Als Außenstehender helfen? Wie?

  • Hallo Forum,

    aus aktuellem Anlass habe ich mich eben hier angemeldet und möchte euch erst mal meine Situation schildern:

    Mein Freund sein Vater hat ein Alkoholproblem. Ich selbst habe auch schon ein paar Dinge mitbekommen, jedoch wurde mir das Meiste 'nur' erzählt. Seit einiger Zeit (mehrern Jahren) trinkt er ziemlich viel und vorallem regelmäßig. Als es seiner Familie auffiel, haben sie ihm versucht es klar zumachen, bis jetzt erfolglos. Er fährt extra in den Supermarkt, kauft ein, zwei Flaschen Wein werden in der Küche deponiert, die anderen werden versteckt. Um wie viele es sich handelt weiß ich nicht genau. Mir wurde erzählt, dass in den Schränken häufig leere Flaschen gefunden werden. Im Keller steht ein Wäschekorb, der sich auch sehr schnell mit leeren Bier und Weinflaschen füllt.
    Der Konsum ist unabhängig von der Uhrzeit, heute vormittag um 11 Uhr war der Zustand schon sehr kritisch. Wein wird oft im Essen verarbeitet, also Weißweinsoßen usw.. Da in die Mahlzeiten keine ganze Flasche kommt, trinkt er die andere während dem Kochen. Wenn man ihn darauf anspricht kommen Sätze wie z.B. "Ich trink doch nur ein Gläschen Wein". Aggressiv ist er nicht, er wird schneller laut, aber, sofern ich es beurteilen kann, liegt es eher daran, dass er sich selbst nicht mehr wahrnimmt. Er streitet sich wohl sehr oft mit seiner Frau, habe ich bis jetzt selbst einmal mitbekommen. Seit 2 Monaten ist er in Rente, seit dem ist es sehr viel "schlimmer" geworden. Früher war er (wird vermutet) bis nach der Arbeit nüchtern. Jetzt wohl nicht mehr. Aus der Familie weiß seine Frau, seine Tochter, sein Sohn (mein Freund) und ich bescheid, jedoch weiß keiner, dass ich es weiß. Selbst mitbekommen habe ich, dass er unglaublich stark zittert und seine Kraft nicht unter Kontrolle hat. Er schlägt beim Essen oft mit dem Löffel auf den Teller und merkt es wohl nicht. Ich habe psychische Probleme gehabt (Panikattacken) und achte darauf sehr auf Körpersprache. Er ist meiner Meinung nach im nüchternen sehr unsicher und nervös. Er verkriecht sich dann in den Keller, dort hällt er sich oft lange auf und trinkt etwas. Danach ist das Zittern und z.B. das übers Gesicht reiben etwas besser. Morgens habe ich auch schon mitbekommen, wie er sich im Badezimmer übergeben hat. Ich war und bin die einzige die das mitbekommen hat. Am Essenstisch wurde er dann zum Essen gezwungen, da er danach direkt zur Arbeit musste. Ich sah ihm an wie unglaublich schlecht es ihm ging, wollte aber auch nichts sagen. Da das Essen vor mir stand und ich auf die Teller verteilt habe, habe ich ihm einfach eine sehr kleine Portion auf den Teller. Wir wohnen ziemlich weit weg, sind einmal im Monat ein Wochenende dort. Jedesmal, wenn ich ihn sehe, hat er etwas getrunken. Mal mehr, mal weniger. So fährt er leider auch Auto, selbst wenn die ganze Familie drin sitzt. Das Fahren will er sich ohne gute Ausrede aber auch nicht nehmen lassen. Ich weiß relativ wenig, jedoch weiß ich, dass keine Ärzte davon wissen und sonst auch keiner weiß was er tun soll und kann.
    Heute morgen hat mein Freund ihn um einen Gefallen gebeten. Er sollte heute morgen mit dem Auto zu uns fahren, um unser neues Auto mit uns abzuholen. Jedoch war er um 11Uhr nicht mehr in der Lage mit meinem Freund zu sprechen, so hat mein Freund ihm wieder abgesagt. Abends habe ich meinen Freund nochmal darauf angesprochen. Er redet selten darüber. Seit dem weint er, er möchte aber auch nicht darüber sprechen. Ich wurde nun aus dem Schlafzimmer ausquartiert, soll aber wenn ich Schlafen gehe zu ihm kommen. Mir hat es das Herz zerissen, dass ich ihm nicht helfen konnte. Aber ich verstehe, dass es für ihn schwer ist. Er ist mit dem Alkohol Konsum aufgewachsen und ich glaube, dass es in der Familie tot geschwiegen wird.

    Ich wollte mich hier informieren, wie ich den Angehörigen helfen kann, dem Betroffenen zu helfen. Das klingt erst mal etwas verwirrend, aber ich selbst denke, dass ich mich nicht einmischen sollte.

    Was kann man den tun? Einen Arzt mit ins Boot holen? Mit seinem Vater sprechen? Ich selbst, weiß kaum etwas, auch was heute noch vorgefallen ist, weiß ich nicht.

    Vielleicht könnt ihr mir etwas helfen? Ich weiß wirklich nicht weiter..
    Meine Oma ist auch alkoholkrank und hat sich nun schon mehrfach versucht umzubringen, das möchte ich nicht so weit kommen lassen...

    Ich hoffe ich habe niemanden mit meinem Beitrag beleidigt oder angegriffen.


    Danke für die Hilfe!

    Liebe Grüße

  • Hallo Laloca,

    helfen kannst du leider nicht direkt. Du kannst deinen Freund bzw. dem Rest der Famlie unterstützen, sich abzugrenzen oder das Problem anzusprechen, wenn sie dies möchten. Offensichtlich schämt sich dein Freund ja so sehr und der Alkohol ist ein riesiges Tabu, so dass er gar nicht reden kann und dich auf Abstand hält (kann ich sehr gut verstehen, hab ich früher auch so gemacht).
    Das einzige, was du tun kannst, wenn du das möchtest, ist ihm das immer wieder anzubieten und für ihn da zu sein. Vielleicht nimmt er es irgendwann an, vielleicht nicht. Belastet natürlich auch eure Beziehung auf Dauer, wenn ihr nicht kommunizieren könnt.
    Du kannst ihm auch nahelegen, zu einer Beratungsstelle zu gehen, um sich selbst Unterstützung zu holen, wenn er nicht mit dir sprechen mag. Allerdings: solange sein Vater sein Problem leugnet, wird auch nichts passieren.

    Das wichtigste ist denke ich, das Tabu nicht noch weiter zu unterstützen und darüber zu reden, auch wenn es unangenehm ist.

    Was ich sehr bedenklich finde, ist wenn sein Vater alkoholisiert fährt und dabei noch andere im Auto mitnimmt. Er gefährdet dabei viele Menschen, auch andere Verkehrsteilnehmer. Wenn ihr das bemerkt, solltet ihr euch weigern einzusteigen und ihm den Schlüssel abnehmen bzw. den Umstand ansprechen, dass er alkoholisiert auf keinen Fall fahren kann. Du weißt ja sicher selbst, dass das schwere Unfälle verursachen kann. Das wäre für mich ein No-Go, weil es ab da eben nicht mehr nur die eigene Familie betrifft. Was sagt dein Freund dazu, was sagt die Frau seines Vaters? Schauen die da weg und tolerieren es, dass andere zu Schaden kommen können? Würde ich mal direkt ansprechen, wenn du es dir zutraust. Was ich in diesem Fall schon für eine Pflicht halte.
    Vielleicht lässt sich das Thema so auch aus der Tabuzone hebeln.

    Dass dir das alles auffällt, wenn es in deiner Familie ebenfalls Alkoholkranke gibt, wundert mich nicht. Man bekommt ja sehr feine Antennen.
    Auch da, du kannst nur helfen, wenn deine Oma Hilfe will, und ich kann mir vorstellen, dass die Angst um sie groß ist. Wie sieht es denn bei euch aus mit dem Thema, redet bei euch jemand darüber, wie geht deine Familie damit um?

    Hast du schon mal überlegt, zu einer Beratungsstelle zu gehen? Dort bekommt man auch als Angehöriger einen Termin und ich habe das mehrfach als sehr hilfreich empfunden.

    Lieben Gruß,
    Liv

  • Hallo Laloca,

    erst mal Herzlich Willkommen hier im Forum. Schön, dass Du zu uns gefunden hast.

    Wenn Du Dich hier ein bisschen einliest, wirst Du auf viele Menschen treffen, die ähnliche Erfahrungen haben wie Du. Ich selbst bin Alkoholiker, seit über 2 Jahren trocken und kann Dir aus meiner Sicht folgendes sagen:

    Du wirst direkt nicht helfen können. Letztlich muss der Betroffene selbst, also in diesem Fall der Vater Deines Freundes, etwas gegen seine Sucht unternehmen wollen. Wenn der das nicht will oder erst gar nicht einsieht, dass er ein Problem hat, dann geht da gar nix. Leider ist das oft so, diese sche.... Sucht bringt soviel Leid für die Anghörigen. Wenn er aber etwas tun will, also z. B. eine Therapie beginnt, dann könnt Ihr unterstützen. Vorher kommt Ihr gar nicht ran. Für den Alki ist der Alk das wichtigste, dann kommt erst mal gaaaanz lange nichts. Das war bei mir genauso. In klaren Momenten war mir dann schon bewusst, was ich meinem Umfeld antue. Aber, da ich das ja nicht ertragen konnte, habe ich sofort weiter gesoffen.... Leider....

    Trotzdem glaube ich, dass Du sozusagen indirekt schon was tun kannst. Es scheint ja so, dass Dein Freund stark unter der Situation leidet. Sprich mit ihm, ob er (und auch Du) nicht zu einer Suchtberatung gehen will, das gibt es auch für Anghörige. Auch SHG für Anghörige gibt es. M. E. ist es enorm wichtig, dass man sich damit auseinander setzt und es nicht tot schweigt oder ignoriert. Auch wenn man dem Betroffen selbst zunächst nicht helfen kann, sollte man darauf schauen, dass man sich selbst schützt und lernt, wie man mit dieser Situation umgehen kann.

    Ich wünsche Dir einen guten Austausch hier!

    LG
    gerchla

  • Auch von mir ein ganz HERZLICHES WILLKOMMEN hier im Forum!

    Im Prinzip kann ich mich meinen Vorschreibern nur anschließen:
    Geh einfach mal zu einer Suchtberatung und/oder einer SHG für Angehörige.
    Und ganz wichtig würde ICH finden: sprich mit Deinem Freund über das Thema/die Problematik! Auch wenn er zunächst abblockt - ihn belastet es offensichtlich auch in starkem Maße.

    Hier gibt es Viele, denen es ähnlich wie Dir ergeht oder erging. aber das schrieb Liv ja auch schon.

    Ich gehöre - wie Gerchla - nicht zu den Angehörigen, sondern zur ehemals nassen Fraktion. Von daher kann ich mich in etwa in Deinen "Schwiegervater in spe" hineinversetzen.
    Das Zittern, übers Gesicht streichen, morgendliche Kotzen - Schei...e, das kenne ich nur zu gut. Das sind Entzugserscheinungen. Deshalb scheint es ihm wieder besser zu gehen, wenn er etwas getrunken hat :-[


    Hast Du schon mal in unsere Linksammlung geschaut? Vielleicht findest Du dort ja auch ein paar nützliche Hinweise - zum Beispiel hier.

    Ich wünsche Dir einen guten und nützlichen Austausch.

    Gruß
    Greenfox

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