Erfahrungen

  • Hallo. Ich bin neu hier und gerade ziemlich down.
    Mein Freund ist Alkoholiker. Ich weiß es. Er weiß auch das er ein Problem hat, sagt aber immer er sei nicht krank...
    Wir sind seit über 2 Jahren zusammen. Richtig bewusst wurde mir das er krank ist, im gemeinsamen Urlaub als wir gerade mal 10 Monate zusammen waren. Vorher wurde ich auch darüber informiert von seinem Chef. Ich glaubte ihm natürlich nicht. Damals wohnten wir auch noch nicht zusammen. Ich wurde dann schwanger und redete mir ein das dann alles besser wird. Wurde es natürlich nicht. Es würde mehr und schlimmer. Jeden Abend...Vodka...Klaren...Bier....
    Ich sagte ihm das ich das nicht dulde in meiner Wohnung und generell nicht. Schon allein wegen meinem großen Sohn. Er machte es heimlich draußen vor der Tür. Flaschen versteckte er in Büsche etc.
    Darauf angesprochen leugnete er natürlich alles. Leute aus dem Haus bemerkten es auch schon.
    Schon bei unseren ersten Date hätten meine Alarmglocken läuten müssen...seine Hände zitterten. Dumm wie ich war dachte ich das er nervös sei. Nein. Freunde von ihm verrieten mir das er schon früher ein Problem damit hatte.
    Naja.
    Ich fing an draußen vor dem Haus "auf zu räumen"...schwanger...
    Ich erfand ausreden....für ihn...für mich...
    Selbst als er anfing durch den Alkohol ein zu nässen.. .
    Ich wusste das es ihm peinlich war...also machte ich es sauber...immer und immer wieder...kaufte Nässeschutz für die Matratze...mehre...wegen auswechseln...dann für die Couch...
    Ich mache es weg ohne ein Wort. Er versprach aufzuhören. Schaffte er auch 2 Tage. Dann alles von vorne. Dann fing es an das er anders würde unter Alkohol. Gemeiner. Misstrauischer. Eifersüchtig. Egoistischer. Egal-Laune. Lies sich gehen vom Erscheinungsbild.
    Ich redete immer wieder auf ihn ein. Dann hieß es er trinkt wegen mir. Weil ich anders geworden bin. Kälter.
    Ich bin einfach automatisch distanzierter wenn er trinkt. Ich weiß nie wie er auf irgendwas reagiert.
    Als das Baby kam war er dabei, aber am Vorabend natürlich getrunken. Als wir aus dem Krankenhaus durftennach der Geburt kam er uns nicht abholen. Er lag betrunken auf der Couch und schlief seinen Rausch aus.
    Ich kam nach Hause und durfte als erstes die "Couch" reinigen...
    Mittlerweile hat sich alles eingespielt mit decken, säubern und für ihn lügen bezüglich trinken. Ich habe 2 Kinder und mit ihm 3. Vor meiner Mutter verteidige ich ihn immer noch. So langsam bin ich aber mit meiner Gedult am Ende. Letztes Jahr wurde bei mir MS diagnostiziert. Stress ist Gift für mich. Nächsten Monat fange ich mit den Medikamenten an. Ich bräuchte seine Hilfe und Verlässlichkeit. Ich könnt heulen.
    Ich weiß das ich alles falsch gemacht habe, was man nur falsch machen kann.
    Aber ich Liebe ihn und will ihn nicht verlieren. Die Kinder den Vater nicht. Und ich habe Angst das es sein Ende ist wenn wir ihn verlassen. Ich hatte vor 15 Jahren einen Freund der zu viel getrunken hat. Ich trennte mich von ihm und er nahm sich an diesem Tag das Leben. Das kann ich nicht vergessen und denke genau das passiert wieder. Und ich bin schuld....
    Vor 2 Wochen habeich es endlich geschafft das er mit mir zum Arzt geht. Ziel: Einweisung zur Entgiftung. Und Check up wegen starken Gewichtsverlust.
    Hat funktioniert. Termin mit Klinik ausgemacht....ich natürlich...er total ausgeflippt....
    Er kann da nicht. Hab ihn vor die Wahl gestellt. Klinik oder unser Aus. Hin und her ging es. Habe am Montag den Schritt gewagt und habe mit seinem Chef geredet und um Unterstützung gebeten. Er weiß Bescheid und musste ihn sogar mal völlig betrunken und etc aus meiner Wohnung raus holen, weil ich Angst hatte und nicht mehr weiter wusste. Nun ist alles geklärt und am 3.4. geht er in die Klinik. Mein Kopf glaubt nur nicht daran. Ich denke er macht einen Rückzieher. Für mich ist es ein Neuanfang mit ihm nach dieser Zeit. Jetzt frag ich mich ob das wirklich funktionieren kann. Die Abstinenz. Das Vergessen und Vergeben. Ob wir uns wieder an nähern als Paar.
    Ich glaube jetzt kommt erst alles an/ raus bei mir.
    Ich weiß das das alles bestimmt völlig durcheinander geschrieben wurde, aber ich musste alles mal los werden. Meine Seele frei reden. Und natürlich fragen ob es möglich ist...das verzeihen und vergessen

  • Guten Abend Luzy,

    einen großen Schritt hast Du schon getan – und deswegen von mir ein herzliches Willkommen im Forum!

    Zitat

    Meine Seele frei reden. Und natürlich fragen ob es möglich ist...das verzeihen und vergessen

    Ich bin trockener Alkoholiker, also Suchtkranker und kann deswegen nur aus meiner Sicht heraus schreiben: Ob Angehörige jemals vergessen können, was ich damals im Suff alles angestellt habe, wie ich sie verletzt habe, usw. – ich weiß es nicht. Ich glaube aber eher nicht. Weil ich selbst es ja auch niemals vergessen werde.
    Ob sie mir jemals verzeihen können? Möglich, ja, ich glaube sogar, aufgrund ihrer Liebe, dass sie es können. Aber nur dann, wenn ich ihnen für sehr, sehr lange Zeit zeige, dass ich abstinent, und indem ich meine Sucht zum Stillstand gebracht habe, in Wirklichkeit nicht der Mensch bin, der ich war, als meine Sucht sich austobte.

    Es ist eine Bringschuld, die ich habe. Keine, die meine Freunde und oder meine Angehörige haben. Niemand außer mir selbst ist daran schuld. Niemand hat mich gezwungen zu saufen. Sie alle haben mir unglaublich viel Vertrauensvorschuss geschenkt, den ich verspielt habe. Trotzdem haben sie mir immer und immer wieder eine Chance gegeben, die ich nicht zu schätzen wusste.

    Ich weiß aus langer Erfahrung (in meiner Abstinenz), dass es für Angehörige unglaublich schwer ist „loszulassen“. Einzusehen, dass sie absolut nichts tun können, um die Sucht ihres Partners zum Stillstand zu bringen, wenn er es selbst nicht will.
    Sie können nur eines tun: Sich selbst und ihr Leben retten. Helfen können sie nur, indem sie ihm (dem Suchtkranken) nicht mehr helfen. Ihn in seinem nassen Elend alleine lassen, sodass er die vollen Auswirkungen seines Handelns zu spüren bekommt.

    Das klingt unheimlich hart und herzlos. Ist es aber nicht. Es ist sogar anders herum: Solange Angehörige wie Du dem Süchtigen immer und immer wieder helfen, hat er überhaupt keinen wirklichen Grund mit seinem Saufen, seiner Sucht aufzuhören.
    Weil Süchtige nur eine Liebe haben: Ihren Stoff, ihren Alkohol, ihre Drogen usw. …
    Daneben bist Du völlig machtlos. Du bist im besten Fall die Krankenschwester, die ihn säubert, wenn er sich einnässt, die Köchin, wenn er denn mal was neben dem Alkohol essen möchte, die Putzfrau, die seine Kotze wegputzt, die Managerin, die seine Finanzen und seine schriftlichen Belange in Ordnung hält, und die Ausreden-Finderin, wenn mal wieder besoffen im Eck liegt, statt zur Arbeit zu können. Du bist nichts weiter als das Werkzeug, das ihm hilft seine Sucht aufrechtzuerhalten. Mehr bist Du nicht – und mehr wirst Du nie sein, solange seine Sucht in ihm tobt.

    Das Einzige, das Du wirklich tun solltest: Für Dich sorgen! Und für Deine Kinder!
    Indem Du so schnell wie möglich die Hilfe annimmst, die Angehörigen von Suchtkranken angeboten wird. Zum Beispiel bei den Suchtberatungen.
    Wenn Du wirklich wieder einen „Normalzustand“ für Dich herstellen willst, dann musst Du Deine eigene Verstrickung in seine Suchtgeschichte verstehen lernen – und vor allem Deine „Krankheit“, die Co-Abhängigkeit in voller Tragweite erkennen.
    Co-Abhängigkeit ist genauso eine Krankheit wie Alkoholismus (die Sucht). Co-Abhängigkeit benötigt genauso eine therapeutische Behandlung, wie die Sucht. Co-Abhängigkeit benötigt dazu mindestens so viel Zeit, um sie auch zum Stillstand bringen zu können, wie die Sucht.

    Auch hier ist Hilfe nur möglich, wenn Du als Co-Abhängige, ein Einsehen in Deine Krankheit bekommst – und Hilfe annimmst. Genauso wie beim Süchtigen erreicht man nichts, wenn die Betroffenen nicht wollen, und ihre Krankheit weit von sich weisen.
    Dass Dein Ex-Freund sich umbrachte ist traurig. Aber Du hast nicht ein bisschen Schuld daran. Süchtig sind spitze darin, dass sich alle um sie herum schuldig fühlen, weil sie saufen müssen, weil es ihnen schlecht geht, weil sie nichts auf die Reihe bekommen.
    Tatsächlich sind sie ganz allein für ihr Leben verantwortlich, wie Du für Deines verantwortlich bist.
    Wenn Du eine Chance haben möchtest, um Dein Leben wieder in geordnete Bahnen zu bringen, dann musst Du konsequent werden. Unnachgiebig gegenüber dem Süchtigen. Keine Drohungen ohne unmittelbare Konsequenzen. Kein Verstecken mehr. Raus aus der Heimlichkeit. Seine Sucht offen legen, ohne Ausnahme.

    Und all Deine Kraft, die Du bis jetzt allein auf ihn fokussiert hast – auf Dich, Dein Leben und Deine Kinder fokussieren. (Und auf Deine Krankheit (die Co-Abhängigkeit), die neben Deiner physischen Krankheit (MS) ein großes Päckchen zum Tragen ist.
    Wenn Du außerdem noch etwas Gutes für Dich tun willst, dann empfehle ich Dir mal den Besuch einer Selbsthilfegruppe für Angehörige von Suchtkranke, wo Du von anderen Angehörigen, die das, was Du mit „Deinem Süchtigen“ erlebst, alles schon erlebt haben und Dir ihre Wege erzählen können. Das hilft enorm, weil Du so feststellen wirst, dass Du absolut nicht alleine bist.
    (Es gibt ca. 2 Millionen offizielle Alkoholiker – und mindestens 8 Millionen Co-Abhängige).

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