Selbstbetrügerische Gedanken

  • Hallo zusammen

    Kennt ihr das vielleicht auch nach dem Aufhören? Kaum ist man ein paar Tage immer nüchtern und nie verkatert, kann man sich gar nicht mehr vorstellen, sich vorher nur so durch die Tage geschleppt zu haben.

    Bei meinen früheren Versuchen habe ich jeweils aufgeschrieben, wie schlecht ich mich fühle usw. Damit ich den Grund nicht vergesse, nicht zu trinken.

    Diesmal habe ich nichts aufgeschrieben, meine alten Notizen beinhalten schon alles.

    Aber ich habe Angst davor, dass ich irgendwann doch nicht mehr weiss wie es sich anfühlt, wie schlimm das alles war. Das mir mein Gehirn sozusagen einen Streich spielt und sagt "war doch alles nicht so schlimm". Kannst ruhig wieder ab und zu was trinken.

    Macht ihr etwas gegen dieses "Verblassen" der Erinnerungen? Ich meine, ich hab schon ziemlich viel und lang getrunken, hatte aber zum Glück keine körperlichen Symptome beim aufhören. War ich doch noch zuwenig "unten"? Muss man zuerst ganz aus der Bahn geworfen werden, um nie mehr vergessen zu können? Das will ich aber nicht!

    Liebe Grüsse
    Mira

  • Liebe Mira,

    was du beschreibst, kenne ich zu gut!
    Oder aber auch Gedanken wie "Ach, von einem Bier verlierst du nicht die Kontrolle..."

    Ich habe für den Fall, dass solche Gedanken einen Notfallplan.
    Das erste, was ich mache, ist mich intensiv mit dem Thema auseinander zu setzen (unter anderem hier), damit es eben nicht in Vergessenheit gerät, was der Alkohol mir (und auch anderen Menschen) angetan hat.
    Ich halte mir dabei vor allem meine Blackouts vor Augen, die ich als sehr unangenehm empfand...

    und erinnere mich an die Taten im Alkoholrausch, die ich zutiefst bereue (unter anderem dass ich geliebte Menschen verletzt habe und meine Suizidversuche) .

    Ansonsten ist es wichtig, sich einfach genau das klar zu machen: In dem Moment ist es das Suchtgedächtnis, das sich meldet und versucht, uns zu manipulieren.
    Ich mache mir dann klar, dass der Alkohol eben nicht mein Freund ist, sondern viele Dinge in meinem Leben kaputt gemacht hat! Und gehe dann über zu meinem Notfallplan, der mit dem "Nein sagen" beginnt.

    Liebe Grüße
    Darky


  • Kennt ihr das vielleicht auch nach dem Aufhören? Kaum ist man ein paar Tage immer nüchtern und nie verkatert, kann man sich gar nicht mehr vorstellen, sich vorher nur so durch die Tage geschleppt zu haben...
    Macht ihr etwas gegen dieses "Verblassen" der Erinnerungen? Ich meine, ich hab schon ziemlich viel und lang getrunken, hatte aber zum Glück keine körperlichen Symptome beim aufhören. War ich doch noch zuwenig "unten"? Muss man zuerst ganz aus der Bahn geworfen werden, um nie mehr vergessen zu können? Das will ich aber nicht!

    Hi Mira,

    das mit dem ganz tief unten ist nicht selten so, wobei es kein absolutes „tief unten“ gibt, sondern eines, was aus den Lebensumständen sich ergibt.
    Wenn ein Manager den nächsten Karrieresprung nicht schafft, weil er zu viel trinkt, ist er nicht unbedingt tief unten, für andere, er selbst mag das auch nciht so empfinden, aber es kann für ihn ein Stoppzeichen sein. Ein Handwerksmeister, der zuviel trinkt, seinen Führerschein, Auträge und letztlich seine Firma verliert, Haus und Hof verkauft miss auch nicht unbedingt erst auf der Platte landen, um sich tief unten zu sehen. Eine Mutter kann sich „tief unten“ fühlen, wenn ihr das JA die Kinder entzieht, auch wenn der äussere Schein noch einigermassen gewahrt scheint. Das „tief unten“ ist m.E. individuell, anders gesagt, ein Leidensdruck, der nicht mehr auszuhalten ist, macht das persönliche „tief unten aus“.

    Gerade heiue hatten wie in der SHG (Selbsthilfegruppe) die Diskussion darüber, wie es zum Rückfall kommt, einer berichtete vom nicht mehr auszuhaltenden Stress auf Arbeit, der zum Rückfall führte, Andere, so auch ich, machten die Erfahrung, dass es zum Rückfall kommt, wenn es einem gut, ja zu gut geht, ist doch alles in Butter, das leben im Griff - warum nicht, wie die anderen auch, hin und wieder ein Glas Wein, der Anfang vom nächsten Ende oder zumindest Entgiftung. In meiner SHG war einer 27 Jahre trocken, dann kam es zum Rückfall- jetzt ist er tot. Mir hilft die wöchentliche SHG nicht zu vergessen.


    lg alkascha


  • Macht ihr etwas gegen dieses "Verblassen" der Erinnerungen?

    Hallo, Mira!

    Ja, ich mache etwas dagegen: Ich gehe regelmäßig zu meiner SHG, engagiere mich im Verein, stelle diesen in Krankenhäusern (Entgiftungsstationen) vor, schaue des Öfteren hier rein - ich bleibe am Thema. Vielleicht hört sich das jetzt schlimmer an als es ist: Ich beschäftige mich natürlich nicht in jeder freien Minute mit dem Thema "Alkohol und ich".

    Aber alleine mit dem regelmäßigen Besuch meiner SHG (die ich mittlerweile - nach über 6 Jahren - sogar selbst leite) führe ich mir immer wieder vor Augen, dass ich ein Problem im Umgang mit Alkohol habe (sonst wäre ich ja nicht da). Aber auch, dass ich nicht alleine bin. Und da wir uns ja auch zwangsläufig immer wieder mal von "früher" unterhalten oder auch "Neue" kommen, habe ich immer wieder mal die Bilder, Gefühle und Gedanken von damals, als es mir so besch...en ging, vor Augen.

    Nun, dass finde ICH so für mich gut und gut für mich. Aber das handhabt jeder anders. Manch einem reicht es, sich ab und an hier im Forum "herumzutreiben" (Sorry!). Und es soll Leute geben, die ohne Forum und/oder SHG klarkommen - habe solche aber nch nie kennengelernt.

    LG
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!


  • [quote]

    Und es soll Leute geben, die ohne Forum und/oder SHG klarkommen - habe solche aber nch nie kennengelernt.
    LG
    Greenfox


    Anmerkung nur mal so am Ramde von mir: wikende091 "Sorry"
    Solche Leute können wir ja auch nicht wirklich kennen lernen, denn sie scheinen ja ohne SHG und Forum klar zu kommen.

    Jeder so wie er möchte und wie es ihm gut tut.

    SHG: ja, wenn es zu einem passt
    Forum: dito

    Und - es soll tatsächlich auch Menschen geben, die es alleine geschafft haben. Ist doch auch ok.

    LG Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Hallo,

    ich glaube, diese Gedanken hat jeder. Wichtig ist, dass man sich immer in Erinnerung ruft, was ein Glas schon wieder bewirken kann. Ich hatte insgesamt 3 mal versucht vom Alkohol los zu kommen. Seit 2,5 Jahren lebe ich abstinent, besuche regelmäßig meine SHG weiter und genieße seitdem auch wieder mein Leben.
    Mir hat dieses Forum schon oft sehr viel geholfen, nun habe ich das Gefühl dass ich es eigentlich nicht mehr brauche und war auch die letzten Monate sehr wenig hier aktiv. Jedoch möchte ich mich doch nochmal öfter beteiligen, alleine weil ich die Gefahr nicht unterschätzen möchte.

    Ich finde die ständige Auseinandersetzung mit der eigenen Sucht muss bleiben, sonst besteht sehr schnell die Gefahr es sich selbst schön zu reden...

    Viele Grüße
    Verena

  • Eure Gedanken helfen mir sehr.

    Ich glaube ich unterschätzte bisher, wie wichtig der Austausch ist. Und die Erkenntnis, dass sich das Problem nicht irgendwann in Luft auflöst, auch nicht nach ein paar Monaten Trinkpause, kommt erst jetzt so richtig.

    Deshalb hab ich mich diesmal auch in einem Forum angemeldet. Für eine SHG fehlt mir der Mut, da ist die Hemmschwelle für mich noch zu gross. Ist das wirklich so, dass man sich dort so vorstellt "Hallo, ich bin der xy und Alkoholiker? Ich seh mich ja mehr als ein Mensch mit einem Alkoholproblem. Nicht dass ich damit sagen will, ich wär was besseres oder so. Aber die andere Aussage fällt mir doch schwer.

    Lg Mira

  • Für eine SHG fehlt mir der Mut, da ist die Hemmschwelle für mich noch zu gross. Ist das wirklich so, dass man sich dort so vorstellt "Hallo, ich bin der xy und Alkoholiker?

    Das kann ich nachvollziehen. Auch bei mir war mal eine ziemliche Hemmschwelle vorhanden - bis ich dann reingegangen bin und gemerkt habe, die beissen nicht ;) und sind ganz normale Menschen. Ausser, dass "die" alle diegleichen bzw. ähnliche Probleme haben/hatten wie ich. Und auch heute sehe ich manchmal Leute vor unserem Treffpunkt "rumschleichen" - bevor sie sich dann doch überwinden und reinkommen.
    Und das mit der Vorstellung ... ich kann nur von "meiner" Gruppe sprechen. Aber bei uns möchten wir nur den Vornamen wissen - damit wir wissen, mit wem wir es zu tun haben. Und dann: Wer sprechen, etwas sagen mag, kann etwas sagen, muss aber nicht. Viele hören beim ersten Mal nur zu.
    Wie ich schon hier https://alkoholforum.de//index.php?topic=229.0 schrieb:

    Zitat

    Grundvoraussetzung ist jedoch, dass man sich nicht irgendeine, sondern eine „passende“ Gruppe sucht, in der man sich wohl fühlt, wo auch „die Chemie“ stimmt. Es gibt so viele unterschiedliche Formen von Selbsthilfegruppen: Monolog, Dialog, (von Therapeuten) angeleitete Gruppen, reine Betroffenengruppen … etwas Passendes sollte zu finden sein.

    Also: Nur Mut!

    Gruß
    Greenfox

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