Meine Ma (77) ist alkoholkrank

  • Hallo,
    meine Mutter und ich hatten immer ein sehr inniges und enges Verhältnis. Sie war sicher die längste Zeit in meinem Leben meine beste Freundin.
    Sehr wohl habe ich in den letzten 10 Jahren bemerkt das ihr Seelenleben sich verändert hat. Einst eine Frau, die spontan, hilfsbereit, interessiert und zu jedermann freundlich mit großem Herz. Heute fahrig, launisch, unkonzentriert, aggressiv. Es gibt nur noch wenig Stunden, wo ich das Gefühl habe da erkenne ich meine Mutter wieder. Vor ca. 3 Jahren konnte ich aus dem Fenster beobachten, wie sie Ihren Enkel zu Fuß zu uns nach Hause brachte. Sie torkelte in großen Schlangenlinien und ich hatte das Gefühl der puren Ohnmacht. Selbstverständlich sprach ich sie auf diesen Vorfall an, aber sie dreht den Spieß immer so um, dass ich die Übeltäterin bin, um sie vor Ihrem Enkel schlecht zu machen. Generell mußte ich mir häufig üble Beschimpfungen anhören. Meist am Telefon. Am Nachmittag brauche ich sie gar nicht mehr anrufen, weil sie da nur noch lallend in den Hörer redet und am nächsten Tag sich an nichts mehr erinnern kann.
    Trotz all dieser Erfahrungen habe ich bis dahin mir noch immer eingeredet, dass die Ursache auch die Einnahme Ihrer Medis der Grund sein können oder einfach der Weg ins Alter, das Sie sich so verändert hat.
    Vor drei Wochen kam es dann zu dem Vorfall, der alles verändert hat. Ich bin mit meiner kleinen Familie diesen Sommer aufs Land gezogen. Es war klar, dass wir Oma nachholen, wenn wir etwas schönes für sie gefunden haben. An den Wochenenden haben wir sie immer mal geholt. Eines morgens wachten mein Mann und ich von Geräuschen aus der Küche auf. Ich hörte meine Ma, wie Sie auf den Wassernapf von unserem Hund trat. Sie murmelte die ganze Zeit Dinge vor sich her was wir aber nicht vertehen konnten. Ich stand auf und überrachte sie in der Küche in dem Moment, wo Sie sich eine Flasche Malteser aus dem Weinständer zog. Sie goß sich damit ein Wasserglas randvoll ein und schlurte damit ins Wohnzimmer. Ich war wie betäubt. Meine Ma war volltrunken.
    Sie war aggressiv, schmiß mit Kerzenleuchter und Frühstücksmesser auf meinen Mann. Sie beleidigte uns auf das Übelste und wollte sofort nach Hause. Dabei war sie noch in der Lage sich hoch professionel zu schminken und ging kerzengrade die Treppe rauf und herunter. Ich habe sie mit meinem Sohn(15) nach Hause gefahren.
    Am nächsten Tag habe ich sie angerufen, entschuldigt hat sie sich nur dafür, dass sie uns nicht mehr mit nach oben gebeten hat. Sonst nichts.
    Sie ist nicht mehr in der Lage zu reflektieren. Böse sind immer die anderen, das macht es so schwer mit ihr.
    Was soll ich tun. Es bricht mir das Herz, wenn ich weiß, sie ist praktisch den ganzen Tag alleine ist und sich Dinge einredet, die nicht sind. Es kann jede Minute etwas mit Ihr passieren im Vollrausch. Zu uns nach Hause will sie nie wieder kommen, dabei bin ich mir sicher, dass Sie das ganz und gar nicht so meint. Denn Sie liebt Ihren Enkel abgöttisch.
    Gibt es Beratungsstellen, die ich kontaktieren kann, um mir zu helfen alles einzuordnen und vielleicht nützliche Tipps zu holen, um an sie heranzukommen.

  • Hallo Lotta,

    herzlich willkommen im Forum!

    Ich schreibe einmal, weil noch niemand geantwortet hat. Leider weiss ich da jetzt nicht recht, was ich antworten soll (d.h. beim Thema "Angehörige" weiss ich nicht wirklich weiter). Das ganze ist tragisch und schlimm, weil es ja auch eine nahe Verwandte, die Mutter betrifft. Ahm, es ist anscheinend im Leben Deiner Mutter vor etwa 10 Jahren etwas vorgefallen (oder war die Veränderung nicht plötzlich, sondern eher schleichend?).

    Hast du dir schon die Linksammlung angeschaut? Ich bin sicher, dass da noch andere, hilfreichere Antworten als die meine, kommen.

    Einmal editiert, zuletzt von franz68 (22. Oktober 2016 um 15:32)

  • Hallo Lotta,

    Alkoholismus im Alter ist leider weit verbreitet.

    Die Problematik bei Euch ist meines Erachtens vor allem die, dass Deine Mutter sie strikt verleugnet.
    Auch das ist in aller Regel zumindest kurz nach der Aufdeckung genau so.
    Das ist deswegen so, weil Alkoholismus vielerorts trotz der Aufklärungskampagne immer noch als Willens- und Charakterschwäche angesehen wird, oft auch als eine Krankheit, die nur "Penner", also Obdachlose unter der Brücke haben.
    Deine Mutter schämt sich wahrscheinlich dafür und will es sich auch selbst gegenüber nicht zugeben.
    Es kann natürlich so sein, dass sie tatsächlich so viel trinkt, dass ein sogenannter "Filmriss" eintritt. Das ist eine durch die Alkoholintoxikation (Alkoholvergiftung) eintretende Amnesie (Gedächtnisschwund). Die Betroffenen wissen nicht mehr, was sie getan und gesagt haben.

    Warum Deine Mutter zum Alkohol greift, scheinst Du nicht zu wissen. Da gibt es sicher vieles, was sie so erdrückt, dass es mit Alkohol leichter zu ertragen ist.

    Es gibt, je nach Eurem Verhältnis zu einander, verschieden Möglichkeiten, wie Du Deiner Mutter helfen, bzw. Hilfe anbieten kannst.
    Das wichtigste dabei ist, ihren Alkoholismus nicht als Schande oder Makel hinzustellen, sondern als das, was es ist: Eine Krankheit, die das Leben garantiert nicht schöner macht, sondern auf Dauer zum Elend führt.
    Auch wichtig: Signalisieren, dass Ihr es bemerkt habt und die Augen dafür nicht verschließen wollt.

    Eine Möglichkeit ist, sie zu fragen, ob sie Probleme hat, die sie ohne Alkohol nicht meistern kann und wie Ihr ihr dabei helfen könntet.
    Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass Du zu einer Suchtberatungsstelle (z. B. bei der Cariatas die "Psychosoziale Beratungs-und Behandlungsstelle
    Für Suchtkranke/-gefährdete und Angehörige") gehst und Dir, und somit auch Deiner Mutter helfen lässt. Dort triffst Du auf professionelle und sehr erfahrende SuchtberaterInnen.

    Weitere Empfehlungen sind vorläufig recht schwierig zu geben, da Du ja nicht weißt, wie Deine Mutter reagieren wird, wenn Du das Problem direkt und konsequent ansprichst und anzugehen gedenkst.

    Vielleicht noch ein Hinweis: Unter Umständen weiß Deinen Mutter nicht, was der Alkohol als Nervengift alles bei ihr, gerade im Alter, auslösen kann.
    Es erschreckt viele, wenn sie erfahren, dass die eigentlich weitaus schlimmeren Krankheiten nicht die Sucht für sich ist, sondern sehr viel einschneidere, wie: Gastritis, Pankreatitis, Leberentzündung bis zur Zirrhose, Alkoholdemenz, Wernicke und Korsakowsyndrom, Herzinsuffizenz u. v. a. m...

    Ich wünsche Dir, Euch ein gutes Gelingen!

    Lieben Gruß
    Dietmar

    HIER DRAUFKLICKEN: Alkoholismus im Alter

  • Lieber Dietmar,
    vielen Dank für Deine Worte.
    Tatsächlich ist es fast unmöglich mit Ihr eine Therapie zu machen. Sie ist der Meinung wir würden uns das alles nur ausdenken um sie schlecht aussehen zu lassen. Dabei zeigt sich mir ein Charakterzug der ganz klar im Alter sehr viel ausgeprägter wurde. Es gab in ihrem Leben nie ein Verzeihen, wenn eine Freundschaft oder ihre Ehe zerbrach dann war es so. Meine Eltern waren 25 Jahre verheiratet bevor sie sich trennten. Nie wieder hat sie mit ihm ein Wort gesprochen, obwohl sie ihn bis zuletzt geliebt hat. Als er vor genau 6 Jahren starb, ist sein Teil von ihr mitgestorben.

    Das ist das Leben....

    LG Lotta

  • Hallo lotta, einen direkten Weg durch diesen Irrgarten der Gefühle kan ich Dir nicht nennen, aber ein paar Tips die Dir vielleicht helfen.
    Als erstes musst Du erkennen und akzeptieren: Du bist nicht schuld am Zustand Deiner Mutter! Alkoholkranke neigen dazu die Verantwortung für ihr Verhalten anderen zuzuschreiben.

    Böse sind immer die anderen, ....


    Wichtig ist Deine Gesundheit nicht nur körperlich auch mental. Ein erster Schritt war sicherlich dieses Forum. Um tiefer in das "Wesen" der Krankheit einzudringen kann ich nur empfehlen Dich bei einer Suchtberatungsstelle als Angehöriger zu melden. Ich habe mir im Internet eine Adresse gesucht und einfach dort per Mail angefragt. Gut - ich hatte schon Erfahrungen, aber man lernt nie aus. Wenn Dir dieser Kontakt zusagt haben die Leute auch weitere Adressen für SHG's (Selbst-Hilfe-Gruppen).
    Deine Mutter zu kurieren oder umzudrehen wird nicht gelingen. Die möglichen alkoholbedingten Krankheiten schrecken einen 77 jährigen Menschen nicht mehr. Das wichtigste erschein mir, daß Du Dich aus dem Schockzustand: "Meine Mutter ist alkoholkrank - wie kann ich ihr helfen" befreist. Sie kann sich nur selbst helfen und die Krankheit zu akzeptieren erstmals Hilfe annehmen.
    Schau nach vorne und auf Dich
    Liebe Grüße
    techfreak

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