Honk - Handbremse gezogen

  • Hallo Honk,

    ich hab das Thema, das du angesprochen hast, einfach mal in deinen Faden hier reinkopiert. Hoffe, das ist ok für dich.

    Weil mich das Thema so sehr interessiert hat, habe ich mich auf die Suche nach Informationen über Rückfallforschung gemacht und bin zum Beispiel auf diesen Prof. Lindenmeyer gestoßen, auf dessen Erklärvideos ich immer mal wieder verweise. Demnach löst nicht ein Trigger allein einen Rückfall aus.

    Ich befürchte, das ist zu einfach gedacht. Können wir aber gerne in einem anderen Thread diskutieren, weil’s zu diesem Thema hier eigentlich nicht mehr passt. Gewiss ist es aber Thema für einen Austausch.

    Gründe für einen Rückfall gibt's etliche.


    Mir gab ein erfahrener Mediziner zum Abschluss meiner Therapie mit auf den Weg: "Der ersten Schritt in Richtung Rückfall wird gemacht, wenn man sich nicht mehr regelmäßig mit seinem Problem befasst". Da ist viel dran.


    Erst lässt man das eigene Training schleifen, dann schleicht sich irgendwann der Gedanke aus dem Suchtgedächtnis heran, man sei so lange clean, jetzt könne man doch wieder wie ein Normaler was trinken, ja und dann wird's ausprobiert.


    Das ist mir schon mehrfach genau so begegnet. Daher bleibe ich am Ball und trainiere weiter.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Ich würde mich aktuell so einschätzen, ein Rückfall bei mir wäre eine aktive Handlung mit vollem Bewusstsein. Zu Deutsch: Eigene Doofheit. Oder ist das zu einfach gedacht?

    Ich kann’s nachvollziehen, dass dir das in deiner derzeitigen Lebenssituation so vorkommt bzw. du so denkst.

    Nun will ich dir mit einer Diskussion darüber keine Angst machen, dass das Damoklesschwert eines möglichen Rückfalls beständig bedrohlich über dir hängt, aber sensibilisieren möchte ich dich für die Problematik.

    Sind die, die rückfällig geworden sind, tatsächlich einfach nur zu doof gewesen? Ich selbst habe in Bezug auf Alkohol keinerlei Rückfallerfahrungen, wohl aber in Bezug auf meine Nikotinsucht. Rückfallerfahrungen habe ich persönlich in Bezug auf meinen Vater erlebt. Nun konnte ich nicht in seinen Kopf hineinsehen und ich kann ihn auch nicht mehr fragen, aber ich bezweifle, dass seine zahlreichen Rückfälle nur auf eigene Doofheit zurückzuführen sind. Und ich bezweifle auch, dass seine Rückfälle daran gelegen hätten, dass er den nüchternen Lyfestyle strikt abgelehnt hätte und eine Beteiligung an all den auftauchenden Wellen des "better life" ihn nicht interessiert hötten. (Zwinker)

    Mit anderen in diesem Forum und in dem anderen habe ich mich über deren Rückfälle und das, was dem voraus ging, nicht ausgetauscht.

    Ich weiß auch nicht, ob der erste Schritt zum Rückfall schon gemacht wird, wenn ich nachlasse, mich regelmäßig mit meinem Problem zu beschäftigen. Erfahrungen anderer scheinen immerhin dafür zu sprechen. Was ich selbst weiß, ist, wie leicht sich nach einer gewissen Zeit so ein Gedanke einschleichen kann, man sei doch so selbstverständlich und so lange clean, dass nix passieren könne, wenn man mal ne Ausnahme macht.

    Zu einem solchen Gedanken möchte ICH es gar nicht erst kommen lassen, deshalb bleib ich am Thema dran.

    Was ich aber am eigenen Leib erlebt habe, war diese eine überaus heftige Suchtdruckerfahrung in Bezug auf Alkohol. Und die hat mir echt einen riesigen Schrecken eingejagt. Natürlich hätte ich aktiv losziehen müssen, um mir Alk zu besorgen, aber meine Not war in dem Moment so groß, dass ich losgezogen wäre, voll bewusst und gleichzeitig mit einem Scheiß-egal-was-darauf-folgt-Gefühl, wenn ich in dem Moment nicht die Unterstützung gefunden hätte, die ich gebraucht dringend habe.

    Was ich interessant finde, ist das, was die Rückfallforschung herausgefunden hat. Ein Rückfall geschieht offenbar nicht aus heiterem Himmel, sondern hängt immer mit einer unausgewogenen Lebenssituation, scheinbar harmlosen Entscheidungen und einer Risikosituation zusammen.

    Bei meinem Vater dürfte es meiner Beobachtung und externen Analyse nach immer wieder die unausgewogene Lebenssituation gewesen sein, die zu seinen Rückfällen geführt hat. Zu doof wird der meiner Beobachtung nach nicht gewesen sein.

    Und wenn’s so weit kommt, dann dürfte wirklich eines aufs andere und manchmal so schnell hintereinander kommen, dass man gar nicht gucken kann. Und DANN mag dir das, was du da tust, zwar bewusst sein und doch handelst du gleichzeitig wie ferngesteuert, weil dir die Neurobiologie und -chemie deines Gehirns kaum mehr eine Wahl lässt. Und dann folgt offenbar der sogenannte Rückfallschock, der zu dem Gedanken führt, dass jetzt eh alles egal ist.

    Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Da ploppte bei mir gerade noch sei ein Gedanke auf, da du von „vollem Bewusstsein“ gesprochen hattest:

    Unterschätz nicht, was in deinem Unterbewusstsein abgeht. Irgendwann hatte ich irgendwo hier im Forum mal eine Diskussion mit Susanne über das Bewusstsein und das Unterbewusstsein.

    Bildlich gesprochen ist das Bewusstsein, von dem wir alle so viel halten, nur die Spitze des Eisberges. Das nicht sichtbare Unterbewusstsein wirkt auf uns jedoch viel stärker ein, als wir das normalerweise vermuten.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Ich kann nur von mir berichten, aber ich habe das nie so erlebt, dass ich mich zufällig auf einmal mit der Bierflasche in der Hand wiedergefunden habe oder dass es mich vom einen zum anderen Moment in die Tanke gezogen hat.

    Bei mir hing das immer mit einer Art Entscheidung zusammen.

    Diese "Sehnsucht" hat sich bei mir manchmal über Tage aufgebaut, ich habe verklärt nur noch Gutes am Trinken gesehen und alles Negative weggewischt.

    Ich hätte nach dieser Entscheidung für's Trinken auch nicht z.B. irgendwelche Proseccoflaschen die evtl. im Haus befunden hätten getrunken, sondern hätte mir MEINE Getränke in ausreichender Menge besorgt. (da hätte zwischenzeitlich viel Zeit vergehen können, aber wenn die Entscheidung einmal gefallen war, waren alle Verhinderungsaktivitäten nur noch ein zeitliches Rauszögern.

    Im Nachhinein gesehen bin ich auch der Meinung, dass mein Unterbewusstsein? mich viel mehr steuerte, als es mir bewusst war und mir sozusagen diese Sehnsucht in mich projizierte, der ich mit der Zeit nicht wiederstehen konnte und letztendlich trotz Aufbietung aller Willenskraft nachgegeben habe, nachgeben musste.

    Klingt schon etwas fremdbestimmt ...

    Vor meiner Initialzündung (kurz davor hatte ich Jan - Mai nichts getrunken)

    hatte ich Mitte Mai tagelang ein sehr starkes Craving.

    Mein ganzes Denken war tagelang nur ans Trinken bestimmt. Ich habe z.B. mit jemandem geredet und dabei nur ans Trinken gedacht und selbst in der Bauchregion/ Solarplexus war das körperlich zu spüren.

    Die (unterbewusste) Entscheidung war bestimmt schon einige Zeit vorher gefallen.

    Ich hatte mich dann am Freitag dafür entschieden, am Samstag wieder etwas zu trinken (weil ich es nicht mehr ausgehalten habe) und in dem Moment war das starke Craving weg (obwohl ich ja noch nichts getrunken hatte).

    Mir ist damals bewusst geworden, dass ich den Alkohol nicht als echte Chemie in meinem Körper brauche, sondern dass sich alles in meinem Kopf abspielt.

    Der Teil in mir, der nie genug bekommen konnte, war sozusagen bis Samstag ruhig gestellt.

    Ich habe daraufhin am Samstag aber trotzdem wieder getrunken (Versuch kontrolliert, was sowieso wieder nicht funktioniert hat) und war total unglücklich und zerissen darüber.

    Ich hatte dann noch eine knappe Woche weitergetrunken und habe es aber vor lauter Zerrissenheit und Verzweiflung nicht mehr ausgehalten (ich konnte es mir überhaupt nicht mehr vorstellen, wie es weitergehen sollte) und eben am 19.5. meine Initialzündung gehabt.

    Den Rest hatte ich ja schon mal geschrieben.

  • Ich hatte mich dann am Freitag dafür entschieden, am Samstag wieder etwas zu trinken (weil ich es nicht mehr ausgehalten habe) und in dem Moment war das starke Craving weg (obwohl ich ja noch nichts getrunken hatte).

    Mir ist damals bewusst geworden, dass ich den Alkohol nicht als echte Chemie in meinem Körper brauche, sondern dass sich alles in meinem Kopf abspielt.


    Der Teil in mir, der nie genug bekommen konnte, war sozusagen bis Samstag ruhig gestellt.

    Was mich dabei interessiert, da ich mich ja für die neurochemischen Prozesse im Gehirn interessiere, mir da so einiges nachvollziehbar ist und ich das, was da eigentlich passiert, gerne nachvollziehen möchte, ist:

    Was wäre gewesen, WENN du nach dieser Entscheidung im Kopf am Samstag nichts getrunken hättest.

    Soweit mir bekannt ist, reicht schon die Aussicht auf Belohnung für die Ausschüttung von Dopamin und Co im Gehirn. Auf diese Ausschüttung MUSS aber, soweit mir das bekannt ist und wie ich’s bei mir selbst auch erfahren habe, die tatsächliche Belohnung folgen.

    Daher mein Interesse: Was wäre - du wirst es nicht beantworten können, weil’s nicht so gekommen ist - gewesen, wenn du Samstag nicht getrunken hättest.

    Was du da beschreibst, kenne ich vom Rauchen. Stets heißt es, so ein Suchtdruck/ Craving halte nicht soooooo lange an, aber ich hab das auch über mehrere Tage gehabt. Ich hab keine Ahnung, warum das so war. In solchen Situationen wollte ich irgendwie auch nicht literweise Wasser in mich hineinschütten.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Was du da beschreibst, kenne ich vom Rauchen. Stets heißt es, so ein Suchtdruck/ Craving halte nicht soooooo lange an, aber ich hab das auch über mehrere Tage gehabt.

    Ja man kann die Situation wirklich mit dem Rauchstopp vergleichen.

    Was wäre gewesen, WENN du nach dieser Entscheidung im Kopf am Samstag nichts getrunken hättest.

    Schwierig, ich habe da auch schon öfters mal darüber nachdenken müssen, wenn ich an dem Samstag nicht getrunken hätte.

    Wahrscheinlich hätte ich damit das Trinken wieder ein paar Tage/ Wochen hinausschieben können, vielleicht wäre damit auch das Craving nie wiedergekommen.

    Vielleicht wäre ich total froh darüber gewesen, diese Tage überstanden zu haben, aber diese verklärte Sehnsucht war irgendwie noch in mir. (sonst hätte ich ja an dem Samstag nicht getrunken)

    Es war vielleicht eben noch teilweise auf der Basis "Willenskraft".

    Was mir vielleicht geholfen hat, dass die Erwartung+Vorfreude ans Trinken viel größer war, als dann der eigentliche tatsächliche "Genuss" (+Schuld&Verzweiflung danach)

    Einmal editiert, zuletzt von rent (19. September 2023 um 19:26)

  • Was mir vielleicht geholfen hat, dass die Erwartung+Vorfreude ans Trinken viel größer war, als dann der eigentliche tatsächliche "Genuss" (+Schuld&Verzweiflung danach)

    Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht.

    Neurobiologisch/ -chemisch ist das sogenannte Belohnungszentrum offenbar nicht an solche Erfahrungen geknüpft.

    Wenn das nämlich so wäre: Würden Alkoholiker, denen es so geht, dass sie diese Schuld und Verzweiflung immer wieder erleben, die noch nicht so weit sind, dass ihnen nichts anderes übrig bleibt, als zu trinken, weil ein Absinken des Pegels die Hölle ist, mit dem Trinken nicht einfach aufhören können? (Sorry für den fürchterlichen Schachtelsatz, krieg‘s nicht besser hin. 🙈)

    Brant und Susanne und du, ihr habt von der Erfahrung erzählt, innerlich zu kapitulieren, und wie das für euch gewissermaßen der zentrale Wendepunkt war und Beginn eurer Abstinenz war.

    Ich zitiere mal dich, Brant, weil du das in deiner Vorstellung so eindrücklich geschildert hast:

    Das spricht doch dafür, dass da im Inneren irgendwas abgehen muss, um wider Erwarten den Absprung zu bewirken. Was auch immer das ist, denn es geschieht ja offensichtlich nicht jedem.

    Das, was du, Rent, da in dem Zitat oben schilderst, ist meiner eigenen Erfahrung und den Erfahrungen von anderen (ich denke da zum Beispiel an Gerchla) nach das, was dann später hilft.

    Wir haben das deswegen in unseren Informationstext Bewahrung der eigenen Abstinenz durch „Selbstfürsorge“ aufgenommen:

    Zitat

    Oder sie kann darin bestehen, regelmäßige (geplante) Rückblicke auf die schlimmen Erlebnisse während der eigenen Trinkerzeit vorzunehmen und die eigene Suchtzeit aufzuarbeiten.

    Wie gesagt, ich weiß es nicht und ich hab noch keine überzeugende Antwort gefunden.

    Gerade deswegen begegne ich der Sache oder vielmehr MEINER Alkoholsucht mit einem gewissen Respekt und mit entsprechender Vorsorge/ Selbstfürsorge. Angst hab ich keine mehr.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Was mir vielleicht geholfen hat, dass die Erwartung+Vorfreude ans Trinken viel größer war, als dann der eigentliche tatsächliche "Genuss" (+Schuld&Verzweiflung danach)

    Wenn das nämlich so wäre: Würden Alkoholiker, denen es so geht, dass sie diese Schuld und Verzweiflung immer wieder erleben, die noch nicht so weit sind, dass ihnen nichts anderes übrig bleibt, als zu trinken, weil ein Absinken des Pegels die Hölle ist, mit dem Trinken nicht einfach aufhören können? (Sorry für den fürchterlichen Schachtelsatz, krieg‘s nicht besser hin. 🙈)

    Ja, da hast du vielleicht recht, das wäre irgendwo zu einfach gedacht bzw. würde das Aufhören recht einfach machen (zumindest für die, die noch nicht ihren Pegel halten müssen).

    Aber es ist ja gerade dieses Hamsterrad aus Trinken, Scham, Schuld, wieder trinken.

    Es war nur in dem Moment intensiver als andere Male:

    Ich hatte wahrscheinlich nach knapp 5 Monaten Entzug und diesem vorhergegangenen Craving eine Befriedigung erhofft, die eben dann nicht so in der erwarteten Intensität eingetroffen ist.

    Es waren eher so die Gedanken: Also so doll war das jetzt auch nicht und deswegen hast du jetzt deine 5 monatige Abstinenz aufgegeben.

    Aber genau diesen Gedanken der Enttäuschung habe ich bis jetzt gut eingebunkert (das wieder trinken überhaupt nicht so spektakulär wäre, wie ich es mir in meiner verklärten Erinnerung vorstelle)

    Aber ja, diese Momente hatte ich auch schon x mal früher erlebt und sie hatten nichts weiter bewirkt.

    Es ist übrigens krass, wie sich die eigene Objektivität unter diesem langen Suchtdruck verändert, wie man sich selber belügt und alles schön redet.

    DIESES MAL wird alles anders, dieses Mal kann ich kontrolliert Trinken, diese Mal gebe ich mir aber wirklich Mühe, dieses Mal...(und ein Teil von mir glaubt das in diesem Moment wirklich)

    Der vernünftige Teil in mir, der im Vorfeld schon weiß, dass dieses Mal NICHTS anders wird, wird überstimmt.


    Brant und Susanne und du, ihr habt von der Erfahrung erzählt, innerlich zu kapitulieren, und wie das für euch gewissermaßen der zentrale Wendepunkt war und Beginn eurer Abstinenz war.

    Das spricht doch dafür, dass da im Inneren irgendwas abgehen muss, um wider Erwarten den Absprung zu bewirken. Was auch immer das ist, denn es geschieht ja offensichtlich nicht jedem.

    Vermutlich ist da was dran.

    Ich war noch nie bei den AA's und das wäre bestimmt auch nicht mein Weg, aber dort ist ist ja in den ersten Schritten auch von einer innerlichen Kapitulation zu lesen.

    Ich finde nur, diese innerliche Kapitulation kann man nicht auf Knopfdruck hervorbringen, aber das ist vielleicht auch bei jedem anders.

    Aber für mich war es wirklich ein zentraler Wendepunkt, den ich unter keinen Umständen wieder verlieren will.

    (In Zusammenhang Kapitulation hatte ich viel früher schon mal ein ähnliches Erlebnis, aber da würde ich ein anderes Mal darüber schreiben, dass führt vielleicht hier zu weit und würde eher in die Kategorie "Leichtsinn und Gedankenlosigkeit" passen.)

    Ich bin aber auch der Meinung, dass es für jeden SEINEN Weg aus der Sucht gibt und dass dieser Weg für niemanden eine Qual sein muss.

    Vorrausgesetzt ist aber immer wieder die innere Bereitschaft, ich WILL nie wieder trinken und genau das eben mit vollstem Einsatz zu suchen/ umzusetzen.

    Und wenn ich z.B. Honk lese, hat er auch einen Weg, der meinem nicht ganz unähnlich ist und auch super zu funktionieren scheint.

    Die Initialzündung war vielleicht eine andere, aber in dem Weg danach finde ich mich sehr oft wieder.

    Für mich geht es viel darum, wie richte ich mein Leben nach der Sucht aus, was habe ich für Pläne. Dinge, die ich schon immer gerne machen wollte, mir aber immer die Sucht im Weg stand.

    Mir helfen z.B. auch positive Storys, Podcast's, Bücher von Leuten aus dieser Sober-Bewegung wirklich weiter.

    Menschen, die es wirklich ohne Qual geschafft haben, aufzuhören. Und ich muss dort nicht alles 1:1 umsetzen, aber ich brauche diese Hoffnung. Und es ist für mich kein Lifestyle, sondern eine Art ein zufriedenes, nüchternes Leben zu führen, was mir wirklich erstrebenswert erscheint und wie ich es auch immer mehr erlebe.

    Gerade deswegen begegne ich der Sache oder vielmehr MEINER Alkoholsucht mit einem gewissen Respekt und mit entsprechender Vorsorge/ Selbstfürsorge. Angst hab ich keine mehr.

    Ja ich habe auch gerade beim Schreiben und Erinnern gemerkt, dass es wirklich Respekt vor der Sucht und immer ein Kümmern um mich selbst bedarf.

    3 Mal editiert, zuletzt von rent (20. September 2023 um 00:12)

  • Es ist übrigens krass, wie sich die eigene Objektivität unter diesem langen Suchtdruck verändert, wie man sich selber belügt und alles schön redet.

    DIESES MAL wird alles anders, dieses Mal kann ich kontrolliert Trinken, diese Mal gebe ich mir aber wirklich Mühe, dieses Mal...(und ein Teil von mir glaubt das in diesem Moment wirklich)

    Der vernünftige Teil in mir, der im Vorfeld schon weiß, dass dieses Mal NICHTS anders wird, wird überstimmt.

    Ja, das habe ich bei mir in Bezug auf das Rauchen immer wieder so beobachtet. Mancher nennt das Suchtteufel, mancher Suchtgedächtnis. Ich selbst nutze eigentlich keinen Namen dafür, personifiziere es nicht, sondern nehme es lediglich als ein ziemlich schräges Phänomen zur Kenntnis.

    Ich möchte es gar nicht erst dazu kommen lassen, dass dieses Phänomen bei mir auftritt, deshalb richte ich mein Leben auch nach „zufriedener Abstinenz“ aus bzw. nicht viel anders als du das formulierst:

    Für mich geht es viel darum, wie richte ich mein Leben nach der Sucht aus, was habe ich für Pläne.

    Susanne und Gerchla haben mich vor bald drei Jahren drauf gebracht. Susanne formulierte das damals so:

    Und heute kann ich feiern und auch den Sonnenuntergng bei Saft geniessen. Ohne drüber nachzudenken, ob ich ein Problem habe oder mir hinterher irgendwelche Selbstvorwürfe zu machen. Genuss ohne Reue. Ich bin heute gefühlsmäßig da, wo ich mit dem Trinken immer hin wollte. Nur bin ich schon lange nüchtern.

    Das hat mich angesprochen und erreicht. Und inzwischen könnte auch ich das genau so formulieren.

    Mir haben ebenfalls die positiven Stories geholfen. Ich stehe allerdings eher auf das sogenannte Bodenständige (hat auch mit meiner persönlichen Vergangenheit zu tun). Ich selbst hab u.a. einige Bücher von Selbstbetroffenen gelesen, die ich hier in der Literaturecke gefunden hatte. Diese Sober-Bewegung ist mir persönlich in ihren Formulierungen too much, aber das heißt ja nix. Wenn’s anderen hilft, sich davon inspirieren zu lassen kann, dann ist das doch völlig in Ordnung. Oder?

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Diese Sober-Bewegung ist mir persönlich in ihren Formulierungen too much, aber das heißt ja nix. Wenn’s anderen hilft, sich davon inspirieren zu lassen kann, dann ist das doch völlig in Ordnung. Oder?

    Ja genau, ich finde, es geht ja gerade darum, den besten Weg zu finden, mit dem ich ein Leben lang zufrieden und sicher unterwegs bin und ich muss nicht alles 1:1 umsetzen.

    Ich fühle mich zur Zeit zwar sehr stabil, aber mich haben die vorherigen Beiträge und das Erinnern an vergangene Craving-Situationen (die teilweise negativ endeten) wirklich dazu bewegt, einiges auch wieder etwas bodenständiger zu betrachten.

    Und dass eine gesunde Vorrausschau/ Vorsorge sehr wichtig ist und eine zufriedene Nüchternheit kein Selbstläufer ist.

    Vielen Dank :thumbup:

  • Das sehe ich anders, Bassmann, weil das für den, der am Anfang steht, durchaus ein Thema ist, was erstmal bewältigt werden muss, und zwar WEIL Alkohol (und leider vielleicht demnächst wirklich auch Gras) in unserer Gesellschaft so eine Omnipräsenz und Selbstverständlichkeit hat.

    Ich machte bei meiner Nikotinsucht die Erfahrung, dass es mir half, mich mit denjenigen zu umgeben, die noch rauchen mussten. Da konnte ich hautnah erleben, warum ich das nicht mehr tun wollte. Gut, bei den Nikotinabhängigen war das leichter als bei den Alkoholsüchtigen, weil ich jene am Arbeitsplatz studieren konnte, wenn sie in den Pausenbereich stürmten, um das zu tun, was ihnen die Sucht befahl, bevor sie sich z.B. um die Nahrungsaufnahme kümmern konnten. Beim Saufen hätte ich wahrscheinlich auf das Münchner Oktoberfest gehen müssen, um ähnliche Eindrücke sammeln zu können.

    Ich brauchte das nicht, weil ich zuvor die Erfahrung beim Rauchstopp gemacht hatte.

    Es fällt mir wirklich schwer nachzuvollziehen, warum jemand, der aus einer Sucht aussteigt, ein Problem damit hat, dass andere die Droge (noch) konsumieren. Es ist vielleicht Allen Carrs "Gehirnwäsche" geschuldet, die bei mir möglicherweise besonders gut anschlug. Aber ich erlebte es sowohl beim Ausstieg aus der Nikotinsucht als auch aus der Alkoholsucht so, dass ich zwar durchaus Entzugsprobleme hatte, aber niemals diejenigen beneidete, die das Suchtmittel noch konsumierten. Ich wollte raus aus der Spirale, und jeder, der noch drin war, taugte allenfalls als negatives Beispiel, das mich auf meinem Weg bestärken konnte.

    So wie ich das sehe, ist der Ausstieg aus einer Sucht ein Akt der Befreiung. Und warum soll ich auf diejenigen neidisch sein, die sich noch nicht befreien konnten?

    Mir hat diese Sichtweise geholfen, meine Süchte nicht nur einfach zu überwinden, sondern den Ausstieg als einen Zuwachs an Freiheit zu erleben.

    Es grüßt
    der Bassmann.

  • So wie ich das sehe, ist der Ausstieg aus einer Sucht ein Akt der Befreiung. Und warum soll ich auf diejenigen neidisch sein, die sich noch nicht befreien konnten?

    Mir hat diese Sichtweise geholfen, meine Süchte nicht nur einfach zu überwinden, sondern den Ausstieg als einen Zuwachs an Freiheit zu erleben.

    Da du dich direkt auf mich bezogen hast, teile ich dir MEINE Gedanken dazu mit. :)

    Inzwischen nehme ich selbst das auch so wahr, das der Ausstieg aus meiner Sucht ein Akt der Befreiung war und mir aus diesem Ausstieg ein Zuwachs an Freiheit zuteil geworden ist.

    Es hat bei MIR allerdings durchaus gedauert, bis ich das vollumfänglich so wahrnehmen konnte.

    Und ich hab in den letzten drei Jahren, in denen ich mich aktiv und engagiert mit dieser Alkoholsucht beschäftigt habe, anhand der Beiträge, die von Neulingen gekommen sind, beobachtet, dass diese ähnlich damit zu kämpfen hatten, aus dem ihnen bekannten und vertrauten sozialen Netz herauszufallen.

    Honk beschreibt hier in seinem Faden, wie er ausbleibende Einladungen und auch das Verhalten seiner Familie als diskriminierend erlebt. Rent berichtet von ähnlichen Erfahrungen und von Unverständnis seiner Abstinenz ihm gegenüber. Ähnliche Erfahrungen lassen sich in vielen Erfahrungsberichten von Neulingen/ Abstinenzlern im ersten Jahr beobachten.

    Und solche Erfahrungen fühlen sich eben nicht als Befreiung an, sondern im Gegenteil als Belastung. Mancher muss überhaupt erst lernen, damit umzugehen.

    Bei mir war das kein Neid auf andere Alkohol Konsumierende, den ich gespürt habe, sondern Selbstmitleid, weil ich mich ausgeschlossen fühlte.

    Ich hab das Buch von Allan Carr ebenfalls gelesen, als ich mit dem Rauchen aufgehört hatte. Es hat mir einen Ausstieg erleichtert, mich aber nicht davor bewahrt rückfällig zu werden.

    Beim Rauchen bzw. im Umgang mit anderen Rauchern erlebe ich das im Übrigen anders als beim Alkohol und im Umgang mit unserer Gesellschaft, in der Alkohol omnipräsent und selbstverständlich ist.

    Ich hab das bei Rauchern noch nie erlebt oder beobachtet, dass da eine Äußerung gekommen wäre: „Es muss doch gehen, dass du ab und zu mal eine mitrauchst". Und ich hab mich unter Rauchern noch nie dafür rechtfertigen müssen, wenn ich nicht geraucht habe. Im Gegenteil kamen dann eher Glückwünsche und mitunter Äußerungen wie „Ja, ich überlege auch schon eine Weile aufzuhören.“

    Alkohol spielt in unserer Gesellschaft eine ganz andere Rolle als Zigaretten und Co.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Ich machte bei meiner Nikotinsucht die Erfahrung, dass es mir half, mich mit denjenigen zu umgeben, die noch rauchen mussten.........

    Ich brauchte das nicht, weil ich zuvor die Erfahrung beim Rauchstopp gemacht hatte.

    Es fällt mir wirklich schwer nachzuvollziehen, warum jemand, der aus einer Sucht aussteigt, ein Problem damit hat, dass andere die Droge (noch) konsumieren.

    So wie ich das sehe, ist der Ausstieg aus einer Sucht ein Akt der Befreiung. Und warum soll ich auf diejenigen neidisch sein, die sich noch nicht befreien konnten?

    Ich sehe das ziemlich ähnlich bis gleich. Und kann auch wirklich bestätigen, dass mir der Rauchstopp beim Trinkstopp auf jeden Fall geholfen hat. Der Rauchstopp war für 1-2 Wochen echt die Hölle. Dazu ist die Alkoholabstinenz ehrlich gesagt ein Spaziergang. Ich schiebe das auf die Verknüpfungen, die beim Rauchen deutlich mehr waren als beim Trinken.

    Ein weiterer Punkt, ich brauchte auch die Konfrontation. Beim Rauchstopp bin ich ein halbes Jahr lang mit einer Schachtel Kippen in der Tasche rumgelaufen, beim Trinkstopp über eine Woche mit einer Flasche billigsten Wodka in im Rucksack.

    Letzters war aus zwei Aspekten, einmal aus Angst vor dem überall beschriebenden, kalten Entzug, um dem "medikamentös" begegnen zu können und gleichzeitg auch als Grenze die ich mir selber gesteckt habe, da ich selber nie wirklich Schnaps getrunken hatte, dass ich, würde ich diese Flasche ansetze, wirklich ein "echtes Problem" hätte. Und das wollte ich mir beweisen, dass ich nicht soweit "unten" bin, das ich mir irgendwo eine billige Flasche Wodka an den Hals schraube. Nach einer Woche habe ich die Flasche dann ganz bewusst ausgegossen und weggeworfen.

    Was ein wenig länger stehen blieb, war mein "Getränkelager" mit den leeren und vollen Bierflaschen im Schuppen wo mein Fahrrad parkt. Das hab ich glaub ich 4-6 Wochen bewusst aufgebaut gelassen und habe jeden Morgen und jeden Nachmittag mein Fahrrad da geparkt und mir die Unmenge von Flaschen angeguckt. Und natürlich auch den Geruch in der Nase gehabt. Und ich hab mir jedes Mal gesagt, so ein Haufen Scheiss kipp ich mir nicht nochmal in den Hals.

    Nach den 4-6 Wochen hab ich dann meiner Frau gesagt, ich bin soweit und habe den Scheiss dann mit ihr zusammen entsorgt und sauber gemacht.

    Also im Grunde habe ich mich auch befreit. Das ist auch (mit) ein Grund warum ich nicht sagen, ich "verzichte" auf Alkohol denn da gibt es nichts zu verzichten. Außer, das klang ja schon an, der Verzicht auf manche Geselligkeit und Party, die automatisch Einzug gehalten hat.

    Als Kompensation hat dann sukkessive und mittlerweile sehr strukturiert der Sport bei mir Einzug gehalten. Mein Körper hat mir halt einfach das Signal gegeben dass er das will und ich habe diese Bewegung auch all die Jahre vermisst. Es ging einfach nicht, sich so zu bewegen und zu fordern.

    Aber so, ich habe nie gedacht, dass mit diese Struktur und Disziplin die ich an den Tag legen muss, so fordert und gleichzeitig auch so zufrieden stellt. Das ist schön zu erfahren finde ich.

    Zitat

    ese Sober-Bewegung ist mir persönlich in ihren Formulierungen too much, aber das heißt ja nix. Wenn’s anderen hilft, sich davon inspirieren zu lassen kann, dann ist das doch völlig in Ordnung. Oder?

    Wie immer gibt es extremistische Auslegungen, ich bin da der Mittelweg und tue was mir gut tut. Meinem direkten Umfeld das nun überstülpen zu wollen oder als "Messias" aufzutreten, liegt mir fern. Ich habe zwar eine Überzeugung aber ich bin zu alt dafür, mich da irgendwie als Leitfigur oder wie immer darstellen zu wollen. Wenn sich jemand angesprochen fühlt, ist das schön, wenn nicht, seine / ihre Sache. Ich mach das für mich und das ist mein Anker.

    Zitat

    Und heute kann ich feiern und auch den Sonnenuntergng bei Saft geniessen. Ohne drüber nachzudenken, ob ich ein Problem habe oder mir hinterher irgendwelche Selbstvorwürfe zu machen. Genuss ohne Reue. Ich bin heute gefühlsmäßig da, wo ich mit dem Trinken immer hin wollte. Nur bin ich schon lange nüchtern.

    Mittlerweile bin ich oft an dem Punkt, schöne Dinge gar nicht begleiten zu müssen also im Sinne von Konsum von irgendwas. Ich hab zwar auch hochwertigste Limo zu Hause als auch auf der Arbeit, um mir mal was zu "gönnen", aber ich merke dass diese "Gönnung" eigentlich nicht mehr nötig ist. Das ist ja eine Art von Selbstbelohnung und ich bin aktuell aus dem Kreislauf raus, das zu müssen. Möglicherweise ist das auch nur eine Phase, keine Ahnung.

    Zitat

    Für mich geht es viel darum, wie richte ich mein Leben nach der Sucht aus, was habe ich für Pläne. Dinge, die ich schon immer gerne machen wollte, mir aber immer die Sucht im Weg stand.....

    ....Menschen, die es wirklich ohne Qual geschafft haben, aufzuhören. Und ich muss dort nicht alles 1:1 umsetzen, aber ich brauche diese Hoffnung. Und es ist für mich kein Lifestyle, sondern eine Art ein zufriedenes, nüchternes Leben zu führen, was mir wirklich erstrebenswert erscheint und wie ich es auch immer mehr erlebe.....




    Richtig, so fühle ich mich auch und das ist eines meiner größten Motivationsbausteine. Ich hab das ja oben schon gesagt, deswegen kann ich die Abstinez nicht als Verzicht definieren sondern nur als Gewinn, weil es jeden Tag immer neue Möglichkeiten gibt sich zu entfalten. Wenn ich jetzt bsp. morgen zum ersten Mal nach der Saisonpause wieder zum Hockey gehe, guck ich mir in Ruhe das Spiel an, geh danach ins Bett, stehe um 8 Uhr auf und gehe erstmal - das Wetter sieht ja gut aus - eine Runde laufen um danach mit der Familie zu frühstücken. Ich empfinde das einen riesen großen Gewinn anstatt, wie letztes Jahr, um 6 Uhr das erste Mal mit Schädel wach zu werden und mich mit einem Bollerkopf irgendwann aufzustehen und mich durch den Tag zu quälen.

    In Summe habe ich soviel neue Qualitätszeit gewonnen, das ist echt schön.

    Und mit diesen Gedanken schärfe ich meine Abstinenz und Ausrichtung.

    VG!

  • Mittlerweile bin ich oft an dem Punkt, schöne Dinge gar nicht begleiten zu müssen also im Sinne von Konsum von irgendwas. Ich hab zwar auch hochwertigste Limo zu Hause als auch auf der Arbeit, um mir mal was zu "gönnen", aber ich merke dass diese "Gönnung" eigentlich nicht mehr nötig ist.

    Das geht mir mittlerweile auch oft so, dass ich das gar nicht brauche. Es besteht überhaupt keine Notwendigkeit mehr, weil das Schöne für mich inzwischen von sich aus schön ist.

    Seit geraumer Zeit trinke ich in der Regel nur noch Wasser und bin damit bestzufrieden. Mein Körper und Geist scheint das sogar als das beste Getränk von allen zu empfinden.

    Manchmal hab ich Lust auf ne Limo, aber im Grunde geht’s mir ähnlich wie dir, diese „Gönnung“ ist eigentlich nicht mehr nötig.

    Hätte ich mir vor drei Jahren nie vorstellen können….

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Es fällt mir wirklich schwer nachzuvollziehen, warum jemand, der aus einer Sucht aussteigt, ein Problem damit hat, dass andere die Droge (noch) konsumieren. Es ist vielleicht Allen Carrs "Gehirnwäsche" geschuldet, die bei mir möglicherweise besonders gut anschlug. Aber ich erlebte es sowohl beim Ausstieg aus der Nikotinsucht als auch aus der Alkoholsucht so, dass ich zwar durchaus Entzugsprobleme hatte, aber niemals diejenigen beneidete, die das Suchtmittel noch konsumierten. Ich wollte raus aus der Spirale, und jeder, der noch drin war, taugte allenfalls als negatives Beispiel, das mich auf meinem Weg bestärken konnte.


    So wie ich das sehe, ist der Ausstieg aus einer Sucht ein Akt der Befreiung. Und warum soll ich auf diejenigen neidisch sein, die sich noch nicht befreien konnten?

    Ich habe kein Problem damit, dass andere noch Alkohol konsumieren. Es ist eher ein neutrales Beobachten ohne Emotionen.

    Da ist kein Verlangen mehr, kein Neid, kein tropfender Zahn. Nichts und das ist so eine Befreiung.

    Ich merke aber auch, dass das ehemalige Trinken teilweise noch mit sozialen Interaktionen verknüpft ist.

    Dort wird mir teilweise noch ein Verzicht vorgegaukelt oder eher, das Gefühl "mittrinken" zu müssen, um "dabei" zu sein.

    Es ist nicht das eigentliche Verlangen nach Alkohol, sondern eher das Bedürfnis, "dazugehören" zu wollen.

    Aber ich gehöre doch dazu, bin dabei, nur das ich KEINEN Alkohol mehr trinke.


    Und auch diese Momente werden immer weniger, sie werden sogar manchmal von dem Eindruck überdeckt, etwas wirklich Schlimmes durchgestanden/ überstanden zu haben, was sich ein Nüchtsüchtiger überhaupt nicht vorstellen kann.

    Mir wird auch immer mehr bewusst, was für riesengroßer Schatz diese Nüchternheit für mich ist, da können die anderen gerne ihr "Prosit auf die Gemütlichkeit singen".

    Bei mir war das kein Neid auf andere Alkohol Konsumierende, den ich gespürt habe, sondern Selbstmitleid, weil ich mich ausgeschlossen fühlte.

    Ich kenne das auch noch sehr stark aus meiner langjährigen Trinkpause und habe immer gehofft, dass es mit der Zeit vergeht.

    Da ich aber dem Alkohol immer als einen Teil von mir gesehen habe und ihm jahrelang nachgetrauert habe, hat es sehr lange gedauert, bis dieses Gefühl weniger wurde. (klar die Zeit heilt auch sehr viel und arbeitet für mich)

    Aber damals war es immer noch lange latent vorhanden, weil ich eben dem Alkohol in meinem Denken immer noch Raum gegeben/ ein Platz reserviert habe.

    Nun ist es kein Selbstmitleid mehr, sondern ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit, nicht mehr trinken zu müssen.

    Ich sehe das ziemlich ähnlich bis gleich. Und kann auch wirklich bestätigen, dass mir der Rauchstopp beim Trinkstopp auf jeden Fall geholfen hat. Der Rauchstopp war für 1-2 Wochen echt die Hölle. Dazu ist die Alkoholabstinenz ehrlich gesagt ein Spaziergang. Ich schiebe das auf die Verknüpfungen, die beim Rauchen deutlich mehr waren als beim Trinken.

    Bei mir war es ähnlich, der Rauchentzug war echt mit das Schlimmste, was ich miterlebt habe. Ich hatte teilweise wochenlang ein Gefühl als würde ich mich mit einem mir fremden Körper durch dicken Brei quälen und als wäre die Erde ein Planet, auf den ich nicht hingehöre, das war so was von strange...

    Meine vielen Alkoholentzüge habe ich in dem Hinblick auch etwas "gemäßigter" erlebt, der körperliche Entzug/ die Entgiftung waren immer recht schnell durch, die psychischen "Unpässlichkeiten" waren schon etwas geringer als beim Rauchtenzug.

    Aber das Gefühl der eigenen Fremdheit, mit dem Alkohol einen Teil von mir aufgegeben zu haben und ein Gefühl der Verlassenheit und nicht mehr zu dieser Welt zu gehören, waren auch noch lange da.

    Und auch dieses Craving, was ich eben kurz vor dem Beginn meiner jetzigen Abstinenz erlebt habe, will ich nie wieder.

    Aus meiner Sicht braucht der Alkohol länger als Nikotin zum echten und dauerhaften Andocken. Er hat sich sozusagen sehr leise und gemütlich von hinten angeschlichen und es braucht auch wieder seine Zeit, bis er sich entgültig wieder "ausschleicht" und ich auch diese Gehirnwäsche in jedem Detail wieder loswerde, die ich mir selber verpasst habe und verpassen lassen habe.

    [Nur nochmal zum kalten Entzug:

    Ich bin in den vergangenen Jahren mit meinen kalten Entzügen immer echt naiv, gedankenlos und fahrlässig an die Sache herangegangen (ich hatte mich ja nicht als "echter" Alkoholiker gesehen, sondern nur als jemanden, mit einem fetten Alkohol&Suchtproblem)

    Im Nachhinein gesehen bin ich wirklich so dankbar, dass alles gut gegangen ist.]

    Was ein wenig länger stehen blieb, war mein "Getränkelager" mit den leeren und vollen Bierflaschen im Schuppen wo mein Fahrrad parkt. Das hab ich glaub ich 4-6 Wochen bewusst aufgebaut gelassen und habe jeden Morgen und jeden Nachmittag mein Fahrrad da geparkt und mir die Unmenge von Flaschen angeguckt. Und natürlich auch den Geruch in der Nase gehabt. Und ich hab mir jedes Mal gesagt, so ein Haufen Scheiss kipp ich mir nicht nochmal in den Hals.

    Nach den 4-6 Wochen hab ich dann meiner Frau gesagt, ich bin soweit und habe den Scheiss dann mit ihr zusammen entsorgt und sauber gemacht.

    MEINE Getränke hatte ich kurz nach meiner Initialzündung kurzerhand an eine Bekannten weitergegeben, mit dem Hinweis, dass ich nicht mehr trinke.

    Es war vielleicht auch auch ein (kleines) öffentliches Bekenntnis oder einfach nur Flucht nach vorn.

    Meine letzten Opioide hatte ich schwereren Herzens entsorgt (hab die damals gehütet wie ein Kleinod und man bekommt sowas ja auch nicht im Discounter zu kaufen)

    Die letzte Tablette hatte ich an dem Tag genommen, als ich meinen "Zerbruch" hatte.

    Seit dem war, wie auch auf den Alkohol kein Verlangen mehr darauf, aber ich hatte mich trotzdem sehr schwer getan, mich von der letzten Packung zu trennen.

    Es war vielleicht so ähnlich, wie bei dir und deiner Billig-Wodkaflasche Honk oder vielleicht ein Stück dieser trügerischen "Sichertheit", ein Artefakt aus dieser schrägen Sucht-Welt, die nun gottseidank hinter mir liegt, behalten zu wollen.

    Wie auch immer, der Arzneischrank ist nun frei von Dingen, die ich missbraucht habe und wo früher die Bierkästen standen, steht jetzt ein Kasten mit Spezi und Wasser.

    Und ich bin so dankbar, dass es so ist, wie es jetzt ist...

    Einmal editiert, zuletzt von rent (21. September 2023 um 23:13)

  • Einen wunderschönen Gruß ins Wochenende,

    ich überlege gerade was ich erzählen könnte aber aktuell muss ich einfach sagen: Ich hab nix zum Thema Alkohol und Abstinenz. Es läuft alles seinen gewohnten, sozialistischen Gang. "Ekelhaft normal" quasi. Ich habe die letzen Tage noch nicht einmal an das Zeug gedacht. Nix, nada, niente. Weisses Rauschen. Neutrales Grau (8 % Grau, #808080), schweigen im Walde. Trügerische Ruhe, Ruhe vor dem Sturm?

    Bevor ich mich hier auf die Couch gesetzt habe um irgend ein Zeug in die Landschaft zu schreiben hab ich kurz in den Spiegel geguckt und festgestellt: Wow, wo kommt denn dieser gut aussehende Typ da her? Dann hab ich kurz auf die Uhr geguckt und festgestellt: Zu früh, Frau schläft noch, wenn du die jetzt weckst gibt es Ärger den ganzen Tag...Ärger wollen wir nicht, eigentlich das Gegenteil...egal. Also, leise auf die Couch, den ersten Kaffee des Tages trinken und gucken ob man sich irgendeine Suchtgeschichte aus dem Hirn quetschen kann.

    Apropos, Kaffee: Da hab ich was: Hab ich erzählt dass ich mindestens 1/2 Jahr keinen Kaffee morgens getrunken habe, weil mich der Kaffee tierisch bei Zigaretten getriggert hatte? 1/2 Jahr keinen Kaffee morgens. Unglaublich. Aber Seitennotiz, die Geschichte mit dem Kaffee, Kippen und dem Klo.....egal...ihr wollt das nicht wissen, also...es ist egal ob man Kaffee Kippen oder nicht, es geht trotzdem. So. Dann wisst ihr das nun auch. Wer weiss wozu man das Wissen mal braucht.

    War noch was? Doch! Jetzt fällt es mir ein, da war was: Junge Junge...(Mädchen, Mädchen), (he she it, das S muss mit).....

    Altobelli, auf der Arbeit war doch was: Maximale Aufmüpfigkeit. Da waren mal wieder so ein paar Vorfälle, die aber meine momentane, vorherrschende Tiefenentspannheit in keiner Weise tangiert haben. Sonst hätte mich der Scheiss auf den letzten Winkel einer imaginären Palme gebracht, mich tierisch aufgeregt, meinen Blutdruck hochgekocht....und ich hab einfach Nein gesagt.

    Meiner Chefin ist fast das Müsli aus dem Gesicht gefallen als ich einfach "Nein", sagte und meinen Rückzug aus einem doch so wichtigen Gremium mitteilte. So ein schönes Gremium nach Feierabend, wo man sich eh fragt, was macht man da und wo man eh von anderen Leuten - die man nicht mag - immer übersteuert wird und die, apropos Steuer, die Steuergelder zum Fenster rauswerfen und man eh nix dagegen tun kann.

    Chefin war sauer, ich war stolz, können kann sie mir nämlich nichts. Jetzt werden hier andere Seiten vom Honk aufgezogen. Da mir der Laden mittlerweile egal ist, ich gleichzeitig quasi den Status der Unkündbarkeit habe, kann man den Leuten auch mal auf der Nase rumtanzen, nach 15 Jahren.

    Und was soll ich euch sagen? Klingelt doch kurz vor Feierabend am Freitag, mein Kugelschreiber fiel gerade schon langsam zu Boden, rief die Chefin an und sagte: "Bitte......sie könne nicht auf mich verzichten...".....ich hab ihr gesagt, die Verbindung wäre schlecht, ich könne sie nicht verstehen, sie möge noch einmal anrufen......Sie rief noch einmal an und sagte: "Bitte"......

    Ich hab gesagt, ich überlege es mir, vielleicht, müsse aber los, schönes Wochenende.

    Und wo wir gerade beim Thema sind.....ach so, wenn jetzt die Vermutung im Raum steht, ich hätte was an der Murmel, und gar....was getrunken....Nö. An der Murmel vielleicht, ja da stehe ich auch zu. Aber ansonsten ist alles fein. Dachte mal so, ist ja mein Thread, mal was anderes muss her....oh meine Frau ist wach, muss los....;)

    Tschüss!

  • Hallo Honk,

    auch dir erstmal ein schönes Wochenende.

    Und wo wir gerade beim Thema sind.....ach so, wenn jetzt die Vermutung im Raum steht, ich hätte was an der Murmel, und gar....was getrunken....Nö. An der Murmel vielleicht, ja da stehe ich auch zu.

    Nö, vermute weder das eine noch das andere, dennoch weiß ich grad nicht so recht, wie ich deinen Beitrag hier einordnen soll bzw. verstehen soll, und deswegen frag ich einfach mal nach.

    Wenn ich das richtig verstehe, liegt dir ein bisschen was dran, dass dieses Forum erhalten bleibt. Du hast ja auch ein paar konkrete Ideen eingebracht.

    Möchtest du mit diesem Beitrag einfach ein Lebenszeichen von dir signalisieren, darstellen, was dich derzeit so beschäftigt bzw., wie dein neues Leben aussieht, und deinen Faden durch anderes als die Themen „Abstinenz“ und „Alkohol“ mit Leben füllen?

    Sollen andere dich und, wie du so tickst, etwas näher kennenlernen, weil du gerne Mitglied dieses Forums sein möchtest?

    Oder möchtest du ein bisschen provozieren?

    Ich muss gestehen, ich weiß noch nicht so recht, woran ich mit dir bin. 🤷‍♀️ Anderen mag es da ähnlich gehen. Bevor es zu vermeidbaren Missverständnissen kommt, wäre es vielleicht hilfreich, wenn du dich dazu äußerst.

    Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Okay, das war einfach Satire und Blödelei, sich selber nicht ernst und ein wenig auf die Schippe nehmen.

    Gut, ich merke das kommt Ggf. falsch an, dann lass ich das mal besser.

    Sonst wird Ggf noch eine Thema konstruiert was kein Thema ist.

    Also Fazit auf jeden Fall, mir gehts einfach gerade gut. Fertig ✔️

  • Okay, natürlich darfst du hier auch mal blödeln oder satirisch werden, haben andere hier auch schon gemacht und es ist meiner Beobachtung nach auch nicht unwillkommen.

    S’ist nur mitunter schwierig, das einzuordnen, besonders wenn man das Gegenüber noch nicht so kennt.

    Du musst es also nicht unbedingt lassen, gib einfach nur ˋn entsprechenden Hinweis, damit‘s nicht zu Missverständnissen kommt.

    Prima, dass es dir grad einfach nur gut geht. So soll‘s doch eigentlich sein, nicht?

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Ich schreibe mal mit hier herein, weil das trifft gerade auch ein paar Gedanken, die mich umtreiben...

    Prima, dass es dir grad einfach nur gut geht. So soll‘s doch eigentlich sein, nicht?

    Genau, so soll es ja sein und es ist schön, wenn es mir einfach gut geht.

    Ich merke nur manchmal bei mir, dass sich von Zeit zu Zeit so eine Art Langeweile? einschleichen will.

    Die anfänglichen psychischen Unpässlichkeiten nach dem Entzug sind fast vergessen, die Verzweiflung, Kater und Weltenschmerz und die Unzufriedenheit mit sich selber aus der "aktiven" Phase rücken teilweise in den Hintergrund und das ist ja auch gut so.

    Und ich möchte mir auch auf keinen Fall ein Denkmal der früheren Zeiten aufstellen, nach dem Motto: "Vergiss nie und gedenke auf ewig deiner Gefangenschaft"

    Aber gerade dadurch, das es mir eigentlich recht gut, "normal" geht, kommen da manchmal Gedanken (also eher nur schemenhaft,) meine jetzige normale und gesunde Welt wieder in Scherben zu schlagen.

    z.B. war ich gestern Abend noch eine Runde joggen, Wetter war auch recht trübe geworden und ich hatte mich wahrscheinlich durch den schnellen Wetterwechsel auch nicht so ganz wohl gefühlt.

    Insgesamt war es vielleicht nicht ganz so endorphinausschüttend, die sich der Ex-Suchti gerne auf legalem Weg beschaffen will.

    Zumindest ging es mir in dem Moment so.

    Wie gesagt und gerade in solchen Momenten spiele ich meine "damalige" Sucht und das ganze Affentheater was damit verbunden war, gerne herunter und sehe die "positiven Seiten" des Alkoholkonsums und dieses damit verbundene Entfliehen aus der Normalität.

    Es wäre nie der Gedanke, das tatsächlich auszuführen, aber bei mir ensteht (nur in Ansätzen) eine gewisse Verharmlosung und eine Verklärung der Erinnerung.

    Nach dem Motto: war ja schon schlimm damals, aber hatte auch gute Seiten (und die guten Seiten gab es ja wirklich, sonst würde ja niemand trinken)

    Nur das bei mir die schlechten Seiten die guten Seiten um ein Vielfaches überlagert haben.

    Ich sehe sozusagen die Flasche Bier nicht als Gefahr, um wieder in die Falle zu tappen, sondern als das Wohlfühlgetränk, was ich noch vor meiner Sucht kontrolliert genießen konnte.

    Wie gesagt, das sind nur gedankliche Schemen und von der Umsetzung meilenweit entfernt, aber bei mir schleicht sich manchmal durch diese Normalität so etwas ein.

    Ich empfinde das bei mir so, als würde die Sucht nicht mit so "plumpen" Sachen wie Saufdruck o.ä. um die Ecke kommen, sondern viel perfider wieder versuchen zu locken

    Okay, das war einfach Satire und Blödelei, sich selber nicht ernst und ein wenig auf die Schippe nehmen.

    Mir tut das eigentlich auch sehr gut, mich selber und selbst mein Suchtproblematik auf die Schippe zu nehmen. (nicht falsch verstehen, ich nehme meine Sucht so ernst, wie sonst kaum was)

    Aber gerade Humor hilft mir gerade in vielen Sachen sehr gut weiter.

    Wo ich mich früher in Gedanken klein gemacht/ mich selber ausgeschimpft habe, hilft mir jetzt manchmal ein leicht ironischer Blick auf mich selber.

    Es ist aber eben auch so, dass in einem Forum ein wirkliches Gegenüber fehlt und die Möglichkeit besteht, immer aus den Zeilen verschiedene Aspekte herauszulesen. Zumal man sich ja auch nicht so gut kennt.

    Ich habe das auch in dem anderen Forum merken müssen, dass der eine oder andere (selbst)ironische Beitrag nicht den Anklang gefunden hatte, den ich mir davon erhofft hatte.

    (was ja auch normal ist, weil jeder tickt ja anders)

    Aber wie gesagt, ich finde Humor wirklich eine sehr gute Sache, gerade in dem Umfang mit meiner Sucht.

    Euch allen ein schönes und "normales" Wochenende :)

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!