Paul, nun abstinent

  • Hallo ,
    ich bin mitte 50 und seit knappen 3 Jahren abstinent, zuvor soff ich gute zwei Jahre täglich, Bier, Schnaps ... alles was ging. Es gab keinen Tag an dem ich nüchtern war, keinen!
    Zuvor regelmässiger, täglicher Biertrinker, doch dann kippte es. Mir war alles egal, ich war zutiefst unzufrieden mit mir und vorallem der Welt und da war Alkohol ein gutes "Antidepressivum", ein guter Stimmungsaufheller, ein herrlicher Benebeler. Das hielt gute 2 Jahre an.

    Irgendwann besann ich mich, ich wollte meinen Führerschein zurück und dazu musste ich einen Abstinenznachweis erbringen, das war mein Auslöser, meine Motivation.
    Die ersten Tage, Wochen hatte es viel mit Verzicht und Aushalten zu tun, dann, ganz langsam, gewöhnte ich mich daran und entschied mich abstinent zu bleiben, auch nachdem ich meinen FS wieder hatte.
    Was ich mich nun frage, warum bekommen so viele den Alkoholverzichtsgedanken nicht aus dem Kopf? Nähren diesen und den Suchtdruck, in dem sie sich immer wieder einrededen Alk. sei etwas Positives, müsse dazu gehören.

    Viele Grüße, Paul

  • Hallo, Paul,

    und herzlich Willkommen hier bei uns im Forum :welcome:

    Deine Frage wird Dir wohl nur jemand beantworten können, der "gezwungen" wurde, mit dem Trinken aufzuhören.
    DU wolltest es, weil Du Deinen FS wiederhaben wolltest und bliebst es dann freiwillig.

    ICH wollte es, weil ich nicht mehr trinken MÜSSEN wollte. Ich musste trinken, um halbwegs zu funktionieren - und habe eigentlich immer schlechter funktioniert und meine Psyche ging auch immer mehr den Bach runter.
    Von daher habe ich mich vom Alkohol BEFREIT und mir fehlt seither nichts. Im Gegenteil - ich habe meine Freiheit wiedergewonnen.

    Wenn aber jemand das Gefühl hat, dass ihm/ihr mit dem Alkohol etwas weggenommen wurde ... dann ging es ihm/ihr noch nicht schlecht genug und es wird irgendwo im Hinterkopf noch ein Gedanke von Verzicht bleiben.
    Dann kommt es auf die Person an, inwieweit sie es für sich solche Gedanken zulässt nixweiss0

    Aber ich denke, da greift eine Aussage eines Gruppenfreundes:
    Geht aus den Köpfen der Anderen! Interpretiert nicht bzw. versucht nicht zu interpretieren, was andere Leute denken (könnten). Kümmert Euch um Euch und Eure Probleme (in Bezug auf Alkohol!!)!


    Die ersten Tage, Wochen hatte es viel mit Verzicht und Aushalten zu tun, dann, ganz langsam, gewöhnte ich mich daran und entschied mich abstinent zu bleiben ...

    Auch wenn es bei mir nun schon 15 Jahre her ist, kann ich mich noch sehr gut daran erinnern. Auch wenn ich vom Alk weg wollte - "wollen" und "können" sind (insbesondere ohne Hilfe) zwei verschiedene Paar Schuhe.

    Ich wünsche Dir jedenfalls einen guten Austausch hier!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Paul,
    herzlich Willkommen. :welcome:

    Schön, dass du hierher gefunden und dich vorgestellt hast.


    Was ich mich nun frage, warum bekommen so viele den Alkoholverzichtsgedanken nicht aus dem Kopf? Nähren diesen und den Suchtdruck, in dem sie sich immer wieder einrededen Alk. sei etwas Positives, müsse dazu gehören.

    Ich denke, dass das der überaus starken Gehirnwäsche geschuldet ist, der wir in unserer Gesellschaft von Anfang an und ständig ausgesetzt sind. Wenn wir nicht ausgerechnet in einer abstinent lebenden Familie und Umgebung aufgewachsen sind, wachsen wir von klein auf (d.h. in einer äußerst prägenden Phase unseres Lebens) mit dem Bewusstsein, dass Alkohol zum Leben, zum Feiern, zur Stressbewältigung usw. dazu gehört, auf. Solange wir Kinder sind, wird uns der Konsum in der Regel verwehrt, aber er wird uns von den Erwachsenen bei allen möglichen Gelegenheiten vorgelebt und etwa ab dem Konfirmationsalter erlaubt.
    Ich hab da gerade meine liebe Verwandtschaft vor Augen, die das genau so lebt und vorlebt. Bei einer Gelegenheit gehörte für sie ein Eierlikörchen dazu und die zu dem Zeitpunkt 9-Jährige durfte erst probieren und bekam dann sogar ein eigenes kleines Glas. Oh, wie freuten sich alle (außer meinem Mann und mir, die mit ihrer Ansicht nicht hinterm Berg hielten und auf VÖLLIGES Unverständnis stießen.).
    Demnächst darf ihre ältere Schwester, die noch keine vierzehn ist, ihre Konfirmation feiern und kann es seit Monaten kaum erwarten, dass sie dann endlich auch Wein trinken darf. Zu ihrer großen Freude durfte sie an ihrem Geburtstag ihre Fanta sogar schon aus einem Weinglas trinken. Oh, wie fein! :wall:
    Etwa ab der Pubertät interessiert uns das, was in unseren peer groups vorgelebt wird. Wer von uns kann keine Geschichten erzählen, wie’s da alkoholmäßig abgegangen ist….

    Und dann: Schau dich mal um, wie präsent Alkohol in deinem Umfeld, in der Politik, bei gesellschaftlichen Ereignissen wie z.B. Fußball, Basketball usw., in Film, Fernsehen, in der Werbung ist….
    Hatten wir in Bezug auf Zigaretten auch mal, inzwischen aber nicht mehr…


    Ich gebrauche für das in unserer Gesellschaft allgegenwärtige Bewusstsein, dass Alkohol zum Leben unbedingt dazu gehöre und Menschen, die keinen Alkohol trinken dürfen, zu bedauern sind, inzwischen den Ausdruck „Gehirnwäsche“.
    Nichts anderes ist es eigentlich, denn die Erfahrungen, die ICH gemacht habe, nachdem ich ausgestiegen bin, haben zumindest mir überaus deutlich gemacht, dass Alkohol eigentlich nur ein Nervengift ist und es definitiv kein Verlust ist, darauf zu verzichten, eher sogar im Gegenteil.


    Meiner Verwandtschaft und vielen anderen Menschen brauche ich meine Erkenntnisse nicht zu erzählen, die wollen das gar nicht hören und auch nicht sehen. Sie können es wahrscheinlich auch gar nicht, zu groß wirkt die Gehirnwäsche und da sie mit ihrem Konsum nicht in Not geraten sind, sondern ihn kontrollieren können, gab es bislang auch keinen Grund für sie, da auszusteigen.


    Naja, und dann kommt da noch die Wirkung des Alkohols. Er stellt letztlich eine „Abkürzung“ zum sogenannten Belohnungszentrum dar. Diese Abkürzung vergisst dein Belohnungszentrum nicht, wenn sie es einmal kennengelernt hat.
    Und wie du’s selbst erlebt hast, wirkt er u.U. wie ein gutes „Antidepressivum“. Wie schädlich dieses „Antidepressivum“ auf Dauer und langfristig wirkt, kriegst du ja erstmal nicht mit und außerdem hat es seine Gründe, warum du auf dieses „Antidepressivum“ zurückgreifst.


    Warum solltest du das alles hinterfragen, wenn’s dich nicht in den Abgrund gerissen hat?

    Und wenn du da notgedrungen aussteigen musst, musst du dieser „Gehirnwäsche“ erstmal entrinnen….
    Und du musst damit umgehen lernen, dass dein Belohnungszentrum - in diesem Zusammenhang passt dann besser der Ausdruck „Suchtgedächtnis“ - den Alkohol mal als äußerst hilfreich kennengelernt hat….


    Wünsche dir einen guten Austausch hier!

    Viele Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo AmSee,

    da ist was dran, was du Gehirnwäsche nennst.
    Auch ich war ein "Eierlikör-Kind" und endlich, endlich durfte ich dazugehören, so sein wie die Erwachsenen.
    Dann mit 14 (Konfirmation oder Jugendweihe) wurde der nächste Meilenstein gelegt, man durfte trinken, wurde als Glechwertiger akzeptiert. Bier kaufen, Bier trinken - endlich war man groß.

    So schleichend begann es auch bei mir. Irgendwann bemerkte ich die angenehme Wirkung des Alkohols, die gelegentlichen Ausfälle nahm ich hin.
    Der Grundstein der Sucht war gelegt.
    ... und so schlimm kann es ja nicht sein, wenn es alle machen.

  • Zitat

    Ich gebrauche für das in unserer Gesellschaft allgegenwärtige Bewusstsein, dass Alkohol zum Leben unbedingt dazu gehöre und Menschen, die keinen Alkohol trinken dürfen, zu bedauern sind, inzwischen den Ausdruck „Gehirnwäsche“.

    Dazu passt doch das hier:

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Ich betrachte mich mittlerweile wieder als gesund, ob ich noch Alkoholiker bin, mögen bitte andere beurteilen.

    Selbstredend werde ich wieder krank, wenn ich die Droge Alkohol konsumiere, ebenso wie ich erkranke, wenn ich mir andere nicht wohltuende Stoffe zuführe.

    Das Wort Alkoholiker benutze ich in Betroffenenkreisen, um mich verständlich zu machen.

    Oft frage ich mich, warum haben so viele, scheinbar ?, noch jahrelang Saufdruck und andere nicht, nach einer gewissen Zeit.
    Wie war es bei euch?
    Verschwand der Saufdruck nach einer gewissen Zeit?
    Damit meine ich nicht, die hin und wieder aufkeimende Wehmut, Erinnerung an vergangene Tage, sondern echtes Verlangen ... Druck.

  • Eine gute Frage, über die ich auch schon nachgedacht habe. Ich war selbst in den ersten Monaten mehrfach von schweren Schüben betroffen, seit ein paar Jahren jedoch nicht mehr. Ich schließe nicht aus, dass ich noch mal dran sein werde.

    Den meisten Abstinenten, mit denen ich mich unterhalten habe z.B. im Rahmen meiner Therapie oder später in einer analogen SHG, ging es so wie mir. Anfangs desöfteren Trinkverlangen, bis hin zu gelegentlichen stärkeren Attacken. Mit der Zeit wurden die Abstände immer größer.

    Die einzig für mich plausibel klingende Antwort: Wir sind alle verschieden. Auch bei anderen Erkrankungen gibt's unterschiedliche Verläufe, siehe Corona. Weshalb sollte das bei der Abstinenz anders sein?


  • Oft frage ich mich, warum haben so viele, scheinbar ?, noch jahrelang Saufdruck und andere nicht, nach einer gewissen Zeit.


    Ich kann dir diese Frage auch nicht beantworten. Ich hab darüber mal eine Weile nachgedacht, inzwischen suche ich darauf keine Antwort mehr, weil’s für mich persönlich eigentlich gar nicht relevant ist, wie viel oder wie wenig andere Suchtdruck erleben.

    Wirklich interessant ist eigentlich nur, wie ich präventiv tätig werden kann. Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang zum Beispiel Erkenntnisse aus der Rückfallforschung.

    Darf ich dich fragen, warum dich das so interessiert?


    Ich selbst hatte tatsächlich nur ein Mal mit Suchtdruck zu tun, das war mehr als ein halbes Jahr nach Beginn meiner Abstinenz. Als ich das erfolgreich überstanden hatte, konnte ich die Trigger (es war ein ungünstiges Zusammenkommen von mehreren Triggern), die das ausgelöst haben dürften, identifizieren und in der Folgezeit meine innere Einstellung diesbezüglich verändern.
    Seit dem hatte ich kein weiteres Suchtdruckerlebnis.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Die Ursachen des Saufdrucks mögen unterschiedlich sein.
    Ein Gefühl, ein scheinbarer (?) Mangel von Botenstoffen im Gehirn.
    Das Gehirn schlägt Alarm, wir werden unruhig, versetzt uns in Panik, man scheint die Kontrolle zu verlieren.
    Wodurch wird das ausgelöst, was passiert da in uns?

    Schaut man sich den Notfallkoffer an, hilft Ablenkung, Suggestion, Selbstbeeinflussung, etwas was das Bewusstsein verändert und somit die Vorgänge im Gehirn.
    Ähnlich wie man Furcht, Lust oder Wohlbefinden beeinflussen kann.
    Woran wir glauben wird zur Wahrheit und umgekehrt.

    Jede Therapie ... Hilfe zur Selbsthilfe, Selbstbeeinflussung basiert auf dieser These.
    Die beste Prävention ist doch nicht die Bekämpfung der Wirkung, sondern die Vermeidung der Ursachen.

    So individuell die biochem. Vorgänge im Hirn auch sind, basieren sie auf bestimmten, sehr ähnlichen Regeln mit all ihren Variabelen.
    -> Mangel und deren Ausgleich.

    Aus diesem Grund interessiert mich der Saufdruck, wie er entsteht. Die Gefühlsbasis, die ja die Grundlage bildet.

  • Also ich hatte regelmässigen Saufdruck, so lange ich nur Trinkpausen gemacht habe und die Pause als Verzicht erlebt habe. Und es auch eine Leistung für mich war, Pausen zu machen, denn zur Leistung gehört ja auch die anschliessende Belohnung.

    Nachdem ich aufgehört hatte, hatte ich nur zwei mal Saufdruck in den ersten Wochen. Zusammen genommen aber nur wenige Minuten lang. Ein Klacks.

    Das erste Mal hatte ich bei großer Hitze ein wahnsinnigen Durst und sah zufällig jemanden, der sich ein Weissbier einkippte. Das liess sich durch Apfelschorle erledigen. Es war in erster Linie eben der Durst.

    Das zweite mal war ich, wie passend, in einem Schnapsladen, um meinem Stiefvater ein Geburtstagsgeschenk zu besorgen, und da wurde ich plötzlich sehr nervös. Zittern, Unruhe, Hitze, wie wenn ich Tags zuvor gesoffen hätte.
    Auch das ging vorbei, indem ich einfach rausging. Im nächsten Jahr passierte da nichts mehr.

    Ich glaube, auch aufgrund dieer Erfahrungen, dass es steilenweise mit der inneren Einstellung zusammenhängt. Wenn ich eigentlich trinken will und es mir verbiete, dann kann der Druck leicht aufkommen. Das betrifft im Übrigen auch die Rückfallgefahr durch Kleinstmengen, erst wenn ich dazu noch denke, jetzt kann ich nicht mehr aufhören, kommt es auch zum Rückfall.

    Wie Du ja selbst schreibst, Gefühle steuern Gedanken und Gedanken steuern Gefühle. Oder, was ich auch schon gelernt habe, das plastische Gehirn entwickelt sich da hin, wo man sich hindenkt. Wel das immer auch ein körperliches Korrelat hat, neue Synapsenverbindungen. Im Lauf von 10 Jahren kannst Du das Hirn ganz schön verändern, das ist z.B bei Leuten mit Meditationpraxis nachgewiesen.
    Nun sitzt aber die Sucht auch ziemlich tief im Stammhirn und lässt sich bewusst nur bedingt beeinflussen. Deswegen kann das halt auch immer mal wieder was hochkommen.

    Es gibt Untersuchungsergebnisse mit MRT-Hirnscan bei Süchtigen. Da werden Süchtige vor alkoholische Getränke gesetzt und es wird die Durchblutung des Hirns gescannt. Man geht wohl nicht ganz zu Unrecht davon aus, da, wo es arbeitet, steigt die Durchblutung.
    Und da wurde festgestelllt, dass erfolgreich absolvierte Therapien dazu führen können, dass die betroffenen Hirnbereiche nach der Therapie nicht mehr auf die Exposition des Alkohols anspringen.
    Das kann aber auch durch Spontanremission stattfinden, so wie es bei mir vielleicht der Fall war. Da hats Klick gemacht und dann wars rum. Reizte mich sehr plötzlich nicht mehr. Ich hatte nur einige Gespräche, aber keine Suchttherapie. War irgendwie einfach weg, das Bedürfnis, nachdem ich mir deutlich betrachtet hatte, wie schlecht es mir zu dem Zeitpunkt nach Besäufnissen ging.

    Ich würde sagen, bei mir war es ein wesentlicher Unterschied, als ich den Fokus aufs Endergebnis gelegt hatte. So lange ich nur die Erleichterung nach den ersten Drinks gesehen hatte, hatte ich Saufdruck. Aber als ich das bis zum bitteren Ende durchdachte, war es vorbei.

    Im übrigen sind ziemlich viele verschiedene Faktoren daran beteiligt, ob jemand eine Abhängigkeit überhaupt entwickelt. Neben diesen ganzen gesellschaftlichen Dingen und irgendwelcher persönlichen Entwicklung sind auch Gene daran beteiligt, wie gut jemand Alkohol verträgt und verstoffwechseln kann und als wie positiv er die Wirkung empfindet. Es gibt ja Leute, die hören gleich wieder auf, weil es ihnen vom Trinken gleich schlecht geht, aber manche, so auch ich, vertragen von Anfang an ziemlich viel und sind von daher aber auch stärker gefährdet. Besonders suchtgefährtet sind Leute, die kaum einen Kater kriegen, weils eben nicht weh tut. Und bis es weh tut, haben sie schon jahrelang gesoffen. Bis dahin hat es eben Spaß gemacht.

    Auf was ich rauswill, wenn es geschätzt 75 Faktoren gibt, die zur Sucht führen können, dann können beim einen 30 von diesen Faktoren vorliegen und beim Anderen 25 andere dieser Faktoren, und Überschneidungen und und. Und dementsprechend entwickelt sich das auch unterschiedlich, auch nach dem Aufhören.

  • Hallo Paul,
    hab heute nicht viel Zeit, deshalb jetzt nur kurz zwischendurch:


    Die beste Prävention ist doch nicht die Bekämpfung der Wirkung, sondern die Vermeidung der Ursachen.

    Das sehe ich genau so, deshalb hab ich auch davon gesprochen, dass von Interesse ist, wie man „präventiv tätig werden kann“, und von Erkenntnissen der Rückfallforschung gesprochen.

    Die Vorbereitung eines Notfallkoffers gehört zwar auch in den Bereich „Prävention“, der Notfallkoffer selbst ist aber ja nur für den Fall einer Akutsituation gedacht.

    Das Ziel sollte natürlich sein, dass es möglichst gar nicht erst zu einer solchen Situation kommt.

    Und in diesem Zusammenhang sind die Erkenntnisse aus der Rückfallforschung tatsächlich interessant.

    Bist du schon mal auf den Vortrag zum Anhören von Professor Lindenmeyer Der Stau auf der A61, den wir in unserer Linksammlung verlinkt haben, gestoßen?

    Würde mich interessieren, ob dir das ein paar hilfreiche Ansätze liefert.


    Zu dem anderen, was dich interessiert, werde ich zu antworten versuchen, wenn ich wieder Zeit und Ruhe dafür habe.

    Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

    Einmal editiert, zuletzt von AmSee13 (23. April 2023 um 18:19)

  • Fällt mir grade noch ein:

    Du kennst ja vielleicht automatisiertes Verhalten. Autofahren. Anfangs musst Du es lernen, aber irgendwann macht sich das von selbst.
    Es geht erst mal über das ganz normale Erinnerungssystem, aber mit zunehmendem Können wird die Ausführung in die Basalganglien verlegt.
    Und das verlernst Du nie wieder.

    Dann können durch irgendwelche Situationen Gefühle aus der Vergangenheit wieder zum Leben erweckt werden. Im Traum geht das ja auch. Und durch Gerüxche und optische Reize, Situationen natürlich auch.

    Also mich persönlich wundert es überhaupt nicht, warum etwas, was man viele Jahre lang gemacht hat (Saufen) mal aufpoppt.
    Na ja und viele vergessen halt auch gern, wie es weitergeht, und träumen sowieso heimlich davon, sich irgendwann wieder eins zu gönnen. Du guckst ja von aussen nicht rein, wer wirklich damit abgeschlossen hat. Da kommt dann so ein Druck ja vielleicht auch mal ganz gelegen.

    Und insgesamt ist der größte Teil der Hirnaktivität für unser Bewusstssein nicht erreichbar, und zwar prinzipiell, wir kriegen ja nur das mit, was dann über die Bewusstseinschwelle kommt. Paar Prozent dessen, was daneben unbewusst passiert. Also werden wir manches vielleicht nie so ganz genau wissen.

  • Hallo Susanne68,

    stiimmt, auch ich hatte nur am Anfang Saufdruck, als ich mir noch Verbesserung meiner Lage versprach. Als ich noch dachte: jetzt ein Glas trinken und alles wird wieder entspannt, völlig verdrängend, dass es nicht bei einem Glas bleiben würde. Ich der Gier nachgeben wollte.
    Ich dem jahrelang antrainierten Automatismus folgte, dem der ja immer funtionierte.
    Erst als ich mir eingestand, das "diese Entspannung" schon lang nicht mehr funktionierte, sondern fast nahtlos in eine Betäubung überging und ich an meine Vernunft appellierte, konnte ich mich zurückhalten. Ich wusste, das braucht Zeit, sich umzugewöhnen.

  • "Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne..."

    Und ist der Zauber weg, was dann?

    Was ist, wenn alles gedacht und alles ausgesprochen ist?
    Wenn alle Variablen hinterfragt sind ... geht man zum schnöden Alltag über.

    Genau das war der Reiz des Alkohols, man erschuf sich eine Welt, verzauberte sich. Alle Diskussionen über Vernunft, was man tun sollte oder lieber nicht waren nichtig - ein Ausstieg aus der banalen Welt, hinein in die bunte Welt des Rausches.

    Und das Schönste war, man konnte diese Reise gemeinsam tun, gemeinsam Spass haben.

    Diese "Verzauberung" untersagte man sich. Zum Ersten, weil sie "Dank" des Gewöhnungseffektes immer seltener eintrat bzw. immer kürzer wurde und man sehr schnell in den Betäubungszustand geriet - egal, da waren wenigstens die Sorgen weg.

    Ein Defizit entstand, nach der Anfangseuphorie der fröhlichen Abstinenz.
    Jetzt ist man erfolgreich abstinent und nun?

    In der SHG hört man immer nur die selbe Leier, da gehen langsam die Themen aus.
    Alle reden von Rückfallprävention, immer wieder, ein Thema, was einen nur mäßig interessiert, wenn man den Saufdruck nur noch schwach aus der Zeit des Saufens kennt.
    Dann kommen Worte wie Selbstfürsorge, Achtsamkeit - o.k. , wenn man für sich das Thema Alkoholtrinken abgeschlossen hat, wird's ebenso interessant, wie Glücksspiel oder der Konsum illegaler Drogen. Das kennt man von anderen.

    Wenn man sich dann noch das Rauchen abgewöhnte, die kleine Pause, die einem nur selbst gehörte, wo man sich entspannte, selbst in stressigen Situationen, wird's eng.

    Der Ärger auf der Arbeit, die Freude auf die Hausarbeit, wenn man Heim kommt, die Freude auf den Lebensabschittsbegleiter, der mittlerweile so spannend geworden ist wie eine offene Selters? Hat man selbigen bereits "entsorgt", bleibt einem wenigstens das erspart. 8)

    Sind die Kinder aus dem Haus und machen ihr eigenes Ding, fällt diese Sorge leider, Gott sei Dank auch weg.
    Selbst wenn man genügend Geld zur Verfügung hat, wird das tägliche Fahren im Cabrio, die halbjährliche exotische Urlaubsreise, das wöchentliche Schlemmen im Restaurant schnell uninteressant.

    Ab einem gewissen Alter kommen zusätzlich Zweifel hinzu, graue Haare, immer heftiger Falten, weniger Zähne, Hängebrüste, Polyneurpathie oder sonst was ... Alterserscheinungen, zusätzlicher Freudeverlust.
    Die besten Voraussetzungen für eine (Alters-) Depression.

    Wer da keine echten Freund, Familie hat, hat ein Problem!
    Wie schön war es doch, als wir noch tranken, damals ... auf "Kopfdurck" gab's etwas Fröhlichkeit, zumindest Entspannung; Ablenkung - doch das ist nun auch vorbei!

    Allem Anfang wohnt ein Zauber inne ...

  • Hallo Paul,
    dein Post heute trieft ja nur so von Selbstmitleid….


    In der SHG hört man immer nur die selbe Leier, da gehen langsam die Themen aus.
    Alle reden von Rückfallprävention, immer wieder, ein Thema, was einen nur mäßig interessiert, wenn man den Saufdruck nur noch schwach aus der Zeit des Saufens kennt.

    Schon mal drüber nachgedacht, dass das mit den Fragestellungen, mit den Interessen der Neuankömmlinge zu tun hat?

    Gingen deine eigenen Fragestellungen in diesem deinem Faden etwa in eine andere Richtung?

    Nach diesem Post heute frage ich mich, was du hier eigentlich suchst und ggf. nicht einfach nach dem fragst, was dich wirklich interessiert.


    Im Übrigen ist mir nicht zum ersten Mal aufgefallen, dass du auf Beiträge anderer Nutzer teilweise gar nicht erst eingehst. Musst du auch nicht, höflich wär’s, aber musst du nicht. Wundere dich aber auch nicht, wenn Nutzern die Lust vergeht, sich überhaupt noch Zeit für eine Antwort an dich zu nehmen.
    Mir ist sie schon vergangen. Das ist hier schließlich kein „Bringdienst“.

    Gruß
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Zitat

    Was ist, wenn alles gedacht und alles ausgesprochen ist?
    Wenn alle Variablen hinterfragt sind ... geht man zum schnöden Alltag über.

    Genau das war der Reiz des Alkohols, man erschuf sich eine Welt, verzauberte sich. Alle Diskussionen über Vernunft, was man tun sollte oder lieber nicht waren nichtig - ein Ausstieg aus der banalen Welt, hinein in die bunte Welt des Rausches
    Wer da keine echten Freund, Familie hat, hat ein Problem!
    Wie schön war es doch, als wir noch tranken, damals ... auf "Kopfdurck" gab's etwas Fröhlichkeit, zumindest Entspannung; Ablenkung - doch das ist nun auch vorbei!.

    Zitat

    Hallo Paul,
    dein Post heute trieft ja nur so von Selbstmitleid….

    Nein, es ist Realität. Paul hat da schon ganz recht. Dieses Faktoren werden gerne übersehen, oder als "nasses Denken" gestempelt. In Summe ist das wie in einer REHA, in einer Klinik. Und ich weiß wovon ich da spreche, letztes Jahr war ich in zweien. Allerdings nicht zum Thema Alkohol, aber egal. Das ist wie eine "Bubble". Herrlich einfach, man hat ein Thema, ein Thema für alle gleich. Dazu wird man umsorgt.
    Das Umsorgen kann man sich weiter erhalten, indem man sich dann Real trifft. Und die einen Leben das Thema weiter, und kauen ewig auf den selben Themen rum, und andere gehen weiter. Das nennt sich dann Leben.
    Beim Thema Alkohol wird aber leider übersehen, das Alkohol eines DER Prägungen unser Gesellschaft ist. Schmiermittel unsers sozialen Lebens, häufig Mittelpunkt unserers Lebens und unser Erfahrungen. Und dabei werden die schlechten Erfahrungen sehr gerne verdrängt.

    Die Frage ist dann, wie geht man weiter? Und idealerweise so, dass der Alkohol möglich ein nachrangiges bis überhaupt keine Rolle mehr spielt. DAS wäre m.E. das Therapieziel. Und meiner bescheidenen Meinung nach ist das auch zu erreichen. Aber, da bin ich auch fest der Meinung, nicht so, wie es getan wird.

    Bei Hilfe übers Netz kommen wir dann noch zu einem anderen Punkt, inwiefern Hilfe suchen im Netz, als auch Hilfe geben im Netz zur Suchtverlagerung wird oder zum Strohhalm, an dem man sich selber festhält.

    Alles ziemich komplex aber wie ich echt feststelle: Das tolle Ziel sich gegenseitig bei einer Abstinenz zu helfen ist verdammt engstirnig.

  • Nein, es ist Realität. Paul hat da schon ganz recht.

    Sorry, NieTho, aber du bist gerade mal über einen Monat dabei…
    Und wieder einmal verallgemeinerst du von ein paar Erfahrungen, die du gemacht hast.

    Und: Nein, das ist nicht für alle Realität.
    Meine ist es definitiv nicht und ich kenne tatsächlich noch ein paar andere „NichtmehrTrinker“, deren Realität das ebenfalls nicht ist.

    Von Reha-Erfahrungen allgemeine Rückschlüsse zu schließen ist übrigens äußerst trügerisch.

    Denk mal daran, warum Menschen in eine Reha gehen…. Natürlich befinden die sich da dann in einer gewissen Bubble.

    Glaubst du, echt beurteilen zu können, wie das Leben für die Nutzer dieses Forums oder des anderen Forums weiterläuft? Also ICH bin schon eine gute Weile dabei und maße mir das ganz bestimmt nicht an, aufgrund des Bisschen, was andere anonyme Nutzer hier von sich teilen, auf deren restliches Leben und deren Alltag zu schließen.


    Und noch etwas, was du verwechselst:
    Eine Selbsthilfegruppe leistet keine „Therapie“.



    Alles ziemich komplex aber wie ich echt feststelle: Das tolle Ziel sich gegenseitig bei einer Abstinenz zu helfen ist verdammt engstirnig.


    Ich merk schon, da spricht jemand, der den vollen Überblick hat. :devilsmile:

    Wie dir nicht entgangen sein sollte, werden die Themen und Inhalte hier in der Regel von neuankommenden Nutzern vorgegeben. Ansonsten ist es hier ziemlich ruhig. - Vielleicht, weil das Leben weitergegangen ist und kein weiterer Austausch benötigt wird? nixweiss0 Wenn’s einem gut geht, sucht man selten eine SHG auf….


    Gruß
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo ALLE, zusammen!

    (Selbst-)Mitleid ist eher das falsche Wort, wenn man die Realität beschreibt, auch seine eigene.

    Aber Du, AmSee, hast Recht ... was suche ich hier eigentlich?

    Uneigentlich suche ich hier wache Menschen, die mir nichts bringen (Bringdienst, vorsetzen), nicht urteilen, sondern teilen unď auch Mal nachfragen, bevor (!) sie werten. Einen Austausch, der ein gemeinsames Ziel verfolgt.

    NieTho erwähnt es treffend, man kann sich ewig über Begriffe streiten oder sich darauf einigen, was gemeint ist, sich verständigen.
    Wenn ich über den Anfängerstatus hinaus bin, interessieren mich andere Themen mehr, z.Bsp. Nachsorge, Suchtauslöser, Gründe dafür.

    Wenn das hier nicht erwünscht ist - bitte, ein kleiner Hinweis genügt.

  • Hallo Paul.


    Uneigentlich suche ich hier wache Menschen, die mir nichts bringen (Bringdienst, vorsetzen), nicht urteilen, sondern teilen unď auch Mal nachfragen, bevor (!) sie werten. Einen Austausch, der ein gemeinsames Ziel verfolgt.

    Nun, nach meiner Wahrnehmung gibt es diese wachen Menschen, die du „uneigentlich“ suchst, tatsächlich hier. Bist du denn selbst auch ein solcher?

    Falls du wegen „Bewertung“ auf meinen Begriff „Selbstmitleid“ anspielst und dass ich nicht erst gefragt hab, wie’s dir geht: Es kommt auch drauf an, wie man in den Wald reinruft. Dein Post heute morgen war recht provokant formuliert….


    Wenn du mit deiner „Realität“ ein Problem hast, warum fragst du nicht einfach, wie’s anderen damit geht?

    Warum stellst du nicht einfach Fragen nach dem, was dich wirklich interessiert? Und lädst dadurch, dass du auf die einzelnen Beiträge anderer bei dir eingehst, zum Austausch ein?


    Gruß
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo AmSee,

    ich soll Andere fragen, wie es ihnen damit geht, wenn ich ein Problem habe?
    In Ordnung, liebe AmSee, wie geht's dir, wenn mich langsam die Altersdepression befällt?

    Ich erwähne bewusst in meinem Thread, was mich interessiert. Warum sollte ich die der anderen verwässern?

    Am Anfang wohnt ein Zauber inne ... mit meinen Ausführungen, wollte ich darauf hinweisen, dass es oft die Umstände sind, die uns umgeben und unser eigenes Wohlbefinden, die unsere stabile Abstinenz beflügeln (können).

    Ich bin immer wieder (!!) erstaunt, sobald man sich angegriffen fühlt, ohne dass überhaupt angegriffen wurde ...kommen vage Annahmen, Worte wie Provokation und Anspielung tauchen auf. Sofort geht man in den Verteidigungsmodus, obwohl gar nicht angegriffen wurde.
    Man ist betroffen und dabei fällt die eigentliche Aussage völlig hintenrunter.

    Ob ich immer wach bin, weiß ich nicht, aufmerksam aber schon.

    Nun aber genug, diese Art der Kommunikation führt zu nichts.
    Ich mag's mehr miteinander.

    HALLO alle,

    NieTho's Ansichten sind doch gar nicht so abwägig, sogar interessant.
    ... man könnte ja auch Mal einen anderen Weg probieren, bei Rüchfallquoten von 80% (total) und >60% bei Therapierten im 1.Jahr, ist doch jeder Versuch einen Versuch wert, was ja nicht bedeutet, dass Bewährtes über Bord geworfen werden muss.
    Oder?

    MfG & Ende

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