• Hallo!

    Ich bin zu Hause und mein Körper ist dabei, den letzten Restalkohol von gestern zu verarbeiten. Normalerweise wäre ich um diese Zeit auf Hunderunde. In letzter Zeit passiert es immer öfter, daß ich so viel trinkt, daß ich mich am nächsten Tag nicht mit dem Auto fahren traue, weil ich befürchte, noch Restalkohol im Blut zu haben. Ich habe mir schon oft vorgenommen, gar keinen Alkohol mehr zu trinken, es aber bisher nicht geschafft. Ich habe auch sehr stark zugenommen in den letzten Jahren und möchte auch meine Eßgewohnheiten umstellen. Das gelingt aber nur, wenn ich keinen Alkohol trinke, denn irgendwie ist das bei mir aneinander gekoppelt: Wenn ich esse, bekomme ich Lust auf Wein, wenn ich Wein trinke bekomme ich Freßanfälle, . . . Ich bin 55J. w., allein. Wenn ich fresse oder saufe, bekommt niemand was mit. Wenn es mir nicht gut geht, verlasse ich nicht das Haus. Mit den wenigen Leuten, die ich kenne, telephoniere ich, und da merkt keiner, wenn ich getrunken habe. Persönlichen Kontakt habe ich nur, wenn ich im Supermarkt einkaufen gehe, aber in letzter Zeit bestelle ich online und lasse mir die Waren zustellen.

    Ich muß jetzt übersiedeln, weil mein Vater letztes Jahr verstorben ist und das Haus (Zweifamilienhaus, wir haben beide hier gelebt) verkauft ist. Bis Ende November muß ich draußen sein. Ein neues (sehr altes) Haus habe ich schon gefunden, aber es ist 2,5 Stunden mit dem Auto dorthin. Da muß ich nüchtern sein, sonst komme ich da nicht hin. Es wird ein neuer Lebensabschnitt und ein guter Anlaß, um meinen Lebensstil zu ändern und wieder so zu gestalten, daß ich mich selber wiedererkenne. . . so bin ich jetzt in diesem Forum gelandet und habe einige Beiträge gelesen. Zumindest fühle ich mich jetzt nicht mehr ganz so allein.

  • Hallo und herzlich Willkommen, May,

    nein, allein bist du mit deinem Problem in der Tat nicht.

    Diese „Geschichte“ mit dem zu viel trinken, kommt mir ziemlich bekannt vor. ;)

    Du schreibst, dass du dir schon mehrfach vorgenommen hast, keinen Alkohol zu trinken, deinen Vorsatz aber nicht einhalten konntest. - Wie war das denn so bei dir, was hat dich deinen Vorsatz immer wieder über Bord werfen lassen? - War es so etwas wie Suchtdruck oder hattest du dich im Kopf noch nicht wirklich vom Alkohol verabschiedet?

    Meine eigene Erfahrung war, als ich meine Vorsätze, nicht oder weniger oder kontrolliert Alkohol zu trinken, nicht eingehalten habe, dass ich mich vom Alkohol eigentlich gar nicht verabschieden wollte. Bevor ich Ende Oktober 20 hier aufschlug und auch noch in der ersten Zeit nach meiner Anmeldung hier, habe ich mir ein zufriedenes, glückliches Leben ohne Alkohol gar nicht vorstellen können und wollen.

    Hinweisen möchte ich dich unbedingt auf die Gefahren eines sogenannten „Kalten Entzugs“. Wenn du regelmäßig Alkohol getrunken hast, ist ein völliger Entzug nicht ganz ungefährlich. Achte bitte auf dich und suche, wenn’s ernst werden sollte, einen Arzt auf. Hier findest du Informationen zu Entzugserscheinungen.

    Viele Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Du schreibst, dass du dir schon mehrfach vorgenommen hast, keinen Alkohol zu trinken, deinen Vorsatz aber nicht einhalten konntest. - Wie war das denn so bei dir, was hat dich deinen Vorsatz immer wieder über Bord werfen lassen? - War es so etwas wie Suchtdruck oder hattest du dich im Kopf noch nicht wirklich vom Alkohol verabschiedet?

    Hallo AmSee,

    danke für den Willkommensgruß!

    Typischerweise ist es bei mir so: Ich wache mit mehr oder weniger "Kater" auf, fühle mich jedoch am Morgen grundsätzlich stimmungsmäßig gut. Dann Kaffee, ein wenig Hausarbeit und Hunderunde. D.h. ich gehe mit meinen Hunden für 2 bis 3 Stunden im Wald spazieren. So weit alles im grünen Bereich. Meist aber schon gegen Ende der Runde beginnen sich die Gedanken ums Thema Einkaufen zu drehen und spätestens wenn ich mit dem Auto am Supermarkt vorbei fahre, ist der Sog so gewaltig, daß ich abbiege und Wein kaufe. Mit der "Begründung", daß ich ja eh keine wichtigen Termine habe und sowieso niemand da ist, den es stört - was natürlich eine blöde Ausrede ist, aber in diesen Momenten für mich absolut überzeugend. Früher, d.h. in der Zeit vor C. war ich berufstätig und jeden Nachmittag als mobile Masseurin unterwegs. Ich mochte das sehr und hatte dadurch auch viele Kontakte zu meinen Kunden. Seit C. bin ich arbeitslos, deswegen das "Argument" von wegen "eh keine Termine". . . .

    Um auf deine Frage zu antworten, ich denke, es ist beides: einerseits das was du "Saufdruck" nennst (ich empfinde es weniger als Druck, sondern eher als Sog oder "Attraktion", eher wie Magnetismus; den Begriff "Saufdruck" lese ich hier zum ersten Mal), andererseits habe ich keine wirklichen Probleme mit dem Alkoholkonsum - das hab ich mir zumindest bislang eingeredet. Gesundheitlich geht es mir gut, außer Arthrose und Übergewicht. Und da ich sowieso alleine bin, stört es ja auch keinen, es weiß ja auch niemand, weil es niemanden gibt, den das interessiert. Ich habe keine Familie außer einem Bruder, mit dem ich ab und zu telephoniere, aber ein wirklicher Kontakt besteht nicht. In meiner Herkunftsfamilie hat niemand getrunken. Eigentlich dachte ich bis jetzt, ich könnte den Weinkonsum auf ein vernünftiges Maß (1-2 Gläser am Abend) reduzieren, aber es artet immer aus. Mittlerweile bin ich bei 2 Flaschen pro Tag. Das ist zu viel. Aber du hast Recht, "im Kopf" kann ich mit ein Leben ohne Alkohol schon gar nicht mehr vorstellen. Aber da sich jetzt mein Leben sowieso radikal ändern wird, denke ich, ich sollte die Chance ergreifen und einen wirklichen "Neustart" machen - ohne Alkohol.

    Ob ich Entzugserscheinungen haben werde weiß ich nicht, da ich es noch nie geschafft habe längere Zeit ohne Wein auszukommen. Danke für den Link, ich habe den Artikel gelesen.

    Ich frage mich, wie ich es jemals schaffen soll, diesem "Sog" zu widerstehen. In diesem Zustand bin ich wie weggetreten und ferngesteuert. Wie schafft man das? Wie hast du das geschafft? Ich hoffe auf regen Gedanken- und Erfahrungsaustausch in diesem Forum.

    Liebe Grüße,

    May

  • Hallo May,

    ich gehe mal auf das eine oder andere ein, vielleicht kannst du damit etwas anfangen.

    Du erzählst von diesem Sog. Einen solchen habe ich erlebt, als ich noch getrunken habe und mein Problem vor mir verleugnet habe bzw. einfach nicht sehen wollte oder konnte.

    Ich hätte zu dem Zeitpunkt nicht an „Suchtdruck“ gedacht, denn ich war ja noch überzeugt, kein Problem zu haben, sondern meinen Konsum selbst noch kontrollieren zu können.

    Ob das schon „Suchtdruck“ ist oder nicht, spielt letztlich eigentlich keine Rolle. Fakt ist aber, dass du deine eigenen Vorsätze immer wieder mehr oder minder ungewollt brichst.

    Im engeren Sinne wird meiner Erfahrung dieser Begriff „Suchtdruck“ gebraucht, wenn man sich tatsächlich schon bewusst ist, Alkoholiker zu sein, abstinent leben will und plötzlich aus mehr oder minder heiterem Himmel ein nahezu unerträgliches Verlangen aufkommt, sich Alkohol besorgen und trinken zu müssen.

    Es gibt einen Faden im Infobereich, der sich mit diesem Thema beschäftigt, vielleicht hast du ihn schon entdeckt.

    Mir selbst hat geholfen, mich näher mit der Neurobiologie des Gehirns zu beschäftigen, um zu verstehen, was da eigentlich im Kopf abgeht. Das machte das, was da mit mir so abgeht, nachvollziehbar und bot mir Punkte, an denen ich ansetzen konnte.

    Kurz zusammen gefasst, hat dieser Sog, den du immer wieder erlebst, etwas mit dem sogenannten Belohnungszentrum im Kopf zu tun. Alkohol sorgt für eine Ausschüttung bestimmter Botenstoffe und zwar in einem viel größeren Maß, als das auf natürliche Weise zu erreichen ist. Und das Tolle daran, was sich dein Belohnungszentrum merkt, ist, dass du NIX dafür tun musst außer Alkohol zu konsumieren. Die ganzen Schattenseiten blendet es vollkommen aus, die haben mit ihm ja auch gar nichts zu tun. Die Aussicht auf die Belohnung lässt dich wie ferngesteuert, immer wieder zum Alkohol greifen.

    Zu deiner Frage: Ja, auch du könntest es schaffen, dem Ganzen zu entkommen und dem Sog zu widerstehen.

    Wie? - Nun, den ersten Schritt hast du gemacht: Du hast dir eingestanden, dass du ein Problem hast und dich hilfesuchend an dieses Forum hier gewandt.

    Im nächsten Schritt wird’s darum gehen, sich näher mit dem Thema zu beschäftigen, und dir darüber klar zu werden, was DU eigentlich willst. Willst du weiterhin versuchen, deinen Konsum unter Kontrolle zu bringen, oder geht’s in eine andere Richtung?

    Mir selbst wurde, als ich hier vor bald drei Jahren aufgeschlagen bin, durch den Austausch mit anderen bewusst, dass ich’s eigentlich nicht mehr kontrollieren kann. Ich kannte mich inzwischen gut genug, um mir sicher zu sein, dass der Versuch, es kontrollieren zu wollen, ein so großer Kraftakt für mich wäre, dass ein regelmäßiges Scheitern zu erwarten war. Mir war klar, dass es für MICH die bessere Entscheidung wäre, es ganz bleiben zu lassen.

    Ich las etwas von zufriedener Abstinenz und das schien mir mit einem Mal so verlockend, dass ich da hin wollte. Dass ich weg wollte, von dem, was war. Ich war zuletzt übrigens auch bei 2 Flaschen Wein pro Abend, kurz bevor ich mich hier anmeldete, waren‘s sogar mehr.

    Das war jetzt schon ein etwas längerer Text. Ich hoffe, nicht zu lang.

    Viele Grüße und gutes Ankommen hier (eine Weile ist das Forum ja noch da)

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo May

    Ich habe deine Beiträge gelesen und möchte dir auch einen Gruss da lassen.

    Mein Konsum war über Jahre hoch, obwohl ich mir damals immer wieder einredete, dass das ja ganz normal so ist...Wein am Wochenende, Wein unter der Woche ,Wein bei Feiern, Wein mal weil ich gestresst war ,Wein wenn ich entspannen wollte.

    Ich sagte mir immer wieder ,ich kann jederzeit aufhören, wenn ich nur will ,aber ich wollte nie richtig.

    Ich versuchte es auch immer wieder mit kontrolliertem Trinken und immer wieder wollte ich mir beweisen, dass ich noch lang kein Problem mit Alkohol habe.

    Auch ich bin oft zum Supermarkt gefahren und hab mir Wein gekauft ,es war ein enormer "Sog"...und manchmal wurde ich sogar panisch ,wenn ich mir vorstellte ,einen Abend ohne Alkohol im Haus zu haben.

    Das erschreckte mich aber diesen Gedanken wischte ich weg ,weil ich ja unbedingt Wein trinken wollte.

    Heute weiß ich ,dass es "Saufdruck" war.

    Ich habe mich oft und lange selbst belogen und irgendwann wusste ich aber : jetzt ist Schluss.

    Wenn ich so weitermache,dann endet das bös mit mir.

    Mein Pensum war immer eine Weinflasche.

    Mal ein bisschen mehr ,mal ganz selten weniger.

    Ich spürte ,dass ich so nicht mehr weiter machen wollte und habe mich wie du viel mit dem Thema Alkohol lesend beschäftigt ,mich hier im Forum angemeldet.

    Das war im Oktober 20.

    Seitdem bin ich nüchtern und so dankbar darüber, dass ich damals den Entschluss gefasst habe ,es endgültig zu beenden mit dem Alkohol ,der wirklich tagein tagaus MEIN Leben dominiert und bestimmt hat.(und ich war nur noch die Marionette)

    Es drehte sich alles nur noch um den Alkohol.

    Du schreibst ,dass es eh niemanden interessiert ob du trinkst oder nicht.

    Die wichtigste Frage ist ,ob es dich interessiert.

    So wie es aussieht klingt erste Version eher als Selbstbetrug und Verschleierung und als weiterer Grund ,weiter trinken zu "dürfen". Als Erlaubnis.

    Willst du etwas an deinem Konsum ändern ?

    Wie ich herauslese, möchtest du das.

    Beginne jetzt und heute damit.

    Mir hat das Lesen und Schreiben im Forum geholfen, mir hat damals der Podcast von Nathalie Stüben geholfen ,mir haben solche Artikel geholfen ,den du über den link hier reingestellt hast.

    Wichtig für mich war aber auch :

    Ein Versprechen mit mir ,nämlich keinen Alkohol mehr zu trinken, meinen Tag umzustrukturieren, den Alkohol als Feind und nicht mehr als Helfer zu betrachten.

    Ich hab mich darauf gefreut ,mich unabhängig vom Alkohol zu machen.

    Ich habe dies als Gewinn und nicht als Verzicht betrachtet.

    Es war schon eine (gedankliche)Umstellung , die mir natürlich auch Angst machte ,aber die Vorzüge von Alkoholfreiheit hatte ich anfangs stetig vor Augen.

    Oran-Gina

  • Ich frage mich, wie ich es jemals schaffen soll, diesem "Sog" zu widerstehen. In diesem Zustand bin ich wie weggetreten und ferngesteuert. Wie schafft man das? Wie hast du das geschafft? Ich hoffe auf regen Gedanken

    Ich kenne dieses Ferngesteuerte auch.

    Oft nahm ich mir vor :heute nicht ...und durchbrach am Abend mein Vorhaben indem ich wieder getrunken habe.

    Bei mir häuften sich diese Momente ,obwohl ich es nicht wollte.

    Der Alkohol war stärker als ich.

    Irgendwann war eben spürbar der Punkt erreicht und ich wollte so nicht mehr weitermachen.

    Als ich dann Ende Oktober 20 beschloss :Schluss jetzt!!! ,überlegte ich mir auch Strategien, dass es nicht mehr zu den ferngesteuerten Momenten kommt .

    Ich hab mir das alles notiert und mir einen Notfallplan gemacht (z.b.

    Schuhe anziehen, laufen gehen oder mich an mein Versprechen mit mir erinnern, Wasser trinken,...).

  • Hallo May,

    wie geht es dir denn heute? Du bist ja noch mitten drin im Entzug. Pass diesbezüglich bitte gut auf dich auf.

    Selbst wenn du jetzt nicht zum Arzt gehst, lohnt es sich für dich, dich in der nächsten Zeit mal körperlich durchchecken zu lassen und deine Blutwerte untersuchen zu lassen.

    Du kennst zwar diesen mehr oder minder starken Kater am Morgen und beobachtest außer Gewichtszunahme keine weiteren Nebenwirkungen deines Alkoholmissbrauchs, aber möglicherweise wird es dir ähnlich gehen wie mir, wenn du eine Weile abstinent bist.

    Ich wusste zwar, als ich noch trank, dass Alkohol ein Nervengift ist und an verschiedenen Stellen im Körper Schaden anrichten kann, aber was das für MICH eigentlich bedeutet, habe ich verdrängt bzw. nicht sehen wollen. Ich wollte ja gerne Alkohol trinken und hab mir davon jede Menge Lebensfreude und gute Lebensart, auch Savoir Vivre genannt, versprochen.

    Wie sehr mir mein Alkoholmissbrauch körperlich und psychisch tatsächlich zugesetzt und geschadet hat, wurde mir erst im Laufe meiner Abstinenz deutlich. Und ich kann dir versichern, dass das für MICH eine sehr prägende Erfahrung war. Ich hab ja nun krankheitsbedingt ein paar Handicaps und musste mich darauf einlassen, damit zu leben. Hab ich ja auch. Die Abstinenz jedoch brachte mir etwas zurück, von dem ich nicht erwartet hätte, dass ich das nochmals erleben dürfte. Das bedeutet nicht, dass nun alles immer eitel Sonnenschein ist, aber grundsätzlich geht’s mir körperlich und psychisch besser als zu Zeiten, in denen ich noch getrunken habe. Was für ein Geschenk ich mir mit meiner Entscheidung, mich vom Alkohol zu befreien, gemacht habe!

    Und noch etwas mehr dazu:

    Ich las etwas von zufriedener Abstinenz und das schien mir mit einem Mal so verlockend, dass ich da hin wollte. Dass ich weg wollte, von dem, was war.

    Als ich mich hier angemeldet habe, war ich soweit, mich meinem Problem zu stellen, denn mir war bewusst geworden, dass ich so nicht weiter machen will.

    Meiner eigenen Erfahrung nach - und die hat sich im Austausch mit anderen Hilfesuchenden bestätigt - ist entscheidend, sich bewusst zu sein oder zu werden, wovon man eigentlich weg will. Der Leidensdruck muss sozusagen groß genug sein, um es tatsächlich angehen zu wollen und dabei erfolgreich zu sein.

    Als ich hier im Oktober 20 aufschlug, konnte ich mir nicht vorstellen, dass ein Leben ohne Alkohol tatsächlich ein schönes Leben sein könnte. Ich hatte nur diesen Verzichtsgedanken im Kopf, das heißt, was ich alles aufgeben müsste.

    Ich hab dann an dem Gedanken gearbeitet, dass ich nicht verzichte, sondern mich von etwas befreie. Ich konnte ja noch nicht wissen, wie angenehm ein Leben ohne Alkohol sein würde.

    Heute und schon eine ganze Weile geht’s mir nahezu so, dass ich mich frage, warum die Menschen überhaupt so wild auf Alkohol sind. Ohne ist es doch so viel schöner. Ich kann alles, was ich mir vom Alkohol versprochen habe, ohne dieses Hilfsmittel Alkohol. Ich kann richtig Spaß haben, feiern, tanzen, albern sein, mich entspannen, den Feierabend und das Wochenende genießen und das gänzlich ohne lästige, unangenehme Nebenwirkungen. ;)

    Liebe Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Liebe AmSee,

    vielen Dank für die Nachfrage! Es geht mit gut (noch). Ich habe sehr lange und gut geschlafen, werde auch heute bei der Hitze nicht viel rausgehen (Kreislauf), vielleicht kurz in den Garten Tomaten und Kohlrabi ernten :) . Auf keinen Fall werde ich einkaufen gehen. Ich weiß, ich kann mich nicht ewig verstecken, aber es muß ja nicht gleich heute sein. Ich hab ohnehin viel tu tun, weil ich ja noch viele Umzugskartons bepacken muß . . .

    Was die Gesundheit angeht: Ich habe vor ein paar Monaten einen Check bei der Hausärztin machen lassen, da war alles (überraschenderweise) im grünen Bereich, außer eben dem Gewicht. Und die Probleme mit den Gelenken führe ich auf meinen ungesunden Lebensstil zurück (Rheumafaktor ist negativ). Das ist auch ein wichtiger Teil meiner Motivation: ich bin ein Mensch, der sich gerne bewegt, und mit dem Übergewicht und den ständigen Schmerzen ist das so mühsam, daß es kaum noch Spaß macht. Früher war mir der tägliche mehrstündige Spaziergang mit den Hunden heilig. In letzter Zeit bleiben wir oft nur in Haus und Garten, wenn ich zu viel Restalkohol im Blut habe und deswegen nicht mit dem Auto fahre. So will ich absolut nicht weitermachen.

    Ich habe gestern viel im Forum gelesen und habe dadurch auch viel über mich selbst nachgedacht. Ich habe mich gefragt, wann die Wein-Geschichte (!) angefangen hat und warum. In meiner Herkunftsfamilie hat niemand getrunken. Das war überhaupt kein Thema. Als ich (Teenager) Probleme mit meiner Mutter hatte (wer hat das nicht in dem Alter?) habe ich sie provoziert, indem ich getrunken (wenig, damit mein Atem nach Alkohol riecht, manchmal auch nur den Mund ausgespült damit), und dann die Betrunkene gespielt habe. Sie war erwartungsgemäß total schockiert, hat aber nichts verstanden. Nur einmal habe ich aus Neugier zu viel getrunken, weil alle in der Schule damit geprahlt haben, wieviel sie am Wochenende gesoffen haben, und dann war mir so speiübel, daß ich wußte: das ist nichts für mich. Ich fand nie Gefallen am Ausgehen und von Lokal zu Lokal zu ziehen, um letztlich einen Haufen Geld auszugeben und dann irgendwann in der Früh besoffen mit dem Taxi nach Hause zu fahren. Ich verstehe bis heute nicht, was daran so toll sein soll. Meins ist mehr: raus in die Natur. Früher habe ich lange Wanderungen gemacht, auch Bergtouren, mein damaliger Freund hat sich dann auf der Hütte total zugenäht und ich war frustriert. Nicht, daß ich nicht auch ein oder zwei Schnaps getrunken hätte, das schon, aber ich hatte kein Verlangen nach mehr. In Gesellschaft trinke ich, aber ich würde mich niemals besaufen und zum Affen machen. Das ist ein absolutes No Go. Wenn ich auf einer Feier eingeladen wäre, würde ich mich 100%ig NICHT BETRINKEN. Das mache ich nur, wenn ich alleine bin. Und ich bin jeden Tag alleine. Ich muß das also nur mit mir selber ausmachen. Was bedeutet, ich muß an meiner Selbstliebe arbeiten. Weil es hat mich bislang nicht gestört, wenn ich mich vor mir selbst zum Affen gemacht habe. Das ist mir gestern klar geworden.

    "Savoir Vivre" empfand ich durch den Konsum von ZU VIEL Alkohol nie, das geht mit ein bis zwei Gläsern gutem Wein, gutem Essen und vor allem in Gesellschaft angenehmer Menschen, aber nicht mit zwei Flaschen Billigwein, Tiefkühlpizza und allein vor der Glotze. Da geht es um genießen und nicht um wegtreten. Ich bin so der Typ Frustfresser und Frustsäufer. Eine frustrierte Alte. Dabei habe ich früher so viel Wert auf einen gesunden Lebensstil gelegt.

    Du schreibst, du hast ein paar Handicaps - darf ich fragen, worunter du leidest? Hatte das etwas mit deinem Trinkverhalten zu tun? Weil an mir habe ich beobachtet, daß ich, wenn ich arge Rücken- oder Gelenkschmerzen habe, versucht habe, diese durch Alkohol zu betäuben. Schmerzmittel vertrage ich nicht.

    Der Leidensdruck muß hoch genug sein - ich empfinde keinen Leidensdruck in Bezug auf Alkohol. Ich bin eher zornig. Ich hab eine Riesenwut im Bauch, weil ich mich so habe gehen lassen und mich jahrelang in Selbstmitleid (ich bin ja so allein) gesuhlt habe. Seit meine letzte Beziehung in die Brüche gegangen ist . . . und seit mein Traum von einer eigenen Familie aufgrund meines Alters unmöglich geworden ist . . . dann auch noch C., Job weg und das war's dann . . . Das war mir zu viel, das hab ich nicht gepackt. Aber JETZT packe ich es. Ich hab jetzt lange genug geschlafen. Es wird Zeit wieder aufzuwachen. Keine Nacht dauert ewig.

    Der Verzichtsgedanke - klingt nach Mangel, etwas weglassen . . . ja, das Betäubungsmittel weglassen und den Schmerz wieder spüren . . . um endlich eine Chance auf Heilung zu erlagen. Das wird Zeit brauchen, noch mehr Zeit, weil die Zeit, die vergangen ist, habe ich verpennt. Befreien muß ich mich von unerfüllten Hoffnungen und Träumen. Ausmisten sozusagen. Meine Wohnung und meine Seele. Das Brauchbare mitnehmen und mich vom Unbrauchbaren verabschieden. Raum schaffen für Neues. Weinen und Lachen.

    Ich kann alles, was ich mir vom Alkohol versprochen habe, ohne dieses Hilfsmittel Alkohol.

    . . . da müßte ich dann wohl auf Schlaftabletten umsteigen . . . ich wollte mich mit übermäßigem Alkoholkonsum betäuben und das ist mir auch gelungen. Aber das will ich jetzt nicht mehr.

    Lebensfreude und Spaß haben hängen definitiv nicht mit Saufen zusammen, das ist ein Widerspruch in sich. Ich erinnere mich an einen Hüttenabend, Gemütlichkeit, eine gute Mahlzeit, 2 Stamperl Schnaps, fremde Leute, die sich hier getroffen haben, hundemüde vom Aufstieg und dann gemeinsam Lieder singen, lachen und das Leben genießen. Und mein Ex daneben, Scheiße labern und total zu. Ich hab's nicht verstanden, mich einfach nur geniert. Ich versteh's auch heut noch nicht. Wenn das Leben schön ist und man in guter Gesellschaft ist - weshalb hat man dann das Bedürfnis, sich zu betäuben? Wieso möchte man das Glücklichsein betäuben? Das finde ich masochistisch. Aber egal. Vorbei ist vorbei.

    Liebe AmSee, ich danke dir für dein Schreiben und deine Anteilnahme, und falls du dich durch diesen langen Text durchgearbeitet hast danke ich dir ganz besonders. <3 Und ich freue mich auf die nächsten Zeilen von dir!

    LG,

    May

  • Und nun noch etwas Konkretes zu dem Sog, den du täglich verspürst.

    - WARNUNG: Dieser Text wird etwas länger, was überfordernd wirken könnte. Lass dir für die Lektüre ruhig Zeit, hier eilt NIX. ;) -


    Als ICH aufgehört habe, habe ich von den Erfahrungen und Werkzeugen profitiert, die ich bei meinen zahlreichen Ausstiegen aus meiner Nikotinsucht gesammelt hatte.

    Abgesehen von dem Leidensdruck, der groß genug sein sollte, um tatsächlich aussteigen zu WOLLEN, ist eine Veränderung der Gewohnheiten und des üblichen Tagesablauf äußerst hilfreich.

    Der Belohnungszentrum, jetzt nenne ich es mal „Suchtgedächtnis“, weil das in diesem Zusammenhang zutreffender ist, ist auch an Gewohnheiten gekoppelt. Mit anderen Worten, es wird von gewissen Gewohnheiten und Erwartungen getriggert.

    Alkohol sorgt im Gehirn - solange du nicht das Stadium erreicht hast, in dem das Ganze gar nicht mehr funktioniert und dir nichts anderes mehr übrig bleibt als Saufen zu MÜSSEN, weil ein Absenken des Spiegels zu unerträglichen Entzugserscheinungen kommt - für eine Ausschüttung von Glücksbotenstoffen (Endorphine, Dopamin usw.).

    Im Suchtgedächtnis reicht schon die Erwartung, die Aussicht, dass es gleich zur Belohnung kommt, für die Ausschüttung dieser Hormone. Und diese Erwartung/ Aussicht muss befriedigt werden, sonst wird’s ungemütlich.

    Und das ist im Prinzip dieser Sog, der dich fast wie ferngesteuert zum Supermarkt fahren lässt. Und diese ganzen Tricks, Gedanken „Es kriegt doch eh keiner mit“ gehören dazu. Manche fassen diese ganzen Gedanken, die da so zusammenkommen können, unter die Vorstellung eines sogenannten Sucht-Teufelchens :evil: zusammen.

    Diesen Sog zu dem Zeitpunkt, in dem er auftritt, bewältigen zu wollen, ist gar nicht mal so einfach. Da spielt Verschiedenes u.a. die eigene Neurochemie eine Rolle. - Falls dich das Thema näher interessiert, kannst du in unserer Linksammlung fündig werden oder ich schicke dir den einen oder anderen Link zu diesem Thema. -

    Deshalb ist eine entsprechende VOR-Bereitung, also vorher entsprechend für sich zu sorgen, ungemein hilfreich, damit es möglichst gar nicht erst zu einer Sog-Situation kommt.

    Das bedeutet zum Beispiel eine Änderung der eigenen Gewohnheiten, des Tagesablaufs, eigener Strukturen.

    Konkret bedeutet das zum Beispiel, den Einkauf zu einem anderen Zeitpunkt zu erledigen und auch anders einkaufen zu gehen. Vielleicht sogar in einen anderen Markt einkaufen zu gehen.

    Konkret bedeutet das, dich auf die Suche zu begeben, was DIR eigentlich wirklich gut tut.

    Es kann durchaus sein, dass dir da zunächst gar nichts einfällt, aber das macht nichts, irgendwann kommt aus deinem Inneren eine Antwort.

    Konkret bedeutet das zum Beispiel auch, hier im Forum zu schreiben und sich mit anderen auszutauschen (Keine Sorge soooo schnell machen wir hier nicht dicht. Wir lassen den anderen Nutzern genügend Zeit, die Information zu lesen, dazu zu antworten und sich ggf. zu verabschieden).


    Zu dem Punkt, was dir gut tun konnte, eine Erfahrung, die ich selbst gemacht habe:

    Als ich wegen Depressionen in der Klinik war, sagte man mir, ich sollte tun, was mir gut tut.

    Ich kann dir sagen, mir fiel zunächst nichts ein. Ich wusste zwar, dass was Menschen so im Allgemeinen gut tut und es gibt ja auch Listen, aber irgendwie hatte das gefühlsmäßig nichts mit MIR zu tun. Da kam gefühlsmäßig nix von bei mir an.

    Dass ich zu dem Zeitpunkt ständig kilometerweit spazieren ging, weil ich das irgendwie für mich brauchte und wollte, hatte ich zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht auf dem Schirm.

    Bei einem dieser Spaziergänge aber ging ich dieser Frage nach und fühlte in mich hinein. Eine ganze Weile kam da gar nichts und dann PLÖTZLICH „Warmes Körnerkissen“. Ich mag den Geruch und diese Wärme.

    Von da an, habe ich bewusst immer wieder zum Körnerkissen gegriffen, wenn ich mir was Gutes tun wollte.

    Einmal auf eine Idee gekommen, stellten sich dann so nach und nach weitere Dinge ein, die MIR wirklich gut tun.


    Und diese baute ich dann bewusst in meinen Tagesablauf ein und teilweise auch in meinen sogenannten „Notfallkoffer“. Der ist aber noch ein anderes Thema, dem du dich nicht unbedingt jetzt schon stellen musst, um dich nicht zu überfordern.

    Kurz zusammengefasst ist so ein „Notfall-Koffer“ eine Sammlung deiner persönlichen, als höchst wirksam erfahrenen Exit-Strategien.

    Ich lass das erstmal so stehen.

    Liebe Grüße

    AmSee

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    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Ja, ich habe mich soeben durch den langen Text gearbeitet. ;)

    Gerne sogar.

    Da gibt’s so einiges, auf das ich dir antworten möchte und gewiss auch werde. Hab da aber ein bisschen Geduld, denn ich muss mich nun erstmal um was anderes kümmern.

    Außerdem hab ich dir gerade soooo viel geschrieben, wofür du dir gerne etwas Zeit nehmen darfst. 😉

    Wir lesen uns.

    Viele Grüße

    AmSee

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    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Kurz dazu:

    . . . da müßte ich dann wohl auf Schlaftabletten umsteigen . . . ich wollte mich mit übermäßigem Alkoholkonsum betäuben und das ist mir auch gelungen.

    Das ist ein Trugschluss, dass man von Alkohol besser schlafen kann.

    Eher das Gegenteil ist der Fall. Schlaf unter Alkoholeinfluss ist tatsächlich nicht so erholsam. ;)

    Wenn du’s durchziehst, dürftest du eine Veränderung deines Schlafes bemerken.

    Solltest du da tatsächlich weiterhin Schwierigkeiten haben, gibt es andere erheblich weniger schädliche Möglichkeiten.


    Ja, das Betäuben, welcher Alkoholabhängige kennt das nicht….

    Dummerweise können die Sorgen und Probleme, diese Biester, schwimmen.

    Wenn du wieder wach und nüchtern bist, sind die immer noch da. ;)

    Für viele Alkoholabhängige ist das Sich-den-Problemen, Sich-den-Schmerzen stellen, eine der größten Herausforderungen. Ohne Alkohol ist das aber möglich, mit Alkohol unmöglich.

    Ich hab hier unter unserer Linksammlung mal den Link zu einem anschaulichen Kurzfilm gefunden, vielleicht ist dieser Kurzfilm ja interessant oder aufschlussreich für dich: Kurzfilm „Nuggets“

    Grüße

    AmSee

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    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Liebe Oran-Gina,

    ich möchte mich für deine Zeilen bedanken.

    Auch ich bin oft zum Supermarkt gefahren und hab mir Wein gekauft ,es war ein enormer "Sog"...und manchmal wurde ich sogar panisch ,wenn ich mir vorstellte ,einen Abend ohne Alkohol im Haus zu haben.

    Das mit der Panik habe ich in letzter Zeit sehr oft erlebt. Und wenn ich es einmal geschafft habe, "heil" am Supermarkt vorbei zu kommen, bin ich abends noch schnell vor Ladenschluß ins Auto gesprungen und hingefahren, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe. Heute habe ich es ausgehalten.

    Mein Pensum war immer eine Weinflasche.

    Ich habe versucht nicht mehr als zwei zu trinken, manchmal wurden es aber dann doch drei.

    Das war im Oktober 20.

    Was war da im Oktober 20, daß du den Entschluß gefaßt hast, aufzuhören? War es ein besonderer Anlaß? Wieso hattest du dann die Kraft und vorher nicht?

    Bei mir ist es jetzt die Übersiedlung. Das ist ein völliger Neuanfang in einer völlig neuen Umgebung. Ich habe ganz viele Pläne, was ich dort alles machen will. Wenn ich weiter zu viel trinke, kann ich das nicht, weil mir dann die Energie fehlt.

    Die wichtigste Frage ist ,ob es dich interessiert.

    Damit hast du vollkommen Recht. Es interessiert MICH!

    Alkohol als Feind zu betrachten finde ich jedoch nicht fair - was kann denn der Alkohol dafür, wenn ich ihn mißbrauche? Die Dosis macht bekanntlich das Gift.

    "Notfallplan" - da hab ich noch keine Idee dazu. Vielleicht fällt mir später noch was ein. Jedenfalls freu ich mich, daß ich den ersten Tag gut überstanden habe.

    LG,

    May

  • Liebe May

    Auf deine Fragen möchte ich dir gerne antworten.

    Es gab im Oktober keinen bestimmten Anlass,so wie bei dir (du schreibst von konkreten Plänen für die Zukunft,du willst gewisse Pläne umsetzen (?))aber es gab einiges, was bei mir vorausgegangen war :

    Jahrelang wollte ich meinen Alkoholkonsum reduzieren und kontrollieren ,um mich in einer Sicherheit zu wiegen ,um mir immer wieder zu beweisen ,dass ich noch bedenkenlos trinken kann.

    Ich wollte ja nicht auf den Genuss verzichten und schließlich zu besonderen Anlässen oder wenn ich eben Lust hatte ,eine Flasche Wein aufmachen.

    Ich konnte mir ehrlich gesagt ein Leben ohne Alkohol gar nicht vorstellen.

    Das war wie :wenn ich nicht mehr Wein trinken "darf" ,dann ist mein Leben vorbei und nicht mehr lebenswert, schließlich würde ja ohne Wein der Lebensgenuss wegfallen (so meine Gedanken damals).

    Dies setzte sich also Jahre fort.

    Im Prinzip ahnte ich aber ,dass ich mich selbst austrickste und dass ich wahrscheinlich schon ziemlich heftig gefährdet war.

    Also plante ich um : ich machte ein Kreuz im Kalender, wenn ich Alkohol trank.

    Die Tage mit Kreuz im Monatsüberblick waren sehr häufig zu finden ,obwohl ich doch gar nicht so viele Kreuze "vorhatte".

    Das zeigte mir ,dass ich eben doch etwas "willensschwach " war.

    Meine neue Taktik war dann : Herzchen im Kalender ,wenn ich NICHT trank.

    Die Motivation war ,möglichst viele davon zu zählen ,am Ende des Monats.

    Du kannst dir vorstellen, dass das auch nicht so richtig funktionierte.

    Du siehst , ich konnte mich ziemlich gut austricksen und irgendwann machte ich "Nägel mit Köpfen".

    (Die machte ich übrigens ganz schön oft und scheiterte immer wieder aufs Neue)

    Ich nahm mir vor ,dass ich einen Monat gar nichts trinke ,damit das Herzchen und Kreuzchen endlich aufhört.

    Ich schaffte es gut ,1 Monat gar nichts zu trinken, war auch richtig stolz.

    Jeder geschaffte Tag war eine Freude.

    Aber ich freute mich schon darauf ,dass der Monat bald ein Ende nahm,um mich zu belohnen (mit Wein), schließlich hab ich mir bewiesen, dass ich kein Suchtproblem habe.

    Das waren zumindest meine Wünsche aber entsprach nicht der Wirklichkeit.

    Das Spiel ging wieder von vorne los.

    Es gab dann auch wieder Zeiten ,in denen ich gar nicht mehr kontrollierte (war ja auch ziemlich anstrengend und die Angst vorm Scheitern zu groß).

    Also machte ich weiter wie bisher auch.

    Fast jeden Morgen war Katerstimmung und Frust angesagt , ich wollte das so nicht mehr.

    Aber auch das zog sich sooo lange fort.

    Wie oft fühlte ich mich schlecht und konnte trotzdem nicht aufhören.

    Ich gestand mir wirklich langsam ein,dass ich schon ein ziemlich großes Problem entwickelt hab.

    Die Auseinandersetzung mit dem Alkohol (Nathalie Stüben, Literatur etc) begann und ich hatte so langsam ein Umdenken entwickelt und eben feststellen müssen ,dass der Freund Alkohol eben kein Freund war ,der mir gut tut ,sondern hat sich zunehmend zu einem falschen Freund entwickelt, den ich loswerden wollte.

    Ich wollte meine Zeit ,mein Leben ,meine Gesundheit nicht mehr wegen ihm gefährden.

    Vielleicht kannst du nun etwas besser nachvollziehen, weshalb ich vom "Feind " geschrieben habe.

    Nach einer weiteren 2 monatigen Abstinenz hab ich wieder angefangen zu trinken.

    Die Flasche Wein wurde geöffnet, ich schüttete dann ein Viertel schon mal präventiv ins Spülbecken,damit ich nur noch einen halben Liter Wein trank.

    Das praktizierte ich dann 3 Wochen.

    Mich störte das sehr und ich fand das alles so Absurd...und ich stellte fest :" jetzt reicht es,ein für alle mal".

    Ich spürte auch in den Tiefen,dass mich der Alkohol auffressen wird,wenn ich nicht endgültig damit aufhören werde.

    Ich wollte wirklich nicht mehr trinken.

    Ich hatte große Angst ,dass ich wieder Scheitern könnte ,aber dieses Mal fühlte es sich etwas anders an: überzeugter und bestimmter als die vielen Male davor.

    Das war dann im Oktober 20, als ich an diesem Punkt stand und beschlossen habe ,endgültig mit dem Trinken aufzuhören.

    Und nun sind es fast 3 Jahre ohne Alkohol.

    Das war das beste was mir passieren konnte !!!

    Ich hätte dies schon vor 10 Jahren machen sollen.

    Aber das war wohl noch nicht der richtige Zeitpunkt.

    Oran-Gina

  • Was ich noch zum Notfallplan schreiben will:

    Dieser war für mich sehr wichtig, damit ich nicht mehr wie ferngesteuert zum Supermarkt fuhr.

    Ich notierte mir einiges, was ich tun könnte ,damit ich NICHT zum Supermarkt fahre.

    Ich brauchte für mich diese Sicherheitsstrategien, damit ich mich im Notfall an etwas orientieren kann(bei Suchtdruck, bei einem "Sog" setzt ja das Hirn komplett aus).

    Außerdem las ich mir dann wieder durch ,WARUM ich mit dem Trinken aufhören wollte und es gab unzählig viele Gründe.

    Zudem stellte ich mir im Geiste oft vor ,was passieren würde, wenn ich wieder schwach werde und das wollte ich definitiv nicht mehr ,zumal ich ja die elenden Wiederholungsschleifen schon mehr als genug hatte.

    Ich stellte mir auch vor, welchen Gewinn ich haben werde ,wenn ich dauerhaft vom Alkohol loskomme.

  • Jedenfalls freu ich mich, daß ich den ersten Tag gut überstanden habe.

    :thumbup: :thumbup: :thumbup:

    Was genau freut dich ? Kannst du das für dich präzisieren ? Ich denke ,dass das wichtig ist sich selbst bewusst zu machen und das möglichst genau zu erforschen,damit sich das auch als positive Erfahrung einprägt und du daran festhalten und aufbauen kannst !

  • "Notfallplan" - da hab ich noch keine Idee dazu. Vielleicht fällt mir später noch was ein. Jedenfalls freu ich mich, daß ich den ersten Tag gut überstanden habe.

    LG,

    May

    Liebe May, zu diesem Thema kann ich Dir u.a. empfehlen, mal in den Thread Bewahrung der eigenen Abstinenz durch „Selbstfürsorge“ zu schauen. Dort gibt es weitere Links zu Themen wie zum Beispiel "Umgang mit Suchtdruck" oder "Notfallkoffer" oder auch "Sucht-/Saufdruck - wie erlebt man ihn". Hier wird u.a. auf das Thema Notfallplan/Notfallkoffer eingegangen.

    Dieses Thema beinhaltet aber auch, dass man sich schon vorher Gedanken darüber macht "Will/muss ich wirklich zu dieser Feier gehen oder lasse ich es lieber bleiben?"

    Und wenn man zu einer Festivität o.ä. hingeht/-fährt, wo man schon von vornherein weiß, dass dort Alkohol konsumiert und angeboten wird, dann sollte man sich auch schon vorher über folgende Punkte im Klaren sein, damit man nicht erst vor Ort anfängt zu grübeln und sich aus dem eigenen Konzept bringen lässt:

    1. Wie reagiere ich/was sage ich, wenn mir Alkohol angeboten wird?

    2. Wissen Freunde, Bekannte, Verwandte über mein "Problem" und meine Abstinenzentscheidung Bescheid und können mich ggf unterstützen?

    3. Wie komme ich von dort weg, wenn mir der Trubel zu viel wird? (eigenes Fahrzeug, Öffis - wo/wann/wielange, bin ich auf Mitfahrgelegenheit angewiesen [ganz schlecht!!]

    4. Wenn ich nicht wegkomme - gibt es anderweitige Rückzugsmöglichkeit (Hotel o.ä.)?

    Diese 3 Punkte haben MIR das Leben sehr erleichtert. Und auch in meiner realen SHG haben alle Gruppenfreunde immer wieder erzählt, dass ihnen die Vorbereitung nach diesen Punkten schon so manches Mal den Hintern gerettet hat - insbesondere Punkt 3+4.

    Denn wenn ich erst vor Ort, im Moment der Konfrontation, anfange zu überlegen, dann stehen meine Chancen schlecht. Jeder von uns kennt doch diese penetranten ... "Ach komm schon - nur EIN Glas, blablablabla!" :cursing:

    Also VORHER überlegen, ob ich mir das überhaupt antun will. Und wenn ja, was entgegne ich diesen Brühbirnen. Und wenn die mir genug auf den Keks gegangen sind - Tschüssikowski!

    ICH habe mich übrigens immer von den Festivitäten entfernt, ohne mich von irgendjemandem zu verabschieden - bin somit dummen Fragen aus dem Weg gegangen.

    Abgesehen davon, dass ich die erste Zeit keine Feiern besucht habe. War mir einfach zu unsicher. Und dann bin ich anfangs schon nach einer Stunde wieder verschwunden. Heute bleibe ich auch schon mal 6-7 Stunden - WENN die Party gut ist (nach meinem Geschmack).

    Übrigens: Meine erste alkoholfreie Silvester-Party habe ich bei meinem Suchthilfe-Verein gefeiert. Wusste bis dahin garnicht, dass man soviel Stimmung auch ohne Alk (und andere Drogen ;) ) hinkriegt :)

    Achso, Eines noch: Es hört sich komplizierter an, als es ist - man muss sich nur ein paar Gedanken machen. Kein Studium absolvieren.

    Gruß

    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Liebe May,

    wie geht’s dir wohl heute?

    Hast du deine Pläne gestern gut umsetzen können?

    Ablenkung durch zum Beispiel Kartons packen ist auch ein hilfreiches Mittel. Wenn dabei auch noch Zufriedenheit herausspringt, das, was du dir vorgenommen hast, bewältigt zu haben und sichtbaren Erfolg vor dir zu haben, umso besser. :) :thumbup:

    Zum Einkaufen gehen: Ich persönlich denke nicht, dass das etwas mit Verstecken zu tun hat, sondern eher im positiven Sinne mit Bewusstheit und mit Achtsamkeit. Gestern wäre Einkaufen-Gehen möglicherweise noch kontraproduktiv für dich gewesen, hätte dich zu nah an den Alkohol gebracht und du dürftest im Gefühl gehabt haben, dass du dich der Konfrontation noch nicht stellen solltest. Das ist nichts anderes als Bewusstheit und Achtsamkeit.

    Und DAS ist zweifellos keine schlechte Strategie.

    Wenn du den Informationstext über „Bewahrung der eigenen Abstinenz durch Selbstfürsorge“ schon entdeckt hast, weißt du, dass es zwei unterschiedliche Wege gibt. Ich selbst bin anfangs auch den Weg der „Vermeidung“ gegangen und nicht den Weg der „Konfrontation“. Für MICH war das äußerst hilfreich, gewissen Bereichen ganz bewusst aus dem Weg zu gehen. Erst später, als ich mich tatsächlich gefestigt fühlte, bin ich in die Konfrontation gegangen.

    Wenn du achtsam mit dir umgehst, wirst du wissen, wie du das mit dem Einkauf erledigen kannst und dich entsprechend darauf vorbereiten. Und Vor-Bereitung ist die halbe Miete. ;)


    Liebe Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

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