"Warum?" oder die Suche nach der Ursache

  • Sensibel, feinfühlig, emotional oder wie immer man es nennen will ist doch jeder, jeder auf seine Art. Der Eine legt sich ein "dickes Fell" an, so scheint es nach außen, der Andere ktitisiert alles und jeden, verfällt in einen "Rechtfertigungswahn", ... schnell fühlt man sich persönlich betroffen, sogar angegriffen, obwohl man gar nichts damit zu tun hat und reagiert darauf.

    Ist das dann noch feinfühlig, wenn die Toleranz langsam entschwindet und das angedachte Miteinander ins Gegenteil umschlägt? Man kann beobachten, je unzufriedender Individuen sich fühlen, vielleicht auch je bedrohter sie sich fühlen, desto intoleranter werden sie. Viele wollen dann nur noch rechthaben, bestimmen, versuchen Grenzen aufzuzeigen u.ä. ... es hagelt Vorwürfe, Zurechtweisungen, Missverständnisse. Groll baut sich auf = ein ideales Gefühl, um sich zu betrinken, wenn man denn die beruhigende Wirkung des Alkohols kennen lernen durfte.

    Was sind denn dysfunkionale/nicht funktionierende Familien/Beziehungen? Nichts weiter als mangelnde Toleranz, die Nichtachtung oder gar Unterdrückung, aus Miteinander wird ein "Dagegen". Viele kämpfen sogar gegen sich, die wohl häufigste dysfunktionale Beziehung.

    Warum trinkt man? Um positive Gefühle zu erzeugen oder negative zu unterdrücken - unterm Strich das Selbe - und irgendwann aus Gewohnheit, man gewöhnte sich an diesen leicht wabernden, angenehmen Zustand, die leichte Betäubung, wo einen nichts mehr aufregt.

  • Also, ich bin in einer dysfunktionalen Familie aufgewachsen, in der die Eltern keine geeigneten Vorbilder gewesen sind. Ich hatte auch mit Gewalt zu tun. Als Kind ist das aber irrelevant, weil das Elternhaus die gelebte Realität ist, mit der man sich halt arrangieren muss. Man ist abhängig und kann nicht einfach abhauen.
    Insoweit gebe ich Helga auch Recht, dass man ein dickes Fell bekommt - das ist aber keineswegs gut. Die Verletzlichkeit wird sich selbst nicht zugestanden, Gefühle bedeuten Schwäche…aber was man natürlich nicht sieht ist, dass Gefühle irgendwo hingehen. Ich kann sie verdrängen oder ihnen nachgehen und ausleben. Wenn ich Gefühle verdränge, dann hat das in der Regel keine gesunden Bewältigungsstrategien zur Folge. Es ist zwar bisweilen nötig Gefühle zu unterdrücken, weil wir diese nicht immer in der Situation unseres Lebens ausleben können, aber wenn es ein dauerhafter Zustand der Gefühlsunterdrückung ist, dann ist das krankhaft. Dieser Mensch ist in der Regel nicht gesund. Ich war auch nicht gesund zum Ende meiner Trinkzeit, sondern sehr krank. Ich hatte eine handfeste Persönlichkeitsstörung über die Jahre entwickelt.

  • Helga, ich verstehe Deine Empörung nicht ("Ich finde keine Worte..") Natürlich schreibe ich von mir und meinen Empfindungen. Und auch von Erfahrungen, die ich mit Menschen gemacht habe.

    Es geht auch gar nicht um ein gewalttätiges Elternhaus, sondern um eine dysfunktionale Familie. So habe ich Bighara jedenfalls verstanden

    Da Du mich direkt ansprichst, antworte ich darauf:

    für mich klang Dein Posting, das Du auf ein direktes Zitat geschrieben hast:

    Zitat

    "Wer sensibel ist und eher eine unglückliche Grundstimmung hat, den erwischt es leichter, glaube ich"

    nach: wer nix abkann, fängt an zu saufen. Wer weniger empfindlich ist, steht das halt durch.

    Ich empfinde das Saufen als Copingstrategie um unerträgliche Lebenszustände zu überleben und nicht als Schwäche, weil man halt einfach ein Lappen ist.

    Wenn Du das anders meintest, dann nehme ich das so zur Kenntnis. In Internetforen kann man sich möglicherweise missverstehen.

    Beste Grüße Helga (sowohl mein eigener Name, als auch alle Namen in meinen Beiträgen sind frei erfunden, um real existierende Personen zu schützen)

  • Bighara erinnert mich mit ihrem Beitrag an etwas….

    Als Kind ist das aber irrelevant, weil das Elternhaus die gelebte Realität ist, mit der man sich halt arrangieren muss. Man ist abhängig und kann nicht einfach abhauen.

    Als Kind war das für mich insofern irrelevant, weil ich nichts anderes kannte, jedenfalls war ich nie so nah an anderen Familien dran, um tatsächlich etwas anderes kennenzulernen.
    Unter der Abhängigkeit habe ich insbesondere als Jugendliche gelitten, ich wünschte mir so sehr da raus zu kommen, aber es gab keine Möglichkeit für mich.

    Insoweit gebe ich Helga auch Recht, dass man ein dickes Fell bekommt

    In dem Zusammenhang ist mir etwas wieder eingefallen: Man könnte sagen, dass ich insofern ein dickes Fell hatte, weil ich in gewisser Weise abgeklärt war. So gut wie nichts Menschliches war mir mehr fremd. Wer so etwas erlebt und überlebt hat, den schockiert nicht mehr so leicht etwas.

    Für mich hat es sich dennoch nie angefühlt, als wenn ich ein dickes Fell hätte. Ich hab stets versucht, mich anzupassen, um nicht aufzufallen, mich um Höflichkeit, Freundlichkeit bemüht. Hab mich nach Außen stark gegeben, negative Emotionen habe ich zurückgedrängt.
    Innen drin sah es aber anders aus. Ich hab alles, was im Außen geschah, registriert, und es hat auch was mit mir gemacht. Unerlässlich war aber, stets die Kontrolle zu bewahren.
    Wurden die negativen Emotionen zu viel, der Druck zu groß, kehrte sich das in meinem Inneren in Autoaggressionen gegen mich. Kam die Wut mal explosionsartig nach Außen heraus, das hatte man mir eigentlich abgewöhnt, geriet mir das immer zum Nachteil.
    Ich hab mir immer gewünscht ein „dickeres Fell“ zu haben, damit mich das, was von außen kommt, emotional unberührt lässt, damit ich niemals die Kontrolle verliere.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • für mich klang Dein Posting, das Du auf ein direktes Zitat geschrieben hast:

    Wer sensibel ist und eher eine unglückliche Grundstimmung hat, den erwischt es leichter, glaube ich.

    nach: wer nix abkann, fängt an zu saufen. Wer weniger empfindlich ist, steht das halt durch.

    Sparkassen_Helga , ich selbst habe CeBe s Posting überhaupt nicht so aufgefasst.

    Wer sensibel ist - darunter versteht möglicherweise jeder etwas anderes - ist ja nicht unbedingt schwach, sondern er besitzt halt eine besondere Fähigkeit, die aber auch sehr fordernd und mitunter auch überfordernd ist.
    Er ist, so wie ich das verstehe, für die verschiedensten Reize, denen wir Menschen ausgesetzt sind, empfänglicher und deswegen auch mehr gefordert bzw. herausgefordert. Er steht in gewisser Weise mehr unter Stress. Und das ist umso herausfordernder, je weniger tatsächlich hilfreiche, gesunde Copingstrategien zur Verfügung stehen.
    Menschen, die als Kinder gezwungen waren, negative Gefühle zurückzudrängen oder sogar von sich abzuspalten, stehen so gut wie gar nicht tatsächlich hilfreiche, gesunde Copingstrategien zur Verfügung. Woher denn auch? - Das hat im Grunde aber nichts mit Schwäche zu tun, auch wenn es ein nicht gerade geringes Handicap ist.

    Menschen, die diese Fähigkeit nicht haben bzw. nicht in solchem Ausmaß haben, stehen nicht unter solchem Stress. Deswegen sind sie aber nicht gleichzeitig stärker.

    Ich selbst habe mir stets ein dickeres Fell gewünscht, weil ich glaubte, dass es mir damit besser ginge, weil die Dinge nicht mehr so an mich rankommen und mich insofern möglichst gar nicht mehr jucken.

    Meine Fähigkeit besteht zum Beispiel darin, binnen Sekundenbruchteil einschätzen zu können, wie die Gegenüber, denen ich persönlich begegne, so drauf sind. Diese Fähigkeit habe ich in dem Ausmaß sehr wahrscheinlich durch das Leben und Überleben in meiner Herkunftsfamilie erworben.
    Ich war aber auch stets gezwungen, mich den jeweiligen Stimmungen, die mir begegneten, entsprechend zu verhalten, ggf. für Ausgleich zu sorgen. Das hat etwas mit einem tief in mir verwurzelten Bedürfnis nach Sicherheit zu tun.


    Man könnte CeBe s Posting auch anders auffassen und auf den Begriff „Resilienz“ zurückgreifen. Wer „Resilienz“ besitzt - und das ist ein Wesenszug, den eben leider nicht jeder hat und der in der Tat auch nicht erzwungen werden kann - den erwischt es weniger.

    Ich frage mal direkt nach Sparkassen_Helga : Hätte dich diese Formulierung auch getriggert?


    Ich sehe das genau so wie du: Das hat nichts mit Schwäche zu tun, wenn jemand dem Alkoholismus oder einer anderen Sucht verfällt. Sondern es hat etwas damit zu tun, dass andere bislang erworbene Denk- und Verhaltensmuster nicht tragfähig sind, während sich zum Beispiel Alkohol, wenn man seine Wirkung denn mal als hilfreich kennengelernt hat, als äußerst hilfreich und zuverlässig erwiesen hat. …. Bis dieser Weg dann eben schleichend schief geht….

    Man kompensiert etwas mit Alkohol, was man auf anderen Wegen nicht kompensieren kann. Schon das hat nichts mit Schwäche zu tun. Dem Kontrollverlust unterliegt man schließlich, weil bei diesem Weg im Gehirn Anpassungsvorgänge der Rezeptoren bestimmter Botenstoffe stattfinden. Auch das hat nichts mit Schwäche zu tun, es passiert einfach und das schleichend.


    Und das mit der unglücklichen Grundstimmung legt der von Mojo verlinkte Artikel ja schon nahe.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Meine Fähigkeit besteht zum Beispiel darin, binnen Sekundenbruchteil einschätzen zu können, wie die Gegenüber, den ich persönlich begegne, so drauf sind. Diese Fähigkeit habe ich in dem Ausmaß sehr wahrscheinlich durch das Leben und Überleben in meiner Herkunftsfamilie erworben.
    Ich war aber auch stets gezwungen, mich den jeweiligen Stimmungen, die mir begegneten, zu verhalten. Das hat etwas mit einem tief in mir verwurzelten Bedürfnis nach Sicherheit zu tun.

    Diese Fähigkeit kann ein Segen und ein Fluch sein. Früher hätte ich das eher als Fluch betrachtet, weil ich viel lieber unabhängig gewesen wäre und das getan hätte, was ich gerne oder lieber hätte tun wollen. Das war mir aber nicht möglich, ich musste mich stets nach anderen richten.

    Übrigens dachte ich früher, dass alle Menschen diese Fähigkeit hätten, und verstand nicht, warum andere das für mich Offensichtliche nicht sahen und nicht entsprechend darauf reagierten.

    Inzwischen nehme ich diese Fähigkeit als eine besondere Begabung wahr, die ich nun einmal habe. Anders als früher kann ich inzwischen aber bewusst damit umgehen, kann mich ggf. auch schützen und ich bin nicht mehr gezwungen, mich nach anderen zu richten, sondern in der Lage, mich nach meinen eigenen Bedürfnissen zu richten.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

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