Beiträge von Verve

    Liebes Forum,
    ich habe schon ein paar Mal einen Schreibversuch gestartet, doch das Chaos in meinem Kopf lässt es mich schwer auf den Punkt bringen. Ich versuche es noch einmal...
    Ich bin 43 Jahre alt, Mutter von drei Kindern. Nach einigen schrecklichen Ehejahren erfuhr ich im letzten Sommer von der heimlichen Kokainsucht meines Mannes. Im letzten halben Jahr hatte er einen Rückfall, der ihn zur Therapieeinsicht gebracht hat. Seitdem er seine Therapie begonnen hat, habe ich nun eigentlich alles, was ich mir in den letzten Jahren gewünscht habe: freundlicher, respektvoller Umgang, Engagement für die Kinder, Unterstützung im Haushalt, kein sexueller Druck mehr, keine Aggressionen, keine Vorwürfe.
    Doch es fehlt etwas: Vertrauen und Offenheit.
    Seit dem Studium trinkt er täglich Alkohol und raucht Cannabis. Ich habe ihn so geheiratet und auch gelegentliche Exzesse hingenommen. Er trinkt nun auch nach seinem Kokainausstieg täglich 2-3 Bier und kifft. Sein Konsumverhalten ist mir zuwider geworden. Braucht er das Sich-Benebeln, um mit dem fehlenden Kokainkick zurecht zu kommen? Zudem habe ich das Gefühl, dass er inoffiziell mehr zu sich nimmt als er es 'öffentlich' tut, dass er es beschönigt. Die alkoholfreien Bierflaschen stehen demonstrativ in der Küche, die 'echten' Bierflaschen trinkt er gerne ungesehen. Die Angst vor einem Rückfall bringt mich dazu, seine 'Ecken' im Auge zu behalten. Durch das Lesen über Co-Abhängigkeit weiss ich, dass ich das Kontrollieren sein lassen sollte und meine Energie in meine eigenen Belange investieren sollte. Doch weiss ich eben durch das Kontrollieren, dass er mich auch weiterhin in Kleinigkeiten belügt. Einzelne versteckte (?oder nebenbei mitgenommene) Bierdosen, Lügen über den Vorrat an Gras, eine Flasche weniger zu seltsamer Tageszeit (vormittag), um 16Uhr mit Fahne bei einem Schulfest ('es war nur ein alkoholfreies Bier'), heruntergespielte finanzielle Ausgaben,... Ich bin total verunsichert.
    Ich habe versucht, ihn auf seinen Alkohol- und Cannabiskonsum anzusprechen. Es wurde entweder verharmlost ('du brauchst dir keine Sorgen machen') oder wütend mit überzogenen Gegenforderungen reagiert. Als ich ihn mit einem Alkoholfund konfrontierte reagierte er auf mein Hinterherspionieren so wütend, dass ich das in dieser Form nicht mehr ansprechen werde. Mein heimliches Kontrollieren und seine heimlichen Verstecke sind also als Gesprächsthema tabu, wie absurd.
    Ich leide nicht mehr unter den psychischen Auswirkungen seines Drogenkonsums, doch mit dem Misstrauen und der Tatsache, dass ich es mit einem Suchtkranken und damit perfekten Lügner zu tun habe, dem ich nichts mehr glauben kann, komme ich nicht zurecht. Wie kann ich mich öffnen? Ist mein Kontrollieren als Selbstschutzmaßnahme gerechtfertigt? Einfach um zu wissen woran ich bin? Oder verpestet es unsere Beziehung noch mehr? Wie soll ich mit der Angst umgehen, wieder einer Illusion von 'alles wird gut' hinterherzulaufen um in einem Jahr festzustellen, dass ich ihm wieder auf den Leim gegangen bin? Wie lange soll ich noch auf bessere Zeiten warten? Kann ich nach dem traumatischen Erleben der Kokainsucht weiter an der Seite eines Partners leben, der sich täglich mit bewusstseinsverändernden Substanzen benebelt?
    Wenn ich mir auf der anderen Seite vorstelle, durch welche Hölle er wohl gegangen sein mag und welche Kraft es ihn kostet, wieder Boden unter den Füssen, in der Familie, bei der Arbeit zu bekommen, komme ich mir fast schäbig vor mit meinem Misstrauen und meinen negativen Unterstellungen.
    Vielleicht gibt es hier jemanden, der Erfahrungen mit Heimlichkeiten des Partners hat? Mit dem Umgang mit offensichtlichen Lügen? Jemand, der eine Suchterkrankung als Paar überstanden hat? Der Möglichkeiten des Vertrauensaufbaus kennt? Ich fühle mich hilflos dem Lauf der Zeit ausgeliefert. Über Erfahrungen, Einschätzungen, Mutmacher, Geraderücker, Geschichten und Gedanken dazu wäre ich Euch sehr dankbar!
    Viele liebe Grüße!
    Verve