Hat meine Freundin ein Alkoholproblem oder übertreibe ich?

  • Hallo!

    Ich muss mir jetzt einfach mal Rat holen, denn ich weiss nicht weiter und mach mir ein bisschen Sorgen.
    Meine Freundin ist 28 Jahre alt und ist, wie ich meine, dem Alkohol mehr zugetan, als es eventuell gesund ist, aber eventuell seh nur ich das so, weil ich selbst nichts trinke. Generell ist es so, das meine Freundin (wir wohnen nicht zusammen) zuhause in ihrer WG gerne Wein und Bier trinkt und ich bin mir fast sicher, dass dies täglich geschieht. Beim Weggehen kommt dann nochmal einiges dazu, 5 grosse (0,5l) Bier sind dann schnell mal gezählt. Und das bei einer Frau von 1,58m. Was mich allerdings so erstaunt ist, dass sie das extrem gut wegstecken kann. Vorgestern sah das etwa so aus: vor dem Weggehen 1 grosses Bier, 2 Glühwein und einen Rumshot. Dann einen gespritzen Wein, einen Jägermeister und noch 3 grosse Bier drauf) Gestern hatten wir deswegen wieder mal eine kleine Auseinandersetzung, wo ich ihr mal vorgerechnet habe, dass nur das, was sie diese Woche in meiner Anwesenheit getrunken hat, rund 180gr reinen Alkohols ausgemacht hat.

    Ich weiss nicht, wie ich damit umgehen soll. Sie ist ja nicht dumm, sie hat Psychologie studiert und kennt alle Probleme, die mit Alkohol verbunden sind. Aber für sich selbst kann sie damit nicht umgehen. Sie kann sich dann einfach nicht mehr lossreissen, wenn sie beim Weggehen mit Freunden ihren Spaß hat, nicht einmal, wenn ich sie darum bitte, nachts um 2 doch lieber mit mir nach Hause zu kommen... Ich stehe dann immer als Spielverderber da, der ich aber nicht sein will.

    Leider spielen in ihren Alkoholkonsum extrem viel Faktoren rein, beginnend von ihrer Unsicherheit wegen ihres Übergewichts, die sie sich mit Alkohl sozusagen wegtrinken will usw usw... Sie macht dann richtig auf und wird zu einer völlig anderen Person.

    Soll ich das noch als "jugendliche" Unvernunft abtun oder ist die Menge und Regelmässigkeit einfach schon problematisch?

    Vielen Dank!

  • Lieber Reinhard,

    da ich selbst noch sehr neu hier bin, möchte ich mich zumindest als Betroffene vorsichtig äußern und Dich damit auch herzlich willkommen heißen. Eine "Ferndiagnose" ist immer schwer und "unfair". Aber, und hier kommen wir vielleicht in eine andere Richtung. Lass mich bitte kurz umschwenken und ein Bild einbauen, damit Du verstehst. Eine Freundin und ich waren einst zusammen spazieren. Wir unterhielten uns über meine Wahrnehmungsfähigkeit und auch darüber, dass ich ihr oft nicht traue. Am Flußufer quakte in diesem Moment eine Ente. Sie fragte: "Hörst Du das Quacken?" Ich schaute sie etwas verdutzt an und sagte: "Ja!". "Was glaubst Du, woher das Quacken kommt?". "Na, von der Ente da vorne", antworte ich. "Gut. Das Quacken und Deine Vorerfahrung sagen Dir, dass es sich um eine Ente handelt." Kurz gesagt: Wenn Du ein Gefühl hast, dann wird das richtig sein. Denn es ist DEIN Gefühl. Vertraue diesem Gefühl bitte, denn eine "Menge" und "Häufigkeit" gibt zwar sicherlich "Anzeichen", aber nicht die totale Richtschnur: Ja, da liegt ganz gewiss eine Abhängigkeit vor. Irgendetwas - all die Parameter - die Euch betreffen, geben Dir dieses vielleicht schon fast "ungute" Gefühl. Manchmal täuscht uns dieses Gefühl dann trotzdem, aber dennoch müssen wir es abklären, weil unsere eigene Wahrnehmung sich nicht mit der Realität deckt. Da entsteht gewissermaßen dieser "Riss" - in Eurem konkreten Fall eben Deine Bedenken.

    Viele Psychologen sind leider oftmals selbst ihre besten Patienten. ;) Und das meine ich gar nicht böse. Es geht hier vielmehr darum, dass wir bestimmte Berufe wählen, weil wir manchmal auch ein "Defizit" in uns spüren und dieses dann durch "Profession" auszufüllen versuchen. Viele Expert*innen sind eben erst zu diesen geworden, weil sie ihre Ängste mit verschiedenen Strategien überwunden haben. Vielleicht hilft es, wenn Du Deine Bedenken mit ihr teilst. Ohne Vorwürfe, dies wird eher zu Abwehr führen, sondern eher mit dem Nachsatz verbunden: "[...] Habe Dich in der letzten Zeit beobachtet und ich mache mir große Sorgen um Dich. Wie siehst Du das gerade für Dich selbst und wo liegen die Gründe dafür?" Denn manchmal sind wir alle so im Leben und Alltag verankert, dass unsere Handlungen einfach darin verschwimmen. Vielleicht ist ihr das alles gar nicht so bewusst. Sie wird sicherlich eine große Reflektionsfähigkeit besitzen und Dir auch Antworten geben können. Vielleicht könnt ihr in diesem Gespräch dann auch abklären, wie ihr das gemeinsam in Zukunft regeln möchtet. Hilfsangebote wahrnehmen oder einfach bestimmte "trinkfreie Zonen" einrichten? Vielleicht schafft sie es auch einfach den Konsum einzuschränken. Wie beschrieben. Eine Ferndiagnose ist immer sehr ungerecht. Deshalb: Bitte das Gespräch suchen und nicht im Gedankenwald verstricken. :) Zumindest mein Freund hat das bei mir so gemacht und dies ist der Grund, weshalb ich jetzt hier auch schreibe.

    Alles Liebe und herzlich Gute Euch beiden!

  • Hallo Reinhard,

    ich schreibe es mal etwas vorsichtig formuliert: Bei den beschriebenen Mengen an Alkohol, die Deine Freundin konsumiert, handelt es sich tatsächlich um stark gesundheitsschädliche Mengen (Frauen 12g/Tag; Männer 24g/Tag), bestenfalls suchtspezifisch um Missbrauch – aber aufgrund der bereits vorhandenen recht hohen Gewöhnungstoleranz mit hoher Sicherheit tendenziell um süchtiges Verhalten.

    Sucht wird nach (IDC-10, F.10) u.a. so definiert:
    Die psychische Abhängigkeit ist gekennzeichnet durch ein unbezwingbares Verlangen, die Substanz zu konsumieren. Freunde, Familie, Hobbys, Schule, Beruf werden immer unwichtiger.
    Nun könnte man bei Deiner Freundin sagen: Ja aber sie geht doch regelmäßig mit ihren Freunden weg und lässt „nur“ Dich stehen.
    Aber „so“ stimmt das ja Deinen Schilderungen nach nicht.
    Sie geht nämlich offenbar mit ihren Freunden gerne weg, weil sie dort ungestört (und wahrscheinlich auch zusammen mit ihnen) weiter Alkohol konsumieren kann.

    Dass Deine Freundin Psychologie studiert hat und deswegen auch fachlich die Sucht kennengelernt hat, heißt überhaupt nicht, dass sie selbst deswegen aus eigenem Erleben mit der Sucht umgehen kann, und schon gar nicht, dass sie deswegen selbst nicht süchtig werden kann.
    Diese Suchtkrankheit trifft man bekannterweise querbeet durch unsere Gesellschaft in allen beruflichen und gesellschaftlichen Stellungen.
    Ich denke, dass gerade weil Deine Freundin „eigentlich“ aus fachlicher Sicht heraus die schweren Schädigungen und Folgen der Alkoholsucht kennen müsste, solltest Du ihr Verhalten wirklich nicht als jugendlichen Unvernunft abtun.

    Was soll man da raten?
    Es kommt ganz darauf an, wie Du Eure Beziehung gewichtest, wie Du Deine Verantwortung Dir und ihr gegenüber siehst, und ob Du Dir eine Zukunft mit ihr wünscht.
    Tolerierst Du ihren Alkoholkonsum, schweigst dazu, trotz ausufernden Verhaltens, dann musst Du Dir später u. U. den Vorwurf machen (so sagen wir Alkoholiker zu dazu), dass „Du ihre Leidenszeit (die Zeit bis jemand zur Einsicht kommt) durch Deine Duldung verlängert hast“.
    Kümmerst Du Dich bzgl. dieser Sucht nicht ausreichend um Dich selbst, läufst Du Gefahr in die Co-Abhängigkeit abzurutschen, und wirst schlimmstenfalls selbst krank.
    Stellst Du sie vor die Wahl „Alkohol – oder ich“ …

    Da schreibe ich mal an dieser Stelle:
    „Ich wünsche Dir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen,
    die ich nicht ändern kann,
    den Mut, Dinge zu ändern,
    die ich ändern kann und die Weisheit,
    das eine von dem anderen zu unterscheiden.“

  • Hallo Reinhard,

    es wird Dir hier wahrscheinlich niemand sicher sagen können ob Deine Freundin bereits eine Alkoholikerin ist. Die Übergänge von Alkoholmissbrauch zur Alkoholsucht sind fließend, das macht diese Krankheit unter anderem auch so heimtückisch. Dietmar hat es bereits sehr schön formuliert: hohe Gewöhnungstoleranz sind ein Zeichen für tendenziell süchtiges Verhalten.

    Um heraus zu finden "wie weit " Deine Freundin bereits ist, müsste sie mal probieren einfach komplett eine längere Zeit auf Alkohol zu verzichten. Also einfach mal z. B. vier Wochen überhaupt keine Alkohol trinken und schauen, ob das funktioniert. Und wenn es funktioniert, wie es funktioniert. Also ob sie problemlos verzichten kann oder ob es ihr schwer fällt und sie ständig an Alkohol denken muss und schon darauf hin fiebert, wenn die Zeit endlich vorbei ist. Und wenn sie gar nicht verzichten kann, dann ist eh klar was los ist.

    Ich weiß nicht, ob Du darüber so offen mit ihr sprechen kannst. So wie Du schreibst wird das aber scheinbar eher schwierig werden. Wenn sie Dich jetzt schon als Spielverderber bezeichnet.... Wenn sie wirklich kein Problem hat, dann würde sie auch jederzeit mal auf so ein kleines Experiment eingehen können.

    In jedem Fall kann ich Dir aus eigener Erfahrung nur sagen, dass Du Dir genau überlegen musst, ob das Trinkverhalten Deiner Freundin tolerieren willst. Ich bin selbst Alkoholiker und mein Umfeld musste durch mich sehr viel leiden. Das sollte man sich eigentlich ersparen. Und den Partner vor die Wahl stellen. Entweder etwas gegen die Sucht unternehmen oder tschüss. Klingt hart ist aber in der Regel meist der einzige Weg um nicht in den Sumpf mit hinein zu geraten.

    Und noch eins: Als Partner kann man den Betroffenen nicht trocken legen. Egal was Du tust, wenn sie trinken will wird sie trinken. Du kannst nur helfen, wenn sie weg will von dem Zeug und ansonsten kanns Du nur auf Dich selbst und Dein eigenes Leben acht geben.

    Alles Gute und eine guten Austausch hier im Forum wünsche ich Dir!

    LG
    gerchla

  • hallo
    ob das noch Missbrauch ist oder schon ein Alkoholproblem weiß ich auch nicht...
    wenn ich das Wort Alkoholproblem auseinander nehme wird es einfach... Alkohol (größere Mengen) sind sichtbar und fallen dir auf (auch ihre Veränderung)... aber wo ist das Problem... vielleicht bist du ja der erste der ein Problem für sie daraus macht... also die Frage: ist es für dich ein Problem... wenn ja... rede mit ihr...
    Lieben Gruß
    Jasper

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