Alkoholsucht des Vaters meiner Kinder

  • Liebes Forum,

    ich war vor einigen Jahren schon mal hier. Damals hatte ich gerade die Trennung von meinem Ex-Mann hinter mir. Zu diesem Zeitpunkt wurde mir erst sein Alkoholproblem bewusst (er hatte das offensichtlich jahrelang sehr gut versteckt). Damals hat mir der Austausch mit Gerchla und vielen anderen sehr weitergeholfen. Jetzt bin ich wieder hier (neuer Name, da ich meine alten Zugangsdaten nicht finden konnte).

    Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht warum. Ich habe inzwischen viel gelernt, weiß, dass außer ihm selbst ihm niemand helfen kann. Vielleicht muss ich mich einfach mal hier meine Angst und Frustration rauslassen. Bei Leuten die das nachvollziehen können.

    Wir sind 6 Jahre weiter und ich habe Angst, dass er immer näher an den Abrgund kommt. Letztes Jahr hat er seinen Job verloren und es nicht geschafft etwas neues zu finden. Nur "Watte im Kopf" sagt er selbst. Wir reden regelmäßig wegen der Kinder. Ich habe ihm auch gesagt, dass ich da bin, wenn er Hilfe braucht. Die Tür steht auf, er muss nur durchgehen. Aber er geht nicht. Das muss ich aushalten, obwohl es mir wegen der Kinder so unendlich schwer fällt.

    Meine Jüngste ist seit einem Jahr in Therapie wegen Depressionen. Sie ist noch keine 14 Jahre alt. Sie war in der Klinik wegen aktuer Suizidgedanken. Und natürlich hat sein Verhalten die letzten Jahre einen großen Anteil daran. Er weiß das natürlich, ist sicherlich auch betroffen, aber ändern tut er nichts. Es tut mir so unglaublich weh zu sehen, wie er seine Tochter immer wieder mit runterzieht. Der Alkohol offensichtlich stärker ist als seine Liebe zu den Kindern.

    Ich sage ihnen natürlich, dass ihr Papa sie trotz allem liebt, dass er krank ist usw. Ich versuche den Kontakt zu ermöglichen ohne ihn in seiner Sucht zu unterstützen.

    Irgendwo ist da ein ein winzigkleiner Funken Hoffnung dass er irgendwann wirklich sieht, was er dort anrichtet und den Schalter umlegt. Aber ich muss mir auch eingestehen, dass seine Chancen wahrscheinlich schlecht stehen. Er hat sein Support-System von "Freunden", die entweder selber Alkoholiker sind oder die die Einstellung haben, dass "man doch mal ein Bier trinken kann".

    Sein Arzt hat ihm wohl vor einem Jahr gesagt, dass er ihm "in 2 Jahren Blümchen" schickt, wenn er nicht aufhört. Wenn er tatsächlich nicht mehr lange durchhält sehe ich schwarz für meine Jüngste. Er wird sie direkt mit sich in den Abgrund ziehen. Meine Große hält sich noch wacker, aber was das wirklich mit ihr macht kann ich gar nicht erahnen.

    Danke fürs Zuhören

    Nekobasu

  • Hallo und herzlich Willkommen zurück, Nekobasu!

    Ich schalte dich gleich erstmal für den Austausch im öffentlichen Bereich frei und verschiebe deinen Vorstellungsfaden in das entsprechende Unterforum im öffentlichen Bereich.

    Auf deine Vorstellung antworten werde ich dir dann anschließend.

    Viele Grüße

    AmSee (als Moderatorin)

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo Nekobasu,

    nun bist du im öffentlich sichtbaren Bereich und kannst in dem Bereich auch Beiträge verfassen.

    Da wir vermutlich noch nicht miteinander zu tun hatten, ich bin erst seit Ende Oktober 20 aktiv hier, stelle ich mich dir kurz vor:

    Ich, inzwischen 51, kenne die Alkoholproblematik sowohl als Selbstbetroffene als auch als Tochter aus alkoholkranker Familie.

    Aufgrund dessen, was mir als Tochter eines Alkoholikers von klein auf bis zum Tod meines Vaters, als ich 15 Jahre alt war, widerfahren ist, kann ich die Problematik deiner Töchter und auch deine ungefähr erahnen. Aufgrund dessen, was ich selbst über Alkoholismus in Erfahrung gebracht habe, dürfte ich dir auch etwas über deine Hoffnungsaussichten bzgl. des Vaters deiner Kinder sagen können.

    Meine Jüngste ist seit einem Jahr in Therapie wegen Depressionen. Sie ist noch keine 14 Jahre alt. Sie war in der Klinik wegen aktuer Suizidgedanken. Und natürlich hat sein Verhalten die letzten Jahre einen großen Anteil daran. Er weiß das natürlich, ist sicherlich auch betroffen, aber ändern tut er nichts. Es tut mir so unglaublich weh zu sehen, wie er seine Tochter immer wieder mit runterzieht. Der Alkohol offensichtlich stärker ist als seine Liebe zu den Kindern.

    Es ist schlimm, wenn Kinder in so jungen Jahren bereits einer Depressionserkrankung verfallen. Bei mir selbst wurde das damals nicht diagnostiziert, aber damals hatte man vielleicht auch nicht das Bewusstsein dafür und meine Eltern selbst waren so mit sich selbst beschäftigt, dass sie meinen Zustand gar nicht mitbekommen haben.

    Triggerwarnung! Das Folgende könnte dich als Mutter triggern!

    Suizidgedanken hatte ich damals auch oft und so um den Zeitraum, als sich aufgrund der Dramatik der Ereignisse ein katastrophales Ende meines Vaters anbahnte - ich spürte das damals irgendwie bzw. war mir dessen sehr bewusst - war ich selbst mir gewiss, dass ich ihm ins Grab folgen würde.

    Doch zu meinem Glück fand ich zu jenem Zeitpunkt jemanden, der mir den Halt bot, den ich damals brauchte und zuhause nicht fand. Das hielt sich zwar nicht lange, weil die Person, die ich kennenlernte, aus verschiedenen Gründen, u.a. auch dass mein Vater sie mehr reingerissen hatte, als sie ahnte, mit mir als Teenager völlig überfordert war.

    Mein Vater starb dann kurz darauf infolge eines selbstverschuldeten Autounfalls unter Alkohol- und Entzugsmedikations-Missbrauch. Da war ich gerade 15 Jahre alt.

    So sehr mich sein Tod geschockt und gewiss auch traumatisiert hat, das, was ich für mich selbst erwartet hatte, traf nicht ein. Ich lebe immer noch, auch wenn mein Leben auch danach zweifellos nicht immer einfach war.

    Deine Tochter lebt in gewisser Weise unter günstigsteren Umständen als ich damals. Ihre Depressionserkrankung ist diagnostiziert und sie befindet sich deswegen in professioneller Behandlung. Das ist unglaublich viel wert und es besteht unter anderem auch deswegen durchaus Anlass zur Hoffnung, dass, was auch immer kommt, es nicht schwarz für sie ausfällt.

    Mein Vater hat seine Familie, seine Töchter daran besteht für mich keinerlei Zweifel unendlich geliebt, aber er selbst steckte so sehr in seiner eigenen Verstrickung fest, dass er seiner Alkoholsucht trotz unzähliger Versuche nicht entkommen ist.

    Gesehen dürfte er durchaus haben, was er anrichtet, blind war mein Vater dafür mit Sicherheit nicht, aber den berühmten Schalter hat er, obwohl er‘s durchaus versucht hat, nicht gefunden.

    Deine Tochter ist in professioneller Behandlung, daher ist davon auszugehen, dass das, was sie beschäftigt, die Fragen, Gedanken und Probleme, die sie mit ihrem Vater hat, angesprochen und vielleicht sogar geklärt werden. Was du meines Erachtens als Mutter tun kannst, ist, ihr zuzuhören und ihr ggf. die Sicherheit und Stabilität zu geben, die sie braucht.

    Meine eigene Mutter konnte mir das damals nicht geben, aufgrund der Ereignisse in meiner Familie und der Verantwortung, die ich mich als Kind und Jugendliche immer wieder gezwungen sah übernehmen zu müssen (wie oft hat sie sich bei mir ausgeweint, wie oft hab ich sie vor ihm beschützt, wie oft hab ich mich in der Verantwortung gesehen, für die Familie sorgen zu müssen und Geld verdienen zu müssen?), hatte ich diesbezüglich keinerlei Vertrauen zu ihr.

    Du aber lebst schon sechs Jahre getrennt von ihm und dürftest in dieser Zeit etwas aufgebaut haben, das ihr grundsätzlich das nötige Vertrauen und die Sicherheit geben kann.

    Viele Grüße

    AmSee


    P.S.: Verrätst du uns deinen alten Nickname, damit wir, die wir noch nicht mit dir in Kontakt standen, in deinem alten Faden nachlesen können, was du schon von dir geteilt hast?

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo AmSee,

    Danke für Deine Antwort. Mein alter Nickname war Ailin.

    Ein wenig Mut macht mir Deine Geschichte schon. Du hast recht, meine Tochter ist in Behandlung, hat Menschen die sie ernst nehmen und stützen. Ich versuche immer für sie stark zu sein, würde sie nie mit meinen Problemen und Gedanken belasten. Ich weiß, dass ich stark sein muss für sie, denn sie hat starke Tendenzen dazu sich für andere verantwortlich zu fühlen, vor allem für ihren Vater (was wahrscheinlich der Grund für ihre Erkrankung war und was ich leider auch nicht verhindern konnte, trotz vieler Gespräche).

    Ich glaube auch, dass sie bereits eine dunkle Vorahnung hat dass es schlecht ausgehen könnte. Ich sitze mit dem Dilemma, dass ich ihr ermöglichen möchte so viel wie möglich schöne Momente mit ihrem Vater zu erleben. Ich lade ihn dazu regelmäßig zu uns ein damit die Mädchen in einem geschützten Raum mit ihm Zeit verbringen können (seine Wohnung zieht sie eher runter, viele schlechte Erinnerungen, sie gehen nur wenn es sich nicht anders machen lässt) Beide versuchen Grenzen zu setzen, sich von ihm abzugrenzen, was auch wichtig ist. Wenn er zu uns kommt klappt es manchmal, dass sie entspannt was mit ihm machen können. Allerdings will er das eigentlich nicht. Ich glaube zum einen, dass es ihm wehtut zu sehen, was er quasi "verpasst". Außerdem beschämt es ihn wahrscheinlich mit mir dort zu sein. Wenn er einsichtig ist gibt er zu dass ich wirklich für ihn da bin wenn er es braucht und im ehrlich Hilfe anbiete. Aber es gibt auch Tage wie heute, in denen er mich quasi dämonisiert. Wahrscheinlich macht er das um seine Ruhe zu haben, und sein Leben so weiter führen zu können wie es gerade ist.

    Ich gehe ihm natürlich oft wahnsinnig auf die Nerven, weil ich nicht locker lasse. Ich spreche ihn immer wieder darauf an, was er vorhat, sage ihm ehrlich, wie es den Kindern geht usw. Das will er natürlich nicht hören, er findet das übergriffig und das ist es wahrscheinlich auch.

    Ich hatte mir nach der Trennung geschworen ihn in Ruhe zu lassen, mich nicht zu kümmern. Das würde wunderbar klappen wenn ich alleine wäre. Aber wegen der Kinder kann ich ihn nicht einfach fallen lassen. Alleine schon deswegen, weil er ja auch das Sorgerecht hat. Wenn ich etwas für die Kinder entscheiden oder beantragen will brauche ich ihn immer. Wenn er dann in seinem Chaos wichtige Dokumente nicht beisteuern kann stehe ich auf dem Schlauch. Dann pushe ich und helfe ich bis er es auf die Reihe bekommt.

    Ich bin nicht co-abhängig in dem Sinne, dass ich sein Alkohol-System am Laufen halte. Ich bin eher der Stachel in seinem Fleisch, eine Rolle, die ich schon lange nicht mehr will. Aber ich kann den Gedanken nicht abschütteln dass er irgendwann von der Bildfläche verschwindet und meine Kinder mich zum einen fragen, ob ich nicht hätte mehr tun können bzw. von ihrem schlechten Gewissen erdrückt werden. Das Gefühl haben sie heute schon: sie müssten sich doch öfter mit dem Papa treffen, ihn besuchen, auch wenn sie danach immer fix und fertig sind.

    Danke für Eure Sicht der Dinge, vielleicht hilft mir das bei meinem Tunnelblick auf die Situation.

    Nekobasu/ Ailin

  • Hallo Nekobasu/ Ailin,

    ich antworte dir gerne darauf, muss dich aber auf später vertrösten, da ich nun mehrere Termine habe und keine Zeit zum Antworten habe.

    Bis dahin nochmals gutes Ankommen hier und viele Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo Nekobasu/ Ailin.

    Ich weiß, dass ich stark sein muss für sie, denn sie hat starke Tendenzen dazu sich für andere verantwortlich zu fühlen, vor allem für ihren Vater (was wahrscheinlich der Grund für ihre Erkrankung war und was ich leider auch nicht verhindern konnte, trotz vieler Gespräche).

    Diesbezüglich teile ich gerne, was ich aufgrund meines eigenen Genesungsinteresses an Wissen und Kenntnissen in Erfahrung gebracht habe.

    Ja, natürlich solltest du als Mutter und Erziehungsberechtigte stark sein, aber diese Stärke und Sicherheit wirst du tatsächlich nur vermitteln können, bzw. deine Töchter werden dir abnehmen, dass du sie wirklich hast und sie darauf vertrauen können, wenn du in genügender Form für dich selbst sorgst, wenn du ihnen vorlebst, wie du achtsam mit dir bist und die nötigen Schritte unternimmst, die du für dich brauchst.

    Sorgst du nicht genug für dich, werden deine Töchter das spüren.

    Ob das bei dir der Fall ist, kann ich aus der Distanz gar nicht beurteilen. Dein „ich muss stark sein“ wirkt auf mich aufgrund meines eigenen Hintergrundes, dass du unter großem Druck stehst, dem du selbst kaum gewachsen bist.

    Lass deine Selbstfürsorge deshalb auf gar keinen Fall außer Acht. Man muss nicht alles wissen, man muss nicht alles können, aber ein Erwachsener muss wissen, dass, wo und wie er sich ggf. Hilfe und Unterstützung holt und dies dann auch tun.
    Du musst ihnen auch nicht alles erzählen, was du tust, Kinder und Jugendliche müssen nicht alles wissen, besonders nicht das, wozu ihnen entwicklungsbedingt die innere Reife fehlt.


    Was diese Verantwortungsrolle betrifft, in die deine Tochter geraten ist, so ist das (leider) etwas, in das Kinder aus sogenannten dysfunktionalen Familien - und dazu zählen Familien mit einem an Alkoholismus erkranktem Elternteil - schon in sehr jungen Jahren unbewusst hineinwachsen.

    Das ergibt sich fast zwangsläufig dadurch, dass Kinder, die von Natur aus ein Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit haben, es spüren, wenn etwas dem entgehensteht.
    In dem Alter, in dem sie anfangen, den Zusammenhang von Ursache und Wirkung zu begreifen, lernen sie, dass sie durch ihr Tun oder Nicht-Tun die Stimmung ihrer Eltern und Angehörigen beeinflussen können.
    Ein Beispiel: Das Kind hat sein Bett selbst gemacht, sein Zimmer selbst aufgeräumt und seine Eltern freuen sich. Was lernt es dabei? Es lernt: Ich kann beeinflussen, dass es meiner Mutter/ meinem Vater …. gut geht.
    Und schon hat es eine gewisse Form von Verantwortung erlernt.

    In einer Familie, in der es in Sicherheit und Geborgenheit aufwächst - bei meinen Nichten darf ich so etwas miterleben und, welche positiven Auswirkungen das auf ihre Entwicklung, ihr Selbstvertrauen und ihr Selbstbewusstsein hat, beobachten - ist das nicht weiter relevant, denn das Kind gerät gar nicht erst in die Lage eine Rolle übernehmen zu müssen, die eigentlich Rolle der Eltern ist. Die Sache mit der Verantwortung spielt aber eine große Rolle in Familien, in denen das Kind nicht in der Sicherheit und Geborgenheit aufwächst, die es braucht.

    Kinder in unsicherer Umgebung versuchen das, was ihnen fehlt, mit ihren Mitteln und Möglichkeiten zu kompensieren. Dazu gehört auch, eine Verantwortung zu übernehmen, die eigentlich Sache der Eltern wäre, aber von den Eltern nicht oder zu wenig übernommen wird. Das alles geschieht unbewusst und nahezu von selbst.

    Die Eltern bekommen das gar nicht so sehr mit und sind sich dessen in der Regel auch nicht bewusst. Was völlig verständlich und natürlich ist, da sie ja mit der Dysfunktionaliät der Familie selbst zu tun haben und ihr ganzer Fokus unter Umstände darauf liegt, die Dinge irgendwie hinzubekommen.

    Aus eigener Erfahrung kann ich dir sagen, dass es sich als Kind ganz toll anfühlt, solche Verantwortung für die Eltern bzw. die Familie zu übernehmen. Da fühlt man sich sooooo groß.

    Fakt ist aber, das habe ich allerdings erst als Erwachsene gelernt, dass Kinder mit dieser Rolle, ohne dass ihnen selbst das bewusst ist, völlig überfordert sind.

    Dass deine Tochter an Depression erkrankt ist, könnte durchaus damit zu tun haben. Für mich war das damals ganz grauenvoll, dass, egal, was ich für meinen Vater (und auch für meine Mutter) tat, es nichts fruchtete. Ich hab da all meine Energie rein gesteckt, die Alternative war für mich undenkbar, aber es änderte sich nichts.
    Und ich hatte so sehr das Bedürfnis dem zu entkommen, aber es gab kein Entkommen.

    Suizidgedanken sind ein Forum der Flucht. Man will eigentlich nur weg von etwas, was als unerträglich empfindet.

    In der professionellen Behandlung, die deine Tochter erfährt, darfst du grundsätzlich erstmal davon ausgehen, dass deine Tochter stabilisiert wird und neue Perspektiven kennenlernt, auf die sie selbst niemals gekommen wäre.

    Bis hierhin erstmal. Später voraussichtlich mehr.


    Viele Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Nun dazu ein paar Gedanken:

    Ich sitze mit dem Dilemma, dass ich ihr ermöglichen möchte so viel wie möglich schöne Momente mit ihrem Vater zu erleben. Ich lade ihn dazu regelmäßig zu uns ein damit die Mädchen in einem geschützten Raum mit ihm Zeit verbringen können (seine Wohnung zieht sie eher runter, viele schlechte Erinnerungen, sie gehen nur wenn es sich nicht anders machen lässt) Beide versuchen Grenzen zu setzen, sich von ihm abzugrenzen, was auch wichtig ist. Wenn er zu uns kommt klappt es manchmal, dass sie entspannt was mit ihm machen können. Allerdings will er das eigentlich nicht. Ich glaube zum einen, dass es ihm wehtut zu sehen, was er quasi "verpasst". Außerdem beschämt es ihn wahrscheinlich mit mir dort zu sein. Wenn er einsichtig ist gibt er zu dass ich wirklich für ihn da bin wenn er es braucht und im ehrlich Hilfe anbiete. Aber es gibt auch Tage wie heute, in denen er mich quasi dämonisiert. Wahrscheinlich macht er das um seine Ruhe zu haben, und sein Leben so weiter führen zu können wie es gerade ist.

    Das ist auch eine ganz knifflige Sache für alle Beteiligten.
    Ich nehme mal diese Aussage dazu: „Das Gefühl haben sie heute schon: sie müssten sich doch öfter mit dem Papa treffen, ihn besuchen, auch wenn sie danach immer fix und fertig sind.“

    Da muss ich erst nochmals nachfragen: Möchten deine Töchter ihren Papa öfters treffen? Haben sie in irgendeiner Weise geäußert, dass sie das Bedürfnis spüren, mehr für ihn tun zu können und eine offensichtlich negative Entwicklung aufhalten zu können?

    Wenn das so sein sollte, brauchen deine Töchter unbedingt Hilfe, denn sie befinden sich dadurch in einer Verantwortungsrolle, die sie auf keinen Fall übernehmen sollten. Wenn ihr Vater offensichtlich nicht seiner Verantwortung, die er selbst für sein Leben (und damit auch für das Leben seiner Töchter) nachkommen will oder kann - ich hab deinen alten Faden hier noch nicht gelesen, aber ich gehe davon aus, dass dir vertraut ist, dass man einem Alkoholiker von außen nicht helfen kann, wenn er das nicht will - dann werden die Dinge ihren Gang nehmen.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Liebe AmSee,

    Meine Töchter wünschen sich sehr einen guten Kontakt mit ihrem Vater, vor allem die Kleine. Sie will ihren "Papa zurück" wie sie ihn von früher kannte. Durch ihre Krankheit lernt sie jetzt sich abzugrenzen. Ich habe ihr auch immer gesagt, dass sie ihren Papa immer sehen darf, aber das auf gar keinen Fall muss. Das sie sagen darf, ob ihr der Kontakt gut tut. Trotzdem hat sie immer wieder Schuldgefühle wenn sie ihn eine Weile nicht besucht hat. Ich sage ihr dann immer wieder, dass sie sich diese Auszeit nehmen darf, dass sie keine Verantwortung für ihren Papa übernehmen muss. Aber sie kommt dann immer wieder an den Punkt an dem die Sehnsucht wieder so groß ist, dass sie ihn besuchen möchte.

    Die Große ist da souveräner und sagt ihrem Vater auch klar, dass sie keinen Bock auf ihn hat wenn er sich komisch verhält usw. Trotzdem will sie schon ab und zu etwas mit ihm machen. Sie geht dann halt kurz nach der Schule bei ihm vorbei, aber übernachten tut sie kaum bei ihm. Auch das darf sie natürlich entscheiden.

    Ich versuche nur für sie da zu sein, wenn sie Gesprächsbedarf haben. Versuche ihnen immer wieder behutsam zu sagen, dass es nicht ihre Schuld/Verantwortung ist, was ihr Papa macht. Das sie ihn nicht ändern können, und das nur er selbst das tun kann.

    Trotzdem ist es ein herzzerreissender Drahtseilakt für die Kinder.

    Ich denke, dass ich von mir sagen kann, dass ich stark bin für sie. Und gleichzeitig gut für mich sorge. Ich gehe zum Sport, treffe mich mit Freunden. Und ich spreche offen über Probleme, hole mir Hilfe, war selber zur Kur und zwischenzeitlich bei einer Therapie. Sie müssen mich nicht trösten und ich denke, sie wissen, dass ich unser Leben ganz gut auf die Reihe bekomme. Ich gebe auch mal zu, wenn es mir nicht so gut geht, aber ich lasse sie immer wissen, dass ich das hinbekomme. Um mich müssen sie sich keine Sorgen machen. Aber trotzdem fehlt ihnen ihr Papa und das Gefühl, dass sie ihm nicht wichtig genug sind, dass er etwas ändert für sie ist sicherlich unterschwellig immer da.

    Nekobasu

  • Ja, Nekobasu, das ist in der Tat ein Drahtseilakt für deine Töchter und für dich letztlich auch.

    Gut, dass du für dich sorgst. 👍 Meine Mutter hat das leider nicht getan, sie wusste nicht wie und meinte wahrscheinlich auch, sich das nicht leisten zu können. Dass sie’s nicht getan hat, hat sowohl mir als auch meiner jüngeren Schwester und schließlich auch meiner Mutter selbst alles andere als gut getan.

    Sie will ihren "Papa zurück" wie sie ihn von früher kannte.

    Wer könnte deiner jüngeren Tochter das verdenken?

    Trotzdem hat sie immer wieder Schuldgefühle wenn sie ihn eine Weile nicht besucht hat.

    Das sagt eine Menge aus, vor welche Problematik sie sich gestellt sieht. Wie sollte sie aus der Nummer auch rauskommen? Die Alternative, nicht zu ihm zu gehen, dürfte undenkbar für sie sein.

    Versuche ihnen immer wieder behutsam zu sagen, dass es nicht ihre Schuld/Verantwortung ist, was ihr Papa macht. Das sie ihn nicht ändern können, und das nur er selbst das tun kann.

    Das ist schon für Erwachsene, die in einer Co-Abhängigkeit drinstecken, so schwer zu verstehen… …. Hast du den Eindruck, dass deine Worte bei deinen Töchtern ankommen, dass sie begreifen, was du ihnen zu sagen versuchst?

    Interessant dürfte für dich sein, inwieweit das Thema bei der professionellen Behandlung deiner jüngeren Tochter thematisiert wird.

    Hast du dich mal nach entsprechender Literatur für Teenager erkundigt?

    Aber trotzdem fehlt ihnen ihr Papa und das Gefühl, dass sie ihm nicht wichtig genug sind, dass er etwas ändert für sie ist sicherlich unterschwellig immer da.

    Dieses Gefühl hatte ich auch. Der Gedanke, dass er mich nicht genug liebte, um das sein zu lassen, hat mich schier zerrissen und mein Selbstwertgefühl unterminiert.


    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hast du dich mal nach entsprechender Literatur für Teenager erkundigt?

    In unserer Literaturecke findet sich u.a. eine Literaturempfehlung für Kinder. Ich hab das Buch selbst noch nicht in der Hand gehabt und es ist wohl auch für jüngere Kinder verfasst (ob noch für Teenager? 🤷‍♀️), aber vielleicht ist das ja geeignet oder bietet hilfreiche Anhaltspunkte.

    Vielleicht findest du dort aber noch etwas, was für dich in deiner Situation geeignet wäre.

    Liebe Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo AmSee,

    Danke, da schaue ich mal rein. Meine Tochter versteht das vom Kopf her alles sehr gut. Sie war in der Hinsicht schon immer sehr "weise", eigentlich zu weit für ihr Alter. Sie hat auch in einer Drogenberatungsstelle mit einer Psychologin genau zu diesem Thema gesprochen, und auch bei ihrer jetzigen Therapie ist das natürlich Thema. Es ist bitter, dass sie sich schon so früh mit solchen Themen auseinandersetzen muss. Aber egal was der Kopf versteht, das Herz kommt nicht hinterher.

    Ich weiß nicht warum ich das frage, aber was geht in einem Vater vor, der eigentlich weiß, welchen Schaden er anrichtet bei seinen Kindern, aber sich jeder Lösung oder Hilfestellung verschliesst? Natürlich weiß auch ich, dass man da nicht mit rational-logischen Ansätzen weiterkommt. Aber die Möglichkeit der Verdrängung ist schon unheimlich. Es geht mir dauernd im Kopf herum.

  • Hallo Nekobasu,

    was du über deine Tochter schreibst, kommt mir seeeehr vertraut vor. Ich selbst war als Kind und Jugendliche auch schon „sehr weise“, viel weiter als meine Altersgenossen. Deshalb kam ich bei denen auch nicht so an, weil ich eben anders war. Mit Erwachsenen konnte ich gut reden, so gut, dass denen entgangen ist, was mir entwicklungsbedingt noch zum „Erwachsensein“ fehlte.

    Gut, dass deine Tochter in der Drogenberatungsstelle mit einer Psychologin genau zu diesem Thema sprechen konnte und das auch bei ihrer jetzigen Therapie kann. Im Unterschied zu „normalen“ Erwachsenen darf man davon ausgehen, dass Profis wie es Psychologen sein dürften, sich bewusst sind, wo Jugendliche entwicklungsbedingt stehen und was sie brauchen bzw. nicht brauchen.

    Ja, das Herz….. Mit dem Kopf war ich stets sehr schnell und bin es auch noch heute. Mein Neurologe und Psychiater, bei dem ich seit Jahren mit Unterbrechung von etwa 10 Monaten wegen Depressionen in Behandlung bin, sagte vor Jahren mal zu mir, dass mein Verstand messerscharf sei, wie ein Chirurgenskalpell. Dummerweise aber war mein Verstand ziemlich rücksichtslos im Umgang mit mir selbst bzw. meiner Psyche. - Na klar, wie sollte er auch anders können, er kann naturgemäß gar nicht anders. - Mir ist es in den ersten Jahren bei ihm so manches Mal so ergangen, dass wir im Gespräch etwas analysiert haben, die Psyche, die Emotionen sich aber erst drei Tage später äußerten und mich völlig fertig machten. Da kamen Gefühle und teilweise auch Bilder hoch, denen ich überhaupt nicht oder kaum gewachsen war. - Das passiert mir inzwischen schon lange nicht mehr, aber das hat bei mir durchaus eine ganze Weile gedauert, bis Kopf und Herz gewissermaßen eins wurde.

    Ja, es ist bitter, dass deine Tochter (eigentlich beide Töchter) sich in so jungen Jahren mit solchen Themen auseinandersetzen muss. Angesichts dessen, wie sorglos und selbstverständlich in unserer Gesellschaft mit Alkohol umgegangen wird und für wie selbstverständlich davon ausgegangen wird, dass er zum Leben einfach dazu gehört, möchte man als jemand, der mit der Problematik vertraut ist und/oder persönlich damit zu tun oder darunter zu leiden hat, kotzen.

    Was ich damit zum Ausdruck bringen will: Du darfst deine Wut und dein Unverständnis darüber durchaus auch mal rauslassen. Das ändert zwar nichts an den Umständen und nichts an unserer Gesellschaft, die nun mal so ist, wie sie ist, und sich voraussichtlich auch nicht sobald ändert, aber es dient deiner eigenen Psychohygiene.

    So schlimm, wie das jetzt auch ist, so besteht die Chance für deine Tochter, dass sie daran wächst und den Umgang damit findet, den sie braucht.


    Auf den zweiten Teil deines Beitrags antworte ich gleich. Ich schicke das hier jetzt erstmal ab.

    Liebe Grüße

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Ich weiß nicht warum ich das frage, aber was geht in einem Vater vor, der eigentlich weiß, welchen Schaden er anrichtet bei seinen Kindern, aber sich jeder Lösung oder Hilfestellung verschliesst? Natürlich weiß auch ich, dass man da nicht mit rational-logischen Ansätzen weiterkommt. Aber die Möglichkeit der Verdrängung ist schon unheimlich. Es geht mir dauernd im Kopf herum.


    Ich hatte gestern und auch vor deiner Antwort schon überlegt, ob ich aufgrund dessen, was du schon geteilt hattest, ein paar meiner Gedanken und Erfahrungen mit dir teilen sollte oder nicht.

    Nun kommt deine Frage und deshalb schreibe ich dir etwas dazu.

    Von außen, als jemand, der nicht in so einer Sucht dranhängt, und selbst als jemand, der zwar mal drin gehangen hat, aber den Absprung geschafft hat, ist es unheimlich schwer, eigentlich gar nicht nachzuvollziehen, warum ein erwachsener, mündiger, vernunftbegabter Mensch wie zum Beispiel dein Ex-Mann, der Vater deiner beiden Töchter, nicht das Vernünftige, das Richtige tut, obwohl es doch sooooo offensichtlich vor Augen liegt.

    Doch aus eigener Erfahrung als Selbstbetroffene kann ich dir nur sagen, dass es aus der Innenperspektive eines Süchtigen überhaupt nicht so klar und offensichtlich aussieht, wie für einen Außenstehenden.

    Das fängt ja schon bei der Frage an, ob sich ein Abhängiger überhaupt seines Problems, seiner Abhängigkeit bewusst ist. Ich zum Beispiel war mir, bis ich mir selbst einer gewissen Problematik bewusst wurde und hier aufschlug, um mich darüber auszutauschen und Hilfe zu finden, nicht bewusst, wie abhängig ich bereits war und wie sich mein Alkoholkonsum insgesamt auf meinen Körper, meine Psyche, meine Beziehung zu meinem Mann auswirkte.
    Das begriff ich tatsächlich erst später so nach und nach im Laufe meiner Abstinenz, zu der ich mich ganz bewusst und aus freiem Willen entschieden habe.

    Nun kenne ich deinen Mann nicht und auch nicht sein Reflektionsniveau.
    Es kann durchaus sein, dass er es tatsächlich gar nicht sieht, weil er entweder nicht das entsprechende Reflektionsniveau hat oder weil er ganz und gar mit sich selbst und seinen Verstrickungen beschäftigt ist, oder dass er es zumindest nicht in dem Ausmaß sieht wie du.
    Es kann sein, dass, gerade weil du der „Stachel in seinem Fleisch“ bist, ein Beziehungsgefälle zwischen euch herrscht und er, der er vermutlich sich als erwachsenen und mündig empfindet, das ablehnt, was du sagst. - Du schreibst selbst, dass er dich mitunter „dämonisiert“.
    Es kann sein, dass er verdrängt, weil er diese „Schuld“ nicht auch noch tragen kann.

    Mein Vater, so kann ich das im Nachhinein nur rekapitulieren, hat mit dem Trinken immer wieder dann angefangen, wenn ihm die Dinge über den Kopf wuchsen. Er hatte, wie ich das heute weiß, recht wenig sogenannte Frustrationstoleranz. Die hatte er leider aufgrund seiner eigenen Kindheits- und Jugenderlebnisse nicht erwerben können.
    Der hat in solchen Momenten, in denen er rückfällig wurde, vermutlich verdrängt, weil er das nicht tragen konnte.


    Was ich mit all dem zu Ausdruck bringen will: Es ist nicht so einfach, so logisch-rational, wie man als Ausstehender denkt.

    Das ist meines Erachtens das Schlimme an der Sucht. Man sagt, dass das eine Krankheit ist, aber im Grunde sagt man das nur, damit‘s mit der Krankenkasse abgerechnet werden kann. Bei jeder anderen Krankheit unternimmt man als Erkrankter alles Mögliche, um zu genesen.
    Das ist bei Alkoholismus und Suchterkrankungen im Allgemeinen aber nicht unbedingt der Fall. Wenn du drin steckst, suchst du dein Heil in genau dem, was dich krank macht, und du steigst erst aus, wenn du an eine Art persönlichen Tiefpunkt gerätst und aus deinem Inneren der unbedingte Wunsch dringt, diesen Weg nicht mehr weitergehen zu wollen. Es steigen, das zeigt sich leider immer wieder, nicht alle aus, aus welchen Gründen oder Hintergründen auch immer.

    Weißt du, ich weiß alles Mögliche über diese Erkrankung, aber ich habe alles getan und arbeite noch immer daran, dass es ja niemals zum Rückfall kommt. Und ich tue das, weil mir bewusst ist, dass mir all dieses Wissen egal sein könnte und ich nichts anderes als trinken will, wenn ich nochmals Alkohol konsumiere. DAS ist Sucht….. Total unvernünftig und unlogisch.

    Liebe Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Liebe Nekobasu,

    ich bin erst ganz neue hier im Forum, aber kann aufgrund meiner eigenen Erfahrungen und den Erfahrungen mit und durch meinen Vater das bestätigen, was AmSee gerade geschrieben hat. Alkoholsucht ist komplett unlogisch und mit dem Verstand nicht zu erklären. Ich weiß, dass der Vergleich hinkt, aber warst Du schon einmal ganz furchtbar verliebt in einen Menschen, der Dir überhaupt nicht gut tut? Trotzdem kommt man nicht von ihm los, so sah ich für mich lange Zeit den Alkohol. Nun trenne ich mich von ihm, weil ICH es möchte. Niemand anderes kann diese Entscheidung für einen Süchtigen fällen und auch gutes Zureden hilft nicht. Es kommt irgendwann von innen - oder auch nicht. Ich wünsche Dir, dass er es begreift, was er sich und Euch antut.

    Liebe Grüße

    Margret

  • Liebe Ailin,

    ich bin eigentlich schon lange nicht mehr aktiv hier. In letzter Zeit hab ich aber ab und an doch mal wieder hier reingeschaut, ich weiß nicht warum, vielleicht aus Neugier. Interesse jemanden zu schreiben hatte ich dabei nicht und jetzt lese ich Dich hier. Und ob Du es glaubst oder nicht, ich konnte mich noch an Dich erinnern. Nicht mehr im Detail aber ich erinnerte mich an eine Konversation mit Dir und daran, dass Du mir erzählt hast, Dein Partner trinkt nur am Wochenende und Du bist nicht sicher ob er Alkoholiker ist und solche Sachen. Ich hab mal die alten Threads überflogen und das was ich gelesen habe, hat mich sehr betroffen gemacht. Ich habe Dir damals geschrieben, dass es für Deine Kinder sicher wichtig ist, ihren Papa zu sehen, solange er keine Gefahr für sie ist. Ich habe Dir damals von meiner Situation berichtet, wie ich das bei den meisten Beiträgen die ich hier verfasst habe, immer gemacht habe. Was ich nicht gesehen habe, damals: Er war offenbar eine Gefahr für sie, zwar offenbar keine körperliche (was ich immer im Kopf hatte) aber eine Psychische. Vielleicht ist das sogar die schlimmere Gefahr, weil körperliche Verletzungen heilen leichter als psychische.

    Jetzt lese ich, dass Deine kleine Suizidgedanken hat, Deine große tapfer ist aber Du nicht weißt, was eigentlich in ihr vor geht. Sei Dir gewiss, sie hat ihr Päckchen zu tragen, wahrscheinlich ihr Leben lang. Das ist kein Vorwurf an Dich, nur meine Einschätzung und die Folge der Krankheit Deines Ex-Mannes. Ich war jetzt hier so lange nicht mehr aktiv, habe mein Leben gelebt, trinke nun schon seit mehr als 10 Jahren keinen Alkkohol mehr und lese jetzt Deinen Beitrag und denke mir: Bei mir hat sich alles verändert - da draußen hat sich nix verändert. Es ist wie es immer war: Die Angehörigen leiden bitterst und der Sucht eines anderen und hoffen bis zuletzt, dass es doch irgendwann wieder gut wird. Und ich denke mir: es stimmt, verändern kann man nur sein eigenes Leben, seine eigene Situation, nur dafür ist man verantwortlich und das ist es, was zählt.

    Liebe Ailin, ich habe keine klugen Ratschläge für Dich. Vielleicht hätte ich Dir damals raten sollen, Deine Beine in die Hand zu nehmen, Deine Kinder einzupacken und ganz weit weg von ihm zu gehen. Kontaktabbruch was sicher schrecklich für Deine Kinder gewesen wäre aber vielleicht besser als ihn ständig zu wieder zu sehen, wieder zu hoffen, wieder enttäuscht zu werden, nie abschließen zu können, nie mit einem echten Neustart beginnen zu können.

    Ich glaube, Deine Ratio sagt Dir das richtige: Er wirds wohl nicht schaffen, von außen darauf geschaut mit dem Umfeld das Du noch dazu beschreibst, er wird Opfer seiner Sucht werden. Das weißt Du, denke ich. Dein Herz hofft aber, es hofft bis zuletzt. Seine Sucht dominiert nach wie vor Dein Leben und das Leben Deiner Kinder. Vielleicht ist es jetzt noch eine Option für Dich, ihn komplett fallen zu lassen und zusammen mit Deinen Kindern ohne ihn neu anzufangen. Anstatt ihn beim langsamen Sterben zuzusehen und daran mit zugrunde zu gehen. Er hat sich für diesen Weg entschieden, vielleicht sollte er ihn dann auch alleine gehen.... Deine Kinder sind in psychologischer Betreuung, vielleicht kannst Du ja darüber mal mit einer Psychologin sprechen, vielleicht hast Du ja Menschen in Deinem Umfeld, die Dich beraten können, ob es nicht sinnvoll wäre, jetzt doch noch alles zu verändern. Ich wage nicht das abschließend einzuschätzen.

    Ich bedauere wirklich sehr, es tut mir wirklich sehr leid, dass ich Dir damals nichts schreiben oder geben konnte, dass Deine/Eure Zukunft in eine bessere Richtung gelenkt hätte. Ihr seid den klassischen, fürchterlichen Weg von Angehörigen eines trinkenden Familienmitglieds gegangen. Ich wünsche Dir und Deinen Kindern, dass Ihr jetzt doch noch eine Kreuzung findet, bei der Ihr abbiegen könnt und wo es ohne ihn in eine bessere Zunkunft für Euch geht. Er wird irgendwann seinen Weg zuende gegangen sein, ihr werdet es nicht verhindern können, seine Sucht wird Euch aber dann trotzdem bis an Euer Lebenende begleiten. Ich hoffe Ihr findet einen Weg, ihr möglichst wenig Raum zu bieten und ich hoffe, Ihr könnt Euch Eurer Leben zurück holen.

    Tut mir leid, dass ich Dir nichts klügeres zu schreiben habe. Ich wünsche Dir und Deinen Kindern von Herzen das allerbeste.

    Liebe Grüße

    Gerchla

  • Lieber Gerchla,

    Wie schön von Dir zu lesen, damit hätte ich nicht gerechnet. Du solltest Dir keine Gedanken machen: was Du mir damals geschrieben hast war damals wertvoll und hilfreich. Ich hatte die Wahl, meine Kinder zu einem Kontaktabbruch zu nötigen oder einen mehr oder weniger kontrollierten Kontakt zuzulassen. Ich habe mich für den zweiten Weg entschieden und ich würde es heute wahrscheinlich wieder tun. Einen Kontaktabbruch zu forcieren hätte sicherlich einen ebenso großen Schaden angerichtet, denn damals wie heute lieben die Kinder ihren Vater und es gab damals nicht ausreichend Gründe um so weit zu gehen. Und wahrscheinlich auch heute noch nicht. Beide aus der Schule zu reissen, aus dem gewohnten Umfeld zu nehmen, das würde ihnen nicht helfen. In Gedanken sind sie ja noch bei ihm. Ich kann nur versuchen beiden so viel wie möglich Unterstützung zu geben, ihnen psychologische Hilfe anzubieten.

    Wir sind übrigens ein Jahr nach der Trennung umgezogen, aber im gleichen Ort. Es war sicher gut, raus aus der alten Wohnung zu kommen, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Bis letzten Sommer ging es auch in der Beziehung zu ihm halbwegs. Ich habe inzwischen auch einen neuen Partner, der mich sehr unterstützt und auch einen sehr guten Kontakt zu den Kindern aufgebaut hat. Meine Kleine bezeichnet ihn als ihren besten Freund. Aber er ist nicht der Papa.

    Ich habe darüber nachgedacht auch jetzt noch den Kontakt für sie ganz abzubrechen. Aber was passiert wenn er in dieser Zeit stirbt? Meine Kleine würde sich ewig vorwerfen, ihn nicht mehr gesehen zu haben. Die Große wahrscheinlich auch. Es ist in jeder Hinsicht eine besch... Situation. Seit dem Sommer geht es steil bergab bei ihm. Gesundheitlich und auch sonst. Ich hatte mir immer wieder gesagt, dass ich mich nicht mehr in sein Leben einmische. Jetzt tue ich es doch wieder. Ich kämpfe solange es notwendig ist, denn das bin ich meinen Kindern schuldig. Sie haben ihren Mittelpunkt bei mir und sehen ihren Vater wenn sie es wollen, meistens mal einen Nachmittag, oder zum Geburtstagskaffee oder so. Dann gibt es noch mal ein paar schöne Momente, in denen wir zusammen Karten spielen. Ein kleines bisschen Normalität, wo er quasi in unserer Welt zu Gast ist. Wo er sich zusammennimmt um dann wieder in seiner Welt zu verschwinden. Wäre es besser, das gar nicht zuzulassen? Ich kann es nicht beantworten. Ich weiß nur, dass meine Kinder einen kompletten Abbruch nicht wollen würden.

    Bis letzten Sommer lief dieses parallele Leben ganz okay. Aber seitdem tickt die Uhr immer lauter...
    Eine Klinik will er nicht, er meint, dass er es alleine schaffen kann, er müsse nur wieder Arbeit finden. Wenn das nicht bald klappt ist er wahrscheinlich pleite. Vielleicht ist das der harte Aufschlag den er braucht. Oder es gibt diesen Tiefpunkt für ihn nicht.

    Hope for the best but prepare for the worst.

    Nekobasu/ Ailin

  • Hallo Nekobasu/Ailin,

    du hattest zwar direkt Gerchla geantwortet, aber ich möchte ein paar Gedanken zu deiner Antwort teilen.

    Wäre es besser, das gar nicht zuzulassen? Ich kann es nicht beantworten. Ich weiß nur, dass meine Kinder einen kompletten Abbruch nicht wollen würden.

    Ich sehe das auch so, dass das eine beschxxx Situation ist, du und deine Mädchen stehen da vor einem ganz großen Dilemma und das nur, weil er von seiner Sucht nicht lassen kann.

    Aus deinen Worten geht für mich hervor, dass du sehr weit reflektierst, was du angesichts dieser fürchterlichen Lage tun kannst, dass du die Möglichkeiten, die dir zur Verfügung stehen, gründlich abwägst und bewusste Entscheidungen triffst.

    Und DU bist für deine Töchter da.

    Was könnte eine Tochter mehr von ihrer Mutter verlangen?
    Mehr kannst du meines Erachtens nicht tun.

    Aber ich kann den Gedanken nicht abschütteln dass er irgendwann von der Bildfläche verschwindet und meine Kinder mich zum einen fragen, ob ich nicht hätte mehr tun können bzw. von ihrem schlechten Gewissen erdrückt werden.

    Wenn deine Töchter dich irgendwann mal fragen sollten, ob du mehr hättest tun können, wirst du darauf zurückgreifen können. Und du wirst ihnen, weil du dich so damit beschäftigt hast, auch erklären können, warum mehr eben nicht möglich war.

    Was das schlechte Gewissen betrifft, brauchen deine Töchter Wissen und ggf. psychologische Begleitung. Auch das versuchst du ihnen zu geben.

    Du darfst gerne weiterhin hier schreiben, wenn du deine Sorgen teilen möchtest oder jemanden zum Zuhören brauchst.
    Was du teilst, hilft möglicherweise auch anderen, die sich in ähnlicher Lage befinden, weiter.

    Liebe Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!