Honk - Handbremse gezogen

  • Entscheidend ist immer das Ergebnis und das sollte je nach Vorgehensweise halt zufriedene Abstinenz heißen.

    Zufriedene Abstinenz ... setzt doch eine gewisse Grundzufriedenheit voraus, zumindest ein Ziel, welche diese in Aussicht stellt.

    Fühle ich mich alkoholisiert besser, also zufriedener, wird's schwer mit dem "entscheidenen Ergebnis".

    Oder nüchtern arg mies, ebenso. Das setzt doch eine Erkenntnis voraus bzw. ein Umdenken. Womit wir wieder beim "berühmten" Tiefpunkt wären oder einem drohenden.

    So lange alles funktioniert bzw. man es gut überspielen kann, besteht doch keine Notwendigkeit etwas zu verändern.

    Zufriedene Menschen verfallen doch eher selten dem Dauerrausch. Ich trank oft, wie bestimmt viele, wenn ich allein und/oder arg unzufrieden war.

  • Für mich sind Begrifflichkeiten wie "zufriedene Abstinenz", "Trockener Alkoholiker," etc., die allgemein kursieren nicht griffig.

    Was bedeutet "zufriedene Abstinenz " eigentlich ? Es klingt nach einem Begriff, hinter dem man nicht mehr schauen muss, da er ja schon alles sagt: ich bin zufrieden und abstinent. Aber so einfach ist es eben nicht.

    Ich würde den Begriff nicht für mich anwenden, da ich mich damit nicht identifizieren kann.

    Ich kann sagen, dass ich nicht mehr trinke und abstinent bin und dass dadurch ,je länger ich nicht mehr getrunken habe sich einiges neues in mein Leben gesellt hat, was ich nicht kannte, als ich noch getrunken habe. Es ist ein Prozess und eine Wandlung, die durch die Abstinenz entsteht und die nach und nach entstanden ist : Mehr Achtsamkeit (auch so ein seltsamer Begriff ), also mehr spüren, was ich vorher nicht wahrgenommen habe und ich habe festgestellt, dass es so viel besser ist, nicht mehr trinken zu MÜSSEN.

    Dadurch entstanden viele neue Wege und mittlerweile auch eine gewisse Normalität, die ich sehr zu schätzen weiß. Ich bin nicht mehr angewiesen auf den Alkohol, ich lebe befreit von ihm !

    Was für ein Glück und doch bin ich nicht immer in meinem Leben zufrieden-es wäre ja gelogen wenn jeder Ex-Trinker sagen würde: Jetzt ist alles super.

    Ich bin zufrieden abstinent. Punkt.

    Zufriedenheit kann aber meines Erachtens immer mehr entstehen, da man erst durch die Abstinenz eine Chance erhält an sich zu arbeiten und auch mehr auf die eigenen Bedürfnisse zu achten.

    Nicht umsonst heißt es: Erst dann macht eine Therapie Sinn, wenn zuerst die Süchte abgelegt sind.

  • Ich kann sagen, dass ich nicht mehr trinke und abstinent bin und dass dadurch ,je länger ich nicht mehr getrunken habe sich einiges neues in mein Leben gesellt hat, was ich nicht kannte, als ich noch getrunken habe.

    Ich möchte nicht auf den Begriff "zufriedene Abstinenz" herumreiten, obwohl er Anfangs etwas verwirrend klang, weiß bestimmt jeder was gemeint ist: es macht einen nichts mehr aus, keinen Alkohol mehr zu trinken!

    Bei mir ist es jedenfalls so, ich muss nichts mehr unterdrücken (Sucht), mich tiggert nichts mehr oder einfach gesagt, es ist mit egal - der Alkohol.

    Jedoch wurde ich auch nicht zufriedener oder lernte plötzlich neue Dinge, neue Wege kennen.

    Ich war immer ein gut funktionierender Alkoholiker, jedenfalls für mich. Alkohol half mir beim Abschalten, Einschlafen, alles nicht so verbissen sehen. Mit zunehmender Gewöhnung ließ das natürlich nach, wie wohl bei vielen Drogen, drum ließ ich es dann auch sein, der ewigen Permanentbetäubung müde, denn etwas anderes war es zum Schluss nicht.

    Ich war schon immer sehr aufmerksam (achtsam), Alkohol, so lange er funktionierte, verhinderte das ganz gut, was ich nicht gerade als Nachteil ansah - ich war entspannter und viel gelassener, dachte nicht mehr sooo viel nach, nahm Dinge wie sie sind und fertig!

    Nun wieder völlig "wach", unbetäubt ist das nicht mehr so. Das heißt, zufriedener wurde ich nicht gerade - überhaupt. Was den Alkohol angeht schon, das war's aber auch schon.

  • weiß bestimmt jeder was gemeint ist: es macht einen nichts mehr aus, keinen Alkohol mehr zu trinken!

    Nein, so verstehe ich es nicht. Ich bin mehr als nur zufrieden, dass ich schon seit Jahren keinen Alkohol trinke. Den vermisse ich bestimmt nicht. Meine Abstinenz eröffnet mir ganz andere Möglichkeiten, da ich Herr meines Verstandes bin und diese Herrschaft nicht an die Flasche abtrete.


    Allerdings habe ich sowohl privat, als auch beruflich meine Schäfchen im Trockenen und kann daher aus Sicht derjenigen, denen es in diesen Punkten schlechter geht, sicherlich "gut daher reden".

  • Mittlerweile spüre ich eine große Dankbarkeit,dass ich meine Trinkerei überwunden habe,aber auch das ist mir nicht immer präsent. Meine Abstinenz ist Normalität geworden und das hätte ich früher nie für möglich gehalten, dass das tatsächlich eintreten kann.

    Ich kann sagen ,dass mein Leben so viel besser geworden ist,eben weil ich nicht mehr trinke. Die mit dem Trinken verbundenen Schwierigkeiten und die negativen Auswirkungen sind weg ( Schamgefühle, die alkoholbedingte Depression und Niedergeschlagenheit, das Desinteresse,der Kater am nächsten Tag,die Schuldgefühle, die Selbstverurteilung,...,...).

    Das ist ja alles keine Kleinigkeit , sondern etwas Großes .

  • Hallo Paul

    Es klingt für mich eher so als wäre es gar nicht so gewinnbringend für dich ,abstinent zu sein.

    Du schreibst, du konntest dich früher besser entspannen und die Dinge gelassener sehen (unter Alkohol).

    Trotzdem war es doch insgesamt ein Betäuben, das zwar kurzfristig für Entspannung sorgte aber eben ohne Dauererfolg und mit negativen Auswirkungen.

    Deswege versteh ich nicht ,weshalb du das trotzdem so isoliert betrachtest und das hervorhebst als etwas viel Positiveres als das ,was heute ist.


    Was die Zufriedenheit betrifft:

    Daran zu arbeiten ist ,so denke ich ,eine Aufgabe fürs Leben.

    Bedürfnisse ändern sich ,Wünsche und Ziele ebenso.

    Diese nicht mehr zu verfolgen führt zur Unzufriedenheit, jedenfalls kenne ich das von mir.

  • Ich war schon immer sehr aufmerksam (achtsam), Alkohol, so lange er funktionierte, verhinderte das ganz gut, was ich nicht gerade als Nachteil ansah - ich war entspannter und viel gelassener, dachte nicht mehr sooo viel nach, nahm Dinge wie sie sind und fertig!

    Ich kann Paul vielleicht in der Hinsicht verstehen, dass durch den Alkohol eine zu große Sensibilität verhindert wurde, die nun ungefiltert an die Oberfläche kommt und im Vergleich zur sedierenden Wirkung (wo der Alk noch gut funktionierte) eher nervig sein könnte.

    Ich merke z.B. wenn ich jetzt nüchtern lange auf größeren Feiern herumsitze, wird mir es irgendwann zuviel und ich versuche zu gehen. Und auch beim (ewigen) Nachdenken über Dinge oder eher das Loslassen selbiger ist bei mir auch noch Luft nach oben.

  • Was die Festivitäten betrifft...daran habe ich länger auch kein Interesse mehr.

    Früher war es ja eher der Alkohol, der mich dort länger aushalten ließ.

    Das "ewige Nachdenken " kenne ich auch und trotzdem gibt es mir die Chance etwas an meinem Leben zu ändern - als einfaches Beispiel: Festivitäten interessieren mich einfach nicht mehr und wenn dann nur mit kurzer Verweildauer.

    Ich kann das ja selbst gestalten, was ich tun möchte und ob ich mich dem aussetzen möchte.

  • Nun wieder völlig "wach", unbetäubt ist das nicht mehr so. Das heißt, zufriedener wurde ich nicht gerade - überhaupt. Was den Alkohol angeht schon, das war's aber auch schon.

    Stimmt, das klingt ziemlich abgeklärt, desillusioniert.

    Der Alkohol versaute mir vieles - falsch, ich war es, nicht der Alkohol!

    Ich im (dauer-)alkoholisierten Zustand tat Dinge oder eben nicht, welche ich nüchtern nie getan hätte, das wiederum alles andere als Zufriedenheit hervorbrachte.

    Erst nüchtern konnte, wollte ich etwas verändern und tat es auch, das brachte mir viele kleine Erfolgserlebnisse, auch meiner Gesundheit ging es wesentlich besser. Ich musste positives Denken erst wieder erlernen, Hoffnung haben und auch dafür kämpfen. Niederlagen oder keinen Erfolg haben, das zu ertragen fiel mir Anfangs sehr schwer. Das ist wohl der schwierigste Teil des Suchtlösungsprozesses, negative Gefühle, Simmungen auszuhalten, die Gelassenheit zurückzugewinnen, um übeŕhaupt wieder zufrieden sein zu können.

    Da hilft ein gesunder, stetiger Umgang mit Menschen unheimlich viel, Ablenkung, Beschäftigung, Interaktionen mit Anderen.


    Ich hatte mich zusehend isoliert, das machte es doppelt schwer und nahm gerade am Anfang depressionsartige Züge an, von denen ich mich bis heute nicht so richtig lösen konnte und die immerwieder (mal) durchkommen. Abstinenz allein macht nicht glücklich, wenn ich es nicht wage, wieder am Leben teilzunehmen. Das tat am Anfang der Abstinenz weh, doch mit der Zeit verflogen meine Schuldgefühle, ich wurde selbstsicherer und wieder kompartibel.

    Und somit schaffte ich überhaut erst einmal eine Grundlage für die/eine mögliche Zufriedenheit.

    Ich musste mich von meinem "Mimosentum" (ich armes Häschen) lösen, weg vom Selbstbejammern kommen und wieder etwas wagen, auch auf die Gefahr hin, scheitern zu können.

    Zufriedene Abstinenz oder überhaupt Zufriedenheit muss erkämpft werden, ich muss etwas dafür tun, etwas verändern ... jeden Tag neu.

  • Danke, Paul für die lange Antwort.

    Ich kann das alles gut nachvollziehen, was du geschrieben hast. Nun ist es mir auch klarer, was du gemeint hast.

    Ganz besonders hat mich angesprochen als du geschrieben hast, dass es wichtig ist mit negativen Gefühlen umzugehen und diese erst mal aushalten zu lernen. Die Opferrolle hat -so denke ich-jeder, der noch trinkt. Es ist ja ein Zustand von :"was solls " und der Griff zur Flasche war ein schnelles und einfaches "Lösungsmittel".

    Und mit Beginn der Abstinenz gibt man ja nicht automatisch seine Opferrolle auf, sondern hat erst mal mit den Gefühlen unmittelbar zu tun.

  • Ganz besonders hat mich angesprochen als du geschrieben hast, dass es wichtig ist mit negativen Gefühlen umzugehen und diese erst mal aushalten zu lernen.

    ...

    Und mit Beginn der Abstinenz gibt man ja nicht automatisch seine Opferrolle auf, sondern hat erst mal mit den Gefühlen unmittelbar zu tun.

    Genau, das ist ja das Problem: Gefühle! Der eine etwas härter im Nehmen, ein anderer zart besaitet, hat eher die Neigung sich alles zu Herzen zu nehmen (Opferrolle) und löst sich förmlich darin auf

    ... wer da kein stabiles Umfeld, einen ausgeprägten Willen, Abgeklärtheit oder ein starkes Selbstbewusstsein hat, hat es arg schwer, sich von seinem Selbstmitleid zu lösen.

    Da sind oft die berühmten Schlagwörter, wie Resillenz, zufriedene Abstinenz u.ä. oft hohle Phrasen, die man selbst nicht mit Sinn erfüllen kann.

    Nur vom Suff loszukommen ist recht einfach, nur die dann wieder erwachenden Gefühle auszuhalten, sie nicht mehr betäuben zu wollen, ist das Schwierige und bedarf meistens eine längere Zeit. Bei einer Deression ist es ähnlich - theroretisch alles nachvollziehbar und logisch, wären da nicht diese "dummen" Gefühle.

  • Zufriedene Abstinenz oder überhaupt Zufriedenheit muss erkämpft werden, ich muss etwas dafür tun, etwas verändern ... jeden Tag neu.

    Ich finde das ganz wichtig was Du sagst, weil ich das ebenfalls mit als Kernbotschaft sehe. Und ich sehe das nicht nur als Kernbotschaft für die Abstinenz sondern auch für die Lebensentwicklung.

    Das klingt vielleicht blöde, aber ich finde, wir ehemaligen Trinker haben vielleicht sogar einen Vorteil durch unsere Abstinenz, die wir im Leben nutzen können.
    Wir wissen, wie es ist, "unten und gefangen" zu sein und haben ja - erneut - oder erst dann, lernen müssen, zu uns zu stehen. Und nicht nur zu uns zu stehen, wir mussten lernen und lernen auch weiterhin, uns zu entwickeln. Und zwar ganz bewusst. Wir kennen ja den Abgrund, und ich denke, niemand hat Lust da wieder runterzufallen. Deswegen tun wir ja eigentlich alles, um uns von dem Abgrund immer weiter zu entfernen. Und dieses Tun ist ja nichts anderes als Entwicklung.

    Und da gibt es m.E. zwei Modelle, die eine Entwicklung ist das Verharren und die Meidungstaktik, die andere Entwicklung ist das "Überschreiben" des Suchtgedächnisses. Das ist ja oben auch im Stüben - Podcast beschrieben, dass es möglich ist, seine Synapsen umzuprogrammieren. Das heisst zwar weiterhin, 0,00%, aber das Craving und der Umgang mit Alkohol wird ein anderer.

    Und wenn man so etwa geschafft hat, sich von so einer Sucht und dem Gesellschaftlichen Druck zu lösen, dass gibt auf jeden Fall Auftrieb. Wenigstens soviel, dass man sich morgens auf jeden Fall stolz auf die Schulter klopfen sollte. *Klopf Klop*

    Ich bring hier nochmal meinen Lieblingsspruch:

    Being sober is so much more than not drinking. It´s a lifestyle of radical clarity, presence, self development & adventure into possibility.
    (love.sober instagramm)

    Was gibt´s bei mir Neues: Pfingsten hab ich bislang die längste Rad - Graveltour meiner Karriere gemacht, in drei Tagen knapp 400 Kilometer. Und dabei die ganz erfreuliche Erfahrung gemacht, all die Grundlagenausdauer die ich mir seit dem Start meiner Abstinenz aufgebaut habe, zahlt sich maximal aus. Denn, ich war abends zwar herrlich platt, aber in den Beinen war noch genug Luft. Der Rückweg war prinzipell der anstrengenste Part, es ging durch die Holsteinische Schweiz und die Harburger Berge, und trotz etlicher Anstiege war auch am dritten Tag die Luft nicht raus. Heisst, ein größerer Projekt was ich mittelfristig im Auge habe, sollte körperlich auf jeden Fall machbar sein. Die Tour war ein guter Testlauf.

    Beruflich hatte ich mich ja hier auch ausgekotzt, auch da bewegt sich was. Ich habe nicht nur ein ziemlich gutes Angebot vorliegen, sondern muss mich nächste Woche wohl auch entscheiden. Einen Probetag in der möglichen Firma wird zeigen, ob ich den Schritt wage. Die, im wahrsten Sinne "nüchterne" Analyse zeigt eigentlich, dass ich wechseln sollte. Die emotionale Empfindlichkeit zeigt natürlich die typische, "german Angst" vor Veränderungen. Aber, wenn nicht jetzt wann dann?

    Privat ist es eher gerade belastend, hat sich ein nahestehendes Familienmitglied, dem ich leider nicht so einfach ausweichen kann, endgültig und schlussendlich als maximal toxische Gaslighting - Person gezeigt. Und es kristallisiert sich immer mehr heraus, wie enorm manipulativ die Person all mein Leben auf mich gewirkt hat. Und nicht nur auf mich, auf die ganze Familie und jetzt bekommen es sogar meine Kinder ab, die gar nichts dafür können.

    Da läuft sprichwörtlich eine Fackel herum die überall Feuer legt, sich aber selber als "löschendes Wasser" sieht. Und ich weiss nicht, wie ich mit der Person wenigstens einen Burgfrieden erreichen soll.
    Komplettes, vollständiges Ignorieren der Person wäre eigentlich dringend notwendig. Doch aufgrund der Nähe ist es nicht möglich ihr auszuweichen.

    Wenn meine Frau nicht so zögerlich wäre......wir haben ja schon vor Corona erwogen, alles zu verkaufen und wegzuziehen, wirklich einen Neustart zu machen. Und mich zieht es ja wie ein Magnet nach Dänemark, meine Frau hat einen absoluten JackPot-Job der uns alle Türen öffnen würde, aber meine Frau ist nicht so mutig. Oder noch nicht so mutig, sagen wir mal so.

    Also eines muss ich mal wirklich sagen, dass "Liebe" so sterben kann, hätte ich echt nicht gedacht. Aber, gerade durch die Abstinez und dieser Klarheit, sich wirklich mit den Thematiken zu beschäftigen und nach langem Nachdenken festzustellen - ich habe wirklich keine Schuld, mir wurde es immer nur eingeredet, das ist echt heftig.

    Das Positive ist, das meine Kinder davon profitieren. Und zwar in der Form, dass sie keine manipulativen Eltern haben sondern Eltern, die sie stützen.

    Tja

  • Honk Auch, wenn das natürlich nicht schön ist, so sind diese innerfamiliären Dynamiken im Rahmen der Abstinenz meines Erachtens in gewisser Weise normal. Bei mir ist der Kontakt zur gesamten Familie (zumindest das, was noch übrig war), wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Du hast das familiäre System verlassen durch die Abstinenz und passt damit nicht mehr so richtig rein. Das spüren die anderen Systemmitglieder in der Regel - wenn auch nur unterbewusst. Daher gibt es hier den berühmten Scheideweg: Entweder man geht mit, um sich selbst und das System zu verändern oder man hält am Status Quo fest und tut alles dafür, um das bestehende System zu erhalten. Die Angst vor Veränderungen grätscht hier voll rein und der letztere Weg ist meist der Bequemere. Aber Preis wird der Bindungsverlust zu dir und deiner Familie sein…vielleicht nicht komplett, aber die Art des Kontaktes verändert sich ja, denn wie du es ja beschreibst, gehst du schon in den Rückzug bzw. Vermeidung dieser Person. So alte eingefahrene familiäre Strukturen sind wahnsinnig schwer aufzubrechen. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich hab‘s probiert. Am Ende steht die Erkenntnis: Wenn ich nicht zurück ins System, mich anpassen und dem fügen will, dann ist die Konsequenz, dass ich alleine (ohne Familie) bleiben muss. 🤷‍♀️

  • Honk Auch, wenn das natürlich nicht schön ist, so sind diese innerfamiliären Dynamiken im Rahmen der Abstinenz meines Erachtens in gewisser Weise normal. Bei mir ist der Kontakt zur gesamten Familie (zumindest das, was noch übrig war), wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Du hast das familiäre System verlassen durch die Abstinenz und passt damit nicht mehr so richtig rein. Das spüren die anderen Systemmitglieder in der Regel - wenn auch nur unterbewusst. Daher gibt es hier den berühmten Scheideweg: Entweder man geht mit, um sich selbst und das System zu verändern oder man hält am Status Quo fest und tut alles dafür, um das bestehende System zu erhalten. Die Angst vor Veränderungen grätscht hier voll rein und der letztere Weg ist meist der Bequemere. Aber Preis wird der Bindungsverlust zu dir und deiner Familie sein…vielleicht nicht komplett, aber die Art des Kontaktes verändert sich ja, denn wie du es ja beschreibst, gehst du schon in den Rückzug bzw. Vermeidung dieser Person. So alte eingefahrene familiäre Strukturen sind wahnsinnig schwer aufzubrechen. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich hab‘s probiert. Am Ende steht die Erkenntnis: Wenn ich nicht zurück ins System, mich anpassen und dem fügen will, dann ist die Konsequenz, dass ich alleine (ohne Familie) bleiben muss. 🤷‍♀️

    Über deine Worte muss ich mal in Ruhe nachdenken. Also dass das Verhalten der Person aus der eigenen Angst vor Bindungsverlust kommen könnte, das wäre in der Tat eine Erklärung.
    Das würde auch andere Verhaltensweisen erklären.
    Allerdings, und das zeigen ja auch die letzten Jahre, teils Jahrzehnte, ist dieser Klammern so extrem geworden, dass es nur noch belastet und damit automatisch zu Distanz führt. Quasi eine selbsterfüllende Prophezeiung.

    Das Problem ist nur, die Person alleine kann das nur ändern, ich nicht. Ich könnte wiederum nur erneut in die Position kommen, das Verhalten auszuhalten und zu akzeptieren. Aber das wird so schwer, weil da wieder nur mutmaßliche böswillige Aktionen auszuhalten wären. Und da ich mir selber geschworen habe, mich von Einflüssen, die mich negativ bestrahlen, fernzuhalten und zu distanzieren, bleibt eigentlich nur die Distanz.

    Nun ja, echt blöde, aber der anderen Seite läuft es in meiner Kernfamilie so gut wie noch nie. Das ist die positive Seite des Ganzen :)

    VG

  • Also dass das Verhalten der Person aus der eigenen Angst vor Bindungsverlust kommen könnte, das wäre in der Tat eine Erklärung.
    Das würde auch andere Verhaltensweisen erklären.
    ... Das Problem ist nur, die Person alleine kann das nur ändern, ich nicht.

    Ich sehe es ähnlich, der Ausschluss aus der Gruppe (Bindungsverlust) bzw. die Gefahr, dass es passiere könnte, man einen abwertet oder selbst abgewertet wird, die bloße Annahme, die mögliche Unterstellung, verursacht schon einen äußerst unangenehmes Gefühl, gegen das man sich zu wehren versucht.

    Je vehementer der Ex-Trinker argumentiert oder überhaupt, es wagt, den Alkoholgenuss in Zweifel zu ziehen, desto mehr wird versucht, die eigene Position zu festigen, auf beiden Seiten.

    Das kann man auch oft bei Veganern und "Fleischfressern" oder überhaupt bei Vertretern unterschiedlicher Positionen beobachten, sei es in Politik oder in sonstigen Glaubensfragen.

    Gelingt es nicht sich zu einigen, auch den andern zu akzeptieren, dessen Meinung, kommt es zwangsläufig zum Zerwürfnis, egal ob in der Familie oder im Bekanntenkreis, selbst die Betroffenen selbst beharken recht schnell, ist die Toleranz eine sehr kleine. ... Gefühle werden verletzt oder man glaubt es zu mindest und schnell ist man weit entfernt, von einer möglichen Sachlichkeit.

    Bei Ehepaaren kann man es auch gut beobachten, es wird sich meist auf der emotionalen Ebene gestritten, schnell geht es nicht mehr um die Sache oder um Fakten, sondern darum, wer, was sagte und vor allem wie.

    Wenn ich mein Gegenüber nicht überzeugen kann, mich nicht mit ihm einige oder zumindest seine Postition akzeptiere, bleibt mir doch nur Fernhalten oder ein immer wieder aufflammender "Krieg" - egal ob Alkoholbeführworter oder Abstinenzler = erstmal "Waffenstillstand" in der Gruppe, ist doch Grundlage jeglicher Kommunikation.


    Das Problem ist nur, das kann man nur gemeinsam erreichen.

  • Also dass das Verhalten der Person aus der eigenen Angst vor Bindungsverlust kommen könnte, das wäre in der Tat eine Erklärung.
    Das würde auch andere Verhaltensweisen erklären.
    Allerdings, und das zeigen ja auch die letzten Jahre, teils Jahrzehnte, ist dieser Klammern so extrem geworden, dass es nur noch belastet und damit automatisch zu Distanz führt.

    Ich würde sagen, dass jeder seine Rolle im "System" spielt, welche er sich aus verschiedenen Gründen selbst antrainiert hat, aber auch von anderen Menschen oder Lebensumständen konditioniert wurde. Und gerade aus dieser Rolle ist es sehr schwer auszubrechen, weil sie immer gerne wieder vom jeweiligen System übergeholfen wird und man selbst die Rolle schon so lange "gespielt" hat, dass man sie beinahe "lebt" .

    Und wenn jemand sich entscheidet, aus dem (für ihn negativen) System auszubrechen, kommt es eben zu einem Ungleichgewichts der bestehenden Struktur. Und die anderen "Zahnräder", die aus diesem Gefüge Sicherheit, Wohlbefinden, Harmonie, Macht, Gebrauchtwerden... auf Kosten demjenigen, der eben mit diesem System nicht mehr zurechtkommt, gesaugt haben, reagieren verständlicherweise mit Manipulation (sind wütend, traurig, verletzt, sind entäuscht, Strafen mit Nichtbeachtung, drohen...) um ihr "funktionierendes System" zu erhalten.

    Gerade im familiären Bereich (aber auch in früheren toxischen Beziehungen) finde ich es besonders schwierig, das bestehenden System zu verlassen und seine Rolle abzulegen. Ich erlebe das manchmal so, dass sich manche Personen überhaupt nicht bewusst sind, dass sie manipulieren und doch alles nur "gut gemeint" ist. Jeder hat seine Bewältigungsstrategien und spielt sozusagen unbewusst seine Rolle und versucht auf diese toxische, manipulative Art die Umstände zu bewältigen bzw. seine Vormachtstellung zu erhalten.

    Wenn die Möglichkeit besteht (und keine vernünftige Lösung möglich ist) bleibt wohl wirklich nur noch ein Fernhalten, mitunter ist das aber oft nicht einfach.

    Und andererseits habe ich manchmal den Eindruck, dass man seine Glaubenssätze über sich selbst, seine "Rolle", die man jahrelang gespielt hat, unter Umständen an andereren Stellen ebenfalls widergespiegelt bekommt, diese sozusagen mit "umziehen".

    Ich finde in der Veränderung in dem, was ich (wirklich) über mich glaube und von welchen Ängsten ich mich leiten lasse, liegt ein großer Schlüssel, zumindest ist das mein derzeitiges Empfinden.

    Mich bewegt das zur Zeit auch an verschiedenen Fronten und mir werden einige Dreckhaufen bewusst, die ich jahrelang nur abgedeckt habe. Und das fühlt sich mitunter nicht sehr angenehm an, aber jetzt (nüchtern und mit klarem Kopf) sehe ich mich wirklich erstmals in der Lage, Lebensumstände anders zu betrachten und sie gegebenenfalls zu verändern.

  • Sooo......wenn ich gewusst hätte, was die Nüchternheit alles für Konsequenzen in meinem Leben nach sich zieht....vor Schiss davor hätte ich wohl nicht aufgehört......na, das war nicht ernst gemeint.

    Aber auf jeden Fall habe ich heute nicht nur die Entscheidung getroffen sondern auch die Zusage für ein Jobangebot gegeben. Und ich muss mit ein bisschen Abstand jetzt sagen, es ist richtig so.

    Mein quasi jetziger, unkündbarer Job war auch immer quasi eine Sicherungseinrichtung für mein Trinken.....was soll mir denn schon passieren? Und dafür hab ich all die Frustrationen auch hingenommen. Gleichzeitig, als ich noch trank, dachte ich, mein Trinken wäre verantwortlich dafür, dass ich den Job so grau gesehen habe.

    Doch mein Leben wurde bunt, ist bunt, ist schön und lebenswert. Der Job aber blieb so wie er ist und meine Frust, jetzt auch aus der "klaren" Perspektive betrachtet, blieb nicht nur, nein, Frust wurde immer klarer und deutlicher.

    Und deutlich wurde auch, man will mich. Woanders. Und zwar nicht nur durch ein Bewerbungsverfahren, nein, man hat sich richtig menschlich Mühe gegeben, man ist mir entgegenkommen und man hat mir Raum als auch Zeit für eine Entscheidung gegeben. Ganz anders als die kühlen Einstellungsverfahren im öffentlichen Dienst. Und der letzte Termin fühlte sich richtig an. Und meine künftigen Aufgaben spannend, bestimmt auch fordernd, aber auch deutlich besser bezahlt. Und was die Sicherheit angeht: Ich bin mir sicher, wenn der Job in die Binsen gehen sollte, ich finde ratz atz was anderes. Dem bin ich mir nun sicher, weil ich nun weiß, was ich wert bin.

    Krass.......aber ich bin erleichtert. Ich habe gesagt, 2024 fälle ich eine Entscheidung und wie der Zufall es so will, der neue Job wird aber genau, aber genau auf den Tag mit dem neuen Jahr beginnen :)

  • Ja, das ist schon ein Schritt, nach vielen Jahren so einen Schritt zu tun, zumal man selbst immer eingefahrener wird und es oft abzuwägen gilt.


    Doch mein Leben wurde bunt, ist bunt, ist schön und lebenswert. Der Job aber blieb so wie er ist

    Ich wünsche dir auf alle Fälle, dass dein neuer Job ebenfalls bunt, schön und lebenswert wird, wie dein "neues" Leben 👍

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!