Hallo zusammen,
da Ihr lange nichts von mir gehört habt, wollte ich mich eigentlich schon vorgestern mal wieder melden, denn dies war der 100. Tag meiner Nüchternheit. Wie ist es mir seit dem letzten Post ergangen?
Bisher bin ich immer noch überraschend gut drauf. Da ich vor allem ein Feierabend-Trinker auf dem eigenen Sofa war, könnte man meinen, eine große Gefahr müßte vom Corona-Lockdown ausgegangen sein, da man sich ja dadurch fast nur noch zuhause aufhielt und leicht auf dumme Gedanken kommen bzw. in alte Routinen zurückfallen konnte. Aber irgendwie verschwende ich daran keine Gedanken. Auch das Home Office, dass ja leicht dazu verführen kann, rückfällig zu werden (man kann länger schlafen, braucht keine Angst vor einere Fahne zu haben), änderte daran nichts.
Eine starke Versuchung gab es bisher einmal, als ich bis 20 Uhr beruflich unter starkem Druck stand (natürlich auch im Home Office). Früher wäre ich dann danach direkt zur Flasche Wein übergegangen, um runterzukommen und zu entspannen und hinterher auch schlafen zu können. Ich hab es mir verkniffen und konnte schlecht schlafen. Ich brauche noch eine Strategie, um besser mit solchen Situationen umzugehen, darauf weist Ihr immer hin. Sport? Laut Musik hören? Die Tage hörte ich in einem Podcast, scharfe Himbeer-Bombons würden helfen. ;D
Man darf ja jetzt auch wieder in Restaurants essen gehen. Das haben meine Freundin und ich bisher zweimal gemacht. Das eine Mal hat mir der Alkohol gar nicht gefehlt, ich hatte eine leckere Saftschorle und hab nicht an Alkohol gedacht, obwohl sie einen Aperol trank. Das andere Mal war in einem Garten-Lokal, wo viele Fahrrad-Ausflügler waren, die sich bei schönstem Sonnenschein ein (?) Bier zischten. Da kam kurz etwas Neid auf, ich weiß noch nicht, ob da nicht noch etwas schlummert, was als stärkerer „Saufdruck“ wieder ausbrechen könnte. Bisher meine ich es unter Kontrolle zu haben.
Es wird auch wieder ein soziales Leben mit Freunden und Bekannten geben, bisher hielt mich der Lockdown davon ab, mir die Situationen auszumalen. Aber ich habe schon vor, ehrlich zu sagen, dass mein bisheriges Leben mir gezeigt hat, dass es mir viel schwerer fällt nach 1-2 Gläsern aufzuhören, als gleich das erste Glas stehen zu lassen. Die einen wissen das auch bestimmt, das sind die, die das gleiche Problem haben, aber es sich selber nicht eingestehen. Die anderen wissen es vielleicht nicht, das sind die, bei denen ich unter inneren Kämpfen nach 2 Gläsern aufgehört habe, um vor ihnen nicht als Alkoholiker dazustehen, da sie zumindest in meinen Augen selber kein Problem mit Alkohol haben. Auf jeden Fall will ich das Thema nur ansprechen oder vertiefen, wenn die Situation dazu Anlass gibt.
Ansonsten kann ich von Glück sprechen, dass ich im Moment keine Lebensprobleme habe, die einen Griff zur Flasche herbeiführen könnten. Auch dazu brauche ich noch eine Strategie. Bisher geben mir dafür die 102 bereits bewältigten Tage eine gewisse Sicherheit. Aber auch z.B. die Erinnerung daran, dass ich unsere letzte richtige Beziehungskrise (mit Trennungsdrohung usw.), die schon einige Jahre her ist, bewußt - fast aus Trotz - ohne Alkohol durchgestanden hatte - zumindest ein persönlich erlebter Beweis, dass es geht.
Also - ich gehe weiter den Weg, den ich eingeschlagen habe. Ich lese hier immer noch regelmäßig und bin dankbar für alle Ratschläge, die ich hier direkt oder indirekt mitbekomme.
LG, Klaus