Old Flatterhand`s Grateful Dead


  • Die Wahrheit liegt nicht in einem Traum, sie liegt in vielen

    Arabisches Sprichwort


    Es war während der Zeit als es mir schon ziemlich dreckig ging.
    Trockenwürgen, Zittern, Schweissausbrüche. Irgendwann bin ich

    dann weggepennt direkt in diese fürchterlichen Labyrinth-, Verfolgungs-
    und Flugträume.
    Flattern mit den Armen. Aufsteigen. Wahnwitzige Versuche. Mühe oben
    zu bleiben und manchmal ein entspanntes dahin gleiten hoch über der
    Landschaft. Die Welt winzigst unter mir.

    Oder das Irren durch die Strassen eines steinernen Labyrinths, bösartige
    Häscher hinter mir. Plötzlich das Ende einer Sackgasse. Alles dunkel. Ich
    drehte mich um ...uaaah!!!

    Da war die Sehnsucht die Mechanismen des Unterbewusstseins zu "verstehen".
    Die erstreckten sich ja nicht nur auf den Schlaf. Wenn es wieder mit dem "Nie
    wieder Alkohol" soweit war und nur kurze Zeit später gegurgelt wurde. Was war
    da für den Wandel verantwortlich? Oder das Aufwachen. Keine Erinnerung. Ich
    musste Bus gefahren sein und die 24 Stunden Tanke noch besucht haben.
    Ein gelöstes Ticket und eine halbvolle Weinflasche am Tisch waren der Beweis.

    Das alles war wohl mit ein Grund mir das Handbuch der Traumsymbole zu kaufen.
    Das erste Buch meiner Nüchternheit !!!I Ich lernte mich dieser Welt zu nähern. Je
    aufwühlender der Traum umso klarer die Erinnerung an Einzelheiten zumeist.
    Die Deutungen erstaunlicherweise meist sehr vieldeutig sein. Das Unterbewusste
    fordert oft verrückte Sachen ein doch es ist einfach toll wenn ein vermeintlicher
    Feind sich zum Verbündeten wandelt.

    Heute weiss ich das Unterbewusstsein probiert immer auf eigene Art und Weise
    durch Hinweise, Botschaften und Warnungen eine Ausgewogenheit von Fühlen und
    Denken im Leben des Einzelnen herzustellen.

    Dies ruhig anzugehen und gelassen zu deuten das ist mein Schlüssel zum Glück!

  • Flatterhand goes Silence Water

    Ich steige bei Abzweig X aus dem Bus und schaue die langen Feldweg entlang, der kerzengerade in den Höhen im Wald verschwindet. Und dann Schritt für Schritt begleitet von einem kleinem klaren Bächchen.
    In der Ferne Pferde auf der weiträumigen Koppel die interessiert herüberschauen. Ein Bussard kreist am Himmel. Die Wolkendecke lichtet sich und die Sonnenstrahlen tauchen das Tal in eine sanfte Atmosphäre. Das Wetter wird sich im Lauf der Wanderung noch öfters ändern. Der Regen bleibt aus.
    Je steiler es wird desto mehr schmerzen vor allem meine Oberschenkel. Wer rastet der rostet. Der Winter war lang. Ich hebe manchmal Steine auf und betrachte sie. Es ist das typische weisse Juragestein.
    Als ich die Höhe erreiche warten schon die restaurierten Grabhügel aus der Zeit der Kelten. Ihre Gräber waren ausgestattet mit Keramiken, Schmuck und Waffen für ihre Reise in die Anderswelt.
    Ein paar hundert Meter weiter sind frei und kostenlos zugänglich ein paar Häuser rekonstruiert. Eins aus der Jungsteinzeit, ein Keltenhaus und eines des frühen Mttelalters. Ein Webstuhl, eine einfache Schubkarre, geflochtene Körbe, eine simple Heizstelle sind nur ein paar Dinge die das Inventar so ausmachen.
    Ich bin noch zu früh im Jahr unterwegs so ist im Garten noch nichts von dem wo dann im Sommer Dinkel, Emmer, Einkorn und allerlei Pflanzen zum Färben von Kleidung und Decken wachsen.
    Ich gehe weiter und wie fast immer auf der Höhe der Alb komme ich mir oder meinem Selbst sehr, sehr nahe. Da ist nur der Wind, vereinzelt ehrwürdige alte Bäume und ringsum der unverbaute Blick bis zum Horizont.
    An diesem Ort ist es nicht schwer seine Unsterblichkeit zu berühren und sei es auch nur einen kurzen Moment. Es ist heilsamer Seelenbalsam.
    Dann geht es wieder durch einen dichten Buchenwald einen Hohlweg talwärts und schon bald erblicke den Ort wo der Bus mich wieder in meine Glitzerwelt, Fernwärmeheizung inklusive, bringt.


    Geblieben ist mir dann heute ein ganz ordentlicher Muskelkater und die Erinnerung an ein kleines Erwachen in eine Welt wie sie wirklich ist.

  • Was für ein schöner Bericht, Brant ! Ich mag, wie du das erzählt und beschrieben hast. So ähnlich zu meinem eigenen Erleben von so etwas. 😊

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo AmSee


    Wanderungen wurden mit dem Beginn meiner Abstinenz ein fester Bestandteil meines Lebens. Ich hatte das Glück einen Menschen kennenzulernen der mit mir die Liebe teilte auf Schusters Rappen in der Natur unterwegs zu sein. Zahlreiche Exkursionen sind es über die Jahre geworden. Mit dabei waren auch immer mehrere Hunde mit ihrer ganz speziellen Art der Natur zu begegnen und sie zu erforschen. Das färbt auf den Menschen ab und nicht umsonst wurde durch solche Touren mein Interesse für Pflanzen, Pilze, Tiere, Steine und vieles mehr geweckt. Dem Leben wirklich begegnen zu können war ja schon so Verschutt gegangen und Orte wo es nur Vogelgezwitscher und Wasserrauschen gibt sind einfach ideal um sich über sich selbst klarer zu werden, den ganzen Stress und das gehetzt sein hinter sich zu lassen, in neue innere Räume einzutauchen und frischen Lebensmut und Gelassenheit für den Alltag mitzunehmen.

    LG Brant

  • Hallo Brant,
    mir geht’s mit dem, was du da schilderst, sehr, sehr ähnlich.
    Früher, also bevor ich ins Berufsleben eingestiegen bin, war ich sehr, sehr viel allein in der Natur unterwegs. Das war mir wohl einfach ein Bedürfnis und es gab mir etwas. Das war mein Freiraum, mein Erholungsbereich. So manchen Vorkommnis zuhause bin ich auf diese Weise für eine Weile entflohen und hab mich dabei etwas erholt.
    Im Laufe meines Berufslebens geriet das völlig ins Hintertreffen, ja sogar ins Vergessen.

    Dann, als ich Ende 2015 völlig ausgebrannt und schwer depressiv war, keinerlei Interessen mehr hatte und schließlich in meiner Not in die Klinik ging, erwachte dieses Bedürfnis sofort wieder, als ich die Umgebung sah, in der die Klinik lag. Vom ersten Tag an trieb‘s mich raus in Wald und Wiesen. Da kamen bei meinem Spaziergängen, die ich am Morgen, am Nachmittag und am Abend unternahm täglich bis ungefähr 18 Kilometer zusammen.

    Als ich wieder in den Beruf zurückkehrte, hörten diese Spaziergänge wieder auf. Wieder war zu viel anderes zu bewältigen.

    Tja, und dann kam die MS… Spaziergänge waren am Anfang nicht mehr möglich, Bewegung verursachte mir Schmerzen, also bewegte ich mich lieber nicht. Bis ich medikamentös entsprechend eingestellt war, dass ich keine Schmerzen mehr hatte, dauerte es eine ganze Weile. Hat mir n ziemlichen Schlag versetzt, was da mit mir geschehen ist. Als ich mich wieder auf Spaziergänge begab, schaffte ich keine zwei Kilometer mehr. Nahezu unvermittelt signalisierten mir meine Beine unterwegs, dass sie keinen weiteren Schritt mehr gehen wollten. Wegen solcher Erfahrungen verlor ich zunächst den Mut, überhaupt loszugehen.

    Und dann Anfang Januar, im ersten Jahr meiner Abstinenz fand ich wieder den Mut und eroberte mir schrittweise einen neuen Aktionsradius. Meine Freude über das, was wieder möglich war und darüber einfach so im Wald und in der Natur unterwegs zu sein, wirst du dir, das kann ich deinen Schilderungen entnehmen, vorstellen können.

    Das wurde mir zwischenzeitlich zwar wegen eines MS-Medikaments, das ich nehmen musste, wieder ein bisschen viel genommen, aber inzwischen darf ich ein anderes Medikament nehmen und es geht mir endlich auch besser. Zur Zeit erweitere ich täglich zusammen mit meinen beiden Hündinnen wieder meinen Aktionsradius und es geht mir auch wieder genau so, wie du das beschreibst: „Hunde mit ihrer ganz speziellen Art der Natur zu begegnen und sie zu erforschen“.

    Doch nicht nur die Hunde mit ihrer Art inspirieren mich….. Besonders wohl fühle ich mich, wenn wir mal wieder im Harz unterwegs sind. Es ist die Luft, das Licht, der Geruch, die Bäume, das Zwitschern der Vögel, die Steine und Felsen, das Rauschen des Waldes und der Quellen und Bäche, der Reichtum der Natur, was mich dort durch und durch erfüllt. Ab und zu sieht man ein Eichhörnchen oder ein Reh oder einen Fuchs und natürlich den einen oder anderen Vogel. Auf den Wegen oder am Wegesrand begegnet man Feuersalamandern und Blindschleichen. Es ist so spannend, was sich dort alles so entdecken lässt. Und mich erfüllt es stets mit Frieden und mit Freude. In der Regel sind das Zeiten, in den ich ganz und gar im Hier und Jetzt bin.

    LG AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • OLd Flatterhand`s Memoirs

    Der alte Saufkumpel

    Ich ging auf ihn zu, steckte die Hand aus.
    Lange nicht gesehen.
    War weg. Nicht so weit. Santa.
    Wie lange?
    Ein paar Jahre.
    Und jetzt?
    Seit ein paar Wochen draussen.
    Einfach die Freiheit geniessen.

    Eine versoffene Gspussi neben sich.
    Der unverkennbare Geruch eines
    niedersächsischen Likörs in der Luft.

    Ich sag Lebewohl.
    Geh weiter meinen Weg.
    Erinnerung werden wach.
    Ich war doch mal der King
    vom Prenzlauer Berg.
    Lang, lang ist´s her.

    Gute 24 Stunden


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    Und der Bruder Alkohol tat ihm dabei gar nicht wohl,
    er hat nicht mehr gewußt, was er da tat.

    Und in seinen Gedanken ist er der
    King vom Prenzlauer Berg.

    Als er wieder nüchtern war,
    da fühlte er sich ziemlich allein.
    Und seine Kumpels heizten ihm ein.
    Denn auf Schläger stehn sie nicht
    und langsam wurde ihm dann klar,
    daß ihm der Thron genommen war.

    Er war der King vom Prenzlauer Berg.

  • Ich schau mich um und seh nur Ruinen.
    vielleicht liegt es daran dass mir irgendetwas fehlt.

    was ich haben will das krieg ich nicht
    und was ich kriegen kann das gefällt mir nicht.
    ich will nicht was ich seh ich will was ich erträume.

    Heute bin ich mehr zufällig auf diesen alten Refrain der Gruppe Fehlfarben gestossen und mir ist
    aufgefallen wie sehr ich mich in meiner nassen Zeit mit diesem Gedankenkonstrukt eines doch
    unauflösbaren Dilemmas aufgerieben habe.

    „Kein Freispiel drin“
    Wie könnte man nun „Paul ist tot“ interpretieren?
    80er-pop-protest.de

    Dieser Link ist eine überwiegend politische Auseinandersetzung mit dem Liedtext. Interessant um
    auf die Gesellschaft zu schauen. Doch was bringt es einem Individuum ausser der Rolle des Opfers
    oder der eines verbiesterten Zynikers.

    Ich warte auf die Frage die Frage wohin?

    Wohin ist einfach?
    Abstinenz ist nicht der Weg in den Himmel sondern der aus der Hölle. Das ist der kleine Unterschied.
    Ich hab mich auf den Weg gemacht und jetzt bin ich also für ein Jahr Mitglied im Club27-Abstinenca
    geworden. Wer hätte das gedacht.


    Paul ist tot

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    Ich schau mich um und seh nur Ruinen.
    vielleicht liegt es daran dass mir irgendetwas fehlt.
    ich warte darauf daß du auf mich zukommst.
    vielleicht merk ich dann dass es auch anders geht.

    dann stehst du neben mir und wir flippern zusammen.
    Paul ist tot kein Freispiel drin.
    ein Fernseher läuft taub und stumm.
    ich warte auf die Frage die Frage wohin.

    was ich haben will das krieg ich nicht
    und was ich kriegen kann das gefällt mir nicht.

    ich traue mich nicht, laut zu denken.
    ich zögere nur und drehe mich schnell um.
    es ist zu spät das Glas ist leer.
    du gehst mit dem Kellner und ich weiss genau warum

    was ich haben will das krieg ich nicht,
    und was ich kriegen kann das gefällt mir nicht.

    ich will nicht was ich seh ich will was ich erträume.
    ich bin mir nicht sicher ob ich mit dir nicht etwas versäume.

  • Da ist ein Weg - keine einfache Autobahn

    Ich hatte das Haschisch entdeckt und kurze Zeit später das LSD. Schöne neue Welten, verborgen hinter geheimnisvollen Wörtern wie Schwarzer Afghane oder grüne Mikros taten sich da auf.
    Die Wirkung des Zeugs war ein Versprechen in einem Zustand der Ruhe und Glückseligkeit zu sein. Nur halt immer begrenzt.
    Ich verbrachte meine Zeit zumeist in einer Clique Gleichaltriger. Wir entwickelten Rituale was Kleidung, Bücher, Musik, Discofahrten, Konzerte oder Autostop betraf. Das liess uns etwas Besonderes sein. Was unser damaliges Alter betraf wo eine Abnabelung aus dem Elternhaus anstand ein durchaus normaler Vorgang.
    Letztendlich waren wir ja auch ein paar Farbtupfer in einer schlafwandlerischen Gesellschaft. Doch unser "stoned" sein machte uns immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Immer wieder kamen wir herunter und wollten die Realität dieses gewöhnlichen Zustandes einfach nicht wahrnehmen und akzeptieren.
    Meine damalige Liebe zur Literatur ist erwähnenswert da sie eins der wenigen Dinge war, die ich in der Zeit meiner Umkehr nicht über Bord zu kippen brauchte oder gar musste, wie ich das bei vielen sogenannten und als überflüssig erkannten Vorlieben der Fall war.
    Jack Kerouac mit seinem Unterwegs und Jerry Rubin mit Do it waren im Grunde nur Unterstützer um meine Besessenheit zu kultivieren. Dann war da noch Timothy Leary, ein Mensch der soviel in mir bewegte. Ich mag ihn und seine kompromisslose Art wie er lebte, noch heute. Doch für einen Süchtigen wie mich war er wohl nicht so der ideale Autor und Vermittler.
    In meinem normalen Alltag gab es keine Lebenden, die sowas wie ihr wahres Selbst verkörperten und mich damit erreichten.
    Es brauchte andere Zugänge. Jesus Christus wäre ein Kandidat gewesen. Doch die Gesellschaft hat ihn verklärt. Er erscheint als abgehoben und unerreichbar. Niemand von uns kann über das Wasser gehen. Ich hab´s leider probiert.

    So wurden mir die literarischen Eingänge wichtig. Herrmann Hesse. Der Steppenwolf.
    Irgendwie eine Identifikation, die meine innerste Seelenpein wiederspiegelte. Ein Sucher. Doch zum Stillstand gebracht hat das meine Begierden nicht. Dennoch blicke ich heute dankbar auf diese Zeit zurück da eine Saat gesät wurde, die es mir sehr, sehr viel später erlaubte sowas wie einen inneren Führer zu haben oder anders ausgedrückt im Alltag in einen Spiegel meines Menschseins zu blicken und zu erkennen das es auch mal einfach sein kann mich der neuen und ewig unbekannten Nüchternheit anzuvertrauen.
    Das ist Gold wert in den Zeiten der Dunkelheit.

  • Hallo Brant, vielen Dank fürs Einstellen Deiner Zeilen und Deiner Gedanken hier! Manchmal suche ich nach Worten um das zu umschreiben was ich erlebt habe, oder was wir erlebt haben. Oft stelle ich für mich fest, dass vom ersten Wort, vom ersten Satz an, mit dem ich einen Gedanken beginne, die Silben beginnen einen eigenen Weg zu finden, um dann ganz woanders raus zu kommen als ich eigentlich vorhatte. Beim Lesen Deines Textes vom Freitag, und den zitierten Autoren, ist mir klar geworden woran das vielleicht liegen kann. Ich bin Handwerker, und habe nicht das Werkzeug, mit den Worten umzugehen wie es ein Schriftsteller tut. Erstaunlich, wie ein Mensch in die Tiefe und Klarheit seiner Gedanken gehen kann, Worte feilt und modelliert... Aber vielleicht ist es ja eher auch wie ein Art Leichtigkeit und tanzen zwischen den Zeilen.

    Manche der Bücher die sich in Deinen Zeilen oben finden habe ich selbst auch gelesen, andere kenne ich nicht. Ich denke Leary ist da eine Lücke die ich gerne mal noch schließen möchte. Es macht mich irgendwie immer wieder neugierig wenn mir der Name begegnet und ich dazu etwas recherchiere.

  • Hallo Mojo


    Danke für deine Zeilen.


    Die Orientierung während der Jugend ist bestimmt ein Stück weit die Suche nach einer Vaterfigur. Bei mir war es zumindest so. Erst in einer Rückblende stellen wir fest wie Menschen uns förderten oder unterstützten. Eine Freundin meiner Mutter nahm mich oft auf Spaziergänge in die Natur mit. Da war ich vllt fünf Jahre. Mit einem Onkel und einer Tante konnte ich fast jeden Sonntag mit ins Schwimmbad mitfahren. Mein Onkel brachte mir auch das Schwimmen bei.
    Warum erwähne ich das so gross? Es waren die Momente wo ich spürte ich bin den Anderen auch etwas wert. Da steht jemand hinter mir. Gern hätte ich solche Momente mit meinem Vater erlebt. Doch da sind nur die Bilder wo er unerreichbar hinter der Wand aus Zigaretten und der obligatorischen Bierflasche zuhause war. Ich war etwa sieben Jahre als wir ins Krankenhaus fuhren und ich den Papa im Bett an vielen, vielen Schläuchen angeschlossen sah. was war da los? Niemand wollte oder konnte es mir sagen und ich blieb rat- und hilflos allein zurück. Möglicherweise können nur Kinder von Alkoholikern empfinden was solche Erlebnisse für das Seelenleben bedeuten.


    Damit will ich es für heute mal belassen. Es ist schon spät.

  • Was war dann im Elternhaus? Schwer für mich es in Worte zu bringen. Eisige Leere vllt in der es keine Wärme und Freude gab! Dort wo die Unterstützung fehlte und nur Ermahnungen kommuniziert wurden. Funktionieren, das Lügengebäude des ganzen Wahnsinns mittragen. Das Fernsehen war der Ausdruck dafür um nicht kommunizieren zu müssen. Nichts zu unternehmen. Diese Kreativität war längst abgestorben, selbst rudimentär nicht mehr vorhanden, erstickt in der Flut aus Problemen und Sorgen. Die Ursache des Dilemmas wurde nicht angesprochen und angegangen. Hier fehlte die Einsicht um dann die dafür nötige Empathie entwickeln zu können.
    So einseitig programmiert ging ich dann ins Leben hinaus. Ich wurde nicht geboren sondern in die Welt hineingeschmissen wie man es auch benennnen könnte.

  • Warum erwähne ich das so gross? Es waren die Momente wo ich spürte ich bin den Anderen auch etwas wert. Da steht jemand hinter mir. Gern hätte ich solche Momente mit meinem Vater erlebt.

    Ich denke, jeder Mensch hat das Verlangen nach Annahme, welche er als Kind in erster Linie in den Eltern zu finden versucht. Dazu kommt noch das Bestreben, sich den Gepflogenheiten der eigenen Familie anzupassen, man versucht latent das nachahmen, was man (vielleicht sogar eher vom Vater) vorgelebt bekommt.

    Bei einer dysfunktionalen Familie bzw. wie ich es kennengelernt habe, fehlt eben diese Schnittstelle, dieses Spüren, dass ich etwas wert bin, diese bedingungslose Annahme. Ich hatte nie einen Vater gehabt und mein späterer Stiefvater hat auf seine psychopatische Weise mein Wertgefühl zusätzlich herabgesetzt, sozusagen nochmal richtig den Vogel abgeschossen.

    Mir nimmt das aus heutiger Sicht viel von dieser Schuld, die ich mir auf Grund meiner Vergangenheit und meiner nicht optimale Gegebenheiten immer selbst zugesprochen habe.

    Anderseits ist es halt wie es ist. Es ist gewesen und ich kann es rückwirkend nicht mehr ändern.

    Aber ich kann JETZT Verantwortung für mein Leben übernehmen und versuchen, die Dinge, die ich als Kind als sehr "kontraproduktiv" erlebt habe, jetzt anders, besser zu machen und dieses dysfunktionale "Erbe" nicht weiter fortzuführen. So gut ich das eben kann und mir bewusst ist.

  • Hallo Brant,

    auch ich möchte dir für das Einstellen deiner Gedanken und dein Teilen hier danken.

    Auch wenn ich einen anderen Weg gegangen bin als du, kann ich so manches, was du schreibst, nachvollziehen.

    Ich komme von unterwegs allerdings kaum dazu, mich dazu zu äußern. Will das nachholen, wenn ich wieder zurück bin.

    Was mich sehr für dich freut, ist, dass du das überlebt hast. Selbstverständlich ist das wahrlich nicht.

    Liebe Grüße

    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo rent


    Das JETZT ist ja seit Jahrzehnten schon die neue heilige Kuh. Während Worte von Jesus wie "Schauet die Lilien auf dem Felde ..." wohl nie verstanden und entrückt verklärt wurden tauchte Ende der Sechziger der erste Grossmeister des jetzt und hier auf. Richard Alpert, der in Indien von seinem Guru den Namen Ram Das bekam und seine Erfahrungen in dem Buch "Remember Now Be Here", deutsch: Denk daran sei jetzt hier, niederschrieb. Es wurde ein Renner bei der damaligen Hippie- und sonstigen Sucherscene. Auf diesen kleinen Kreis blieb das Buch auch beschränkt.
    Erst viele Jahre später erschien ein weiterer Grossmeister des jetzt und hier, Eckhart Tolle und sein Buch "Die Kraft der Gegenwart". Es erreichte mit Millionenauflagen den Mainstream. Es fühlt sich heute an wie ein kollektiver Durchbruch der westlichen Menschheit. Und das ist es vllt auch. Viele Menschen haben jetzt die Möglichkeit frei von "ererbten" Zwängen ihr wahres Potenzial wahrzunehmen, ihre Aufmerksamkeit nach innen zu richten und ihren echten Reichtum zu erforschen. Das ist ein echtes Geschenk.


    LG Brant

  • Hallo AmSee

    Gute Zeit an deinem Ort.

    Was mich sehr für dich freut, ist, dass du das überlebt hast.

    Danke.

    Jenny said, when she was just five years old
    You know there's nothin' happening at all
    Every time she put on the radio
    There was nothin' goin' down at all
    Not at all

    One fine mornin', she puts on a New York station
    And she couldn't believe what she heard at all
    She started dancin' to that fine-fine-fine-fine music
    Ooohhh, her life was saved by rock 'n' roll
    Hey baby, rock 'n' roll

    [Chorus]
    Despite all the amputations
    You could dance to a rock 'n' roll station
    And it was all right
    It was all right
    Hey babe

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    Möglich das Rock`n Roll mit das Geheimnis des letztlichen Überlebens war.

    Zumindest einen grossen Teil dazu beigetragen hat das die Hoffnung nie ganz

    verloren war.

  • Erfahrungsbericht Stammkneipe

    Meine Stammkneipe war eine Ecke weiter.
    Da sie irgendwo zwischen Wohn- , Industriegebiet und Verbindungsstrasse lag war die Speisekarte weit über "Gulaschsuppen Bockwurst Käsebrot" Niveau.
    Es war ein älteres Gebäude mit so einem kleinen Vorraum wo ein Bestellfenster mit Klingel war. Hier hatte der Wirt mit Mitnehmgetränken, Schnellgerichten und Eiscreme ein paar zusätzliche Einnahmen.

    Im Gastraum gleich neben der Theke war der Stammtisch. Es war üblich beim Kommen dreimal auf den Tisch zu klopfen. Obwohl ich die Regionen von Rhein über Donau bis zur Elbe kennengelernt habe, weiss ich nicht ob das überall so der Brauch ist. Für ein anderes Ritual stand die Stammtischglocke zur Verfügung.

    Das Lokal öffnete um zehn Uhr. Immer zu finden war ein ziemlich origineller Rentner, der Mundartgedichte zum besten gab, zuweilen auch auf einer Mundharmonika spielte. Er ass hier jeden Tag zu Mittag und wenn er mal nach Hause ging hatte man eher das Gefühl das er sein Zuhause verliess.

    Da waren die Selbstständigen, die mittags ihren Laden zuschlossen und ihre zweistündige Mittagspause in der Kneipe verbrachten.Nach Ladenschluss waren sie selbstverständlich auch wieder da.

    Ein Arbeiter, der alleinerziehend war, brachte immer seine Neunjährige mit. Sie sass dann am Tisch bei Cola und Süssigkeiten und durfte die Musikbox füttern. Drück die Nr... hiess es dann immer. Der Nikotinrauch war zum Schneiden.

    Die Nebentische waren besetzt von Gästen, die nicht so oft kamen und abends von einer Werbekolonne, die in der Nähe ihr Domizil hatte. Ein ziemlich harter Haufen. Sie hielten den Pool besetzt.

    Eine meiner Besonderheiten war die Bezahlung.Ich konnte zwar eventuell an einem Pub vorbeigehen, doch wenn ich Blut geleckt hatte blieb ich auch bis zum Ende, sprich der Polizeistunde. Ich bezahlte im Lauf des Abends mehrmals. Vielleicht störte mich der Gartenzaun oder ich spielt unbewusst: Ich kann jederzeit aufhören.

    Viele vom Stammtisch spielten Dart. Ich nicht!?! Ich mochte die schnellen Hinrichtungen nicht. Alle paar Minuten eine Runden Schnaps. Es ist mir fast ein Rätsel wie meine Stammtischbrüder und -schwestern dann morgens mit Fahne an ihren Arbeitsplatz auflaufen konnten. Nicht einmalig sondern durch die ganzen Jahre ständig verkatert im Job. Das waren Arbeiten im Krankenhaus, Pflege der Patienten oder im Büro mit Publikumsverkehr.

    Fleischer kam eines Abends wütend an. Er hatte auf die Vorhaltungen seiner Frau so reagiert, das er dem lebendigen Zwergkaninchen den Kopf abgehackt hatte und die zuckenden Teile ins Zimmer schmiss. Er liess eine heulende, vielleicht fünfjährige Tochter und eine verzweifelte Frau zurück. Es war ihm egal. Der Wirt brachte ihm ohne nur gefragt worden zu sein: "Das übliche".

    Angehörige und Interessierte fragen oft, ob Alkoholiker ihre Wesensveränderungen und die Verletzungen die sie Andern zufügen nicht spüren können.
    Die Antwort meines Stammtischs wäre gewesen: Ja es war vielleicht ein bisschen hart, aber das hat sich die Alte mit ihrer Nörgelei ganz allein zuzuschreiben. So innig vom Stammtisch verstanden und etlichen Schnäpsen später ging Fleischer zurück in seine Wohnung wo immer noch Frau und Tochter waren ...

    Ich selbst hatte einmal in einer Zoohandlung Wüstenrennmäuse gekauft und auf den Balkon ausgesetzt. Ich konnte mit ihnen nichts anfangen. beliess sie ihrem Schicksal. Kümmerte mich nicht um sie. Wenige Tage später fand ich ihre Kadaver. Sie waren verhungert oder eher verdurstet.

    Jahre später.
    Nach der Phase "Ich will einfach nichts mehr saufen" , kam die Phase" Ich will leben". Doch wie sollte das funktionieren mit diesen ganzen Felsbrocken auf der Seele, die ich mir noch nie angeschaut hatte. Nicht mal wusste aus was diese abartige Finsternis überhaupt sein könnte.
    Die armen Kreaturen tauchten in meinem Geist wieder auf. Diese unschuldigen Mäuschen mit ihren grossen Augen. Ich spürte die Scham und Schuld, die Zeit als ich nicht da war als mich jemand brauchte. Verblödung und Arroganz. Das war es also was der Alkohol aus mir gemacht hatte. Einen erbärmlichen Gefühlskrüppel.

    Der neunte Schritt der Anonymen Alkoholiker:

    Wir machten alles wieder gut - wo immer es möglich war.

    Manch ein Scherbenhaufen, Trümmerfeld ist nicht mehr zu reparieren. Das ist halt so!

    Der Buntspecht ist heute wieder am Fenster. Wenn keine Nüsse am Fensterbrett liegen und er mich in der Küche sieht macht er sich mit einen typischen Schrei bemerkbar und wartet auf dem Zaun nur zwei Meter entfernt bis Erdnüsse serviert werden. Wir sind uns schon sehr vertraut. In den Bäumen beobachten mich die Eichhörnchen und der Kleiber.

  • Hallo Brant,

    Danke dir für das Teilen deiner Erfahrungen und deiner Gedanken dazu.

    Diese Geschichte mit dem Zwergkaninchen finde ich ganz schön heftig, insbesondere, wenn ich mir die seelischen Verletzungen des vielleicht fünfjährigen Mädchens vorstelle….


    Viele Grüße

    AmSee

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  • Hallo AmSee

    Gewalt im häuslichen Bereich und in der Öffentlichkeit in Verbindung mit Alkohol hat schon eine sehr grausame Seite.

    Als ich so 2008 mir einen Computer leistete begann ich auch so kleine Geschichten meiner Karriere aufzuschreiben.

    Die Möglichkeiten knappe Erinnerungen später unkompliziert ergänzen zu können hatten da durchaus etwas für sich.

    Nur fragte ich mich immer wieder mal. War das wirklich ich?


    Einen lieben Gruss

    Brant


    Nähe Bahnhof

    Zum einen waren da die klassichen, reinen Schnapsler, irgendwie eine aussterbende Art, politox sein ist wohl die Zukunft. Zumeist waren es Männer über vierzig, kaum mal eine Frau mit dabei.
    Alle hatten mal geordnet mit Beruf, Frau und Famile angefangen und immer spielte beim Absturz der Alkohol die grösste Rolle. Job verloren, die Frau verprügelt, das Sparschwein der Kinder in die Kneipe gebracht. Mir kann das nie passieren hatten alle mal von sich gedacht, bevor ihre Abwärtstrip begann.
    Jetzt waren sie angekommen. Ihre Körper waren gekennzeichnet. Leere Gesichter. Die Spuren von Korsakow und dem Tremens. Faule schwarze Stummel in den Mündern. Sie tranken nur noch hart. Ausserhalb ihrer Gruppe hatten sie keinen richtigen Kontakt mehr. Die bevorzugten Todesarten: Leberzhirrhose, Bauchspeicheldrüse, Tod durch Erfrieren.
    Dann gab es noch die Punks mit ihren ganzen Ratten und Hunden. Sie suchten die Wärme und Liebe, die sie in ihrem Elternhaus, Patchwork oder Heim nicht kennengelernt hatten. Das schnorren und miteinander teilen bei teils sehr heftigen Strassenevents von Bier und bestimmten Mischungen, Besuche von Punkkonzerten gab ihnen ein illussionäres Gruppengefühl. Es war nicht sehr tief. Viele landeten bei harten Drogen.
    Und wir waren die Grössten. Wir tickten und checkten und liessen es uns gutgehen. Jeden Tag kamen die Sanis und brachten jemanden der grad als Medikamentenleiche rumlag auf Entgiftung. Am nächsten Tag war dieser Mensch wieder da und hatte was zu erzählen.
    Die ungeschriebenen Sceneregeln waren hart. Es gab da eine Abwechslung an der ich Gott sei Dank nicht beteiligt war. Häufiger gab es Schlägereien, wobei sich auch die Frauen hervortaten. Immer ging es um linke Dohlen, wie im Jargon das Nichtbezahlen von Vereinbarungen genannt wird. Umgehend war immer die Polizei zur Stelle und löste auf. Spassverderber.
    Im Winter drückten wir uns in eine windige Kaskade und tranken Bier das nur geringfügig wärmer als der Gefrierpunkt war. Dafür war das Bier im Sommer brühwarm und zum Kühlen war keine Gelegenheit, Der unbestreitbare Vorteil: es knallte besser.
    Bleiben die Toten, es waren weit über hundert die hier keinen Namen haben. Doch sie hatten Namen und Gesichter. Die meisten waren sehr jung. Einer war siebzehn, eine Andere achtzehn Jahre. Wir waren monate- und jahrelang am Treff zusammen, sprachen über unsere Wünsche, Träume und Pläne. Ich musste ihr Sterben abspalten um selbst nicht realisieren zu müssen das ich zu den Todgeweihten gehörte.
    Möge keiner glauben. Das kann mir nicht passieren.

  • Hallo Brant,

    Gewalt im häuslichen Bereich und in der Öffentlichkeit in Verbindung mit Alkohol hat schon eine sehr grausame Seite.

    ja, das hat es….

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

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