dich ist: Such Dir bitte professionelle Hilfe über das Forum hier hinaus!

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