Beiträge von habssatt

    Die Option, auf einer Station etwas mehr professionelle Aufsicht und ggf. Ansprechpartner zu haben, hast du nämlich völlig außer Acht gelassen.

    Das stimmt. Ich habe es auch nur so geschildert, wie ich es mir subjektiv vorstelle, nicht wie es generell sei. Sehr vielen Menschen wird genau das (plus anschl. Therapie) geholfen haben, nämlich wohl den allermeisten trockenen Alkoholikern.

    Dass morgen hier ne Bullenhitze um die 38 Grad sein werden ist für mich erfreulicherweise keine Ausrede, es morgen dennoch nochmal auf diesem Weg anzugehen. Mit welchem Ergebnis auch immer werde ich mich hier demnächst wieder melden. Bis bald.


    und nein, eine stationäre Entgiftung hat in meinen Augen nur den Vorteil dass man da mal einfach ans Kiosk um die Ecke kann, dass man nicht mal darüber nachdenken muss ob man das macht oder nicht, ansonsten aber eigentlich gar keinen.


    (hier fehlt ein "nicht mal einfach ans Kiosk"...)
    weiter oben (Corona) ein ähnlicher Fall. Ich habe leider keine Möglichkeit gefunden Beiträge nachträglich zu editieren.

    Hallo AmSee13,

    vielen Dank für Deine Nachricht, die ich jetzt erst einen Monat später lese.
    Hoch interessant dass Du Dir darüber Gedanken gemacht hast und in der Tat sprichst Du da einen wichtigen Punkt an. Und ich werde nun etwas arg ausführlicher in das Thema einsteigen, hoffe das ist okay.

    Ich denke mittlerweile leider auch am besten täten mir 28 Tage in einer privaten Betty Ford-Klinik, wo eventuell auch an der Medikation der Antidepressiva was geändert würde (was ich mir natürlich niemals leisten können würde). Ich war ja wie gesagt schon mal erfolgreich (und vergleichsweise zu heute relativ mühelos) trocken, wenn auch da natürlich auch erst nach mehreren Anläufen. Den Zeitraum, in dem ich natürlich außerdem fast 20 Jahre jünger war, habe ich kürzlich noch mal ganz ausführlich zu rekonstruieren versucht, also richtig in eine Timeline mit konkreten Daten. Davon so richtig ausführlich berichtet hatte ich hier glaub ich noch nicht.
    Ich hatte jedenfalls einen Psychiater der wirklich extrem verschreibungsfreudig war und in seiner Praxis auch Substitution für Heroinabhängige anbot. Sucht war quasi sein Spezialgebiet. Geliebt wurde er dafür nicht, irre lange Wartezeiten und man durfte den Warteraum nicht verlassen wenn man sich einmal angemeldet hatte und alles war videoüberwacht. Alkohol war eher ein Nebengebiet, aber er hat es arg ambitioniert verfolgt an mir. Erstmal wechselte er das Antidepressivum (ich glaub der Wechsel war von Fluoxetin zu Trevilor/Venlafaxin, was ich später wieder absetzte, weil es - offen gesagt - antiejakulativ wirkte. Das klingt für manche vielleicht super, ist in Wirklichkeit aber schmerzhaft und sehr beunruhigend. Ich konnte also nicht "kommen" oder erst nach stundenlanger Arbeit, deswegen bin ich danach wieder auf ein anderes AD gewechselt, Bupropion war es aber noch nicht, ich denke ich ging zurück zu Prozac/Fluoxetin, das einen eher gegenteiligen Effekt, sexuell, hatte. Beim Absetzen von Venlafaxin/Trevilor hatte ich auch diese im Internet viel besprochenen "Brain Zaps", so wie ein Schluckauf im Hirn, oder kleine Fehlschläge im Hirn, sehr unangenehme und unheimliche Absetzerscheinungen, also ich rate davon absolut ab das überhaupt jemals zu nehmen), dann verschrieb er mir ein Medikament, von dem ich damals noch keine Ahnung hatte was das sein soll. Es war Valproat. Ungewöhnlich, denn es ist ein Antiepileptikum und könnte rein theoretisch auch zum Entzug verwendet werden, aber er meinte das würde die Höhen und Tiefen mildern. Ich war aber nicht bipolar diagnostiziert, auch von ihm nicht. Dennoch meinte er das würde mich mittig machen und die Rückfallgefahr senken. Hab ich dann auch lange brav genommen und irgendwelche Nebenwirkungen waren mir nicht sonderlich bewusst. War eher mit dem AD-Wechsel beschäftigt, was mich zusätzlich davon ablenkte zu trinken. Und obendrauf gab es - jetzt kommt's - Disulfiram! Also Antabus. Das ist ein widerwärtiges Zeug, die Tablette wird in Wasser aufgelöst, ist aber immer noch bröckelig, schmeckt nach verdorbenen Pilzen und stößt leider Stunden danach noch auf und macht einen furchtbar widerlichen Geschmack im Mund während der Verdauung und ich vermute auch entsprechenden Mundgeruch. Jeden (!) Tag musste ich in die Praxis um unter Aufsicht die Bröckeltablette zu trinken. So wie Heroinabhängigen dort ihr Substitutionsmittel. Wie ich das am Wochenende machte weiss ich nicht genau, ich glaub am Freitag gab es die doppelte Dosis und die aversive Wirkung sollte ja ungefähr 48 Stunden vorhalten.
    Aversive Haltung heisst, wie viele hier bestimmt wissen, Alkohol kann nicht mehr abgebaut werden, nach einem halben Bier wird der Kopf dunkelrot, Bluthochdruck bis zur Ohnmacht, gegebenenfalls Erbrechen.
    Nur einmal, beim "Sound of Frankfurt", da war ich schon mehrere Wochen trocken, kam ich in den "Genuss" der Wirkung. Es war wirklich nur ein halbes Bier und der Notarzt hat mich nach Hause gefahren, weil ich nicht mehr laufen konnte und Herzrasen hatte. Zuhause konnte ich kaum aufrecht gehen und bin erstmal hingefallen. Meine "Freunde", die alle eifrig becherten, hatten gelacht über die Wirkung des Disulfirams in mir, das weiss ich noch. Den Kontakt habe ich danach weitgehend abgebrochen.
    Antabus hab ich bald danach abgesetzt, aber nicht weil ich wieder trinken wollte, sondern weil ich z.B. wegen meines Fachabis, das ich im Sommer begann, auch gar nicht mehr täglich in die Praxis konnte. Zum Psychiater ging ich noch regelmäßig und meine Abstinenz hielt wie gesagt mehrere Jahre an. (Was mir damals u.a. geholfen hat war glaub ich neue Lebensperspektive Abi/Studium und Radfahren bis zum Abwinken, mindestens am Wochenende stundenlang, eine Art körperliche Verausgabung, Alkohol passte null dazu. Außerdem fand ich es "spannend" nüchtern zu sein. Nur wenige Jahre vorher war ich ja noch im "Omen", "Dorian Gray" und hab mir Pillen eingeworfen. Erst danach kam der Alk und den nahm ich ähnlich exzessiv ein. Das Clean-Sein war wirklich interessant und auch sehr schön, ich wachte freudig auf, konnte klarer denken und hatte durch das Fahrradfahren, sorry das war wirklich ganz wichtig für mich, auch ein ganz anderes Verhältnis zu meinem Körper und meinem Herzkreislaufsystem)

    Soviel zu Medikamenten. Das Bupropion habe ich mir übrigens selber ausgesucht. Als ich nach Berlin gezogen bin und meine aktuelle Psychiaterin erstmals aufsuchte gab ich ihr den Arztbrief aus Frankfurt und wir machten damit einfach weiter, nur das Valproat ließen wir weg, das fand sie zuviel des Guten, da ich ja außerdem Mirtazapin zur Nacht einnahm. Dann hab ich irgendwann etwas vom "Elontril" (damaliger Markenname) gelesen, als das neuste und geilste Zeug auf dem Markt und wollte das haben. Ich nehme es jetzt bestimmt schon rund 12 Jahre schätze ich. Absetzen wäre daher eher schwierig.

    Zu meiner Abstinenz: Wie viele hier prophezeit haben hat es leider bislang nicht nachhaltig geklappt. Zuletzt, ist mir egal ob das wie eine Ausrede klingt, war es auch eine enorme innerliche Abwehr täglich die Tabletten (Levetiracetam, Diazepam) nehmen zu müssen. Das war ja Dämmerzustand den ganzen Tag fast, das war ich nach 2-3 Tagen definitiv leid. Dagegen wirkten 5-6 Biere ja geradezu belebend.
    Ich bereite mich aber gerade auf einen (finalen?, weiteren) Versuch vor. Meine besten Freunde sind informiert, auch wenn sie vielleicht langsam den Überblick verlieren wann genau ich denn entgifte und wann nicht.

    Alle Gründe warum ich das Gefühl hatte etwas "Besseres" zu tun zu haben als Tage lang schwitzend im Bett zu liegen, dürfen hier gerne verlacht oder als Ausreden gebrandmarkt werden, das ist okay.
    Eine Situation eines in Kauf genommenen Rückfalls etwa war das Treffen mit einem ehemals guten Freund (den ich seit 6 Jahren nicht mehr sah), der sich nach 16,5 Jahren von seiner Freundin trennte und mir offenbarte was ihm währendessen passierte (er musste u.a. 24/7 ein GPS-Sender tragen, durfte niemanden, nicht mal seine Mutter zum 50. Geburtstag sehen, wurde von der Freundin ins Gesicht getreten etc.) und wovon ich die ganze Zeit keine Ahnung hatte. Ich traf ihn, passenderweise, in einem Biergarten. Natürlich hab ich während der 3-4 Stunden 4-5 Biere getrunken, er nur eins. Gleichzeitig hatte ich Kontakt mit seiner Ex-Freundin, die ich eigentlich auch mag, egal - klingt wie eine Ausrede ... das Drama kam mir vielleicht unterbewusst gerade recht. Jedenfalls war es ein Grund mehr vorerst nicht wie eine Leiche im Bett zu liegen, sondern aktiv sozial zu agieren.

    Wie eine Leiche im Bett zu liegen. Ich wünschte ich hätte einfach überhaupt gar keine Entzugserscheinungen, ich wünschte ich könnte einfach aufhören zu trinken und mir höchstens abends was zur Beruhigung einpfeifen bevor ich auf die Idee gehe zum Kiosk zu gehen. Tatsächlich habe ich während meiner medikamentös behandelten ambulanten Selbstversuchsorgien kaum bis wenig schlimme Entzugserscheinungen erlebt, aber, und hier komme ich auf Deine richtigen Gedanken zurück, AmSee13, im Kopf war synaptisch relatives Chaos (also ich hatte nicht das Gefühl "klar" denken zu können, dass da oben etwas nicht funktioniert, daher ja die Absicht erstmal "3 Tage im Bett bleiben", weil meine Zurechnungsfähigkeit im Übergang gestört ist) und meine Sucht hat natürlich meistens gewonnen weil meine Dopaminrezeptoren genau das versprachen: Nach 1-2 Bieren war ich wieder "normal", davor ein stundenlanges Hadern ohne Ergebnis, ob ich jetzt wirklich im Bett bleiben, erneut bei einer Netflix-Serie einschlafen soll oder es einfach lasse weil es ätzend ist. Hab dann teilweise erst um zehn per Lieferservice noch Bier kommen lassen, obwohl der Abend in 1-2 Stunden geschafft gewesen wäre.

    Schon seit Monaten bin ich nun schon in einem Hin und Her. Ich erlebe mich bis zu einem gewissen Grat unter Biereinfluss relativ funktionabel, während umgekehrt der medikamentöse Entzug radikal depressiv ist. Ich arbeite da quasi zwar auf einen Zustand zu, der mir einen Abstand erlaubt, aus dem neue Frische erwächst, aber die Zwischenphase ist wie Depression 3000. Diese Sedierung ständig, die ich aber auch brauche, weil ich nicht weiss was ohne sie wäre (psychovegetatives Syndrom).

    Zum Suchtpotential Diazepam kann ich nochmals sagen: Ich hasse es. Es ist widerliches Zeug und es wirkt auch anders als Levetiracetam. Bei letzterem sinke ich in einen ca. 45minütigen weniger stumpfen Schlaf und träume auch merkwürdige Sachen, über die ich später nachdenken könnte. Aber Diazepam ist Holzhammer und macht gefühlt eher dumm. Dabei nehme ich nur 5 mg.

    Ich werde dennoch sehr bald wieder eintreten in diese Phase, ich weiss ja was mich erwartet, ich entwerfe dann gerne Pläne, die mir helfen, sonst ist es nur eine Suppe ohne Widerkehr. Also an Tag 3 mache ich endlich das Päckchen von H&M auf, probiere mal die Hose und das Hemd an. Auch wenn dann noch ein Bierbauch das Maß ist, der vielleicht bestenfalls kleiner wird, entscheide ich dann ob ich es behalte oder zurückschicke, bringe das Päckchen eventuell an den 750m entfernten Paketshop. An Tag 4 gehe ich z.B. frisches Gemüse kaufen und mache beim Fahrradladen die Reifen wieder prall, falls ich mich zukünftig in der Lage fühle mal wieder zu radeln. An Tag 5 treffe ich meine Freundin abends am Tempelhofer Feld, weil ich da schon fast keine Medikamente mehr nehme (jedenfalls nicht abends, fuck you Diazepam) und wir können eine eiskalte Bionade trinken und die Sonne untergehen sehen und uns ehrlich unterhalten. Und darüber hinaus natürlich: Di. + Fr. 18.00 Online-AA, Mo. + Mi. offene Sprechstunde bei meiner Suchtberatungsstelle, bei der ich immer noch nicht war.
    Und Basis von all dem: Ich lasse meine Dauerkrankschreibung nochmal eine Woche verlängern. Eine Woche noch, nur noch eine Woche.
    Besagter Freund aus dem Biergarten hält es für Wahnsinn direkt wieder in die volle Arbeitszeit einzusteigen. Aber auf ein "Hamburger Modell" hat mich meine Psychiaterin nie hingewiesen, ich denke es würde dauern das zu beantragen und außerdem bin ich finanziell nach Monaten Krankengeld und einem eh mies bezahlten Job inzwischen eh ziemlich pleite.

    Also kurz gesagt: Mission ist nicht aufgegeben. Ich denke es läuft auf Donnerstag als Startpunkt hinaus. Meine Lebensmittel reichen bis übers Wochenende.
    Bupropion werde ich erstmal weiter nehmen, es sind 150 mg. Ich denke ein Entzug von ADs ist noch krasser als von Alkohol, obwohl beides macht viel mit dem Gehirn.
    Meine Prognose aber ist: Im Laufe des Rest des Jahres werde ich irgendwann an dem Punkt sein wo ich sagen kann dass ich X Wochen oder Monate clean bin. Das wird passieren. Dass es solange dauert, dass es so ein Hin und Her ist lässt mich zusehends verzweifeln, aber nicht zweifeln an der Gesamtidee. Weitersaufen ist einfach auch gar nicht möglich, ich merke einen zunehmenden körperlichen Zerfall, auch durch Corona, aber auch Corona wäre es so, schränkt sich mein Aktionsradius sehr ein, ich bin nicht am leben, ich bin ein depressiver nasser Sack.
    Mir ist bewusst: Es gibt nicht den "richtigen Moment", mir sind auch alle Alltagsweisheiten bekannt: "es gibt nichts Gutes außer man tut es".
    Das Rumwinden das ich bewusst (!) erlebe ist Teil einer schweren Krankheit. Ich werde es aber weiter versuchen. Ich gebe nicht auf, ich bin mir sicher auf der anderen Seite (der Abstinenz) gibt es noch viel Schönes zu entdecken und zu erleben. Also bitte drückt mir die Daumen für meinen nächsten Versuch.
    (P.S.: und nein, eine stationäre Entgiftung hat in meinen Augen nur den Vorteil dass man da mal einfach ans Kiosk um die Ecke kann, dass man nicht mal darüber nachdenken muss ob man das macht oder nicht, ansonsten aber eigentlich gar keinen. Das Argument hingegen dass angesichts meiner Schwierigkeiten eine stationäre Entwöhnungstherapie dringend nötig wäre kann ich nicht widerlegen, das werde ich mit der Suchtberatungsstelle besprechen, aber erstmal will ich wieder zurück zur Arbeit)

    Danke Orangina und AmSee

    für Eure Antworten, die mir beide ein besseres Gefühl geben.
    Ich muss morgen eigentlich nur die morgendlichen Stunden zwischen ca. 08.30 und eventuell 12 überstehen, dann habe ich Klarheit über alles Wesentliche und kann mein Projekt starten.

    @AmSee: Ich weiss nicht woher der "innere Kritiker" kommt. Ganz psychoanalytisch könnte ich meine ambivalente Kindheit auspacken, also widersprüchliche Erziehung quasi durch Vater und Mutter. Aber das führt zu weit oder wäre eher etwas für Therapie, die ich hoffentlich machen kann.
    Ob ich Alkohol etwas "Schönes" abgewinnen kann? Natürlich. Ich erlebe es zwar nicht mehr so, aber die Erinnerung an "schöne" Momente nicht nur mit Alkohol, sondern auch mit diversen Drogen, die ich mal nahm, sind noch da. Meine erste MDMA-Tablette nahm ich mit besten Freunden in einem Stadtpark und wir hörten quasi förmlich das Gras wachsen und wollten uns nur noch umarmen. Es fühlte sich körperlich an wie ein langgezogener Orgasmus. Mit loser Zunge lange Nächte politisch diskutieren in einer Kreuzberger Kneipe mit einem Dutzend Bieren habe ich auch noch gut bis mittelgut in Erinnerung. Ich leugne das alles keinesfalls.
    Alkohol ist zudem, teilweise unberechenbar, aber doch in gewisser Weise zuverlässig wirkungsvoll. Einer Flasche Bier würde ich in etwa die Wirkmächtigkeit eines halben Joints zuschreiben. Die Verfügbarkeit ist verlockend wie bedrohlich.
    Die Realität überwiegt aber bei weitem: Ich diskutiere mit niemandem spannend wenn ich trinke, ich bin einfach ein schlaffer Sack, das nächste Bier stets im Kopf, panische Angst vor einem leeren Kühlschrank, es ist erbärmlich.
    Daher ja: Mir erscheint Bier wie ein Medikament, ein relativ hartes Medikament. Aber es hat eine Langzeitwirkung die die totale geistige, körperliche und psychische Abschlaffung bedeutet. So erlebe ich das seit unzähligen Monaten.
    Ich habe mir bei meinen stetigen Abstinenzbestrebungen oft eine Hintertür gelassen. Eine Kosten/Nutzen-Rechnung quasi. z.B. würde mich Person X auf ein Bier einladen würde ich eine Ausnahme machen oder sogar käme es zu Party Y würde ich vielleicht eine Line Speed ziehen. Einfach als Ausnahme, weil soziale Erlebnisse wichtiger sind als strikte Askese in Einsamkeit, dachte ich.
    Aufgrund meines andauernden Leidensdrucks bin ich davon erstens weg und zweitens ist es längst so dass mich weder Person X fragen würde noch eine Party Y in Sichtweise ist, ich drehe mich permanent im Kreis, das ist alles. Ich glaube nicht an Esoterik oder arg spirituelle Ansätze, aber mir selber raten würde ich erstmal das wenige zusammenzuhalten das noch da ist (Job, eine Handvoll Freunde, die alle nicht "feiern" gehen, meine alternde Familie, die mich teilweise braucht, meine Gesundheit, die stetig abbaut und etwas Beachtung verdient) und was möglich ist (Wunsch: Rückkehr zu körperlicher Fitness, nicht mega-sportlich, aber das Radfahren ist mir halt echt wichtig, das hat immer Glücksgefühle verursacht; Pflege meiner Gehirnzellen, solange sie noch da sind, ich war mal gut im Schreiben bzw. hatte Spaß an der Beschäftigung mit komplexen Themen). Ich habe, bis auf Einkaufen, während der Zeit meiner Krankschreibung, und das waren Wochen (!), 99% meiner Zeit alleine in meiner Wohnung verbracht. Und davor war auch noch Corona. Das Bier kettet mich in diese Situation.
    Es ist halt gemein, ich habe mit Kiffen aufgehört von heute auf morgen, ich habe mit chemischen Drogen aufgehört, von heute auf morgen. Die einzige Droge die mich wirklich fies im Griff hat ist der Alkohol. Und es spielt keine Rolle dass das "nur" Bier ist. Bier habe ich mir vermutlich bewusst ausgewählt, weil es nicht sofort besoffen macht, sondern eher "sanft" da rein gleitet.

    Danke für die Links, werde mir Buch- und Linksammlung anschauen.
    Gerade die neurobiologischen Aspekte interessieren mich ja quasi sehr, wie vielleicht angedeutet, bislang aber eher auf die Entgiftung bezogen. Wegen einer möglichen Medikation danach bin ich mir sehr unsicher, werde ich morgen mit der Psychiaterin besprechen. Ich weiss dass sie Baclofen verschreiben würde, das hat sie mir zuliebe bereits klargemacht, aber ich habe den Eindruck dass ihr darüber nicht so viel Anderes einfällt, weil das einfach nicht ihr Gebiet ist. Ich habe auch vor Jahren mal eine ambulante Entgiftung in der Charite gemacht, die hatten mir damals mehrere Medikamente angeboten, u.a. Naltrexon und was ganz Experimentelles, leider weiss ich den Namen nicht mehr. In Frankfurt/M. wurde mir seinerseits, als ich aufhörte zu trinken, gleich ein Cocktail dargeboten. Waren im Wesentlichen Antiepilektika, z.B. Valproat. Das sollte Suchtdruck lindern und emotionale Überreaktionen verhindern. Hab damals alles genommen was mir verschrieben wurde, die Ablenkung durch die Pillen (ohne dass sie einen tollen spürbaren Effekt gehabt haben hätten) hat vielleicht auch geholfen. Ich nehme andererseits aber aktuell halt schon Einiges (Bupropion, Mirtazapin - in der niedrigsten Dosis die möglich ist: 7,5mg, und bis auf weiteres auch Tiaprid in niedriger Dosierung).

    Sorry, kann nix Sinnvolles mehr schreiben. In wenigen Minuten ist schon Mittwoch und ich bin aufgeregt was in den frühen Morgenstunden denn rauskommt, insbesondere in Bezug auf meinen Job.

    Danke für Eure Rückmeldungen und bis auf demnächst,
    habssatt


    Darf ich dich fragen, wie sich das für dich anfühlt, dass du dein Vorhaben auch dieses Mal nicht umsetzen konntest? Setzt dir das zu oder bist du erleichtert, dich heute nochmals mit Alkohol „beruhigen“ zu dürfen?

    Beides dürfte nicht sonderlich gut für dich sein, weil es dich behindert.

    Beides kommt vor. Wobei die "beruhigende" Wirkung des Alkohols erst einsetzt, wenn ich wenigstens einen neuen Plan habe wie es weitergehen könnte und zwar mit dem Aufhören, z.B. am Mittwoch eben. Denn das Trinken macht mir schon seit langem keinen "Spaß" mehr. Irgendwann vor Corona hat es das letzte Mal Spaß gemacht, im Zusammenhang mit Ausgehen mit Freunden. Das war aber auch ein einzelner Event. Das zuhause alleine trinken ist seit Jahren ein elender Zustand, was mich natürlich nicht daran hindert allabendlich keinen Abschluss zu finden. Insgesamt setzt es mir zu, keine Frage. Jedes erneute Scheitern ist reine Depression, so viel Zeit geht drauf für "Trial & Error". Es kostet Kraft neu zu starten, nicht weil ich eigentlich saufen will, sondern weil ich dann nur noch umgeben bin von den Folgen der Nicht-Abstinenz. Wann habe ich zuletzt meine Wohnung geputzt, wie oft dusche ich eigentlich? Was ist das für ein Leben, mit leeren Pfandflaschen zum Kiosk zu latschen, an einem gut besuchten Straßencafe vorbei, klimpernd, voller Scham.

    "Morgen Morgen nur nicht heute sagen alle Faulen Leute." ist auch so eine Sache. Vielleicht bin ich Zwangsneurotiker, denn ich brauche immer einen Plan, ich kann nicht spontan mal eben aufhören zu trinken. Das Schwierigste ist ohne Frage das Trockenbleiben, aber diese Verwandlung in die Abstinenz hinein habe ich öfters erlebt und das kann nach meiner Erfahrung funktionieren wenn ich mir einen Startpunkt setze der realistisch erscheint und ich nicht gleichzeitig noch viele existenzielle Dinge regeln muss, die mich eh nicht zur Ruhe kommen lassen. Und Ruhe ist mit eine Voraussetzung dass ich überhaupt in die kritische Phase der Entgiftung eintreten kann. Am schwierigsten finde ich den Entzug am 2. Tag, da schreit das Craving die ganze Zeit rum, und die Rückfallgefahr ist nach meiner Erfahrung direkt am Anfang sehr groß, z.B. an Tag 3 oder 4, wenn mir eine Stimme im Kopf sagt dass es jetzt auch mal reiche mit der Selbstgeißelung und ich es doch eh nicht schaffen würde. Wenn ich darüber hinaus bin kann es aber aufwärts gehen. Selbst ich als Depressiver kann an Tag 6 oder so zufrieden einschlafen und stolz sein es so weit geschafft zu haben. Und das ist nicht einfach und geht nur mit halbwegs Vertrauen in die Unternehmung.
    Warum ich am liebsten gerne wieder arbeiten würde liegt auch an meiner Erfahrung dass ich oft an Tag 7 oder so auf einmal ohne ersichtlichen Grund wieder in eine Art Depression verfalle. Nicht unerklärliche Traurigkeit, sondern ein Gefühl von Leere. Und auch Sinnlosigkeit. In sofern wäre es nicht gut die Abstinenz alleine mit mir zuhause auszumachen, sondern etwas Alltagsstruktur ist da schon hilfreich. Wäre ich superreich würde ich vielleicht auf eine einsame Insel in den Urlaub fliegen. Aber das mit der Arbeit ist eben praktische Realitätserprobung. Die harte Tour, ja, aber Flucht vor meinem Leben hab ich jetzt ja genug betrieben, bin seit Wochen krankgeschrieben. Es war angebracht, denn arbeitsfähig war ich zuletzt kaum noch, aber Erlösung hat es auch nicht gebracht.

    Das klingt alles sehr pathetisch ich weiss.
    Und dass ich "danach keinerlei Netze gespannt" gespannt habe ... ist nur so halb richtig. Auch "wenn es Dir Dein Ego schon nicht erlaubt, in eine Suchtberatung zu gehen?" Wie gesagt erwäge ich neben den SHG eine ambulante Reha, Problem halt nur das wird dauern bis die durchkommt. Paradoxerweise kommt eine Beantragung eher durch wenn man bereits einige Wochen Abstinenz vorzuweisen hat, nicht etwa nur weil man vorhat nichts mehr zu trinken. Das funktioniert natürlich über den Kontakt mit einer Suchtberatungsstelle. Ich war auch schon ein halbes Dutzend mal bei einer, fand die gut, möchte jetzt aber zu einer anderen desselben Trägers, der in einem anderen Stadtteil liegt (was mit meiner Arbeit zu tun hat). Die offene Sprechstunde habe ich schon fest eingeplant. Sie ist kommenden Montag.

    Jetzt heisst es erstmal für mich meinen Job behalten, meine Chefs habe ich heute nämlich beide nicht erreicht und ich wurde auch nicht zurückgerufen, das machte mich etwas paranoid. Gerade habe ich meine Chefin per WhatsApp erreicht, immerhin. Bislang waren sie sehr verständnisvoll dort, wissen dass die offiziell attestierte Depression eine relativ langwierige und schwere Krankheit ist. Aber ich habe gleichzeitig große Angst dass der Geduldsfaden reißt. Immerhin habe ich, wie ich zufällig mitbekommen habe, eine Betriebsfeier "verpasst". Das wäre nämlich ein Supergau gewesen, gerade frisch abstinent und guter Dinge in so eine soziale Situation mit Alkohol in Strömen geworfen zu werden. Meine Arbeit in den nächsten Wochen wird wegen der zahlreichen Urlaubsvertretungen (KollegInnen mit Kindern, Sommerferien) nicht gerade lasch, aber ich habe die Hoffnung dass mich das eher anfeuert.
    Ich hab mittlerweile in diesem Forum gesehen dass sich mehrere Threads mit den Fragen auseinandersetzen die ich dann täglich am Feierabend haben werde. Und natürlich muss ich mir was dazu überlegen, nass bin ich dazu aber nicht in der Lage, ich plane gerne ins Voraus, aber ich bin ne Woche nüchtern schon anders als heute abend. Deswegen werde ich ggf. auf dieses Forum noch mehr zurückgreifen, obwohl ich gleichzeitig mir eine gewisse Offline-Zeit verschreibe. Einfach weil ich als Säufer oft (mangels Alternativen auch) stundenlang vor dem PC saß mit dem Bier daneben. Ich versuche den PC als nützliches Tool zu benutzen, aber nicht mehr für eine Abendgestaltung. AA-Online-Meetings finden über ein separates Notebook statt, das hat eine Kamera. Den großen Computer werde ich voraussichtlich weniger einschalten. Zu direkte PC>Bier-Verbindung.

    Und noch @AmSee: Meine Depression ist mittlerweile sekundär weil das Alkoholproblem natürlich alles überlagert. Aber tatsächlich war ich ebenfalls auch schon wegen Depression in Behandlung, 1998 mal in jungem Alter von 19 in einer psychosomatischen Klinik. Es ging um eine "rezidivierende Depression", rein praktisch aber auch um einen "Ablösungskonflikt" vom Elternhaus. Meine Eltern meinten nachvollziehbarer Weise ich solle einfach eine Lehre machen, nachdem ich das Gymnasium abgebrochen hatte. Von meinen psychischen Schwierigkeiten (inkl. Sozialphobie und eben typisch jugendlicher Orientierungslosigkeit) hatten sie nicht so den Plan. Damals habe ich jedenfalls überhaupt gar kein Bier getrunken weil ich die ca. 4 1/2 Jahre davor eher täglicher Kiffer war. Auch mit synthetischen Drogen hatte ich als Jugendlicher experimentiert, dadurch dürfte auch die eine oder andere Synapse durchgebrannt sein. Den Alkohol praktizierte ich erst ab ca. 20, als ich mit allen Drogen aufgehört hatte und der relativ exzessive Konsum stellte sich da relativ sofort ein. Wie eine Suchtverlagerung. Schließlich tranken ja alle (nur meist weniger als ich) und ich hatte in meinen 20ern natürlich viel Bedarf nach Nightlife und dergleichen.

    Was mir Hoffnung macht oder wovon ich träume sind die 3 1/2 Jahre Abstinenz in den 00er-Jahren, die waren wirklich gut. In der Zeit habe ich auch viel für mich geschafft, war relativ zufrieden mit allem. Mein Abi habe ich damals nachgeholt und auch mit einem Studium angefangen, das ich aber erst viele Jahre später, mit etlichen Jahren Pause, abgeschlossen habe. Die Früchte des Studiums halte ich gerade mit dem Job in der Hand und deswegen will ich ihn keinesfalls verlieren. Zwischendrin, ca. 2010, hatte ich nochmals eine schwer depressive Phase, da ging gar nichts mehr, und ich bin sicher dass der Alkohol damals auch einen wesentlichen Anteil hatte, auch die Enttäuschung dass ich so abgebaut hatte nach einer kurzzeitigen Hochphase von immerhin 3 1/2 Jahren. Damals war ich in Behandlung in der "suchtnahen Psychosomatik", also stationäre Therapie für Doppeldiagnosen, thematisch aber viel mehr auf Sucht konzentriert.
    Danach ging es mir besser und ich habe in den kommenden Jahren viel erreicht und erlebt, nur trocken war ich eben nicht. Es ging mir in den folgenden Jahren bei weitem nicht so schlecht wie heute, obwohl ich regelmäßig becherte, eigentlich gar nix Soziales ohne Alkohol unternahm, das ist mir heute alles klar.

    Ich finde die Zeit ist reif für eine Veränderung, und eigentlich ist die Zeit gerade jetzt auch ganz gut, weil gerade Sommer ist. Wenigstens an den Wochenenden könnte ich endlich wieder radfahren. Mein Mountain Bike steht seit Jahren rum, meine Kondition ist katastrophal, ich habe seit einigen Jahren auch einen Bierbauch.

    Ich hoffe dass sich morgen früh alles klärt, mit meinen Chefs und meiner Ärztin. Dann habe ich nur ein Ziel: Dass ich nicht mehr trinke, dass es mir vor allem besser geht, dass ich wieder in Kontakt komme mit mir selbst, nackig, sicherlich verletzlich und im übrigen rückfallgefährdet. Ich bin bereit dem Thema die Hauptrolle einzuräumen, durch AA (andere SHGs gingen theoretisch auch, aber mir erschienen zum Beispiel Meetings bei den Guttemplern oder einem anderen nur in Berlin tätigen Verein etwas planlos, obwohl hochsympathisch, AA haben einfach die höhere Dichte, z.B. täglich online und fast täglich in meinem Umkreis), Suchtberatung und hoffentlich ambulante Reha (mit Einzeltherapie und Gruppentherapie), mir ist es aber wichtig den Kontakt mit meinem realen Leben nicht zu verlieren, das mich ja darüber hinaus auch noch halbwegs definiert. Fiele das auch noch weg habe ich große Angst dass nur noch das Elend zurückbleibt. Ich will (noch) nicht in einen Wald gärtnern und töpfern (Langzeittherapie, die ich nicht schlecht reden will, aber für mich eine Entscheidung aus meinem Leben vorerst ganz auszusteigen, macht mir daher Angst), das mache ich wenn überhaupt gar nichts mehr auf die Reihe zu bringen ist, wie 2010. Noch kann/will ich nicht aufgeben, von mir aus ist das Eingebildetheit oder Ignoranz.

    Ich habe jetzt viel schreiben können/müssen, für Eure geschulten Ohren mit Sicherheit alles nix Neues, womöglich geradezu klassischer Verlauf.
    Wie oben beschrieben beabsichtige ich gelegentliche Updates hier zu posten und danke für diese Möglichkeit.

    Euer
    habssatt

    Ich danke Euch sehr für Eure sehr lieben Antworten.

    Und tatsächlich: Ich habe das Projekt abgeblasen. Warum? Wegen Kleinigkeiten. Aber diese Kleinigkeiten sind es eben. Dass ich erst meine Psychiaterin um eine Verlängerung meiner Krankschreibung bitten muss, dass ich erst mit meinen Chefs eine Verlängerung meiner Abwesenheit besprechen muss, dass morgen ein Handwerker kommt der meine halbe Küche auseinander nimmt, dass mein Krankengeld noch nicht gezahlt wurde und die nächste Miete ansteht ... all das hat mich so gestresst, dass ich gerade mal einen Tag hinbekommen habe.
    Der Handwerker kommt morgen, mit den Chefs rede ich morgen, das mit dem Krankengeld ist seit heute endlich geklärt, es kommt wohl rechtzeitig an.
    Ich empfinde es so dass eine Entgiftung nur möglich ist wenn alle Grundvoraussetzung wenigstens halbwegs in Ordnung sind.

    Ich habe darüber hinaus auch ein dünnes soziales Netz: Eine beste Freundin weiss genau Bescheid, ich habe sogar eine Partnerin, die nicht weit weg wohnt.
    Die Beunruhigung wegen Diazepam kann ich wirklich verstehen, aber ich nehme das Zeug nur deswegen weil ich nicht Tiaprid sonstwie hochdosieren möchte. Denn in den Nebenwirkungen des Beipackzettels steht dass es den Herzrhythmus verändern kann und ich habe wirklich eine Phobie gegenüber speziell diesem Effekt, der natürlich auch während einer Entgiftung auftreten kann.

    Im Übrigen gebe ich Euch in fast allen Dingen recht: Mit einem Entzug allein ist gar nichts erledigt. Ich habe glaube ich betont wie schön der "Honeymoon"-Effekt sein kann, also die ersten Tage ohne nervige Medikation und Entzugserscheinungen. Überhaupt jeden Morgen ohne Kater aufzuwachen, das reduziert auch Angst und Schuldgefühle. Darauf freue ich mich sehr. Da ich jetzt nun doch erst am Mittwoch anfangen werde freue ich mich über den Wetterbericht dass hier in Berlin ab Samstag das Wetter einigermaßen stabil bleiben soll. Das würde ich gerne nutzen um besagte (vollkommen abstinente, die hat nie getrunken) Freundin und meine Partnerin zu treffen, ansonsten einfach mal meine Wohnung putzen, im besten Fall ein bisschen Rad fahren. Ich war schon mal für Jahre abstinent, nicht lange, aber immerhin von 2004-2007. In der Zeit war das Radfahren für mich die allerbeste Therapie, bin stundenlang stadtauswärts gefahren und wieder zurück, war danach ausgepowert, trank dann eine eiskalte Limo und war sehr mit mir zufrieden. Suchtdruck null. Jahre lang. Bin dann auch mal in eine Disco gegangen, wo man das Wort des Anderen nicht verstehen konnte. Hatte eine Cola in der Hand, die anderen alle ein Bier. Ich fands langweilig, aber nicht schlimm. Bin trotzdem trocken auf Konzerte gegangen. Ich hatte dann erst wieder schrittweise angefangen als ich die Stadt gewechselt hatte und dachte man könnte ja mal hin und wieder im Zusammenhang mit sozialen Kontakten.... kommt bestimmt manchen bekannt vor.

    Was nach dem Entzug passiert? Ich werde direkt wieder arbeiten. Weil ich es muss. Ich brauche das Geld. Es war ja auch nicht wirklich die Arbeit die alleine dafür verantwortlich gewesen wäre dass ich trank. Ich werde einen Antrag stellen auf eine ambulante Reha, das geht hier in Berlin in bestimmten Suchtberatungsstellen, davon unabhängig werde ich mich an AA halten. 2x die Woche virtuell und gerne 1-2x live hier um die Ecke. Da war ich schon mal während einer Cleanphase und die waren alle sehr nett - und erstaunlich, so unterschiedliche Menschen, kaum einem/einer "sah man es an". Ich traue mich aber nicht hin solange ich nicht auch wenigstens eine halbe Woche abstinent bin. Wenn die Medikamente ausgeschlichen sind (wie gesagt Diazepam max. 3-4 Tage) traue ich mich hoffentlich hin.

    Sollte all das nicht funktionieren oder die Arbeit mich überfordern ... dann muss ich natürlich einen härteren Weg einschlagen. Also auch eine stationäre Entwöhnungsbehandlung in Erwägung ziehen. Das ist keine Schande, vielen Menschen hat das sicherlich gut geholfen. Aber ich möchte es gerne so schaffen und meinen Job behalten, auch ohne Coming-Out. (Krankgeschrieben bin ich offiziell wegen meiner sekundären Diagnose: Depression).
    Wenn ich abstinent bin und auch wieder arbeite würde ich gerne hier wieder schreiben und berichten dürfen. Dass der Alltag überhaupt nicht einfach sein wird ist mir vollkommen klar. Die ganzen Assoziationen Arbeit > Feierabendbier sind wie eingefräste Automatismen. Und wie ist es mit im Sommer Freunde treffen? Wenn die dann alle eine Flaschenbier trinken? Natürlich wird das überhaupt nicht einfach.
    Hauptproblem für mich ist der Umgang mit seelisch/psychisch stressigen Situationen. Auf die Arbeit beschränkt ist das noch halbwegs erträglich (obwohl ich mir da einen sehr krassen Job mit sozialen Interaktionen ausgesucht habe), aber selbst Besuche bei den mittlerweise greisen Eltern sind im Moment kaum vorstellbar ohne abends ein paar Glas Wein zu trinken.
    Natürlich wird das alles hart, aber als erstes benötige ich den Luxus einer zumindest bereits kurzzeitig stabilen Abstinenz und ich rede mir ein dass die Rückkehr zur Arbeit sogar helfen könnte, wegen Tagesstruktur.
    Den Weg dorthin bespreche ich ja mit meiner Psychiaterin, nur das mit dem Diazepam lasse ich weg. Aber ich nehme es eben anstatt 2x Levetiracetam, was ebenfalls zur Folge hätte dass ich abends nach dem Abendessen und kurz vor der Nacht erneut ein "Nickerchen" machen müsste. Beides nicht toll, Entzug macht keinen Spaß, überhaupt nicht. Es ist hart, aber ich bin froh so wenig "psychovegetatives Syndrom" zu haben wie möglich, das Wegdämmern nehme ich dann in Kauf, obwohl es nervt, 3 Tage lang immer wieder wegzudämmern und dabei viel zu schwitzen, aber wie gesagt nehme ich niemals mehr als 10mg Diazepam. Hab gelesen Menschen mit Krampfanfällen in ihrer Geschichte bekommen bis zu 60mg stationär, unfassbar. Das bin ich aber erfreulicherweise nicht und ich mache aber alles keinen Anfall zu bekommen.
    Wichtig ist noch, das habe ich vergessen zu erwähnen, dass die "Entgiftung" gewissermaßen am Abend zuvor beginnt. Ich kann nicht abends 12 Bier trinken und dann am Tag danach auf Medikamente vertrauen. Ich habe da eine Grenze von 7-8 Bier, sonst erscheint mir das tags darauf zu gefährlich.

    Vielen Dank für Eure Antworten, danke auch an Greenfox, der sich sichtlich bemüht hat sich zurückzuhalten mit was er eigentlich denkt.
    Mein Problem ist dass ich in meinem Leben bereits 2x eine stationäre Entgiftung hatte und beide haben nicht nur nichts gebracht, sie waren gewissermaßen auch die Hölle. Version 1 war ein Mehrbettzimmer mit Menschen die 24/7 laut Radio hörten, um die Stimmen in ihrem Kopf zum schweigen zu bringen, das kann ich mittlerweile nachvollziehen. Version 2 war ein anthroposophisches Krankenhaus die auf Medikation komplett verzichteten und erst bei einem Bluthochdruck monumentaler Ausmaße dazu neigten endlich ein Medikament rauszugeben. Im Wesentlichen waren die meisten Alkoholiker dort nicht mit Medikamenten behandelt, das halte ich für ein Unding.
    Beide Erfahrungen bringen mich zu der Einschätzung dass ein selbst kontrollierter Entzug mit ausreichend Medikamenten zur Hand eventuell sanfter sein könnte. Quasi im Einzelzimmer zuhause und mit einem strikten Medikamentenplan statt um die Hilfsmittel betteln zu müssen. Ein Alkoholentzug ohne Medikamente halte ich für eine unnötige und sehr schlimme Qual, das wünsche ich niemandem.
    Aufgrund meines sehr sehr regelmäßigen, aber doch im Verhältnis zu anderen Fällen auf stationären Entzügen noch einigermaßen als moderat zu bezeichnenden Konsums von 5-10 Bier pro Tag hielt ich eine ambulante Lösung für vorstellbar. Kaum ein Arzt traut sich da ran, aber ich hatte das Glück eine Psychiaterin zu haben, die sich ungefähr an der Medikation der ambulanten Entgiftung an der Charite orientierte. Gleichzeitig hielt sie die dortige Medikamentengabe für total übertrieben und verschrieb mir etwa die Hälfte davon. Auf diese Weise (1-2x 500mg Levetiracetam, 100-200mg Tiaprid als Bedarfsmedikament. Googlet "Bernburg Schema", da wird das Fünffache empfohlen, mit Carbamazepin statt Levetiracetam) versuchte ich mehrfach selbstständig zu entgiften, aber es funktionierte nicht nachhaltig.
    Wiederum ein Google-Ergebnis zum Begriff "Diazepam" wirft als Ergebnis aus dass dieses nicht ungefährliche Medikament in Metastudien als "Mittel der Wahl" dargestellt wird. Es gilt als wesentlich erfolgsversprechender als eine reine Behandlung mit Antikonvulsiva und wird auch eindeutig Clomethiazol vorgezogen, da "Distra" ein noch viel höheres Abhängigkeitspotential besitzt und ambulant zurecht definitiv nicht eingesetzt werden darf.
    Ich habe jetzt erstmals "Diazepam" ausprobiert und muss sagen ich bin froh wenn ich es wieder los bin, denn toll finde ich die Wirkung überhaupt nicht.

    Kurz gesagt: Ich experimentiere rum, aber ich finde das sollte nicht per se verdammt werden.
    Mein erster Anlauf scheiterte aus verschiedenen Gründen. Aber ich werde morgen wieder beginnen und nutze eine, zugegebenermaßen, Best Of-Medikation aus verschiedenen Quellen:
    morgens zu meinem Antidepressivum Bupropion (300mg), das ich ja zwangsläufig weiter nehmen muss, nehme ich 100mg Tiaprid. Mittags nehme ich 500 mg Levetiracetam und um abends auf keine falschen Gedanken zu kommen 5 bis 10mg Diazepam. Störungsfrei Netflix schauen kann ich dabei nicht, denn sowohl Levetiracetam als auch Diazepam macht mich bleiern müde und regt auch halbstündiges Wegdämmern an. Deswegen nehme ich das Zeug auch nur kurz. Levetiracetam muss ich, weil ich Mittwoch wieder arbeiten gehen will, relativ schnell ausschleichen. Diazepam würde ich ohnehin nur 3-4 Tage lang nehmen. Tiaprid ist leider ein Medikament von dem ich mich nur schwer verabschieden werden kann. Ich habe Angst es abzusetzen. Baclofen oder ähnliches halte ich als Ersatz für relativen Placebo-Quatsch. Naltrexon lehne ich ab weil es eine ohnehin bestehende rezidivierende Depression verstetigen kann. Die Höhen im Leben sollten nicht abgeschnitten werden, um die Abgründe sollte es gehen und ein Honeymoon frisch erlebter Abstinenz sollte auch genossen werden dürfen. Ich hoffe ich bin nächste Woche an diesem Punkt. Ich fühle mich null schuldig für den Übergang auch auf Diazepam zurückzugreifen. Alles was hilft eben.

    Liebe Schwachestarke,

    die Tatsache dass Du so reflektiert thematisieren kannst zeigt ganz klar dass Du 1.) an einer Veränderung interessiert bist und 2.) auch zu einer Veränderung fähig bist.
    Ich hab gut reden, schließlich befinde ich mich selber in einer misslichen Lage mit dem Alkohol. Meinen eigenen Schritt zur Veränderung bereite ich seit Monaten, ja fast Jahren, vor und hoffe ihn bald (morgen schon) zu finalisieren. Du bist aber längst auch an einem Punkt angekommen wo Du die Merkwürdigkeit Deiner Suchtroutine erkennst. Es macht keinen Spaß mehr, höchste Zeit damit aufzuhören. Die Zeit bis dahin wo Du überhaupt kein Verlangen nach Sekt mehr hast kann erschrecken, manchmal reichen aber wenige Monate. Es ist doch verrückt dass Zusammensein mit Freunden und Bekannten immer an diese verdammte Droge geknüpft ist.
    Ich hab immerhin mal mit dem Kiffen aufgehört, da war ich Anfang Zwanzig. Das Ergebnis war: Überhaupt kein Problem. Das einzige was ich nicht mehr konnte war mit Kiffenden zusammenzusitzen weil ich deren bekifftes Gequatsche einfach zu dümmlich fand. Für Dich gilt es nun herauszufinden ob Deine Bekannten und Freunde nur angesoffen vor sich hin labern oder es durchaus möglich wäre auch nüchtern mit ihnen zusammenzusitzen. Denn vergnügliche Abende mit Freunden sind durchaus auch ohne Drogen möglich.

    Guten Abend

    ich habe heute bereits 9 Bier getrunken und schaffe es seit Tagen nicht bei der gewünschten Menge von 5-7 Bieren zu bleiben. Diese Menge würde ich nämlich als realistische Ausgangssituation betrachten um tags darauf erfolgreich entgiften zu können. Alles drüber macht die Sache sehr bedrohlich.
    Ich bin für eine ambulante Entgiftung einigermaßen gut ausgestattet: Habe Levetiracetam, Tiaprid (beides auf Rezept) und sogar Diazepam (Schwarzmarkt) hier um endlich den Absprung zu schaffen.
    Was wäre Eure Einschätzung? Kann man auch nach 10 oder 11 Bieren am Tag darauf noch entgiften oder stirbt man an dem Entzug? Ich würde mittags 500mg Levetiracetam nehmen und abends 5-10mg Diazepam. Ich bin einigermaßen ausgestattet mit Lebensmitteln, muss also nicht groß raus, habe meinem nächsten Umfeld Bescheid gegeben was ich ab morgen durchmache und plane mindestens 3 Tage Bettlägrigkeit ein. Zu meiner Arbeit muss ich erst übernächste Woche wieder, mir ist bewusst dass die Übergangszeit zu einer halbwegs stabilen Abstinenz nicht sehr einfach ist. Habe mehrere AA-Gruppen parat, eine online und zwei in meiner direkten Umgebung. Darüber hinaus besteht auch ein Kontakt zu den Guttemplern, die ebenfalls nicht weit entfernt sind.
    Ich wünsche mir als Antwort von Euch keine Horrorprognosen über ambulante Entgiftungen im Allgemeinen sondern lediglich die Einschätzung ob eine Entgiftung (wo und wie auch immer) nach 10-11 Bieren tags darauf überhaupt möglich ist oder körperlich eine zu große Belastung darstellt.

    Vielen Dank für Eure Antworten.