Beiträge von Gerchla

    Guten Morgen Disi,

    Zitat

    Ich finde es nur so verdammt schmerzhaft mich damit abzufinden, dass ich nichts anderes kann als abwarten bis sie sich komplett selbstzerstört haben. Ein trauriger Gedanke über die Menschen, die ich liebe.


    Ich kann Dir soooo nachempfinden. Es ist wirklich sehr traurig. Wenn man da von außen drauf blickt, selbst keine Suchterfahrung hat, dann ist das nur schwer oder vielleicht auch gar nicht zu verstehen, dass ein Betroffener nicht in der Lage ist, etwas gegen sein Sucht zu unternehmen. Oder noch schlimmer, dass er scheinbar auch gar nichts dagegen unternehmen will. Das es so scheint, als wolle er trinken und das selbst das Leid der nächsten Angehörigen, das Leid des eigenen Partners oder sogar der eigenen Kinder ihn nicht dazu bewegen können, etwas gegen die Sucht zu unternehmen.

    Ich kann mir auch vorstellen, dass man sich schnell denkt, vor allem auch als Kind eines alkoholkranken Elternteils: bin ich ihm/ihr nicht wert, dass er/sie mit dem Trinken aufhört? Oder auch: was mache ich falsch, dass mein Papa/meine Mama trinken muss?

    Ich kann Dir von mir sagen, dass ich meine Kinder immer über alles geliebt habe. Auch in meiner schlimmsten Trinkerzeit. Und ich dachte mir oft, dass ich das meinen Kindern doch nicht antun kann. Aber all diese Liebe reichte nicht aus, um mit dem Trinken aufzuhören. Das ist selbst für mich, wo ich ja selbst erlebt habe, wo ich ja selbst der Täter war, im Nachhinein jetzt schwer zu verstehen. Und selbstverständlich, und das ist auch ganz wichtig für Dich zu wissen, hatten weder meine Kinder noch meine Frau irgendeine Schuld an meinem Trinken. Der Trinker ist IMMER selbst für sein Verhalten verantwortlich, auch wenn viele versuchen, die Schuld für die eigene Sucht, für das "trinken müssen" auf andere zu schieben. Nein, das kann ich sagen: Man ist IMMER selbst verantwortlich dafür. Die Gründe, warum man letztlich in die Sucht gerät, die sind individuell und vielfältig. Und nicht immer, hat man all diese Gründe selbst zu verantworten. Da liegt oft auch viel in der eigenen Kindheit verborgen oder was auch immer die Gründe sein mögen. Die Tatsache aber, dass man zu scheinbaren lösen seiner Probleme die Flasche an den Mund führt, die hat man selbst zu verantworten. Denn andere Menschen, die meisten anderen Menschen, haben auch Probleme, haben auch schlimmes erlebt, etc. und trinken nicht!

    Jetzt könntest Du natürlich sagen: Aber Du hast es ja letztlich geschafft mit dem Trinken aufzuhören! Wieso hast Du es geschafft und mein Papa trinkt immernoch? Ja, das stimmt, ich durfte frei werden vom Alkohol. Aber ich kann Dir noch nicht mal genau sagen, warum ich es letztlich dann doch geschafft habe. Weißt Du was ich damit sagen möchte? Es war nicht so, dass ich den Plan hatte, ich höre jetzt auf, weil es mir so schlecht geht und weil meine Familie darunter leidet. Im Gegenteil, diese Gedanken hatte ich zwar vor allem in der mittleren Phase meiner Sucht und diese Gedanken führten dann auch dazu, dass ich es schaffte immer wieder mal Trinkpausen einzulegen. Die letzten Jahre meiner Sucht verliefen aber ganz anders. Da war ich soweit, dass ich mir dachte, es hat alles sowieso keinen Sinn mehr. Ich trinke einfach so lange weiter, bis irgendwann mal irgendwas passiert. Und wenn das dann halt mein Tod sein soll, dann ist es halt so. So waren meine Gedanken, total kaputte Gedanken.

    Trotzdem kam der Tag x, wo ich aus dem Nichts heraus aufgehört habe. Ein Abend, an dem ich mich geoutet habe und wo ich ab diesem Zeitpunkt an keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken habe. Nicht das Du jetzt denkst, darauf hin wäre alles gut geworden und es folgte ein Happyend. Nein, es folgte die Trennung von meiner Frau und eine lange Phase des traurig seins und vor allem der Aufarbeitung. Sowohl meine Familie als auch ich begannen sich ein neues Leben aufzubauen. Heute geht es beiden Seiten besser als vorher. Meiner Familie, weil sie es geschafft haben ein neues Leben ohne mich zu gestalten, welche jetzt einfach ein selbstbestimmtes Leben ist ohnen einen Alkoholiker an der Seite, der ihr Leben so viele Jahre lang so stark belastet hat.

    Und mir geht es auch besser, ehrlich gesagt so gut wie noch nie, weil ich eben auch mit mir ins Reine kam und heute ein glückliches Leben ohne Alkohol führen darf. Und auch, weil ich das große Glück habe, jetzt wieder eine gute Beziehung zu meiner ersten Frau zu haben und auch eine sehr gute Beziehung zu meinen Kindern habe.

    Nur, wie auch Am See schon schrieb, Alkoholismus ist so vielschichtig und das was bei mir passiert ist, ist bei mir passiert. Es passiert bei anderen so nicht. Da passiert was anderes, gerne auch etwas positives aber leider passiert bei den meisten gar nix in diese Richtung, will sagen, die trinken bis es eben irgendwann mal vorbei ist. Diese Sucht ist so verdammt stark, leider. Es gibt keinen Kompass, keine Regeln die man als Angehöriger befolgen könnte um dann den Trinker irgendwie vom Trinken weg zu bringen. Ich weiß ja selbst nicht mal so genau, warum das bei mir dann letztlich so gekommen ist. Ich kann nur eines sagen, ich hätte auf mich selbst keinen Cent gesetzt, dass ich es mal schaffe vom Alkohol weg zu kommen und so ein Leben zu führen, wie ich heute führe.

    Liebe Disi, ich freue mich, dass Du mit AmSee jetzt hier jemanden an der Seite hast, die beide Seiten kennt. Sie kennt vor allem auch Deine Seite ganz genau. Vom Austausch mit AmSee wirst Du sicher sehr viel profitieren können. Wenn Du irgendwelche Fragen speziell an mich haben solltest, dann frag einfach. Ich antworte Dir sehr gerne. Ansonsten glaube ich, vor allem auch bezogen auf das Gefühlschaos in Dir, werden Dir die Erfahrungen von AmSee viel Klarheit und Hilfe geben können.

    Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du Dein Leben so leben darfst und kannst, wie Du Dir das wünscht.

    LG
    Gerchla

    Lieber Hawkeye,

    was Deine Frage nach der Premiere betrifft: Ich glaube es wäre das erste Mal, wenn Du eingeschlagen hättest, dass jemand hier sozusagen durch das Forum begleitet, so eine Trinkpause einlegt. Also eine ganz bewusste, sozusagen vereinbarte Pause und wo dieser Mensch dann aktiv hier darüber berichtet, wie es ihm damit geht.

    Aber Du hast ja abgelehnt und das ist auch ok. Es ist Deine Entscheidung. Ich könnte jetzt böse sagen: Er ist halt noch nicht soweit, er muss erst noch tiefer sinken, er muss erst seinen persönlichen Tiefpunkt erreichen. Es kann sein, dass das so ist. Es kann aber auch sein, dass Du das nicht musst. Vielleicht bekommst Du es ja hin, mit dem Input den Du jetzt bekommen hast, Dein Trinkverhalten dauerhaft so zu verändern, dass Du Dein persönliches Risiko in eine Sucht zu rutschen, verringern kannst. Immer vorausgesetzt, Du bist nicht bereits süchtig.

    Um das zu erreichen, würde ich Dir wenigstens raten, nicht jedes Wochenende Dein Pensum abzuarbeiten sondern einfach auch mal ein paar Wochenenden gar nichts zu trinken. Ich weiß nicht, ob Du das hinbekommen kannst oder willst. Alleine Deine Gedanken bezüglich des Treffens mit Deinen Eltern zeigen mir, dass Du schon verdammt tief drin steckst. Und natürlich hast Du Recht, wenn Du schreibst, dass ich das sicher alles kenne. Ich habe so oft den Start geplanter Trinkpausen von irgendwelchen Ereignissen abhängig gemacht, auf denen ich aber auf jeden Fall noch Alkohol trinken "muss". Komisch nur, dass ich heute all diese Ereignisse wunderbar ohne Alkohol begehen kann. Das würde auch mit dem Treffen Deiner Eltern funktionieren, wenn Du es nur wollen würdest.

    Aber gut, es ist alles gesagt und solltest Du mal zur Erkenntnis kommen, dass Du doch ernsthaft was gegen Dein Trinkverhalten unternhmen möchtest, dann weißt Du ja wo wir sind. Vielleicht wird aus unserem "No Deal" dann doch noch einer.

    Eines ist mir noch wichtig: Google doch mal nach Nathalie Stüben. Oder suche sie in Youtube. Eine relativ junge Frau, die mir sehr viel Input gibt. Vielleicht erreicht Dich ihre Art auch, vielleicht kann sie Dir auch noch ein paar Denkanstösse geben. Oder möglicherweise kennst Du sie ja auch schon. Wenn nicht, schau sie Dir mal an, hör sie Dir mal an (macht auch Podcasts), das wollte ich Dir noch ans Herz legen.

    So oder so wünsche ich Dir, dass Du Deinen Weg finden wirst und ein zufriedenes Leben leben darfst. Alles Gute für Dich!

    LG
    gerchla

    Hallo Disi,

    herzlich Willkommen hier bei uns im Forum.

    Ich gehöre nicht zu den Angehörigen sondern zur anderen Seite. Ich habe weit über 10 Jahre abhängig getrunken, die meiste Zeit davon heimlich. Es gelang mir recht gut, meine Abhängigkeit auch gegenüber meiner Familie zu verheimlichen. Trotzdem merkte meine Familie, vor allem auch meine Tochter (damals im Grundschulalter), dass mit Papa irgendwas nicht stimmen kann. Auch meine Frau machte sich natürlich Gedanken, jedoch "legte" sie sich andere mögliche Gründe zurecht, was denn da mit mir los sein könnte. Und das, obwohl es durchaus, wenn auch sehr selten, mal Situationen gab, wo ich nicht richtig "aufgepasst" habe. Aber einerseits hatte ich in solchen Situationen immer hervorragende und ausgefeilte Lügen parat, selbst wenn ich ganz spontan reagieren musste und andererseits, so glaube ich jedenfalls, will man als Angehöriger / Partner / Kind auch nicht so leicht glauben, dass z. B. der eigenen Papa ein Alkoholproblem haben könnte.

    Letzteres spielt am Ende aber eigentlich nur der Sucht in die Hand. Denn wenn man den Betroffenen direkt anspricht, gibt es wenigstens die Chance, das sich da "in ihm/ihr" irgendwas bewegt. Wenn man die Augen zu macht und sich selbst damit beruhigt, dass es gar nicht sein kann, dann ist zumindest für den Trinkenden die Welt ja soweit in Ordnung. Meine Welt jedefalls war diesbezüglich soweit in Ordnung, ich wurde nie darauf angesprochen, ob ich vielleicht ein Alkoholproblem haben könnte. Allerdings war das dann schon so ziemlich das Einzige, was "in Ordnung" war. Mein Leben war aufgrund meiner Sucht total kaputt, ich war total kaputt, vor allem seelisch und besonders meine Frau litt enorm darunter, weil sie zusehen musste, wie unsere Beziehung mehr und mehr zerbrach, ohne dass sie genau wusste, warum das so ist. Und sie musste auch feststellen, dass all ihre Versuche unsere Ehe irgendwie zu retten, immer zum Scheitern verurteilt waren.

    Mittlerweile bin ich 51 Jahre alt, meine beiden Kinder aus erster Ehe, die das miterleben mussten, sind Erwachsen und ich lebe jetzt glücklich und schon lange ohne Alkohol. Ich habe wieder geheiratet und nochmal eine kleine Tochter bekommen, welche jetzt aber einen Papa hat, der ein Leben ohne Alkohol führt.

    Deine Gedanken, auch was das Schweigen betrifft, kann ich voll und ganz nachvollziehen. Darum habe ich Dir auch diese etwas ausführlichere Vorstellung meinerseits geschrieben. Was ich sagen will: Im Grunde tut man den Betroffenen keinen Gefallen damit, wenn man so tut als wäre alles in bester Ordnung. Bei mir war es sicher eine Ausnahme, weil ich scheinbar wirklich ein sehr guter Lügner und Täuscher war. Wenn man aber weiß, dass z. B. der Partner trinkt, dann sollte man das auch thematisieren. Nur davor haben viele dann auch Angst, denn wie wird der Betroffene dann reagieren? Und welche Konsequenzen wird man selbst schlussendlich ziehen?

    Was ich damit sagen will: An der Sucht eines einzigen Familienmitgliedes, in Deinem Fall Dein Papa, geht schnell mal eine ganze Familie zugrunde. Es ist nicht selten, dass ganze Familien, also Partner und Kinder, an der Sucht einer Person innerhalb dieser Familie mit "unter gehen". Und zwar genau deshalb, weil sie die Sucht des Betroffenen verheimlichen und versuchen irgendwie mit ihr zu leben. Sie organisieren ihr Leben um den Süchtigen herum und ihr eigenes Wohlbefinden ist elemental vom Wohlbefinden (oder dem aktuellen Alkoholstatuts) des Betroffenen abhängig. Dabei ist dieses Leben dann geprägt von Angst und auch von Hoffnung, welche aber immer wieder enttäuscht wird.

    Liebe Disi, Du bist jetzt ausgezogen aber ich bin mir sicher, damit ist es für Dich noch lange nicht vorbei. Wenn's "dumm" läuft, wird Dich die Sucht Deines Papas Dein ganzes Leben lang begleiten. Ich glaube, das ist sogar ziemlich wahrscheinlich. Was Du aber aus meiner Sicht unbedingt verhindern solltest ist, dass sie Dich auch ein Leben lang belastet. Und da wären wir dann beim Punkt: Du kannst Deinen Papa nicht retten, auch nicht Deine Mama. Aber Dich kannst Du retten! Und genau das ist es, was Dein Ziel sein sollte.

    Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass Du mit Deinem Papa und/oder Deiner Mama brechen musst. Das will ich damit nicht sagen. Aber Du brauchst Strategien, wie Du damit gut zurecht kommst. Das wollte ich Dir einfach mal schreiben, ich will und kann da jetzt auch gar nicht ins Detail gehen, weil ich ja im Grunde fast nichts von Dir und Deiner aktuellen Situation weiß. Ich finde es auf jeden Fall super, dass Du über dieses Thema sprechen möchtest und für Dich erkannt hast, dass es wichtig ist, hier etwas zu unternehmen. Mir ist es wichtig Dir zu sagen, dass dabei nicht Dein Papa im Fokus stehen sollte, nicht die Frage "wie kann ich meinem Papa helfen", sondern die Frage "wie kann ich mir helfen", "was kann ich für mich tun".

    Dazu kannst Du Dich hier im Forum austauschen, wobei ich nicht genau weiß, wieviele Angehörige gerade hier aktiv sind. Du kannst Dir aber auch überlegen, ob Du diesbezüglich nicht auch mal eine analoge SHG besuchen möchtest oder Dir auch anderweitig Hilfe suchen möchtest. Das hängt bestimmt auch davon ab, wie belastend die Situation für Dich ist und wie gut oder schlecht es Dir aktuell damit geht. Vielleicht hast Du ja bereits einen "guten" Umgang mit dieser Situation und es geht bei Dir eher darum, noch besser klar zu kommen, vielleicht auch darum, das ein oder andere besser verstehen zu können. Oft verstehen Angehörige auch nicht, warum sie so machtlos sind, warum sie dem Trinkenden nicht helfen können und projezieren das dann auch sich selbst. Meinen dann, sie würden irgendwas falsch machen, oder sie würden gar versagen. Nicht selten wird das durch den Trinkenden selbst dann sogar noch "befeuert", durch sein Verhalten, durch Vorwürfe, etc.

    Aber wie gesagt, ich habe keine Ahnung was da bei Dir eigentlich Sache ist. Deshalb belasse ich es jetzt dabei. Wenn Du Fragen hast, ich beantworte sie Dir gerne aus meiner Sicht heraus. Jedoch bin ich kein Angehöriger, Du bekommst von mir also immer die Sicht eines Menschen, der selbst mal abhängig getrunken hat.

    Alles alles Gute für Dich und einen guten Austausch hier im Forum wünsche ich Dir.

    LG
    gerchla

    Lieber Hawkeye,

    wow, erst mal vielen Dank für den offenen Einblick in Deinen aktuellen Kampf zwischen Deinen beiden Ich's. Also so kommt das bei mir rüber. Das eine Ich, das irgendwie ziemlich genau weiß, was da eigentlich gerade bei Dir passiert. Es sieht ganz genau, dass da gewaltig etwas nicht in Ordnung ist und kennt eigentlich auch die Gründe dafür.

    Und dann das andere Ich, ich nenne es mal das "Alk-Ich". Dieses Ich hat Dich schon ziemlich am Haken und es wird, wenn Du es nicht schaffst gegenzusteuern, irgendwann zu Deinem eigentlichen Ich werden. Das andere Ich, das jetzt noch kämpft und sich immer wieder mal behaupten kann, wird dann in der Versenkung verschwinden und dort wahrscheinlich dann auch erst mal bleiben.

    Ich will Dir meinen Respekt für Deine Offenheit ausprechen. ALLES was Du hier so schreibst, beschreibst, vielleicht teilweise auch ironisch oder etwas überspitzt, wirklich ALLES, kenne ich von mir selbst. All diese Gedanken, dieses Abwägen, dieses "Aufrechnen", dieses Hervorheben, welche positiven Eigenschaften der Alkohol ja auch hat (übrigens sind so gut wie ALLE Studien, die dem Alkohol auch positive Eigenschaften zuschreiben mittlerweile widerlegt), also all das, ich kenne es.

    Meine Ichs haben das auch jahrelang so gemacht. Und immer gewann am Ende dann mein Alkohol-Ich. Mit genau den Argumenten, die Du hier so schön, man kann fast sagen, der Reihe nach aufgelistet hast. Bei mir hat das dann dazu geführt, dass irgendwann, ich kann nicht mehr genau sagen wann, dieses Alkohol-Ich die Kontrolle komplett übernommen hat. Das andere ich ploppte bestenfalls noch ab und an mal in Form eines schlechten Gewissens oder in Form von massiven Schuldgefühlen auf. Aber hey, auch dafür hatte mein Alkohol-Ich dann eine super Lösung. Nämlich einfach, wenn dieses Ich "nervt", ein paar Halbe reinschütten und schon ist die Welt wieder in Ordnung. Tja, und genau das habe ich dann getan. Jahrelang und bin nebenher mehr und mehr seelisch kaputt gegangen. Der körperliche Verfall setzte erst ganz spät ein, mit dem hatte ich über den Daumen gesagt, vielleicht die letzten 2 Jahre meiner Suchtkarriere zu kämpfen.

    Psychisch jedoch ging es viel früher bergab. Aber als mir das dann irgendwann klar wurde, und ja, irgendwann merkt man dann schon, dass man jetzt WIRKLICH die Kontrolle verloren hat, da war es dann auch zu spät. Da ist es dann immer zu spät....

    Du befindest Dich ja noch in der Phase, wo Du glaubst, bzw. Dir ein Alk-Ich suggeriert, Du hättest ja noch alles (einigermaßen) unter Kontrolle. Aber ist das wirklich so? Diese Frage will ich hier jetzt nicht vertiefen, am Ende macht das auch keinen Sinn, denn wenn Du trinken willst, dann kannst Du trinken. So viel und so lange Du willst, es ist nichts illegales und alleine Deine Entscheidung.

    Ich will Dir jetzt einfach noch ein paar Gedanken da lassen, einfach so.

    Der Alkohol hat eine mächtige Bedeutung in Deinem Leben. Gerade dreht sich scheinbar alles um ihn. Du schreibst hier, Du denkst über ihn nach, und Du verteidigst ihn so gut Du nur kannst. Er hat Dich schon fest im Griff, Du kannst ihn so einfach nicht los lassen. Er liefert Dir ein Argument nach dem anderen, warum Du an ihm festhalten "musst", Du bist schon so weit, dass Du Äpfel mit Birnen vergleichst (kenne ich auch zur Genüge von mir), also z. B. die Geschichte mit den Pizzen und Burgern, die andere essen. Oder die Sache mit dem Cola-Zero.... Weißt Du, bei Dir geht es um Sucht, Alkholsucht und eine Alkoholsucht ist, unbehandelt, etwas absolut Vernichtendes, etwas, dass dem Süchtigen jegliche Lebenqualität raubt, ihm aber lange vorgauckelt, eine besondere Lebensqualität zu haben. Bei vielen schafft es er Alkohol, dieses Lügenwelt bis zum bitteren Ende aufrecht zu erhalten. So ist es bei anderen Drogen übrigens auch.

    Der Cola-Zero Trinker, naja, nicht gesund und derjenige der massenweise Pizzen in sich reinschaufelt, auch nicht gesund. Nur, sowas bekommt man deutlich einfacher in den Griff als eine Alkoholsucht. Aber lassen wir das, es bringt Dich sowieso nicht weiter. Schmunzeln musste ich ja, als zu das mit dem Reinheitsgebot geschrieben hast.... Alkohol ist ein Zellgift, egal in welchen Mengen. Er taugt zum Putzen und Konservieren, sonst zu nix. Aber ich habe GENAUSO gedacht, ganz genauso. Hopfen und Malz, Gott erhalts, toller Spruch - Unsere Gesellschaft blickt auch eine jahrhunderte alte Trinkkultur zurück, ja es ist eine KULTUR - und Alkoholiker ist man erst, wenn man mit dem Trinken aufhört. Also, am besten nicht aufhören, dann ist die Welt in Ordnung.

    Ich möchte Dir einfach mal einen Vorschlag machen. Vielleicht wäre das was für Dich, vielleicht könnte Dir das helfen. Vorab möchte ich sagen, dass ich nicht ich weiß ob Du bereits Alkoholiker bist oder "nur" Missbrauch betreibst. Einiges deutet darauf hin, dass Du bereits eine Suchtproblematik entwickelt haben könntest, es wäre aber auch möglich, dass Du noch nicht abhängig trinkst sondern sozusagen noch am zarten Band der Gewohnheit hängst, die Sucht noch nicht die Oberhand hat. Das wäre kein Grund zur Entspannung, das wir uns richtig verstehen, würde es Dir aber ermöglichen, wenigstens mal temporär mit dem Zeug aufzuhören um dann später irgendwann vielleicht mal wieder "normal" trinken zu können. Da wäre dann also nicht dieses fürcherliche "NIE WIEDER", was Dir ja offenbar große Angst macht bzw. was Du Dir ja so gar nicht vorstellen kannst. Kann ich übrigens auch nachvollziehen, habe ich ebenfalls selbst so bei mir erlebt.

    Also wie wäre es denn, wenn Du ab sofort für den Rest dieses Jahres keinen Tropfen Alkohol mehr trinkst. Also nicht für immer nix mehr, sondern nur ein lächerliches halbes Jahr. Schlag ein! Und beobachte was dann mit Dir passiert! Schreib hier im Forum, was Du erlebst, was Du denkst, wie es Dir geht. Das soll Besandteil dieses Deals sein. Wir ( ich und viele andere sicher auch) werden Dich hier lesen, werden Dich begleiten, so lange Du dieses Experiment durchziehst. Du kannst es jederzeit abbrechen, hier einfach die Fliege machen, oder offen schreiben, dass Du keinen Bock mehr hast. Komm, schlag ein! Probiere es aus.

    Wenn Dir das gelingt, wenn es Dir gelingt auch in 3, 4, 6 Wochen noch ohne Probleme zu verzichten, auch in 3 Monaten, 4 Monaten noch, dann kannst nach dem halben Jahr wieder trinken wie du möchtest. Deal? Ich bin mir leider ziemlich sicher, dass Du darauf nicht eingehen wirst, Dir vielleicht denkst: das müssen die Nebenwirkungen eines abstinenten Lebens sein, sowas will ich nicht auch bekommen. Aber vielleicht ja doch!

    Wenn Du dabei bist, dann sag Bescheid. Wenn nicht, ich denke ich kann Dir jetzt nicht mehr wirklich weiter helfen. Ich habe eigentlich alles gesagt was ich zu sagen habe und es liegt mir fern, Dich zu einem abstinenten Leben überreden zu wollen. Es ist Dein Leben, da bist Du der Chef. Oder hat der Alkohol schon die Chefrolle übernommen und ist für die Gestaltung Deines Lebens bereits verantwortlich? Aber wie auch immer, Dein Leben, Deine Entscheidungen.

    Bin gespannt, ob wir eine Deal haben. Wäre mal eine Premiere hier im Forum.

    Von Herzen alles alles Gute für Dich, egal wie Du Deine Zukunft gestaltest.

    LG
    Gerchla

    Guten Morgen Haykeye,

    ich will Dich keinesfalls penetrieren. Musste aber am Wochenende mal an Dich denken und da kam die Frage in mir auf, ob Du wohl Dein "übliches" Programm durchziehst oder vielleicht doch ins Grübeln gekommen bist. Wie geht es Dir denn aktuell? Hast Du einen Plan der in Richtung "Leben ohne Alkohol" geht oder lässt Du es erst mal einfach weiter laufen?

    Musst natürlich nicht antworten, ist einfach auch nur der Versuch von mir, mit Dir weiter im Gespräch zu bleiben. Aber auch nur dann, wenn das Deinerseits gewünscht ist bzw. Du einen Sinn darin siehst.

    Alles Gute für Dich und vielleicht bis bald mal

    LG
    gerchla

    Hallo Hawkeye,

    herzlich Willkommen hier im Forum.

    Bevor ich Dir meine Gedanken schreibe, möchte ich mich ganz kurz vorstellen:

    Ich bin Anfang 50, ich habe über 10 Jahre abhängig getrunken und lebe jetzt schon lange Zeit ohne Alkohol. Ich gehörte zu jenen, die komplett heimlich getrunken haben, d. h. mich hat man weder in der Öffentlichkeit noch zu Hause bei der Familie regelmäßig trinken sehen. Und wenn doch mal, denn immer Mengen, die völlig "normal" und unproblematisch auf Außenstehende gewirkt haben und zu bestimmten Anlässen (Geburtstage, Urlaub, etc.). Bei mir zuhause gab es offiziell so gut wie keinen Alkohol, da stand kein Kasten Bier, da war kein Wein im Regal, etc. Es gab zwar eine Bar, wo harte Sachen gelagert waren (i. d. R. geschenkte Spirituosen), die wurden aber nie angerührt. Trotzdem trank ich in den letzten Jahren täglich um die 10 Bier plus X.

    Zu Deiner, im Betreff geschilderten Frage "Habe ich ein Alkoholproblem?" könnte ich jetzt eine Gegenfrage stellen, nämlich: Kannst Du Dir das nicht selbst beantworten? Klar hast Du ein Alkoholproblem. Alles was Du schilderst deutet auf ein Alkoholproblem hin, möglicherweise auch auf ein gar nicht so kleines.

    Du schreibst, dass Du 6 - 9 Bier am Wochende trinkst, also Freitag und Samstag. Bei 9 Bier ist aktuell Dein Limit, diese Menge überschreitest Du aktuell nicht. Ich hatte lange, über Jahre (war meine längste Phase), ein Trinkniveau von 4- 6 Bier. In seltenen Fällen, meist dann wenn ich auch mal z. B. bei einer Feier ein oder zwei "offizielle " Biere trank, wurde diese Grenze mal überschritten und konnten auch 8 oder so werden. Dieses Niveau konnte ich lange halten und damit ging es mir, rückblickend, vergleichsweise gut. Es war eine Zeit, in der ich trotz bereits erheblich ausgeprägter Sucht noch einigermaßen gut funktioniert habe. Längst hatte ich mein Leben nicht mehr so im Griff, wie es sein muss um ein zufriedenes Leben führen zu können. Aber im Vergleich zu dem was dann danach kam, also als es dann mit der Menge weiter nach oben ging, war es noch zu ertragen. Was ich sagen will: Du trinkst bereits auf einem sehr hohem Niveau, auch wenn Du "nur" am Wochende trinkst. Die Sucht wird aber fortschreiten, wenn Du nichts dagegen unternimmst.

    Vielleicht denkst Du Dir jetzt: Was faselt der von hohem Niveau? Andere trinken viel mehr, andere trinken harte Sachen, ich nie, etc. Diese Gedanken sind sehr typisch für Menschen, die bereits eine Suchtproblem entwickelt haben. Ich hatte diese auch, sie dienten natürlich der Rechtfertigung meines Trinkverhaltens und auch dazu, mein Gewissen etwas zu beruhigen. Ich trank auch auch vorzugweise "nur" Bier. Aber je länger das ging, desto häufiger "schlich" sich auch mal ne Flasche Wein mit ein. Und ups, irgendwann war es gar nicht selten, dass ich 10 oder 12 Bier PLUS eine Flasche Wein trank... Zum Ende hin, wenn mir die Be - und Entsorgungslogistik zu kompliziert wurde (als heimlicher Trinker war das echt ne Herausforderung), griff ich dann doch mal zu härterem Stoff, welcher schon jahrelang in der offiziellen Hausbar stand und welcher eigentlich nie angerührt wurde. Hätte ich nicht mit dem Trinken aufgehört, hätte es nicht mehr lange gedauert und ich wäre umgestiegen. Die Tendenz dazu war bereits vorhanden, es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen.

    Aber ok, nehmen wir mal Deine "mittlere" Trinkmenge. Reden wir mal von 7 Bier. Stellt Dir mal vor, ein Mensch, der sein Leben lang risikoarm getrunken hat (was das bedeutet kannst Du gerne googeln oder vielleicht weißt Du es ja auch), würde sich an einem Abend 7 Bier reinkippen. Was würde mit dem passieren? Ja, er würde komplett die Kontrolle verieren, er hätte mit großer Sicherheit eine Alkoholvergiftung und er wäre noch Tage nach diesem Konsum mit dessen Folgen beschäftigt, wenn ihm nicht sogar Schlimmeres widerfahren wäre. Das würde passieren, wenn ein Mensch 7 Bier trinken würde, der ansonsten ein "normales" Trinkverhalten hat.

    Und wie sieht es bei Dir nach 7 Bier aus? Betrunken aber alles im grünen Bereich, oder? So war es bei mir lange auch, später waren dann 7 Bier jedoch deutlich zu wenig.

    Ich will noch auf ein paar Geschichten von Dir direkt eingehen:

    Zitat

    Unter der Woche trinke ich so gut wie nichts um mich guten Gewissens am Wochenende zu betrinken.


    Deutet für mich darauf hin, dass Du bereits stark gefährdet bist. Du manipulierst Dich bereits selbst.

    Zitat

    Ich vetrage Alkohol behaupte ich, ziemlich gut, habe niemals Kater


    Sicherlich gibt es Unterschiede, wie gut Menschen Alkohol "vertragen". Bei den Mengen die Du "verträgst" hat das aber nichts mehr mit einer guten körperlichen Konstitution zu tun sondern Deine Alkoholtolleranz ist einfach so hoch, weil Dein Körper an den Alkohol gewöhnt ist. Der Spruch "der verträgt halt viel" sagt nichts anderes aus als "er ist an Alkohol gewöhnt und hat wahrscheinlich ein großes Problem an der Backe". Aber in unserer Gesellschaft ist man ja toll wenn man viel verträgt und Alkoholiker ist man erst, wenn mit den Trinken aufhört. Solange man säuft, ist man ja nicht krank. Faszinierend oder? Alkoholsucht ist die einzige Krankheit, die man erst dann hat, wenn man sie bekämpft. So lange man nichts dagegen macht, ist (zumindest gesellschaftlich gesehen) alles in Ordnung.

    Zitat

    Alkohol empfinde ich als gutes Gefuehl, treibt Emotionen hoch, schoene, wie traurige Erinnerungen an alte Tage, Gespraeche werden intensiver, interessanter. Neben der "Unbeschwertheit", der Freude die sich teils einstellt gibt er mir auch teils diese Melancholie, wenn es mal trauriger ist.


    Kann ich nachvollziehen. Ich habe bei weitem nicht nur schlechte Erinnerungen an Alkohol. Ok, je länger die Sucht dauerte, desto weniger gute Erinnerungen gibt es und ehrlich gesagt, von den letzten Jahren gibts nur Horrorerinnerungen. Aber gut, vorher gabs auch wirklich gute.

    Und die tollen intensiven Gespräche.... Wenn Du mal als nüchterner Mensch längere Zeit neben Leuten sitzt, die alkoholtrinkend diese intensiven und interessanten Gespräche führen, dann wird Dir klar werden, was da eigentlich passiert. Ich mache das regelmäßig, denn ich habe mich ja nicht aus der Gesellschaft zurück gezogen, nur weil ich keinen Alkohol mehr trinke. Sitzte ich also z. B. mit meiner ab und an auch mal trinkenden Nachbarschaft zusammen, beginnen früher oder später solche Gespräche. Und ich beteilige mich da auch sehr gerne, eine Zeit lang. Irgendwann werden diese Gespräche aber dann dermaßen albern, melancholisch oder einfach nur saublöd, dass ich mir denke: Das könnte ich jetzt nur im Suff ertragen... Und spätestens dann ist es Zeit für mich zu gehen.

    Aber ja, klar, wie soll man seinen Freunden sagen das man sie liebt, wenn man dabei nicht betrunken sein kann?

    Zitat

    Dies ist aber wunderschoen und sinnlich – etwas das ich ohne Alkohol nunmal nicht befriedigend empfinden kann. Musik wird intensiver, eingaenglicher, beruehrender. Es ist Entspannung, Freude, Aufputsch zu gleich.


    Ok, wie gesagt, ich kenne das und ich kenne diese Gefühle genau. Aber ich darf Dir auch sagen: Das alles geht auch ohne Alkohol. Ich hätte mir das auch NIE vorstellen können. Ein Sonnenuntergang im Urlaub ohne Glas Rotwein, noch dazu ein für mich "legales", welches ich nicht verheimlichen musste. Ein Highlight für mich, etwas worauf ich mich schon Wochen vorher gefreut habe. Wie soll das ohne Alk gehen, wie soll man das genießen können? Gar nicht, dachte ich und davon war ich felsenfest überzeugt.

    Es dauert einen Moment, aber ich erlebe heute ALLES von dem ich mir nie vorstellen konnte das es ohne Alkohol gut geht oder Spaß macht, besser als mit Alkohol. Intensiver und vor allem viel echter. Schwer zu beschreiben, muss man selbst erleben. Aber Du darfst mir glauben, dass es möglich ist. Auch wenn Du Dir vielleicht jetzt das denkst, was ich mir damals gedacht hätte.

    Zitat

    Ich denke mir oft das mein Sport nur Suchtverlagerung ist.


    Grundsätzlich "verhindert" Sport nicht, dass man alkoholabhängig werden kann. Die Tatsache das man Sport auf hohem Niveau macht, oder gar Profisportler ist, bedeutet nicht, dass man nicht gleichzeitig Alkoholiker sein kann. Dafür gibt es einige Beispiele, Uli Borowka z. B., der als Bundesliga-Profi Höchstleistungen brachte, sogar Nationalspieler war, und trotzdem quasi seine gesamte Karriere lang schwerst alkoholabhängig war. Kannst Du in seinem Buch "Volle Pulle" nachlesen.

    Grundsätzlich, so meine Meinung, ist Sport ein super Ausgleich. Ich selbst mache heute auch viel Sport, laufe Langstrecken, laufe Marathon. Doch als ich damals aufgehört habe zu trinken, habe ich mich zunächst GEGEN Sport entschieden. Ich wusste aus der Vergangenheit, aus meiner Zeit vor der Sucht, welch euphorisierende Wirkung dieser Sport auf mich hat. Und dass er mir dabei helfen wird, mein eigentliches Problem, nämlich meine Sucht, zu verdrängen. Und genau das wollte ich nicht. Deshalb habe ich erst aufgearbeitet und mein Leben neu strukturiert und erst dann (wieder) mit dem Sport begonnen. Das war mir wichtig, denn ich hatte große Angst davor, dass ich den Sport nutze um vor der Realität wegzulaufen. Weglaufen bei mir als Läufer dann sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Und ich hatte Angst davor was passieren würde, wenn ich diesen Sport aus welchen Gründen auch immer, mal nicht mehr ausüben könnte. Was glaubst Du passiert bei Dir, wenn Du Dich schwer verletzten solltest und Du erst mal gar keinen Sport mehr machen kannst? Wer oder was wird Dich dann trösten? Wer oder was wird dann für die guten Momente in Deinem Leben sorgen?

    Zitat

    Ein “achtsamer” Spaziergang in der Natur, den Baum betrachten, die negativen Gedanken und Sorge wie Wolken im Himmel vorbeiziehen lassen…..?
    Tja, schoen, aber irgendwie kein highlight.....


    Verstehe ich auch, denn ich hab, als ich trank, auch nichts gesehen. Ich war blind für alles was ich eigentlich "hatte". Nur der Stoff konnte mir das geben, was ich wirklich brauchte. Heute liebe ich es, wenn mich meine Läufe, meine Radfahrten raus in die wunderbare Natur führen. Ich sehe Dinge, die ich vorher niemals gesehen hätte, ich erfreue mich an Kleinigkeiten, die ich früher niemals wahr genommen hätte. Ich erlebe heute ein "Highlight" nach dem anderern, Dinge, die für mich früher nicht mal eine Randnotiz wert gewesen wären.

    Die Angst davor, dass Du ohne Alkohol keine Highlights mehr im Leben hast, die kann ich absolut nachvollziehen. Ich hatte sie nämlich auch. Es ist einfach nur ein Teil der Sucht...

    Ich lasse es jetzt mal dabei. Ich weiß ja gar nicht, ob Dich mein Geschreibsel erreicht. Deshalb solls das jetzt erst mal gewesen sein. Auf jeden Fall wünsche ich Dir, dass Du Deine Ziele erreichen kannst. Und solltest Du irgendwann mal das Ziel haben, ein Leben ohne Alkohol zu führen, dann kannst Du hier viele Menschen treffen, die dieses Ziel bereits erreicht haben. Und Dich mit ihnen austauschen und evtl. von deren Erfahrungen profitieren. So ganz einfach ist dieser Weg leider nicht....

    Alles Gute für Dich.

    LG
    Gerchla

    Hallo Jessi,

    Du hast ja jetzt schon viele Meinungen gehört. Ich will Dir einfach mal ein paar Gedanken von mir da lassen:

    Ich will nicht darüber spekulieren, ob Du mit Deiner Mengenangabe uns gegenüber ehrlich bist, ob Du Dir selbst gegenüber ehrlich bist. Denn das ist ja letztlich Deine Sache. Und die Menge macht auch nicht automatisch die Abhängigkeit, wenngleich natürlich Viel-Trinker gefährdeter sind als jene, die moderat trinken. Und ich habe auch keine Ahnung, ob diese Werte von denen Du sprichst, durch irgendeinen anderen Einfluss, also jenseits von Alkohol, zustande kommen können, da fehlt mir der komplette medizinische Hintergrund.

    Aber unabhängig davon ob nun Deine Mengenangaben stimmen oder nicht oder die Werte evtl. auch anders zustande kommen könnten, kann ich Dir auf die Frage, ob ich glaube, dass Du ein Alkoholproblem hast, nur eines antworten, nämlich: Ja, natürlich hast Du ein Alkoholproblem. Selbstverständlich hast Du ein Problem mit Alkohol, alleine schon deshalb, weil Du Dich mit diesem Thema beschäftigst bzw. beschäftigen musst.

    Menschen ohne Alkoholproblem machen sich keine Gedanken über ihren Konsum. Menschen mit Alkoholproblem tun das i. d. R. schon, auch wenn sie es lange nicht wahr haben wollen. Irgendwann kommt der Punkt, wo "man" darüber nachdenkt, ob das alle im grünen Bereich ist, was man da so alkoholtechnisch fabriziert. Ja, es mag auch Menschen mit Alkoholproblem geben die sich keine Gedanken über ihren Konsum machen aber ich habe tatsächlich noch keine/n getroffen. Am Ende haben mir doch alle immer erzählt, dass sie es irgendwann mal vermutet, befürchtet oder gewusst haben, dass da irgendwas nicht stimmen kann. Und alle haben auch immer versucht Argumente zu finden, die ihre Angst, Vermutung oder Befürchtung widerlegen. Also im Grunde so wie Du das jetzt auch machst. Wäre doch schön, wenn wir Dir hier schreiben würden: Bei der Menge die Du trinkst kannst Du gar kein Problem haben..... Wäre schön oder?

    Ich bin also der Meinung, dass Du ein Problem hast. Wie groß dieses Problem jedoch ist, wie weit fortgeschritten es ist, ob Du bereits abhängig bist oder ob Du "nur" Missbrauch betreibst und ob Du diesen Missbrauch bereits in bedenklichem, regelmäßigen Maß betreibst oder ob Du da erst am Anfang stehst, das kann ich Dir nicht sagen.

    Aber alleine die Tatsache, dass Du darüber nachdenkst, Du könntest ein Problem haben bedeutet, dass da ein Problem ist. Nur wie groß dieses Problem ist, sagt es zunächst nicht aus. Es könnte also sein, dass dieses Problem "eigentlich" ein ganz kleines ist. Nach dem Motto: Problem erkannt, Problem gebannt. Das wäre z. B. dann der Fall, wenn Du ab sofort einfach keinen, also überhaupt gar keinen, Alkohol mehr trinken würdest. Auf unbestimmte Zeit, aber mindestens, sagen wir mal für den Rest dieses Jahres. Ich schreib' das jetzt einfach mal so.

    Wenn Du das liest und Dir der Gedanke kommt, dass das ein verdammt langer Zeitraum ist und dass Du Dir das irgendwie so aber nicht vorstellen kannst, das eigentlich auch nicht willst, dann ist Dein Problem bereits größer als Du vielleicht denkst. Jemanden der kein Problem mit Alkohol hat, den interessiert es überhaupt nicht, ob er jetzt z. B. für den Rest dieses Jahres keinen Alkohol mehr trinkt. Das macht ihm/ihr keine Angst, weil der Alkohol spielt keine Rolle in dessen Leben.

    Wie ist das bei Dir? Was macht dieser Gedanke mit Dir? Kein Problem? - dann probiere es doch einfach aus. Ab jetzt, sofort. Also ich meine, hey, ob Du diesen einen Wodka die Woche jetzt trinkst oder einfach weg lässt, das macht doch keinen Unterschied. Oder doch?

    Wenn Du also jetzt wirklich Klarheit für Dich möchtest, dann mach' einfach mal Nägel mit Köpfen. Trinke keinen Alkohol mehr, gar keinen mehr, auch kein Glas wenn Dein Kind schläft. Und wenn Dir das die nächsten Monate problemlos von der Hand geht, wenn auch Dein Kopf nicht immer wieder an Alkohol denkt sondern Du ihn einfach weglassen kannst, ohne dass Du darüber immer wieder nachdenken musst, dann weißt Du, Du hattest höchstwahrscheinlich kein Problem.

    Gelingt Dir das nur unter großer Anstrengung, mit dem Gefühl eines Verzichts, mit dem Wunsch eigentlich schon mal was trinken zu wollen, dann weißt Du, dass es Spitz auf Knopf steht und Du ungedingt dran bleiben solltest um das dauerhaft in den Griff zu bekommen.

    Gelingt es Dir gar nicht, und Du musst einfach weiter trinken, dann weißt Du, dass Du jetzt einen sehr guten Plan brauchst, um nicht noch tiefer in die Suchtspirale hinein gezogen zu werden. Hier wäre dann auf jeden Fall auch externe Hilfe dringend angeraten.

    So, und jetzt wünsche ich Dir einfach von Herzen, dass Du nur ein klitzekleines Problem hast, welches Du ganz einfach selbst in den Griff bekommst und dass Dein Kind bei Dir bleiben darf und dass sich die ganze Sache überhaupt positiv für Dich entwickelt. Das wünsche ich Dir sehr.

    LG
    gerchla

    Liebe Schotterblume,

    ich glaube Du beginnst gerade damit, Gefühle zuzulassen und Du möchtest Deine Gefühle verstehen. Woher kommt dieses Verlangen? Warum tritt es gerade jetzt auf?

    Ich halte diesen Weg, den Du jetzt eingeschlagen hast, für absolut richtig. Denn Du beginnst damit gleichzeitig, Deine Sucht aufzuarbeiten. Du beginnst damit, mit Dir und Deiner Suchtgeschichte in Reine zu kommen. Ich habe diese Erfahrung auch machen dürfen. Das war bei mir ein Prozess, ein sehr langer, der sich nach und nach entwickelt hat.

    Ganz am Anfang ging es natürlich erst mal nur darum, bloß keinen Alkohol mehr zu trinken. Das war für mich erst mal völlig in Ordnung, hätte aber sicher auf Dauer nicht ausgereicht um ein abstinentes Leben zu führen zu können. Denn da waren ja jetzt all diese Gefühle, ganz viele Gefühle, nicht nur das Gefühl, wieder Alkohol trinken zu wollen.

    Da waren ganz viele positive Gefühle, die ich lange nicht mehr gefühlt hatte, weil sie im Alkoholnebel verborgen waren. Da waren aber auch ganz viele negative Gefühle, die sich nun nicht mehr verdrängen ließen, weil ich ja mein "Hilfsmittel" Alkohol nicht mehr einsetzen wollte. Ich stand also sozusagen in einem Gefühlschaos. Einerseits die positiven Gefühle, die sich einfach durch den Wegfall des Alkohols ergaben und den damit verbundenen, sehr schnell wahrzunehmenden postiven "Nebenwirkungen". Und andererseits die ganzen negativen Gefühle, die jetzt ungefiltert, nicht mehr betäubt, auf mich hereinprasselten. Viele davon hatten mit Scham, Schuld, Ungewissheit bis hin zu Angst zu tun. Und immer die Frage: "Was hast Du getan, was hast Du angerichtet?"

    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es gut für mich war, diesen Gefühlen nicht (immer) davon zu laufen. Es war gut für mich, sie immer wieder bewusst zuzulassen, sie zu erleben und mich mit ihnen zu beschägtigen. So wie Du das bezüglich Deines Gefühls nach Verlangen auch geschildert hast. Ich ließ sie zu. Anfangs noch zögerlich, wohl dosiert. Mit zunehmender Dauer meiner Abstinenz aber immer mehr. Nein, ich wollte mich dann nicht mehr ablenken und manchmal nahm ich mir sogar bewusst Zeit, um ein bestimmtest Gefühl zu "durchdenken", zu verstehen und ganz wichtig, es zu akzeptieren.

    Ich denke, das funktioniert nur dann richtig gut, wenn man sich die Zeit dafür nimmt. Oder die Zeit dafür "verschafft". Ich denke, in einer klassischen Therapie wird einem diese Zeit eingeräumt. Wenn man aber, so wie ich, ohne eine klassische Therapie den Weg aus der Sucht gehen möchte, dann ist man selbst für diese Zeit verantwortlich. Ich schaffte mir diese Zeitfenster durch eine Struktur in meinem Tagesablauf. Bei mir war z. B. ein täglicher Spaziergang, meist nach der Arbeit, fest gesetzt. Und zwar genau dafür: Um Zeit zu haben, über mich und mein Leben nachzudenken. Das half mir sehr.

    Und noch eine Erfahrung möchte ich mit Dir teilen. Je häufiger ich diese Gefühle zugelassen habe, je mehr ich mich mit ihnen beschäftigt habe, desto mehr verloren sie von ihrer Bedrohlichkeit. Desto mehr stieg meine Akzeptanz ihnen gegenüber, desto weniger verurteilte ich mich selbst und desto mehr kam ich Stück für Stück ein bisschen mehr ins Reine mit mir.

    Es waren bei mir auch Gefühle dabei, bei mir jetzt z. B. extreme Schuldgefühle, die einfach so groß und bedrohlich waren, dass ich mir nicht zutraute, sie durch eigenes Denken richtig in den Griff zu bekommen. Hier suchte ich mir dann Hilfe. Aber auch hier ging es dann immer darum, diese Gefühle zuzulassen, zu akzeptieren und als Teil des eigenen Lebens zu betrachten.

    Nun wäre es sicher nicht schön, wenn Du das Gefühl, Du würdest gerade gerne Alkohol trinken wollen, dauerhaft als Teil Deines Lebens betrachten müsstest. Denn das würde ja bedeuten, dass das nie weg geht und es Dich immer wieder überfallen kann. Aber genau das wird nicht der Fall sein, wenn Du Dich damit auseinander setzt und mit Dir ins Reine kommst.

    Meine Schuldgefühle z. B., sie hatten wirklich das Potenzial meine Abstinenz zu gefährden, sie sind weg! Ich bin mir meiner Schuld bewusst, ich bereue auch aufrichtig was ich getan habe, aber sie sind ein von mir akzeptierter Teil meines Lebens und sie helfen mir heute dabei, es jetzt besser zu machen.

    In diesem Sinne: Alles alles Gute für Dich auf Deinem weiteren Weg! Schön, dass Du hier bist und das mit uns teilst!

    LG
    Gerchla

    Hallo Scholli,

    spontan hätte ich die gleiche Vermutung geäußert wie meine beiden Vorschreiber/innen. Dazu fällt mir noch ein, dass ein Alkoholiker ein Meister im Tarnen und Täuschen ist. Ich traue ihm also durchaus zu, dass er trotz Deiner 24/7 "Überwachung" in der Lage war, heimlich zu trinken. Ich denke da einfach an meine Alkoholikerzeit zurück. Mich hätte man wohl in einen Raum sperren müssen, den ich vorher nie betreten habe (und der somit keine meiner zahlreichen Alkoholverstecke gehabt hätte) und den ich dann 24 h nicht mehr verlassen hätte dürfen.

    Aber meines Wissens kann es auch noch andere Ursachen haben. Soweit mir bekannt, kommt es bei "fortgeschrittenen" Alkoholikern u. U. dazu, dass sie irgendwann "plötzlich" scheinbar nichts mehr vertragen oder nur noch vergleichsweise wenig. Das liegt daran, dass die Organe durch den jahrelangen Missbrauch bereits stark geschädigt sein können, allen voran natürlich die Leber. Der Alkohol kann dann nicht mehr "wie gewohnt" abgebaut werden, so dass bereits geringere Mengen die von Dir beschriebene Wirkung habe können.

    Außerdem kann auch die Einnahme von bestimmten Medikamenten den Abbau von Alkohol im Körper hemmen bzw. verlangsamen, was dann auch den von Dir beschriebenen Effekt haben könnte.

    Ich stelle mir jetzt natürlich auch die Frage, was es Dir bringt, wenn Du weißt (oder wüsstest) woran es letztendlich liegt. Denn es hilft Dir kein Stück weiter, wenn der Betroffene selbst nicht bereit ist, dieser Sache auf den Grund zu gehen. Denn egal woran es nun am Ende liegen mag: So wie Du das schilderst, hat der Betroffene ein massives Alkoholproblem und wenn er selbst daran nichts ändern möchte, wird er früher oder später an seiner Sucht zugrunde gehen. Leider ist das so.

    Somit möchte ich Dir einfach sagen: Schau auf Dich, achte auf Dich und DEINE Bedürfnisse und gib acht, dass Du nicht durch seine Sucht mit unter gehst.

    Alles Gute für Dich und auch für den Betroffenen.

    LG
    Gerchla

    Hallo Stephan,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum.

    Bevor ich Dir meine Gedanken schreibe, stelle ich mich kurz vor:

    Ich bin Anfang 50, Alkoholiker und lebe jetzt schon lange ohne Alkohol. Davor habe ich weit über 10 Jahre abhängig getrunken, die meiste Zeit davon heimlich. Ich hatte Familie (Frau und 2 Kinder) und habe bis zum Schluss irgendwie funktioniert. Letztlich war ich dann selbst derjenige, der sich geoutet hat und damit dann die Wende eingeleitet hat.

    Ich möchte Dir meine "Geschichte" zum Thema Ausdauersport schreiben. Ich habe dazu auch eine Geschichte, die auch in unmittelbarem Zusammenhang mit meiner Alkoholsucht steht. Ich schreibe Dir heute als jemand, der jetzt seit vielen Jahren läuft, bevorzugt Langstrecke ab 10 km aufwärts bis hin zur Halbmarathondistanz, die ich normalerweise jeden Sonntag absolviere.

    Ich schreibe das jetzt nicht, um als besonders sportlicher oder besonders "toller" disziplinierter Mensch rüber kommen zu wollen. Ich schreibe Dir das eigentlich nur, weil mich diese Zeilen von Dir nachdenklich gemacht haben:

    Zitat

    Einer der Hauptteile der Therapie war Sport und Aktivität an sich. Daher bin ich auch zum Sport gekommen. Ohne ist es undenkbar. Zum Beispiel hatte ich vor zwei Wochen einen kleinen Muskelfaserriss und war gezwungen nicht aktiv zu sein. Dies war auch ein Faktor meines Rückfalls.

    Sogar sehr nachdenklich, wenn ich ehrlich bin. Aber ich denke, das sollte ich Dir erklären.

    Als ich damals mit dem Trinken aufgehört habe, brach bei mir und vor allem auch bei meiner Familie die gesamte (gedachte) Zukunft zusammen. Auch meine Familie wusste nicht, dass ich Alkoholiker war und vor allem wusste meine Frau nicht, dass ich nebenher noch ein Doppelleben geführt habe. Als ich mich outete, machte ich reinen Tisch und ich habe wirklich alles offenbart, was es zu offenbaren gab. Und da waren wirklich ungeheuerliche Dinge dabei, für dich mich heute noch so schäme, dass ich manchmal gar nicht glauben kann, dass das wirklich ich getan habe. In der letzten Konsequenz bedeutete das dann, dass es zur Trennung zwischen meiner Frau und mir kam, welche zwar letztlich von mir ausging (sie wäre durchaus bereit gewesen den Weg aus der Sucht mit mir zu gehen), was es aber für mich und auch alle anderen Beteiligten nicht besser machte. Vor allem meine Kinder litten fürchterlich und ich litt vor allem wegen meiner Kinder.

    So kam es also, dass ich bereits kurze Zeit nachdem ich nicht mehr trank, auch die gemeinsame Wohnung verließ und in eine kleine Wohnung in die große Stadt zog. Auf einmal war bei mir plötzlich alles anders und es war plötzlich auch so, wie ich es mir vorher nicht hätte vorstellen können und wie ich es auch nie hätte haben wollen. Nicht mehr auf dem Lande, nicht mehr den großen Garten und das Haus, nicht mehr meine Kinder um mich sondern einfach eine kleine Altbauwohung in einem nicht besonders hoch angesehenen Wohnviertel in der Stadt.

    Das saß ich also nun mit meinen Gedanken. Ein Anker war damals eine SHG, die ich bereits am ersten Abend ohne Alkohol aufgesucht hatte und die dann tatsächlich sogar in Fußnähe meiner neuen Wohnung war. Dort war ich dann jeden Abend zugegen. Ich hatte keine Therapie wie Du, war aber absolut bereit eine zu machen, sollte ich (oder der Arzt/Psychologe) der Meinung sein, es wäre notwendig oder der richtige Weg. Also saß ich jetzt da und hatte vor allem mit meinen Schuldgefühlen zu kämpfen. Schuldgefühle, weil ich meine Familie verlassen hatte, weil ich überhaupt zum Säufer wurde, weil ich jahrelang ein Doppelleben geführt hatte und weil ich gelogen und betrogen hatte, was das Zeug hält. Und weil ich meine Frau bis zum Schluss in dem Glauben gelassen habe, dass alles gut wird und alles soweit in Ordung ist (sie hat natürlich was gemerkt, wusste es nur nicht zu deuten).

    Jetzt sah ich, immer wenn ich meine Kinder traf, welch unglaubliches Leid ich angerichtet hatte und das hat mich ziemlich niedergedrückt. Ich hatte wirklich Angst, dass ich an dieser Schuld zerbrechen könnte, was dann gleichbedeutend gewesen wäre mit "wieder zur Flasche greifen".

    Was also tun? Und da kam mir der Sport in den Sinn. Dazu musst Du wissen, dass ich als Jugendlicher und junger Erwachsener, also bevor ich süchtig wurde, bereits ein begeisterter Läufer war. Dieser Sport hat mir damals wahnsinnig viel gegeben und ich hatte auch sowas wie Talent und ich wusste, dass ich in diesem Sport einen Ausgleich finden könnte. Ich wusste, wie er auf mich "wirkt".

    Und genau deshalb, habe ich mich damals GEGEN ihn entschieden. Denn ich hatte genau vor dem große Angst, was Dir jetzt passiert ist. Ich hatte Angst davor, dass ich durch den Sport meine Sucht nicht so aufarbeite, wie es nötig wäre um mit ihr "abschließen" oder sagen wir, wenigstens mit ihr leben zu können. Ich hatte Angst davor, dass ich mich in den Sport flüchte und dass, sollte ich ihn nicht mehr ausüben können (wie Du von Dir berichtest), ich Gefahr laufe, in ein Loch zu fallen und dann wieder zum Alkohol zu greifen.

    Ich wollte aber mein Wohlbefinden nicht von irgendeinem äußeren Einfluss abhängig machen. Ich wollte eigentlich von innen heraus soweit mit mir im Reinen sein, dass ich von mir aus nicht mehr trinken will. Damals waren meine Gedanken bei weitem nicht so klar, wie ich sie hier jetzt forumiliere. Es war alles zu frisch und ich war hin und her gerissen. Dennoch war mir irgendwie klar, dass ich nicht von der einen Sucht in die nächste fliehen wollte. Wobei ich jetzt bei "Sport machen" nicht gleich von Sportsucht sprechen möchte, wirklich nicht. Die gibt es ja auch, aber die schaut dann nochmal ganz anders aus und ist ebenfalls eine fürchterliche Krankheit. Nein, ich meine damit, dass ich eben mein Wohlbefinden nicht unmittelbar abhängig machen wollte davon, dass ich Sport machen kann.

    Man kann das übrigens auch ganz anders sehen (wie Deine Therapeuten ja scheinbar auch), denn alles ist besser als weiter zu trinken. Und wenn Sport beim Aufhören hilft dann ist das per se nicht schlecht. Ich hatte damals diese eben geschilderten Bedenken oder Ängste und fing deshalb nicht mit dem Laufen an.

    Trotzdem hatte ich ja aber diese großen und wirklich abstinenzgefährdenden Probleme mit meinen Schuldgefühlen und natürlich auch der ganzen, für mich völlig belastenden, neuen Situation. Ich musste also was tun, nur (weg-)laufen kam für mich nicht in Frage. Die Alternative konnte dann ja nur ein ganz bewustes Außeinandersetzen mit der Situation und meiner Lage sein. Und auch ein Zulassen und auch aushalten der damit verbunden Gefühle, welche überwiegend negativ waren. Aber ohne Hilfe schien mir das nicht zu schaffen zu sein. Letztlich kam ich dann an einen Mönch (lange und abgefahrene Geschichte), der mir statt eines Psychologen (welchen ich ganz klassisch vorher "probiert" hatte), zur wichtigsten Stütze bei der Aufarbeitung meiner Sucht wurde. Und vor allem ein zuverlässiger Begleiter auf meinem Weg zurück ins Leben bzw. in ein neues Leben ganz ohne Alkohol.

    Falls Du jetzt denkst "Mönch, bleib mir damit vom Leib, mit der Kirche habe ich nichts am Hut", dann will ich einfach noch sagen, dass das bei mir damals ganz genauso war. Ich war weder religiös noch hatte ich sonst irgendwas mit der Kirche im näheren Sinne zu tun. Dieser Mönch war einfach jemand, den ich mal paar Jahre vorher zufällig wo erlebt hatte und der mich damals (obwohl ich bestimmt einiges Intus hatte) sehr beeidruckt hatte. Ich dachte damals, der hat so eine Ruhe und wirkt so zufrieden, so möchte ich auch sein. Das hatte ich nie vergessen und obwohl ich noch nicht mal seinen Namen wusste, dachte ich mir, mit dem würde ich gerne über meine Situation reden. Naja, ist ne längere Geschichte mit ein paar Hindernissen aber am Ende war er auch bereit mit mir zu reden und daraus wurden dann viele Gespräche. Übrigens keines davon drehte sich um Gott oder Glauben sondern es ging immer um den Sinn meines Lebens, um meine Schuld und wie ich damit zukünftig leben kann bzw. was ich aus meinem "neuen" Leben machen kann. Und auch darum, was ich aus meiner Vergangenheit lernen könnte. Es ging also genau um die Dinge, die mich belastet haben.

    Als ich dann, nach ca. einem Jahr, alles soweit mal aufgearbeitet hatte und sozusagen mit dem Gröbsten durch war, begann ich mit dem Laufen! Und es kam wie es kommen musste. Es ließ mich nicht mehr los, bis heute. Nur das Laufen für mich heute nicht mehr das ist, was es früher einmal war.

    Früher ging es mir um die Fitness, um die Leistung, mich auch mal auf Wettkämpfen mit anderen messen, immer versuchen noch einen ticken besser zu werden. Und stolz zu sein, dass ich so fit war und so ein guter Läufer, der immer im vorderen Drittel, manchmal auch ganz vorne in den Finisherlisten zu finden war.

    Heute laufe ich, um mit mir und der Natur verbunden zu sein. Um einfach mal eine Stunde oder auch zwei, denken zu können. Um mit mir alleine sein zu können und meinen Tag durchdenken zu können (ich laufe bevorzugt morgens vor der Arbeit). Das schließt nicht aus, dass ich auch mal Bock darauf habe, "einen raus zu hauen", wo ich mal teste, ob ich die 10 km noch unter 45 Min laufen kann. Aber das steht überhaupt nicht im Fokus, dass ist dann eher der Spaßfaktor bei der Geschichte. Auch laufe ich meist einmal im Jahr einen Marathon, einfach nur um ihn mit meinem besten Freund zusammen zu laufen, wovon wir die ersten 30 km komplett verquatschen und die letzten 12 vor uns hin röcheln. Es geht nicht mehr um die Finisherliste, darum besonders toll oder gut zu sein. Es geht nur noch darum, Spaß zu haben wenn ich mal mit anderen unterwegs bin und Zeit für mich zu haben, bei den vielen Läufen die ich morgens absolviere. Und klar, es ist schön fit zu sein, es ist toll essen zu können was man will, aber am Ende sind das die "Nebenwirkungen", nicht die Motivation.

    Was ich sagen will: jetzt ist der Sport, in meinem Fall das Laufen, ein toller Ausgleich, etwas das mir Ruhe gibt, auch Zufriedenheit. Es gibt mir die Möglichkeit mit mir selbst zu sein, draußen in der Natur zu sein und auch ganz viel Dankbarkeit spüren zu können, dass ich das alles tun kann.

    Aber, ich brauche es nicht um trocken zu bleiben. Ich hatte auch schon Zeiten, wo länger nix ging. Einmal hat mich ein Infekt fast 2 Monate lahm gelegt, aber sowas von. D. h. , von 4 - 5 mal die Woche laufen zu gar nicht mehr laufen. Da merkte ich, dass ein einfacher Sparziergang, den aktuellen Kräften angepasst, genauso "befriedigend" ist, wie ein Lauf. Ich merkte auch, dass ein "einfaches sich Zeit für die eigenen Gedanken nehmen", weil auch ein Spaziergang nicht drin war, ebenso befriedigend sein kann, wie ein Lauf oder ein Spaziergang. Am Ende geht es immer darum, dass man mit sich selbst im Reinen ist. Und mit sich und seinem Leben zufrieden ist. Ist das der Fall, wozu soll dann Alkohol noch gut sein?

    Letztlich haben wir ihn doch alle deshalb getrunken, weil wir etwas verändern wollten, mit seiner Hilfe. Oder weil wir es in unserem "nüchternen Zustand" nicht ausgehalten haben. Weil wir dachten, er würde uns helfen, zu entspannen, zu entfliehen, etc. Aber wenns nix zum Entfliehen und zum Entspannen gibt, wenn Du mit dem was gerade ist abslout zufrieden bist, vielleicht sogar glücklich, wozu soll Dir dann der Alkohol noch nützlich sein? In den vielen Jahren ohne Alkohol habe ich gerlernt, dass es "nur" darum geht sein eigenes Leben so zu gestalten, dass man damit zufrieden ist. Gerne zwischendrin auch mal glücklich, aber mindestens zufrieden. Und zwar von innen heraus, mit sich selbst. That's it, ich habe aber auch gelernt, dass der Weg dort hin ein langer ist und dass jeder seinen eigenen finden darf.

    So, das waren jetzt mal meine Gedanken. Bisl pathetisch wie so oft bei mir, aber vielleicht kannst trotzdem was damit anfangen, würde mich freuen.

    Alles Gute für Dich und super, dass Du nicht aufgegeben hast und Dich wieder auf den Weg in ein Leben ohne Alkohol machst.

    LG
    Gerchla

    Hallo KLF,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum. Schön, dass Du Dich neben Deiner Therapie auch hier noch austauschen möchtest.

    Zu Deinem Nick fällt mir nur ein: KLF is gonna rock you!

    Ich bin Anfang 50, Alkoholiker und lebe jetzt schon lange ohne Alkohol. Davor trank ich weit über 10 Jahre abhängig, die meiste Zeit davon heimlich. Ich hatte Familie (Frau, 2 Kinder), vor welchen ich meine Sucht ebenfalls verheimlicht hatte. Funktioniert habe ich bis zum Schluss, jedoch die letzten Jahre mehr schlecht als recht und ich stand kurz vor dem Totalabsturz. Dann kam der Tag X, welcher überhaupt nicht geplant war (eigentlich war ich so weit, dass ich es einfach laufen lassen wollte) und outete mich meiner Frau gegenüber.

    Mit diesem Outing ist das passiert was Du so beschreibst:

    Zitat

    Seit Anfang des Jahres bin ich dabei, eine komplette Lebensveränderung zu durchleben und habe einen radikalen Schnitt gemacht.

    Es war der radikale Schnitt in meinem Leben. Vorher hatte ich natürlich mehrmals versucht mit dem Trinken aufzuhören. Aber ich war nie bereit gewesen, wirklich etwas zu verändern. Ich dachte immer, ich höre jetzt heimlich auf, weil ich ja auch heimlich getrunken habe. Damit bleibt dann alles so wie es ist, nur der Alkohol ist weg.

    Tja, und genau das funktioniert eben nicht. Einfach nur nichts mehr trinken reicht auf Dauer nicht aus. Da ist diese Sucht viel zu mächtig. Meine längste Trinkpause, relativ am Anfang meiner Suchkarriere, dauerte fast ein Jahr. Eigentlich sollte man meinen, dass man bei so einem langen Zeitraum "durch" ist. Aber genau das ist eben nicht der Fall, weil man im Grunde nie "durch" ist. Meine Erfahrung ist, dass es entscheidend ist sein Leben so zu gestalten, dass man damit zufrieden ist. Was so banal klingt ist für mich der Schlüssel für ein Leben ohne Alkohol.

    Bei mir hat das bedeutet, dass ich mein Leben in fast allen Bereichen verändert habe. Einzig mein Job war das, was mir von meinem alten Leben blieb. Weil dieser mir immer Spaß gemacht hat und nicht der Grund für mein Abgleiten in die Sucht war. Ansonsten veränderte sich nach meinem Outing und nach meinem festen Entschluss, dass ich nie mehr trinken möchte, so gut wie alles. So trennte ich mich z. B. von meiner Frau, weil mir bewusst wurde, dass ich, wenn ich an meinem alten Leben festhalte, wieder zur Flasche greifen würde. Sie war durchaus bereit, mich auf dem Weg aus der Sucht zu begleiten, ich wollte das nicht.

    Damit "verlor" ich auch meine von mir über alles geliebten Kinder. Ich verlor einen Großteil meines Freundes- und Bekanntenkreises, zumindest all jene, die meine Frau und ich zusammen kennengelernt hatten und natürlich jene, die sie mit in die Beziehung "gebracht" hat. Denn da war natürlich ganz klar, dass ich der Täter war und meine Familie bzw. Frau das Opfer. Was im Übrigen auch völlig korrekt ist, denn meine Frau war nicht "der Grund", warum ich alkoholsüchtig wurde. Nur am Ende, hatten ich mich derart von ihr entfernt, dass ich mir ein Leben mit ihr nicht mehr vorstellen konnte.

    Damit verbunden natürlich auch ein Ortswechsel. Ich ging weg, verließ mein gewohntes Umfeld, zog in die Stadt in eine kleine Wohnung. Vom Land kommend mit Haus und großem Garten. In eine Altbauwohung mit Minibalkon. Direkt neben der Kläranlage mit würziger Luft, je nachdem woher der Wind wehte. Diese Zeit, in dieser kleinen Wohnung, die war so prägend und wichtig für mich. Es war alles anders, es war wie ich es mir vorher nicht hätte vorstellen können aber es war GUT, sehr gut sogar. Denn es zeigte mir, worauf es im Leben wirklich an kommt. Und das ist nicht das schicke Haus auf dem Land mit großem Garten und dickem Auto vor der Türe.

    Ich will das jetzt erst mal nicht weiter ausführen. Was ich Dir damit sagen möchte: die Bereitschaft Dein Leben komplett zu verändern ist eine sehr gute Voraussetzung um zu einem dauerhaften Leben ohne Alkohol zu kommen. Ich war damals bereit, ALLES für ein Leben ohne das Zeug zu tun. Ich wollte nie wieder trinken und war wirklich zu allem bereit. Ich ging bereits ab dem ersten Tag ohne in SHG, die war für mich mein Anker in den ersten Wochen und Monaten. Uns so ging es dann weiter, ich hatte einen Psychologen, der leider nicht so ganz meines war und so landete ich schließlich bei einem Mönch (längere abgefahrene Geschichte), der mir wohl mit am meisten geholfen hat, auf meinem Weg aus der Sucht.

    Was in dieser ganzen Zeit aber ständig passiert ist, das waren Veränderungen. Immer wieder Veränderungen. Am Anfang waren es die von mir beschriebenen, von außen auch wahrnehmbaren Veränderungen (Trennung, Umzug, Freundeskreis), mit zunehmender Dauer meines Lebens ohne Alkohol kamen dann aber die inneren Veränderungen dazu. Denkweise, Lebenseinstellung, Umgang mit Schuld, Sinn des eigenen Lebens finden.... Wenn Du mich nun fragen würdest, was wichtiger ist, also innere oder äußere Veränderung, dann würde ich sagen: für mich bedingte das eine, dass ich das andere erreichen konnte. Für mich war also beides wichtig. Ich möchte aber nicht behaupten, dass das für jeden so zutreffen muss. Denn wenn ich eines gelernt habe in den vielen Jahren wo ich jetzt mit anderen Alkoholikern kommuniziere, dann das, dass diese Sucht höchst individuell ist und die Wege aus der Sucht sind es ebenfalls. Kein Weg ist wie der andere, auch wenn es manchmal so scheint.

    So, genug geschwafelt. Schön das Du hier bist. Schreibe uns einfach, wenn Dir danach ist. Wenn Du Fragen hast, wenn Dich was beschäftigt, einfach her damit. Wir teilen Dir gerne unsere Gedanken mit. Vielleicht hast Du ja Lust ein wenig mehr von Dir und Deinen Lebensumständen zu erzählen. Dann können wir ggf. "besser" oder "genauer" unsere Erfahrungen mit Dir teilen.

    Alles Gute für Deinen weiteren Weg und

    liebe Grüße
    Gerchla

    Liebe Schotterblume,

    ich finde es ganz stark von Dir, dass Du Dich wieder hier bei uns gemeldet hast. Ich finde, damit hast Du genau das Richtige gemacht und niemand wird Dich hier dafür verurteilen, dass Du diese Rückfälle hattest. Ich denke, fast alle von uns haben diese oder ähnliche Erfahrungen auch gemacht. Und Du hast vollkommen Recht: Du bist nicht allein!

    Die Tatsache, dass Du immer wieder aufgestanden bist und Dich nicht augegeben hast, zeigt mir, dass Du es auch wirklich ernst meinst. Du willst weg von dem Zeug, diesen Eindruck hatte ich auch schon in unserer vergangenen Konversation. Aber es ist eben nicht so einfach und leider kann Dir niemand sagen, wie es bei Dir ganz sicher funktionieren würde mit dem Leben ohne Alkohol. Wir können immer davon berichten, wie es bei uns funktioniert hat oder auch darüber schreiben, was bei uns schief gelaufen ist.

    Wenn Du schreibst, dass es "endgültiger" hätte ausgehen können, dann nehme ich mal an, dass bei Dir auch Suizidgedanken im Spiel waren. Wenn ich das jetzt nicht ganz falsch interpretiere. Das lässt mich vermuten, dass es sich um eine ganz heftige und sehr tiefgreifende Krise gehandelt haben muss. Und dass Du hier auf jeden Fall professionelle Hilfe in Anspruch nehmen solltest. Was Du ja aber, wenn ich recht informiert bin,bereits auch tust.

    Ich kann das nachvollziehen, dass Deine recht frische und neue Abstinenz Dich NOCH nicht durch eine derartige Krise getragen hat. In Zeiten der akuten Not, greift "man" fast autoamtisch auf "Bewährtes" zurück. Solche Sitationen spielen der Sucht geradezu in die Hände, die Sucht nutzt das gnadenlos aus. Also bitte verachte Dich nicht, nimm den Kopf hoch und gehe es erneut an. Das tust Du ja jetzt auch und damit machst Du das einzig Richtige.

    Ich kann und will Dir jetzt keine schlauen Ratschläge geben. Wenn ich Dich richtig lese, dann bist Du nach wie vor in Therapie, Du arbeitest auf, Du verheimlichst Deine Sucht nicht, Du sprichst darüber und Du WILLST vom Alkohol weg. Wenn ich mir das so von außen ansehe, dann tust Du hier wirlklich das Richtige. Trotzdem hat es (noch) nicht geklappt und ich kann gut verstehen, dass Dich das verzweifeln lässt. Ich möchte Dir aber auch sagen: gib nicht auf! Ich kenne so viele Alkoholiker, die mehrere Anläufe brauchten, auch welche, die quasi als "hoffnunglos" abgestempelt wurden und sich auch selbst so sahen. Und die heute schon eine lange Zeit ohne Alkohol leben, zufrieden, ohne kämpfen zu müssen.

    Ein Gedanke, der in mir aufgekommen ist, als ich Deine Zeilen las, ist die Frage, was Du aus diesen Ereignissen gelernt hast. Oder ob Du überhaupt etwas daraus lernen konntest. Ich meine das jetzt nicht anklagend oder wertend sondern eher in die Richtung, ob Du von diesen Rückfällen, so schlimm sie für Dich waren, Erfahrungen ziehen konntest, die Dir in der Zukunft helfen, ähnliches zu vermeiden.

    Es ist einfach zu sagen "sorge dafür, dass es Dir immer gut geht, denn damit verminderst Du die Gefahr dass Du rückfällig wirst enorm". Das stimmt in der Theorie natürlich, ist aber in der Praxis nur in seltenen Fällen allumfänglich möglich. Denn wir wissen ja alle, dass ein Leben ohne Alkohol nicht bedeutet, dass das Leben dann plötzlich problemfrei und rosarot ist oder das etwaige psychische Belastungen, Traumata, Depressionen, etc. einfach weg sind, nur weil man nicht mehr trinkt. Das ist ja nicht so, also geht es oft auch darum Strategien zu finden, die einem dabei helfen durch Krisensituationen zu gehen, ohne auf das "vertraute" Suchtmittel zurück greifen zu müssen.

    Ich will das aber jetzt nicht weiter ausführen, weil Dir das akutell wohl nicht helfen wird und deshalb einfach nur sagen: Toll, dass Du Dich wieder gemeldet hast und dass Du nicht aufgibst. Schreib und was Dich bewegt, wir werden Dir gerne unsere Gedanken mitteilen. Irgendwann,ja irgendwann bekommst Du vielleicht mal genau den Impuls, den Du "gebraucht" hast. Das haben mir schon einige erzählt, dass bei ihnen irgendwann ein scheibar völlig unbedeutend daherkommender Impuls plötzlich den Schalter umgelegt hat. Das ist nicht steuerbar, das ist nicht berechenbar, aber das passiert immer wieder. Letzlich war es bei mir genauso. Also bleib dran, Du schaffst das!

    Liebe Grüße
    gerchla

    Hallo Hermann,

    bin gerade bisl in Zeitdruck, will aber dazu kurz was schreiben:

    Zitat

    Eigentlich habe ich in meiner Kindheit alles gehabt was man braucht

    Da steht dieses "eigentlich". Vielleicht hast Du es, wie ich es auch oft mache, ohne weitere Hintergedanken an den Anfang Deiner Aussage gesetzt, vielleicht aber ist dieses "Eigentlich" mehr als es scheint. Du hast alles gehabt, sprichst aber von einem eiseren Regiment Deiner Eltern..... Da denke ich: was meint er mit alles gehabt? Ein Dach übern Kopf und materiell gut versorgt oder meint er, dass er sich immer angenommen und geliebt gefühlt hat von seinen Eltern? Oder beides? Diese Frage kannst nur Du selbst Dir beantworten.

    Es könnte sein, dass darin ein Schlüssel für Dich verborgen liegt. Aber natürlich kann ich komplett falsch liegen, ich schreib' Dir nur was ich denke. Vielleicht ist auch einfach nicht angemessen Dir sowas hier offen in diesem Forum zu schreiben. Sag mir bitte offen, wenn Dich das stört oder ggf. kannst Du auch via PN mit mir in Kontakt treten.

    Was Du dann sozusagen im letzten Absatz so beschreibst ist für mich nichts anderes als die "ganz normale" Sucht. Ich kenne das alles von mir. Es ist schlicht die Sucht, die Dir all diese Gedanken einflüstert und je länger Du nichts getrunken hast (sofern Du nicht dauerhaft abstinent lebst), desto lauter wird die Stimme: jetzt hast Du soooooo lange nix getrunken, siehst du, da kannst du doch gar kein Problem haben. Oder: du hast doch bewiesen das du aufhören kannst, da kannst du doch jetzt was trinken und dann kannst ja auch wieder aufhören. ETC.

    Ich hatte ja auch Phasen wo ich Trinkpausen eingelegt habe, welche ich dann irgendwann mal gebrochen habe. Mein längste Trinkpause dauerte fast ein Jahr. Ich kenne dieses Gefühl, wenn man dann doch wieder zur Flasche gegriffen hat sehr gut. All die Gedanken und das "hin und her" der selbigen, die Du in Deinem Text formuliert hast, die kenne ich auch. Auch den Versuch irgendwelche Mechanismen zu erkennen, wann man zur Flasche greift und wann nicht und es sich dann nicht erklären können, warum das so ist. Bei mir gabs lange z. B. auch einen Punkt (zeitlich gesehen), wenn ich den überschritten hatte, dann "brauchte" ich an diesem Tag nicht mehr zu trinken. Das waren Situationen, wo es halt aus irgendwelchen Gründen nicht ging und wenn es dann z. B. abends 22 Uhr war und ich hätte jetzt trinken können, dann war kein Bedürfnis mehr da und ich ging einfach schlafen. Ein Tag ohne Alkohol. Meist holte ich das dann am nächsten Tag nach, und dann sogar mit gutem Gewissen (schließlich hatte ich ja "bewiesen", dass ich verzichten kann).

    Ich möchte aber betonen, dass das mit zunehmender Dauer der Sucht alles hinfällig wurde. Irgendwann musste ich trinken, komme was wolle. Selbst bei Krankheit (z. B. fieber) trank ich, weniger zwar aber ich trank. Also ich kenne das alles und ich möchte Dir einfach sagen, dass es aus meiner Sicht wenig Sinn macht, sich damit "aufzuhalten". Das bringt Dich nicht weiter, jedenfalls nicht wenn Du dauerhaft komplett weg von dem Zeug willst. Du solltest handeln, nur Du allein hast es in der Hand. Und bin davon überzeugt, dass es nur funktioniert, wenn Du etwas veränderst. Ich kenne einige Alkoholiker persönlich, habe mittlerweile aber auch von vielen die ich nur temporär traf/las (hier im Forum z. B.) deren Geschichte gehört/gelesen und mir ist niemand in Erinnerung, der den Absprung dauerhaft geschafft hätte ohne sein Leben (wenigstens in einigen Bereichen) elementar zu verändern. Darum auch der Spruch: Nur nicht mehr trinken reicht auf Dauer nicht aus. Und davon bin ich auch wirklich überzeugt. Ich will damit aber nicht sagen, dass man automatisch immer gleich alles über Bord werfen muss und automatisch immer neu anfangen muss. Also alles komplett neu und komplett anders "machen" muss. Es ist höchst individuell, wie diese ganze Sucht eben eine sehr individuelle Angelegenheit ist. Auch wenn sie von außen betrachtet immer ähnlich zu sein scheint. Aber das ist sie nicht, die Wege hinein sind höchst individuell und die Wege heraus ganz genau so.

    Bei mir war z. B. so, dass ich mich von meiner Frau getrennt habe (kurze Zeit nachdem ich aufgehört hatte), nicht weil sie mich nicht mehr wollte (im Gegenteil) sondern weil mir bewusst wurde, dass ich es nicht schaffen werde ohne Alkohol zu leben, wenn ich bei ihr bleiben würde (und sie war/ist wirklich kein Monster oder so, sie war Opfer, ich der Täter). Hört sich für Dich jetzt wahrscheinlich reichlich bescheuert an und will das jetzt hier auch nicht in die Tiefe ausführen aber es war so. Mit dieser Trennung veränderte sich mein ganzes Leben radikal. Mein Job z. B., der blieb mir und war mir sogar eine Stütze. Bei anderen ist genau der Job "das Problem", bei wieder anderen ist es einfach das gesamte Umfeld, verstehst Du was ich sagen will. Und bei nochmal anderen ist es gar nix von diesen Dingen sondern "einfach" nur die Tatsache, dass da psychische Belastungen aufgrund von Erlebnissen in der Kindheit nie aufgearbeitet wurden. Oder, oder, oder.... Aber da muss man eben ran und das ist schon eine große, herausfordernde Aufgabe. Das ist das was ich meine mit: nur nichts mehr trinken reicht auf Dauer nicht aus, jedenfalls nicht wenn man bereits süchtig ist.

    Ok, jetzt muss ich aber los.

    Alles Gute und

    LG
    gerchla

    Hallo Hermann,

    freut mich, dass es Dir nicht zu pathetisch rüber kam. Solche Gedanken sind auch nicht ganz einfach "zu Papier" zu bringen. Man kommt schnell überheblich oder besserwisserisch rüber. Und das Gefühl will ich wirklich nicht vermitteln. Ich bin mir auch darüber im Klaren, dass der Weg heraus bei jedem anders funktioniert und es eben keinen Masterplan gibt, den man einfach mal schnell kopieren kann und schon klappt's mit dem Leben ohne Alkohol.

    Ich finde das echt gut, dass Du jetzt Kontakt zu Deiner alten SHG aufgenommen hast. Ich denke mir einfach, es ist ganz wichtig für Dich, aktiv zu werden. Etwas zu tun um vielleicht auch wirklich den Grund dafür zu finden, weshalb Du doch immer wieder zum Alkohol greifst. Und da helfen Gespräche oft weiter, die Erfahrung habe ich jedenfalls gemacht. Ob das dann für Dich "reicht" oder ob Du noch anderes "brauchst", das kannst dann nur Du selbst einschätzen.

    Ich möchte Dir noch einen Gedanken da lassen, der mir heute früh beim Laufen gekommen ist. Mir scheint, es beschäftigt Dich doch irgendwie, dass Du aus dem "Kleinbürgertum" stammst und mir scheint, es ist Dir wichtig, dass Du es "geschafft" hast. Dass Du es allen gezeigt hast und jetzt sogar auf ein stattliches Unternehmen blicken kannst, welches Du aufgebaut hast. Vielleicht schaust Du da mal ein bisschen genau hin. Vielleicht liegt da irgendwas bei Dir vergraben, das Dich auch dazu bringt über Deine Grenzen hinaus zu gehen oder Deine Grenzen zu ignorieren. Um das dann durch Alkohol zu kompensieren. Es ist nicht ganz leicht hier zu formulieren, was ich Dir sagen möchte. Man könnte provozierend sagen: lieber ein zufriedener (oder glücklicher) Kleinbürger als ein unglücklicher (dem Alkohol verfallener) erfolgreicher Unternehmer. Letztere kenne ich einige, das kann ich ohne Übertreibung sagen. Auf der Insel, von welcher ich bei meinem vorherigen Post sprach, sind einige in der Nachbarschaft meiner Schwiegereltern zu finden. Da sind so richtig Reiche Unternehmer dabei, welche wir auch kennen, soweit sich eben auf einer gutnachbarschaftlichen Ebene kennt. Bei nicht wenigen, so jedenfalls mein Eindruck, spielt der Alkohol eine große Rolle und nicht wenige machen bei aller glänzenden Fassade den Eindruck auf mich, dass sie nicht glücklich mit ihrem Leben sind.

    Spätestens dort habe ich gelernt, dass Geld und Erfolg (allein) nicht glücklich macht und das es viel schwieriger ist als reicher und erfolgreicher Mensch glücklich zu werden, als jemand, der ein "normales" oder bescheidenes Leben führt. Und ja, gar kein Geld zu haben oder wirklich richtig in Armut zu leben ist natürlich auch sch...e. Ich will nicht so tun, als wäre Geld oder Erfolg nur ein überflüssiges Teufelszeug. Aber es kommt wohl schon darauf an, welchen Stellenwert das im eigenen Leben einnimmt.

    Ich will einfach nur sagen, dass es nicht darauf ankommt, aus welchen "Verhältnissen" man kommt oder ob man im Leben irgendwas herausragendes (im Sinne von Erfolg) geleistet hat. Das ist m.E. nicht das, was dann automatisch zu einem zufriedenen Leben führt. Viel wichtiger ist, dass man weiß wer man sein möchte und wie man sein möchte. Und sich selbst so wie man ist liebt, egal ob man ein erfolgreicher Unternehmer ist (Erfolg schließt nicht aus das man mit sich und seinem Leben zufrieden ist, das will ich damit sagen) oder ob man ein Leben in einfachen Verhältnissen führt. Es geht meiner Meinung nach immer darum, dass man mit sich selbst im Reinen ist. Was nicht bedeutet, dass man keine Ziele haben darf.

    In dem Moment aber, wo man sich minderwertig fühlt, weil man glaubt man ist nicht gut so wie man ist, kann es schwierig werden.

    Naja, ich will jetzt keine langen Reden schwingen. Ich dachte mir heute früh nur, vielleicht ist bei Dir da irgendwas in der Kindheit/Erziehung passiert was Dir noch heute großen Druck, den Du vielleicht gar nicht als solchen wahr nimmst, bereitet. Und dadurch letztlich mit verantwortlich für Deine aktuelle Situation ist.

    Ich schreibe Dir das, weil ich bei meiner aufarbeitung genau auf solche Dinge gestossen. Mir fiel es irgendwann wie Schuppen von den Augen und ich erkannte, dass einige Muster, die ich durch meine Erziehung und Kindheit sozusagen implementiert bekommen habe, einen nicht unerhebnlichen Anteil daran hatten, dass ich so tief in die Sucht gerutscht bin. Das war keine offensichtlichen Dinge und das war auch nicht auf eine schlechte Kindheit oder Jugend zurück zu führen. Einfach nur z. B. die Tatsache, dass es in meinem Elternhaus nie Probleme gab. Und wenn doch, dann waren sie troztdem nicht da. Ich habe nie gelernt, Probleme als solche zu akzeptieren und sie aktiv anzugehen. Ich lernte sie zu ignorieren und auszusitzen.

    Nur so ein Beispiel.

    Also bleib' dran und ich freue mich, wenn Du uns ab und an Deinem Weg teilhaben lässt.

    LG
    Gerchla

    Hallo Hermann,

    ich will mal versuchen auf Deine Zeilen einzugehen und Dir meine Gedanken dazu zu schreiben.

    Zitat

    Tja Sinn des Lebens .. was ist das ?

    Naja, nach dem haben ja schon viele gesucht. Philosophen haben sich damit beschäftigt und bei den diversen Religionen spielt er auch eine zentrale Rolle. Ich denke mir, dass es DEN einen allgemeingültigen Sinn des Lebens in Reinform nicht gibt. Ich denke mir, jeder kann (oder darf) seinen Sinn selbst definieren und finden. Ehrlich gesagt habe ich mir solche Gedanken vor meiner Trinkerzeit überhaupt nicht gemacht. Während meiner Trinkerzeit dann schon gar nicht, da hatte ich ganz andere Probleme. Und dass ich danach angefangen habe mir darüber Gedanken zu machen hat sicher auch damit zu tun, dass ich eben ganz genau wissen wollte, wieso - weshalb - warum. Also warum bin da gelandet wo ich letztlich dann gelandet bin. Ziemlich weit unten und es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre weg vom Fenster gewesen. Und natürlich ging es dann mal um die Frage, wie es denn jetzt eigentlich weiter geht mit meinem Leben. Klar, ich wollte keinen Alkohol mehr trinken aber das allein kanns ja nicht gewesen sein, oder? Nur weil ich nicht mehr trinke oder trinken will, wird ja nicht alles gut. Ich meine, erst mal trennte ich mich von meiner Frau und damit "verlor" ich auch meine über alles geliebten Kinder. Und Eingschläge und Erschütterungen, negative Phasen etc. werde ich ohne Alkohol genauso haben. Ich lebe da dann ja nicht in einer rosa Wolke der Glückseeligkeit. Wie gehe ich also mit dieser Tatsache um? Was erwarte ich von meinem Leben, meinem Restleben, welches jetzt ohne Alkohol statt finden soll?

    Ich möchte Dir noch sagen, dass bei diesem Prozess oft an meine Grenzen gekommen bin. Und mir dann auch Hilfe geholt habe. Einer der Personen, die den größten Anteil an meiner "Genesung" hatte, war ein Mönch. Das ist jetzt eine längere Geschichte die ich Dir hier im Detail erspare aber dieser Mönch, den ich während meiner Trinkerzeit mal bei einer Veranstaltung erlebt hatte und der mich trotz meines damaligen sicher nicht nüchternen Zustands sehr beeindruckt hatte, hat einen großen Anteil daran, dass ich die Kurve bekommen habe. Er war auch derjenige, der mir den Anstoss gab, tiefer nachzudenken und mich und mein Leben zu hinterfragen.

    Ich möchte dazu noch sagen, dass das damals nichts mit Glauben zu tun hatte. Es war also nicht so, dass ich als gläubiger Christ nach Gottes Hilfe gesucht hätte und mir dieser Mönch dann zur Seite gestanden wäre. Im Gegenteil, ich hatte mit Religion gar nichts am Hut und dieser Mann hat das wohl auch gemerkt und sich diesbezüglich komplett "zurückgehalten". Es ging nie um Glauben, Beten, Buse, etc. Es ging immer darum, wer ich sein will, was ich sein will und wo ich hin möchte. Heute kenne ich einige Alkoholiker, denen tatsächlich der Glaube geholfen hat von dem Zeug weg zu kommen und die über ihren Weg in ein Leben ohne Alkohol überhaupt erst zum Glauben gefunden haben. Aber das war bei mir damals nicht der Fall und das ist jetzt auch kein Thema, das ich hier weiter ausführen möchte.

    Was ich damit sagen will ist, dass es manchmal vielleicht einfach Hilfe oder Unterstützung von außen braucht, um mit sich und seinen Gedanken weiter zu kommen. Natürlich bin damals erst mal den klassischen Weg zum Psychologen gegangen. Der hat mir aber gar nicht geholfen, war nicht auf meiner Wellenlänge oder besser, ich war nicht auf seiner. So erinnerte ich mich an diesen Mönch, der für damals, als ich ihn zum ersten mal im Rahmen einer Krippenführung erlebt habe, so viel Zuversicht und Zufriedenheit ausgestrahlt hatte und wo ich noch zu Trinkerzeiten dachte: So möchte ich auch gerne sein, so eine innere Ruhe möchte ich auch haben. Warum also nicht versuchen diesen Menschen, von dem ich nicht mal den Namen wusste, ausfindig machen einfach mal nachzufragen, ob er bereit wäre, mich ein Stück zu begleiten? Das tat ich, es gelang mir nach einigen Rückschlägen und so war's dann und wir hatten viele Stunden in denen ich mich intensiv mit ihm austauschen konnte. Für ihn war das Seelsorge, mir rettete es wahrscheinlich das Leben.

    Zitat

    Es ist tatsächlich so , das ich mich selbst kaum achte

    Selbstachtung und Selbstliebe halte ich für elementar wichtig. Man liest oder spricht ja auch oft vom "gesunden Egoismus". Ich musste das erst lernen, nachdem ich aufgehört habe mit dem Trinken. Während ich trank, hat schon alleine mein schlechtes Gewissen dafür gesorgt, dass ich immer dann wenn es ging, über mein Limit gegangen bin. Sozusagen um meine "Ausfälle" zu kompensieren. Am Ende verliert man mehr und mehr an Energie und versucht gleichzeitig das ganze durch mehr und mehr Alkohol wieder "auszugleichen". Sich sozusagen die Auszeiten via Alkohol zu holen. Ein fataler Kreislauf der am Ende einen kaputten Menschen hinterlässt. Es ist entscheidend, dass man sich Zeit für sich "reserviert" und sich eben nicht flüchtet. Egal ob man sich nun in den Alkohol flüchtet um vermeintlich zu entspannen oder in Arbeit, weil man davon ja soviel hat und die ja getan werden muss. Am Ende flüchtet man immer vor sich selbst. Das kann man schon mal eine Zeit lang machen, man kann auch z. B. mal eine Zeit lang arbeitsmäßig über sein eigentliches Limit gehen, auf Dauer jedoch kommts zu fatalen Nebenwirkungen. Und es fehlt die Zeit, die man braucht um zu erkennen, was man eigentlich will im Leben.

    Zitat

    Das richtige Glück scheint vom Gefühl her aber vor mir weg zu laufen

    Glück ist ja so ne Sache. Ich denke, wenn man sich wirklich glücklich fühlt ist das ein maximal positiver Zustand. Und ich denke, diesen hat man nicht dauerhaft sondern idealerweise immer wieder mal temporär. Entscheidend ist, so denke ich jedenfalls, dass man mit sich und seinem Leben zufrieden ist. Zufrieden hört sich nach so wenig an, ist aber in Wirklichkeit ganz viel. Also richtig zufrieden, das ist dann gar nicht so weit vom Glück entfernt. Vielleicht ist auch das Wort "Dankbar" das Richtige. Also Dankbarkeit gegenüber dem, was man hat, wie man Leben, wie man selbst ist.

    Da stellt sich mir natürlich die Frage, ob Du selbst wirklich weißt, was Du bräuchtest um glücklich zu sein. Was wäre denn aus Deiner Sicht notwendig, dass Du sagen könntest: So wie es ist, ist es gut! Ich sehe jetzt keinen Grund mehr meine Realität durch Alkohol zu verändern.

    Ich glaube, letztlich geht es immer nur um diesen Punkt. Sicher gibt es viele Menschen, die sich solche (fast philosophischen Gedanken) nicht stellen können, weil deren Lebenswirkilchkeit das einfach nicht zu lässt. Und diese Menschen brauchen dann andere, vielleicht einfachere Mechanismen, die ihnen dabei helfen, die Alkoholsucht zu überwinden. Und sicher muss nicht jeder sich mit dem Sinn seines Lebens in aller Tiefe beschäftigen um diese Sucht zu überwinden. Im Kern, so denke ich mir und so habe ich es bei mir erfahren, läuft es aber doch immer wieder in diese Richtung. Oft auch ohne das sich Betroffene dessen überhaupt bewusst sind oder es so benennen könnten.

    Zitat

    Es lief ja auch gut ohne Alkohol - bis ich damit anfing " Auszeiten" von der Abstinenz zu nehmen .

    Das wäre dann wieder die Frage, warum Dir diese Auszeiten so wichtig waren. Oder warum Du sie nehmen "musstest", obwohl Du sie, wie mir scheint, eigentlich gar nicht nehmen wolltest und ja auch jetzt nicht nehmen möchtest. Ich denke Du nimmst sie, weil Dir etwas fehlt von dem Du glaubst, dass Du es durch den Alkohol bekommst. Auch wenn Du Dir dessen vielleicht gar nicht richtig bewusst bist. Finde heraus was es ist und sorge dafür, dass Du das was Dir der Alkohol "gibt" auch ohne Alkohol bekommst. Das funktioniert, auch wenn man sich das vielleicht erst mal nicht vorstellen kann.

    Ich meine, ich habe nicht nur negative Gedanken, wenn ich an meine Urlaube z. B. in Frankreich zurück denke. Und an den Rotwein, mit dem ich den Sonnenuntergang begleitet habe. Ich habe nicht nur negative Gedanken wenn ich an diverse Feiern denke, wo ich mit guten Freunden getrunken habe und wir uns dann nach dem entsprechendnen Pegel gegeseitig unserer wunderbaren Freundschaft versichert haben. Wie soll man seinen Freunden denn schließlich sagen dass man sie liebt, wenn man dabei nicht betrunken sein kann? (Ironie off). Nun, ich kann das tatsächlich heute alles genießen und auch sagen, komplett ohne Alkohol. Ich meine sogar, dass es heute noch viel besser ist als damals mit Alkohol. Denn jetzt ist es tatsächlich die Realität, es ist tatsächlich echt und nicht etwas, was entweder nur durch Alkohol möglich war oder durch den Alkohol entsprechend weichgespült wurde.

    Mein heutiges Haupturlaubsziel ist eine Insel im Mittelmeer, dort leben meine Schwiegereltern. Ein Ort, der geradezu dazu geschaffen ist, dass man dort regelmäßig und reichlich Alkohol trinkt. Ein gigantischer Sonnenuntergang jagt sozusagen den nächsten, ein schickes Lokal nach dem anderen, Strandbars für jedes Niveau und natürlich reichlich alkoholische Getränke, die man landestypisch unbedingt mal getrunken haben muss. Inkl. des heimatlichen Likörs, den jedes gutes Lokal aufs Haus nach dem Essen serviert.

    Ich bin dort das erste mal hingekommen, nachdem ich meine jetzige Frau kennengelernt hatte. Seit wir zusammen sind trinke ich nicht mehr, ich bin also sozusagen als nicht mehr trinkender Alkoholiker auf diese Insel gekommen und bin dort wirklich regelmäßig. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass ich dort wieder zum Trinken beginnen könnte, dass mich diese Umgebung, diese Atmosphäre zum Trinken animieren könnte. Denn der Alkohol hat bei mir generell seinen Sinn verloren, egal ob nun hier oder im Urlaub bei entsprechender Stimmung. Weil ich verstanden habe, dass er mir bei Erreichen meiner (Lebens-)Ziele nicht hilft, sondern genau das Gegenteil bewirkt und weil ich mit meinen Leben jetzt rundum zufrieden bin. Ich kann also auch dort alles so "machen", wie andere auch. Wir sitzen mit Freunden zusammen, wir gehen Essen, wir sitzen sinnierend beim Sonnenuntergang, etc. Und ich genieße das von vorne bis hinten. Alkohol brauche ich dazu nicht.

    Zitat

    Dann esse ich und der Druck noch mehr zu trinken ist weg .

    Ich will Dir meine ehrliche Meinung schreiben. Ich denke, so ist es zwar gerade im Moment bei Dir. Und im Moment hast Du diese 14 - tägigen Intervalle. Aber alles was Du schreibst deutet darauf hin, dass Du schlichtweg auf den Weg zurück in die "gewohnte" Sucht bist. Für mich deutet alles darauf hin, denn wie Du ja selbst schreibst, drehen sich Deine Gedanken nur oder zumindest sehr häufig um das Zeug. Auch beim Urlaub, so schreibst Du ja, geht es Dir mittlerweile nur darum, dass Du dort wieder ungehemmt Alkohol trinken kannst. Du würdest wahrscheinlich gerne jeden Tag trinken, Dich jeden Tag wegbeamen anstatt nur alle 14 Tage mal. Noch hält der Damm, noch kann Dein Verstand gegensteuern, noch gewinnst Du die meisten Kämpfe und verlierst nur ab und an mal eine Schlacht. Aber das Fatale ist, dass Dein Gegner statt schwächer im stärker wird und Du mit jedem verlorenen Kampf immer schwächer wirst. Die Lösung kann nur sein, nicht mehr kämpfen zu müssen! Aber eben nicht in der Art und Weise Du aufgibst und Dich dem Alkohol unterwirfst sondern genau anders heraum. Du verlässt das Schlachtfeld und lässt den Alkohol alleine dort stehen.

    Ich schreibe das nicht um Dich zu provozieren, das liegt mir absolut fern und steht mir auch absolut nicht zu. Ich will Dir nur schreiben, wie ich Deine Zeilen wahr nehme.

    Dein Kopf, Dein Verstand, der sagt Dir ja zwar ganz klar: ICH WILL DAS EIGENTLICH NICHT (darum bist Du ja auch hier im Forum) - Du tust es aber trotzdem und es wir immer mehr, ein Einschläge immer häufiger.

    Nun denkst Du Dir vielleicht "der macht es sich einfach, schreibt mir hier einfach eine Zusammenfassung dessen was ich geschrieben habe und das hilft mir gar nix". Das könnte ich auch gut verstehen, wenn Du Dir das denken würdest.

    Deshalb will ich Dir sagen, was ich glaube was vielleicht ein Weg sein könnte. Nämlich diesen Kosum SOFORT zu beenden. Dir sofort Hilfe suchst, keine Ausreden etc. vorschiebst warum und weshalb Du jetzt gerade nicht kannst, denn am Ende bist Du es, der alles verliert (und die, die Dich lieben). Welche Hilfe die passende für Dich ist, das kann ich Dir absolut nicht sagen, das musst Du selbst heraus finden. Aber vielleicht hilft es schon mal mit dem Arzt oder der Ärztin Deines Vertrauens darüber zu sprechen. Vielleicht wäre eine reale SHG (könnte jetzt langsam wieder funktionieren) eine Option, vielleicht wäre ein Psychologe der richtige Ansprechpartner, vielleicht wäre eine klassische Therapie der richtige Weg. Oder irgendwas abgefahrenes, wie das bei mir mit meinem Mönch der Fall war. Ich weiß es nicht. Ich bin aber relativ sicher, dass Du auf Dauer nicht weiter kommen wirst, wenn Du nicht grundsätzlich etwas veränderst in Deinem Leben. Das ja scheinbar ein gutes und erfolgreiches ist, inkl. einer Partnerin die Dich aufrichtig liebt. Das wäre für jemand anderen vielleicht genau das , was er sich wünschen würde und beri ihm zu größter Zufriedenheit oder gar Glück führen würde. . Bei Dir scheint aber genau das nicht das zu sein, was Dich, wie Du ja selbst geschrieben hast, letztlich glücklich und wohl auch nicht zufrieden macht.

    Jeder muss seinen eigenen Weg finden, davon bin ich mittlerweile überzeugt. Ich habe aber auch gelernt, dass es gar nicht so einfach ist diesen Weg zu finden und dass man dafür manchmal entweder mehrere Anläufe braucht oder einfach auch mal sehr "kreativ" sein muss. Leider finden die meisten ihren Weg auch gar nicht und die Sucht lässt sie bis zu ihrem Lebensende nicht los. Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du Deinen Weg finden kannst und ich hoffe, dass Dir meine teilweise pathetischen Ausführungen nicht auf die Nerven gingen. Falls doch, einfach ignorieren.

    Alles Gute für Dich!

    LG
    gerchla

    Guten Morgen Hermann,

    ich will Dir einfach mal meine Gedanken da lassen. Vielleicht kannst Du damit etwas anfangen.

    Ich bin Anfang 50, Alkoholiker und trinke jetzt schon lange keinen Alkohol mehr. Ich trank davor weit über 10 Jahre abhängig. Die meiste Zeit davon komplett heimlich. Ich hatte Familie (Frau und 2 Kinder) vor der ich meine Sucht ebenfalls verheimlicht habe. Im Nachhinein kann ich kaum glauben, dass mir das so lange "gelingen" konnte, aber ich war wohl ein begnadeter Lügner und Betrüger und hatte in den wenigen Situationen, in denen meine Frau mal etwas "ahnte", immer die passende Lüge parat. Zum Schluss hin war ich ein Wrack, seelisch vor allem aber auch körperlich ging es mehr und mehr Berg ab. Am Ende habe ich mich gegenüber meiner Familie geoutet. Dieser Tag war der letzte an dem ich Alkohol getrunken habe.

    Was dann folgte, würde im Detail hier jetzt den Rahmen sprengen. Fakt ist aber, dass ich mein Leben grundlegend geändert habe. Ich habe Deinen Thread eben mal komplett nachgelesen und das erste was ich mir dachte war:" Er hat nicht getrunken, zumindest 2 Jahre lang. Aber was hat er sonst verändert?" Nach den 2 Jahren, so lese ich Dich jedenfalls, ging es ja langsam wieder los. Eigentlich ja in "vertretbaren" Mengen, so wie das bei den meisten Menschen der Fall ist und wo die meisten Menschen auch kein Problem mit haben. Du jedoch bist Alkoholiker und hast einen ganz anderen Bezug, oder besser eine ganz andere Beziehung zu Alkohol. Es war also fast abzusehen, so jedenfalls meine Erfahrung in vielen Gesprächen mit anderen Alkoholikern die Ähnliches erlebt haben wie Du, dass der Alkohol Dich nicht los lassen würde.

    Was ich bei Dir lese ist, dass Du nicht mehr getrunken hast und nicht mehr trinken wolltest, weil Du Dir der negativen Auswirkungen bewusst warst. Du wolltest nicht mehr so weit "nach unten" rutschen, Du wolltest all das Elend nicht mehr erleben. Die ANGST war oder ist bei Dir also die treibende Kraft. Das ist durchaus eine große und starke Motivation, aus meiner Erfahrung möchte ich aber sagen, dass das bei vielen nicht aussreicht. Diese Art der Motivation hilft sehr gut in der Anfangszeit, sie kann auch ein paar Jahre "tragen", aber irgendwann kommt mal der Punkt wo man denkt: "Aber schön war's ja schon auch". Vielleicht weißt Du was ich meine.

    Deshalb schreibe ich oft, dass es aus meiner Sicht wichtig ist, sich mit sich selbst und seiner Sucht intensivst auseinander zu setzen. Genau das habe ich getan. Ein Prozess, der bei mir erst mal etwa ein Jahr gedauert hat, da war ich dann sozusagen mit dem "Gröbsten" durch und konnte mich um Details "kümmern". Ich wollte wissen, warum ich an diesen Punkt gekommen bin. Wieso ich zum Alkoholiker wurde. Denn auf den ersten Blick gab es dazu gar keinen Grund. Und je mehr ich mich damit beschäftigte erkannte ich, dass da viel mehr dahinter steckt. Am Ende des Prozesse ging es bei darum heraus zu finden, was denn eigentlich der Sinn meines Lebens ist. Das klingt jetzt vielleicht hochtrabend und wichtigtuerisch. Aber das war und ist es gar nicht. Wer war ich als ich trank, wer bin ich jetzt und wer möchte ich eigentlich sein? Was will denn überhaupt "erreichen" in meinem Leben, was ist mir wirklich wichtig? Wer ist mir wichtig, wo will ich hin? Was will ich mal über mein Leben sagen, wenn ich irgendwann vor der Kiste stehe und zurück blicke?

    Diese Fragen habe ich versucht mir zu beantworten und noch viele mehr. Das war ein sehr spannender Prozess und die Klarheit die ich dadurch gewann führte dazu, dass mein Leben mehr und mehr zufriedenen wurde. Und je zufriedender man ist (im idealfall sogar glücklich, was aber m. E. immer ein temporärer Zustand ist), desto weniger spielt der Alkohol eine Rolle. Denn wozu setzen (wir Alkoholiker) den Alkohol denn ein? Doch nur dazu um unser Bewusstsein, unsere Wahrnehmun zu verändern. Positiv, wie wir meinen, was aber wiederum nur temporär funktioniert und ein Trugschluss ist. Wenn wir aber in der Realität zufrieden oder gar glücklich sind, dann brauchen, besser wollen wir gar nichts verändern. Jedenfalls nicht durch zuhilfenahme einer Droge.

    Vielleicht kannst Du Dir ja selbst mal die Frage beantworten, was Du für Dich getan hast, seit dem Zeitpunkt wo Du damals mit dem Trinken aufgehört hast. Was Du grundsätzlich an Deinem Leben verändert hast, ich meine außer dass Du keinen Alkohol mehr getrunken hast. Und ob das was Du getan hast, für Dich dauerhaft zielführend war, ob es wirklich das war, was Du wolltest und was Deine Zufriedenheit gesteigert hat. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es (für mich) extrem wichtig war (und ist), mit selbst und meine Bedrüfnisse in den Mittelpunkt meines Lebens stellen. D. h. bedeutet aber nicht, dass ich deshalb egoistisch und mit Ellebogenmetaliät durchs Leben gehen muss. Im Gegenteil, mein Umfeld profitiert davon, dass ich achtsam mit mir selbst umgehe und mir vor allem auch Zeit für mich selbst nehme. Denn dadurch geht es mir gut, Alkohol spielt keine Rolle mehr, und ich kann dadurch auch ganz viel geben, für andere da sein. Weil ich die Energie und die Kraft dazu habe und weil das (zumindest bei mir) auch Teil meines Lebensplans ist.

    Ich möchte Dir noch eines schreiben. Ich hatte in den letzten Wochen, vielleicht auch Monaten, mal wieder eine Phase, wo ich mich und mein Leben hinterfragt habe. Das habe ich völlig unabhängig von Alkohol getan. Ich hatte keinen Suchtdruck oder sonst irgendwelche Gedanken an Alkohol. Es war einfach nur so, dass ich vor allem auch beruflich sehr stark belastet war (noch bin) und ich mir die Frage gestellt habe, ob das so alles für mich noch einen Sinn macht. Es ging mir auch darum (erneut) heraus zu finden, ob mein Leben, so wie es gerade läuft, dass ist, das ich eigentlich möchte. Ob es nicht vielleicht an der Zeit wäre, mal wieder grundsätzlich etwas zu verändern. Ob mein Verhalten, meine Art und Weise, wie ich mit meinem Umfeld umgehe und auch was das dann bei und in mir auslöst, noch das ist, was ich will.

    Dieser Prozess war jetzt nicht ganz einfach und er hat mir neben meiner Arbeit und meiner Familie, die ja nach wie vor "da" waren (und vor allem auch wichtig für mich waren), schon einiges an Kraft "gekostet". Will sagen, ich habe mir die Zeit für diesen Prozess bewusst nehmen "müssen", andere gewohnte, teilweise auf lieb gewonnene Aktivitäten auf ein Minimum reduziert um Zeit für diesen Prozess zu haben. Ich habe darüber auch offen gesprochen und vor allem auch meine Frau nicht im Nebel stehen lassen. Denn letztlich war ich in dieser Zeit, sehr viel mit mir selbst beschäftigt und das kann auf Außenstehende mitunter ziemlich befremdlich wirken. Für mich jedoch war das extrem wichtig und ich bin mir sicher, ich hoffe sogar, dass ich solche Phasen immer wieder in meinem Leben haben werde. Denn die Alternative wäre ja, einfach weiter so '"vor sich hin zu leben" und die Dinge die einen beschäftigen mit einem "wird scho wieder werden" vom Tisch zu fegen. Und genau das war einer der Punkte, die mich vor langer Zeit langsam in Richtig Alkohol getrieben haben. Nicht auf mich achten, Probleme nicht genau ansehen, Unzufriedenheit nicht ernst nehmen..... Bei mir hatte das fatale Auswirkungen. Und ich hatte mir nach meiner Aufarbeitung geschworen, dass mir das nicht mehr passieren wird.

    So, jetzt habe ich Dir einen kleinen Einblick in meinen Weg gegeben, der sicher nicht so einfach auf Dich zu übertragen ist. Das ist mir wohl bewusst. Aber vielleicht kannst Du irgendwas davon für Dich mitnehmen und vielleicht hilft Dir das dann dabei, Deinen eigenen Weg dauerhaft ohne Alkohol finden.

    Ich wünsche Dir alles alles Gute!

    LG
    gerchla

    Hallo Koma,

    gut, dass Du es geschafft hast überhaupt mal von Deiner Sucht zu berichten. Deine Andeutungen, sie sind zwar spärlich, lassen aber darauf schließen, dass Du eher ein introvertierter Typ bist der eher alleine versucht klar zu kommen. Insofern war es für Dich wahrscheinlich gar nicht so einfach Dich hier mal zu melden und mir scheint, die pure Verzweiflung hat Dich dazu getrieben.

    Ich bin schon ein paar Jahre hier im Forum aktiv und ich habe schon viele Verzweifelte wie Dich hier ankommen sehen und dann deren, meist eher kurze, Vorstellung gelesen. Und meist habe ich auch geantwortet, meine Erfahrungen geschildert, versucht zu motivieren, versucht Hoffung zu machen, versucht den Betroffenen irgendwie vom "Jammern" ins "Tun" zu kommen. Meist völlig umsonst, weil der /die Beroffenen nach ein paar Verzweiflungspost wieder verschwunden waren. Und ich nehme nicht an, dass diese Menschen dann die Kurve bekommen haben, sondern dass die Sucht sie weiter fest im Griff hat.

    Aus dieser Erfahrung heraus will ich Dir jetzt keine lange Geschichte von mir erzählen, wie oder was bei mir gelaufen ist, wie ich von dem Zeug weg kommen konnte und was aus meiner Erfahrung heraus die wichtigsten Punkte waren. Ich mache das gerne zu einem späteren Zeitpunkt, wenn Du dann noch da sein solltest und wenn Du eine wichtige, eine entscheidende Einsicht hinter Dir hast.

    Und diese Einsicht ist aus meiner Sicht jetzt erst mal, dass Du erkennst, dass Du nur dann eine Chance hast vom Alkohol weg zu kommen, wenn Du HANDELST. Nur handeln kann Dich retten. Und nachdem Du mit 1 - 3 Flaschen Vodka ordentlich dabei bist, solltest Du als ersten Schritt unbedingt mal eine qualifizierte (bzw. medizinisch begleitete) Entgiftung machen. Geh zum Arzt und besprich mit ihm/ihr das weitere Vorgehen. Lass Dich keinesfalls auf einen kalten Entzug ein. Das kann lebensgefährlich werden.

    Wenn Du diesen ersten Schritt schaffst, Dich einem Arzt gegenüber öffnest und eine Entgiftung machst, dann kannst Du den Weg in ein Leben ohne Alkohol weiter gehen. Der ist nicht einfach, der ist richtig herausfordernd aber, wie Du hier siehst und lesen kannst, er ist machbar und vor allem, er lohnt sich sowas von. Denn dann bekommst Du nach und nach Dein Leben zurück und kannst irgendwann wieder ein zufriedenes oder sogar glückliches Leben führen. Ich könnte gut verstehen, wenn Du Dir das aktuell nicht vorstellen kannst aber so geschehen bei vielen von uns.

    Wenn Du nur redest, jammerst, lamentierst und Deine fürchterliche Situation bemitleidest, wird sich die Sucht freuen und Dein treuer Begleiter bleiben. DU allein kannst es ändern und die Sucht zum Teufel jagen. Indem Du handelst. Am besten sofort, gleich jetzt. Hilfsangebote gibt es viele, nutze sie! Genau dafür sind sie nämlich da.

    Alles Gute für Dich. Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du ins Handeln kommst!

    LG
    Gerchla

    Hallo Celly,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum, auch wenn der Grund weshalb Du hier bist kein schöner ist. Aber so ist es leider bei fast allen, die hier ankommen und ich möchte Dir einfach nur sagen, dass Du hier auf Menschen triffst, die Deine Situation kennen und die sich in Deine Lage, Deine Gefühlswelt hinein versetzen können.

    Ich selbst bin Anfang 50, Alkoholiker und Papa von drei Kindern. Ich trinke jetzt schon lange keinen Alkohol mehr, habe glücklicherweise irgendwann den Absprung geschafft und darf jetzt ein wunderbares Leben leben. Vorher trank ich weit über 10 Jahre abhängig, die meiste Zeit davon komplett heimlich, ich verheimlichte es also auch vor meiner Familie. Was mir zwar "ganz gut" gelang, jedoch nicht verhinderte, dass meine Ehe darüber kaputt ging.

    Ich will Dir einfach nur ein paar Gedanken von mir da lassen:

    Was Du über Deinen Papa schreibst, das klingt in meinen Ohren alles ganz typisch. Du beschreibst das Verhalten eines "ganz normalen" Alkoholikers, auch wenn es den normalen Alkoholiker so nicht gibt, da wir alle individuelle Menschen sind, mit individuellen Lebensgeschichten. Aber die Muster gleichen sich, bis hin zur Aussage "ich sterbe eh bald". Ich habe das nicht gesagt, weil ich ja heimlich trank, aber ich habe es mir in meinen letzten Jahren, welche natürlich die schlimmsten waren, oft gedacht. Mit dem Zusatz: "dann ist es halt so, ist auch egal". Ich hatte keine Kraft mehr (und vielleicht auch keine Lust mehr) gegen die Sucht zu kämpfen, denn mir erschien die ganze Situation schlichtweg ausweglos und auch sinnlos. Und das, obwohl damals eines meiner Kinder, meine Tochter, gerade im Grundschulalter war, ich sie über alles liebte (tue ich natürlich immer noch) und ich trotz meiner Sucht ein intensivstes Papa-Tochter-Verhältnis zu ihr hatte. Nicht mal die Liebe zu meinen Kindern, und ich bin davon überzeugt das es nichts stärkeres gibt, konnte mich vom Alkohol weg bringen. Das ist echt hart....

    Das kann man sich als Außenstehende, ohne eigenen Suchterfahrung, wahrscheinlich gar nicht vorstellen. Nein das kann man nicht, ich denke mir heute ja sogar selbst manchmal, wie surreal ich meine Welt damals eigentlich wahr genommen habe. Aber das ist eben auch ein Merkmal dieser Sucht. Denn sie verändert ja nicht "nur" die körperliche Verfassung negativ sondern sie verändert das ganze Wesen, die Psyche, nachhaltig. Natürlich negativ. Und es ist leider den wenigsten Alkoholikern "vergönnt", da wieder heraus zu kommmen. Die meisten sterben tatsächlich mit oder an dieser Krankheit (eine Formulierung, die seit Corona sehr populär ist aber ich kann es auch nicht anders schreiben). Noch schlimmer: ganz wenige versuchen es überhaupt, von dieser Krankheit wieder weg zu kommen.

    Und genau das erlebst Du gerade oder besser schon seit vielen Jahren bei Deinem Papa. Und dass das immer schlimmer wird ist der natürliche Verlauf dieser Krankheit... leider ist das so. Du hast es ja bereits von anderen geschrieben bekommen und Du kannst es hier im Angehörigen-Bereich ganz viel nachlesen: Es liegt nicht in Deiner Macht, Deinen Papa von dieser Sucht zu befreien. Das will einem nicht ins Hirn, ich weiß. Er müsste ja nur bereit sein sich helfen zu lassen, er müsste ja nur wollen und sicher stündest Du an seiner Seite und würdest unterstützen wo Du könntest. Trotzdem will er nicht... oder er kann nicht....

    Das ist diese Sucht. So mächtig, so hinterhältig, so unglaublich heimtückisch.

    Dir als Angehörige, als Tochter eines alkoholkranken Papas, Dir bleibt nichts anderes, als das zu akzeptieren. Denn ich denke, verstehen wirst Du es nicht können, das fällt selbst mir als jemanden der das alles selbst erlebt hat, manchmal verdammt schwer.

    Du kannst jetzt also nur für Dich sorgen. Dich um Dein Leben und um Dein Wohlbefinden kümmern. Damit lässt Du Deinen Papa NICHT im Stich, das ist ganz wichtig. Es ist einfach so, dass nur ER ALLEIN etwas gegen seine Sucht unternehmen kann oder könnte. Er müsste sagen: ich will weg, alles andere hat keinen Sinn. Du hast sicher alles getan, was Du tun konntest. Mit ihm gesprochen, Deine Sorgen geteilt, Deine Hilfe angeboten, etc. Das hast Du sicher gemacht, das lese ich aus Deinen Zeilen heraus. Mehr geht nicht und es macht auch keinen Sinn, das in Dauerschleife zu tun.

    Es ist leider nicht selten so, dass die Sucht nicht nur das Leben des Alkoholikers selbst kaputt macht sondern auch das der Angehörigen, oft der ganzen Familie. Weil diese oft über viele Jahre, manchmal Jahrzehnte, versuchen den Betroffen zu retten, ihn zum "Einlenken" bewegen wollen oder auch aus falschen Pflichtbewusstsein indirekt seine Sucht "unterstützen". Wenn Du Dich noch nicht mit dem Thema Co-Abhängigkeit beschäftigt hast, dann wäre es sicher gut, wenn Du Dich da mal einliest. Du kannst dann selbst entscheiden, in wieweit Du davon vielleicht betroffen bist oder auch nicht.

    In Liebe los lassen.... Dein eigenes Wohlbefinden an erste Stelle stellen..... Dich, Dein Leben und Deine Wünsche in den Fokus rücken, Dich selbst als den wichtigsten Menschen in Deinem Leben betrachten. Was auf den ersten Blick sehr egoistisch erscheint ist in wirklich nichts anderes als Selbstliebe im positiven Sinn. Achtsamkeit gegenüber Dir selbst, Verantwortung für DEIN Leben übernehmen, wie Dein Papa die Verantwortung für SEIN Leben übernehmen muss. Er entscheidet über sein Leben, Du über Deines.

    Das waren die Gedanken, die ich mit Dir teilen möchte. Ich weiß, ich rede mich leicht. Aber glaube mir, ich schreibe mich nicht leicht. Was ich Dir geschrieben habe basiert auf meinen eigenen Erfahrungen und ich kann (und will) Dir deshalb auch nichts anderes, nichts "gefälligeres" schreiben. Ich wünsche Dir ganz ganz viel Kraft und dass Du Deinen Weg im Umgang mit der Krankheit Deines Papas finden kannst.

    LG
    gerchla

    Hallo Zusammen,

    die Videos von Nathalie Stüben und auch ihre Podcasts empfinde ich als sehr bereichernd. Es ist für mich sehr interessant ihr zuzuhören und dabei immer wieder Rückschlüsse auf mich selbst zu ziehen. Sie hat eine feste Meinung, ist jedoch gleichzeitig davon überzeugt, dass es den einen, ultimativen und einzig richtigen Weg nicht gibt.
    Ich kann diese Videos nur jedem empfehlen, vor allem empfinde ich sie als sehr gut besonders für jüngere Menschen, die vom Alkohol weg möchten. Denn da ist sie einfach super authentisch.
    Ich finde es echt toll, wie sie sich hier engagiert!

    LG
    Gerchla

    Ich stelle in den letzten Monaten und Wochen fest, dass die Menschen bezüglich dieser Pandemie und allem was da gerade so passiert, immer dünnhäutiger werden (was ich gut nachvollziehen kann). Und manchmal stelle ich das auch an mir selbst fest. Das erschreckt mich dann, denn ich bin jemand, der gerne sehr genau darauf achtet, was meine Gedanken mit mir machen. Und wenn ich Gedanken habe, die aufwühlend für mich sind oder mich gar in Wut versetzen, dann ist das für mich ein ernstzunehmendes Warnsignal.

    Dieses Warnsignal habe ich in den letzten Wochen ein paar mal bei mir wahr genommen. Es ging dabei immer um diese Pandemie, darum, dass ich direkt in einer der Branchen arbeite, die massivst von den aktuellen Maßnahmen betroffen ist. Sie gingen darum, dass es bis zum heutigen Tag für diese Branche keine Perspektive gibt, nicht mal eine vage.

    Natürlich kreisen dann die Gedanken auch darum, wie man es "richtig machen könnte", das "die da oben" null Plan haben und dass ich es besser wüsste (welch erschreckend überhebliche Gedanken das doch im Grunde sind). Gerade wieder diese Geschichte mit der zurückgenommenen Osterruhe....

    Ich komme dann aber meist schnell wieder zurück zu mir selbst. Immer den Gedanken im Kopf, wo ICH die Möglichkeit habe etwas zu verändern und wo nicht. Und ich komme immer wieder darauf zurück, dass ich überzeugt davon bin, dass diese auwühlenden oder Wut erzeugenden Gedanken, wenn ich sie denn ständig oder auch einfach nur zu oft denke und zulasse, mein ganzes Ich und mein ganzes Wohlbefinden negativ beeinflussen.

    Und so schaffe ich es, wofür ich sehr dankbar bin, immer wieder zu mir zurück zu kommen und für das dankbar zu sein, was ich habe. Und das ist, ehrlich gesagt, ziemlich viel. Trotz Perspektivlosigkeit was mein berufliches Umfeld betrifft, trotz der ganzen (wirklich nicht schönen) Einschränkungen, trotz der negativen Prognosen was die Auswirkungen auf die Wirtschaft betrifft, trotz der nicht (mehr) vorhandenen kulturellen Angebote. Man könnte das nun noch weiter Fortsetzen...

    Und ich will mir auch nicht zu viele Gedanken darüber machen, was irgendwann mal sein könnte oder sein wird, weil "die da oben" heute alles falsch machen. Denn ich weiß, dass ich deren Job nicht machen möchte, nicht für Millionen von Euro. Und das es meistens ohnehin anders kommt als man denkt, das ist etwas, das gerade ich durch meine eigenen Geschichte gelernt habe.

    Und wenn dann oft das Argument kommt, dass man halt das Risiko eingehen muss, dass ein paar mehr Leute an diesem Virus sterben (dafür dann aber die Wirtschaft retten und unser normales Leben wieder möglich wird), dann denke ich immer an einen Spruch von meinem Ex-Chef, der manchmal sagte "mit anderer Leute Arsch ist gut durch Feuer fahren" (entschuldigt bitte die etwas vulgäre Ausdrucksweise aber so lautet der Spruch halt). Übersetzt heißt das für mich immer: "So lange ich nicht betroffen bin, ist ja alles gut".

    Auch Vergleiche mit vergangenen Pandemien (gerne wird hier die Pest und die spanische Grippe hergenommen) und wieviel Prozent der Bevölkerung damals starben im Vergleich zu den, diesbezüglich lächerlichen, Zahlen bezogen auf Corona, schrecken mich eher ab als das ich da irgendetwas Sinnvolles heraus lesen können.

    Denn da werden einerseits Äpfel mit Birnen verglichen (medizinischer Standard und Wissen anno Tobak und heute) andererseits werden aber auch Schicksale zu einer bloßen Statisitk oder Zahl gemacht. Hier starben 25 % der Weltbevölkerung bei Corona sind es bisher nur 0,03 % (meine Zahlen sind nur beispielhaft ohne Rechtsanspruch). Gestorben sind in beiden Fällen MENSCHEN, dahinter dann noch die Schicksale der Hinterbliebenen. Aber solange die die eigenen Eltern, der eigene Partner / Partnerin, das eigenen Kind unter diesen "Zahlen" ist, ist ja alles ok. Wie gesagt, ""mit anderer Leute Arsch ist gut durch Feuer fahren".

    Uns so ist es für mich wichtig, für mich selbst zu sorgen, auch oder besonders in dieser schwierigen Zeit, wo man die Ohnmacht noch deutlicher spürt als in normalen Zeiten. Wo noch klarer wird, wie wenig man eigentlich selbst in der Hand hat und wo man aber genau deshalb schnell in Gefahr gerät, sich in einen (oft auch medial gepuschten) Erregungs- und Empörungsstrudel hinein ziehen zu lassen. Ich kann und will immer nur für mich sprechen. Wenn ich das tue, also wenn mir das passiert, ich mich hinein ziehen lasse, dann ist das Ergebnis immer das Gleiche: Es geht mir danach schlechter als vorher. Und ich bin immer wieder einfach nur dankbar, dass es meist gar nicht dazu kommt oder wenn, ich es relativ schnell erkenne und ich wieder zu mir und dem was ich in der Hand habe zurück finden kann.

    In diesem Sinne: Wir werden diese Pandemie überstehen, natürlich werden wir das. Und es muss nicht alles so fürchterlich und schrecklich werden, wie wir das im Moment vielleicht glauben. Nein, dass muss es nicht.

    Liebe Grüße
    gerchla