• Ich denke, jeder muss seinen/ihren Weg selber suchen. Für die einen ist es so (kontrolliert trinken gangbar, vor allem für die, die noch nicht richtig abhängig waren),
    für die anderen ist die völlige Abstinenz besser geeignet. Jede/r muss die Verantwortung für sich selbst übernehmen. Mir hat das tw. auch nicht gefallen, was ich hier in
    anderen Threads gelesen habe (vor allem, wenn dann weniger Toleranz gegen anderen Meinungen herrscht), aber ich mische mich ja normalerweise auch nicht ein
    (wozu soll das gut sein, dass man nur schreibt, um dann das Gefühl hat, recht zu haben).

  • Hallo,

    ich möchte hier ganz sicher nicht rumärgern. Es geht mir auch nicht um Recht oder Unrecht.
    Ich will einfach aus meinem Leben zu erzählen...


    Und wenn dann behauptet wird

    dann platzt mir die Hutschnur ob solchen Zynismus - das ist schon mehr als zynisch.

    Folgendes Erlebnis habe ich mittlerweile auch an einzwei anderen Stellen von anderen Menschen lesen können. Ich habe es jedoch auch 1:1 exakt selbst so erlebt:
    Ende 2007, ich lebte in einer süddeutschen Großstadt, war ich mal wieder an einem meiner Nullpunkte von denen ich in den Suchtjahren tatsächlich mehrere hatte. Heftige Probleme im Studium, in der Beziehung, regelmäßig gehäufte Abstürze, immer wieder Filmrisse mit schlimmen unkontrollierten Erlebnissen … das führte mich zu völlig verzweifelten Punkten und mir wurde da bereits klar: so geht es nicht weiter, das ist nicht mein Leben! Internetrecherche, ich deckte mich mit Fachliteratur aus der Stadtbibliothek ein, und vereinbarte einen Termin in einem bekannten großen Suchtberatungsverband.

    Zu diesem Beratungstermin schilderte ich meine Alkoholproblematik und dass ich etwas daran ändern will. Die Dame hörte mir zu, als ich ausgeredet hatte fragte sie mich geraderaus:
    „Können sie sich vorstellen komplett auf Alkohol zu verzichten und nie wieder in ihrem Leben einen Tropfen zu trinken?“

    Ich befand mich zu dem Zeitpunkt (seit ein par Tagen abstinent!) noch in einer starken Abhängigkeit und nicht um mich zu sperren, sondern vielmehr weil ich einfach aufrichtig und ehrlich zu der jungen Frau sein wollte antwortete ich:
    „Also wenn ich ganz ehrlich bin, nein das kann ich mir nicht so richtig vorstellen.“

    Daraufhin sagte die Dame eiskalt zu mir:
    „Dann können wir ihnen nicht helfen! Die Türe ist dort .. auf Wiedersehen!“

    ..und machte sich daran wieder an Papierkram auf ihrem Schreibtisch zu arbeiten. Das Gespräch war damit mehr oder weniger beendet, man setzte mich sozusagen ohne weiteres vor die Tür – das war für mich ein Schlag in die Fresse!!
    Ich hatte in dieser Situation bereits sehr vieles: Vorinformation durch Literatur, Veränderungssmotivation, enormen Leidensdruck, Problembewusstsein, vielseitige persönliche Resourcen. Niemand fragte nach meinem seelischen Befinden, meinen konkreten Problemen oder nach meinen Lebenszielen. Wo ich dann noch am gleichen Abend Trost suchte .. klar oder?

    Ich durfte also, hilflos, zweidrei Zähne weniger und einige Male mehr haarscharf an der Schneide des Sensenmannes vorbeigeschrammt noch etwa 7 weitere Jahre lang ein par stilvolle Ehrenrunden drehen ….

    Dieses Wort mit „Z…“ – es wurde schon zu oft in diesem Thread hier genannt … !

    LiS

  • Zitat

    Meine bisherige bescheidene Erfahrung in SHG´s vor allem aber auch ganz deutlich in Internetforen ist diese, dass Menschen die es auch nur ansatzweise wagen 'andere' Gedanken, Gefühle, Erlebnisse etc. zu äußern radikal niedergetrampelt und von einem aufgebrachten, teilweise agressiven Mob aus der Community geschossen werden. Da geht es hier ja zum Glück sehr human zu. In anderen Foren wird gleichmal was nicht passt zensiert, und jemand der es wagt rückfällig zu sein, oder der sich auch nur ein kleinwenig fernab vom akzeptiert festgelegten Standardvokabular bewegt umgehend der Account gelöscht. Der nächste Rückfall wird ihnen zudem ja schon fast massiv eingeredet, zumindest geschieht meist das Gegenteil von Motivation.


    Das erinnert mich an den Autofahrer, der sich beschwert, weil ihm hunderte Geisterfahrer entgegen kommen :)
    Aber andererseits hast du recht, das "Karsten-Forum" ist schon sehr gewöhnungsbedürftig.

    LG Gerd

  • Aber andererseits hast du recht, das "Karsten-Forum" ist schon sehr gewöhnungsbedürftig.


    OOps, ich glaube, ich verstehe, was du meinst. ::) Da bin ich auch viel lieber hier (duck und weg) :D

  • „Können sie sich vorstellen komplett auf Alkohol zu verzichten und nie wieder in ihrem Leben einen Tropfen zu trinken?“

    ...das ist wohl in der Tat der "Knackpunkt". Ich hab gestern Abend über diesen einen Satz ein wenig nachgedacht. Als junger Erwachsener so mit 22 Jahren hatte ich mal sinngemäß in freundschaftlicher Runde die folgende Aussage proklamiert. "Wenn mal mein Arzt sagt, ich soll mit dem Rauchen aufhören, das wäre gar kein Problem aber wenn er sagt, ich solle keinen Wein mehr trinken, das wäre unmöglich..." Nun, schon damals überlegte ich mir ernsthaft, das Rauchen aufzugeben, da es ja augenscheinlich ungesund ist. Was aber den Alkohol betraf, so war das ungefähr so undenkbar, als wie sich mit Überlichtgeschwindigkeit fortzubewegen (...wobei letzteres bei einer differenzierten Betrachtung der Quantentheorie vielleicht doch nicht so unmöglich ist.) Alkohol zu konsumieren war doch nichts Schlimmes und auch von meinem Freundeskreis kamen nur beifällige Bemerkungen... Prost, darauf trinken wir erst einmal...

    Heute sieht das ganz anders aus. Die Erkenntnis, wenig bis gar keinen Alkohol mehr zu trinken kam ja auch letztendlich von mir selber, auch wenn bei mir andere Faktoren dazu geführt haben. Aber ich kann, so glaube ich zumindest, sehr gut nachvollziehen, was in vielen vorgeht, wenn sie genau so eine Aussage hören.

    Auch wenn die totale Abstinenz für die meisten Betroffene der "Königsweg" ist - wenn man aber gleich am Anfang so eine "Breitseite" verpasst bekommt, kann dies schon sehr entmutigend sein, diesen Weg überhaupt erst mal beginnen zu wollen.

    Grüße, Lusches.

    Lieber nüchtern und lustig, als besoffen und dooooof...

  • Auch wenn die totale Abstinenz für die meisten Betroffene der "Königsweg" ist - wenn man aber gleich am Anfang so eine "Breitseite" verpasst bekommt, kann dies schon sehr entmutigend sein, diesen Weg überhaupt erst mal beginnen zu wollen.

    Hallo Lusches, volle Zustimmung. Ich als "Frischling" stelle mir das gar nicht vor, das Ziel erscheint mir zu hoch. Momentan habe ich eine "Trinkpause ohne geplanten Endtermin" ;)

  • Moin, moin -

    ich schreibe gerade an einem umfangreicheren Artikel für ein fanzine meines Lieblingsvereins zum Thema "Fussball und Alkohol". Bei der Durchsicht meiner zahlreichen Notizen, Quellen, Links, Literaturverweise etc., die ich im Vorwege gesammelt habe, bin ich einmal wieder auf die Seite
    "In Gedenken an Andreas Weber" gestoßen.
    Auch wenn mir die Folgen von exzessivem Alkoholkonsum persönlich und auch aus meinem unmittelbaren Umfeld nicht nur theoretisch sondern auch real vor Augen geführt wurden - diese Seite berührt mich doch immer wieder:

    http://www.asw81.de.vu

    So erschütternd das hier Berichtete auch sein mag - wachrütteln sollte eigentlich jeden ...

    beste Grüße
    keppler

  • Mich lässt das beschriebene Endstadium von Webers Sucht relativ kalt. Auch in meinen schlimmsten Säuferzeiten hätte ein solcher Bericht wenig bewirkt, denn ich wäre augenblicklich zu einem Weltmeister der Verdrängung mutiert.
    Beim Rauchen war es nicht anders. Raucherbeine, Lungenkrebs usw. …alles wurde verdrängt. Schließlich gibt es genügend Beispiele von Menschen, die wie Helmut Schmidt trotz exzessiven Rauchens richtig alt wurden und werden…

    Alles Nebenschauplätze und Selbstbetrug.
    Was mich umhaute, war die Erkenntnis, dass ich möglicherweise so alt wie Helmut Schmidt werden könnte und jeden Tag dieses langen Lebens immer wieder etwas würde tun müssen -nämlich rauchen und saufen- was ich überhaupt nicht (mehr) tun wollte, weil ich in einer kurzen Zeitspanne von drei Monaten nach meinem Rauchstopp erfahren hatte, dass ein Leben ohne Sucht um Längen lebenswerter ist.

    Nicht der Drogentod, sondern diese täglich im vollen Bewusstsein erlebte und -wenn der Ausstieg nicht geschafft wird- bis zu einem möglicherweise weit entfernten Lebensende zu ertragende Unfreiheit, die aus einer Abhängigkeit/Sucht resultiert, ist m.E. der wahre Horror der Sucht.

    Bassmann

  • habe mich hier eben ein wenig erschrocken...
    denke mal, das wenn man süchtig ist, dann ist man es ein Leben lang.
    ein guter Artikel über den Hirnstamm ...falls einer Interesse hat
    "Der_suechtige_Hirnstamm"
    lg

  • Hey gerd48
    genau die pdf-datei meinte ich :D
    habe viel über Sucht gelesen, aber das Lesen dieser Datei
    hat mir erst mal richtig die Augen geöffnet.
    lg

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