Sich selbst den Weg frei machen

  • Das mit der geschenkten Zeit kann ich nachvollziehen, denn ich hab ja auch schon diverses überlebt. Das Thema war mir jedenfalls schon ziemlich nahe.

    Aber auch ohne das ist mir mit ca. 40 aufgefallen, dass ca. die Hälfte meines Lebens vorbei ist und ich mir schon langsam überlegen sollte, was ich eigentlich mit dem Rest noch anstellen will. Das floss auch in das rein, dass ich dann aufgehört habe, weil ich dachte, solls das gewesen sein?
    Ist mir der Alk wirklich so viel wert oder gibts da auch noch was anderes? Will ich am Ende nur alles versoffen haben?

    Heute kam eine Mail von einem Freund, da fand ich unter Anderem dieses:

    Dinge, die Sterbende am meisten bereuen
    1. Versäumnis: Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mir selbst treu zu bleiben,
    statt so zu leben, wie andere es von mir erwarteten.
    2. Versäumnis: Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet
    3. Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen
    4. Versäumnis: Ich wünschte, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden gehalten
    5. Versäumnis: Ich wünschte, ich hätte mir mehr Freude gegönnt.
    Bronnie W. (2015). 5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen. Einsichten, die Ihr Leben verändern werden. München: Wilhelm Goldmann Verlag.

    Und das ist natürlich genau das.
    Heute bin ich tatsächlich immer wieder dankbar, dass ich tatsächlich aufgehört habe und seit über 20 Jahren alles nüchtern erlebe.
    Das ist ja überhaupt die Vorraussetzung für die Freiheit, heute mein Leben noch zu gestallten.
    Tatsächlich lese ich auch gerne Geschichten von scheiternden Alkoholikern, weil ich dann denke, was hatte ich bloss für ein Glück, das es bei mir anders war. Zum Teil fährt es mir richtig rein, was ich nicht nur mir, sondern auch meinen Angehörigen für einen Gefallen getan habe, dass ich keine Rückfälle hatte. Manchmal sag ich so im Überschwang zu meinem Parter, ich bin so froh, das ich nie wieder saufen muss. Was wäre das für eine Scheisse.

    Und die Gestaltung ist nichts, was man einmal macht, sondern auch nüchtern kommt immer wieder was Neues.
    Ich fang jetzt das Weitwandern an. Erst mal kleinere Touren, aber Ziel ist, mal hundert Tage am Stück zu laufen. Nächstes oder übernächstes Jahr, denn irgendwann wird es einfach nicht mehr gehen. Und wenn ich es mache, werde ich es länger können, irgendwie fit bleiben.
    Was ich eben auch nicht will ist, dass ich eines Tages denke, ach hätte ich doch. Ich will noch mal richtig unterwegs sein. Erfahrungsgemäss lerne ich hundert Leute dabei kennen, führe viele spannende Gespräche und werde das Leben dabei geniessen. Ist mir ja schon öfter so gegangen.

    Das Forum hier ist ziemlich ruhig und ich lass das selbst auch so langsam ausklingen. Momentan bereue ich es überhaupt nicht, dass ich es nicht übernommen habe. Es würde sich für mich falsch anfühlen. Es ist einfach nicht das, was ich selbst brauche und will.
    Es ist eigentlich nur die Neugier, ist wieder was passiert, die mich manchmal selbst nervt.
    Ich merke ganz genau, wenn ich nicht vor dem Computer klebe, dann interessiert mich das ganze Thema überhaupt nicht. Hier zu sein ist irgendwie Leben in meiner Vergangenheit. Ausserdem, immer nur Probleme, will ich gar nicht, es reicht mal wieder.
    Irgendwie habe ich ja auch nicht mit dem Trinken aufgehört, um den Rest meines Lebens immer noch vom Saufen zu reden. Einiges war notwendig, manches nützlich und anderes ganz nett, aber irgenwann in meinem Leben will ich mich mal viele Jahre lang gar nicht mehr mit dem Thema befassen. Und das geht, ich war ja schon mal jahrelang weg bis mir dieses EKA-Thema wegen meinem Vater einfiel. Aber das ist ja nun auch langsam mal durch.
    An dem Punkt war ich schon mal, als ich mein letztes Forum verlassen habe. Es ist nur eine Ablenkung, wenn ich sowieso vor der Kiste sitze. Mir würde es besser tun, es ganz zu lassen, deswegen suche ich mir auch kein anderes Forum und auch keine Gruppe. Meine Neugier soll sich mal wieder andere Ziele suchen. Langeweile ist ein gute Gelegenheit, kreativ zu werden.

    Gruß Susanne

  • "Dinge, die Sterbende am meisten bereuen:

    1. Versäumnis: Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mir selbst treu zu bleiben, statt so zu leben, wie andere es von mir erwarteten.
    2. Versäumnis: Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.
    3. Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
    4. Versäumnis: Ich wünschte, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden gehalten.
    5. Versäumnis: Ich wünschte, ich hätte mir mehr Freude gegönnt."

    1,2,3 und 5 bin ich recht erfolgreich ;) 4: Evtl. melde ich mich mal wieder bei der Frau, mit der ich über 40 Jahre befreundet war. Obwohl es nach " meiner 1:1-Regel" an ihr ist.

    Whatever...

    Wünsche dir nur Gutes auf deinen neuen Wegen, Susanne. Und herzlichen Dank, dass du (auch für mich) hier warst :)

  • "MEINE NEUGIER SOLL SICH MAL WIEDER ANDERE ZIELE SUCHEN" klingt nach gutem Plan und passt gut zum Betreff deines Fadens:" sich selbst den Weg frei machen"

    Lass es dir gut gehen und die besten Wünsche für dich.
    Orangina

  • Bis jetzt ist es auf der einen Seite ein schlechte Angewohnheit und auf der anderen Seite ein Plan.

    Wie vieles wird es nicht von heute auf morgen gehen. Ein paar mal werd ich sicher noch schreiben. Es ist nicht wie beim Saufen, dass ich alle Hintertüren gleich zu machen muss, ich geb mir eine Richtung, aber ich bin noch nicht da.

    Aber ich merks ja auch daran, dass ich gar keine Lust mehr habe, Neuen zu antworten, weil ich einerseits den meisten unterstelle, dass sie sowieso nicht wiederkommen, und dann frage ich mich, wozu ich mir da überhaupt Mühe gebe, denen zu antworten. Eigentlich müssten die sich doch erst mal selbst um ihre Probleme kümmern, und wenn sie es nicht mal schaffen, hier ein Danke dazulassen, machen sie das vermutlich sowieso nicht. Und mich selbst frage ich dann, was mir das eigentlich gebracht hat, da zu antworten.

    Es ist halt ne Gewohnheit und mein Phlegma sucht nach Gründen, sie beizubehalten, kann man ja wunderbar mit Hilfe für andere etc. vor sich selbst rechtfertigen. Aber ich merke halt auch, es sollte nicht mein Leben sein.

    Als das mit der Administration kam, war mir nach zwei Tagen klar, das geht jetzt aber in genau die gegenteilige Richtung, als in die, in die ich eigentlich will. Ich hätte mich ja auch erst mal reinarbeiten müssen, mir auch Frust abgeholt, und da hab ich mal wieder gemerkt, das muss anders werden. Auch wenn ich ein Gewohnheitstier bin, ich werde dagegen anarbeiten, denn von selbst geht das nicht. Der Druck wie beim Trockenwerden ist natürlich auch nicht so da, denn es bringt mich ja nicht um, sondern ist mir nur lästig. Aber auch das ist ein Grund, es zu ändern.

    Danke an alle, die mir die Stange gehalten haben. Vieles war ja trotz dieser Aussagen von mir auch schön.

    Gruß susanne

  • Hallo ihr Lieben,

    ich habe mal wieder hier reingeguckt.
    Ist ja toll, was ihr so verändert habt und neu gestaltet habt.
    Schön, dass hier wieder neues Leben reinkommt.

    Zum Thema gerade: Ich habe mir das Video auch angesehen. Ich wollte damals auch immer genau das tun, was ich getan habe, zumindest die meiste Zeit, zumindest habe ich das gedacht. Dennoch: Ich lebe mein Leben momentan so aktiv, ich genieße mein Leben, meine Aktivitäten, Neues zu sehen und zu Lernen, ohne Angst, ...
    Ich bin echt glücklich damit, wie ich mein Leben gestalte und denke mir manchmal: Wie habe ich denn früher nur gelebt? Ich habe so viel verpasst.
    Was hätte ich alles machen können, wenn ich damals schon schlauer gewesen wäre....

    Aber was soll es, da ist wohl der Weg, den ich gehen musste und wer weiß, wofür es gut ist.

    Liebe Grüße an euch alle. :heartBalloon:

    Viele Grüße, <br />Risu


  • Aber auch ohne das ist mir mit ca. 40 aufgefallen, dass ca. die Hälfte meines Lebens vorbei ist und ich mir schon langsam überlegen sollte, was ich eigentlich mit dem Rest noch anstellen will. Das floss auch in das rein, dass ich dann aufgehört habe, weil ich dachte, solls das gewesen sein?
    Ist mir der Alk wirklich so viel wert oder gibts da auch noch was anderes? Will ich am Ende nur alles versoffen haben?

    Der Gedanke, dass die Hälfte meines Lebens um ist, ist mir so eigentlich nie gekommen. Das liegt vielleicht daran, dass Menschen, die mir wichtig waren, teils schon so früh gestorben sind und dass mir deswegen eigentlich immer wieder bewusst wurde, dass es grundsätzlich jederzeit vorbei sein kann. Vielleicht liegt’s auch daran, dass ich jahrzehntelang in einer Art von Überlebensmodus war.

    Für mich selbst spielte lange Zeit das Erreichen des Alters von 43 Jahren eine sehr große Rolle. Und zwar deswegen, weil mein Vater, auf den sich damals meine Aufmerksamkeit immer wieder so sehr konzentrierte, eben nur 43 Jahre alt geworden ist. Ich erinnere mich auch gut daran, dass er sich in den Monaten vor seinem Tod doppelt so alt fühlte und dass er auch merklich verbraucht und gealtert wirkte.

    Als ich dann selbst die 43 erreicht hatte, war das ein ganz merkwürdiges Gefühl, und auch, als ich dann ein Jahr älter wurde. - Hat mir Vieles von damals ins Bewusstsein zurückgebracht….

    Die Frage, wie ICH mein Leben führen möchte, hat mich eigentlich immer wieder beschäftigt und ich hab‘s ja durchaus auch versucht, mein Problem war nur, dass ich mich aus den Zwängen, in denen ich mich gefangen fühlte, nicht wirklich bzw. nicht erfolgreich befreien konnte. Und so musste ich immer irgendwie weiter machen. Aus heutiger Sicht und mit dem Wissen, das ich inzwischen erworben habe, befand ich mich den größten Teil meines Lebens im Überlebensmodus und in einem beständigen Kampf.

    Punkt 1 hat mir mein Vater vor vielen Jahren sinngemäß in mein Poesiealbum geschrieben. Ich hab‘s versucht, das umzusetzen, aber wie kann man sich treu sein und bleiben, wenn man sich selbst noch gar nicht richtig gefunden hat und mit dem Gefühl lebt, verkehrt zu sein und stets erfolglos bemüht ist, richtig zu werden?

    Diese Punkte insgesamt sind so ein Thema, das mich immer wieder beschäftigt hat, auch beruflich. Ich wusste also darum, doch meine Erfahrung war, dass ich nichts ändern konnte, obwohl ich mich immer wieder darum bemüht habe.

    Ich erinnere mich gut daran, wie müüüüüüüüüde ich dann vor ein paar Jahren war. Ich konnte nicht mehr und wollte auch nicht mehr. Ich kann nicht genau sagen, wie ich da wieder herausgekommen bin, aber ich bin da wieder heraus. Ohne professionelle Hilfe hätte ich‘s nicht geschafft, dessen bin ich mir sicher. Doch wie ich das bei mir schon oft erlebt habe, wenn die Zeit reif ist, dann tue ich das, was eben notwendig ist, und es ergibt sich das, was ich eben gerade brauche.
    Heute erst und gerade durch das, was kürzlich erst durch die Therapie aufgearbeitet worden ist, fühle ich, dass ich tatsächlich endlich und zu meiner Zufriedenheit an das herankomme, was da in diesen fünf Punkten genannt wird. Erst jetzt kann ich mich erfolgreich darum bemühen, so leben, dass ich nicht(s) bereuen muss, wenn ich endgültig gehen muss.


    Und die Gestaltung ist nichts, was man einmal macht, sondern auch nüchtern kommt immer wieder was Neues.

    Das sehe ich auch so und ich find‘s auch ganz ok so. Die Interessen und Bedürfnisse ändern sich ja nun einmal im Laufe der Zeit.


    Ich fang jetzt das Weitwandern an. Erst mal kleinere Touren, aber Ziel ist, mal hundert Tage am Stück zu laufen.

    Ich musste schmunzeln, als ich das las, denn genau das schwebte mir im letzten Jahr vor. Kennst du das Buch von Uli Hauser, „Geht doch! - Wie nur ein paar Schritte mehr unser Leben besser machen“? Es ist eine Liebeserklärung an das Wandern. Er ist in einem Sommer von Hamburg aus über die Schweiz nach Italien, nach Rom gewandert. Dieses Buch und noch ein paar andere haben mich sehr inspiriert.
    Ich werde meine Idee allerdings voraussichtlich doch nicht umsetzen, weil sich meine Interessen inzwischen schon wieder verändert haben und das Weitwandern mit meinen beiden Hunden, ohne die ich nicht sein mag, eine zu große Herausforderung wäre.
    Dennoch finde ich deinen Plan einen wunderbaren Plan und ich wünsche dir viel Erfolg und Vergnügen bei der Umsetzung.

    Was das Forum hier betrifft, kann ich deine Gedanken und Empfindungen dazu nachvollziehen. Die Hauptsache ist doch, dass du für dich das tust, was zu DIR passt.

    Liebe Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Ich hab noch was für Greenfox.

    Es geht mir wirklich um keine Streiterei.

    Was ich manchmal sehr vermisse, und da kannst aber weder Du noch ich was dafür und es betrifft auch nicht nur dieses Forum ist eine zuverlässige Datenbasis, was eigentlich wirklich hilft. Es hilft ja nicht Alles bei Allen geich, da sind wir ja vermutlich einer Meinung. Der berühmte Königsweg existiert nicht. Aber wenigstens 10% schaffen es so, 20 Prozent so, usw.

    Beim Kreuzbund lese ich, zwei Drittel schaffen es ganz von alleine, ohne jemals mit einer der vielen Hilfseinrichtungen in Kontakt getreten zu sein. Aber wie kann man Aussagen treffen über Leute, über die man, weil sie nicht in Erscheinung treten, keine Daten hat?

    In den neuen Therapierichtlinien heisst es, das Abstinenzgebot ist überholt, es ist zwar immer noch erste Wahl, aber sehr viele können das KT lernen. Auch hier gibt es keine belastbaren Zahlen.

    Wer weiss etwas über die Leute, die drei mal in eine Gruppe oder in ein Forum gehen, und nie wieder gesehen werden?
    Wie viel Prozent, die wieder in die Gruppe kommen, kommen, weil sie einen Rückfall hatten? Und umgekehrt, aber mit ganz anderem Ergebnis vermutlich, wieviel Prozent von denen, die gegangen sind, kommen überhaupt wieder? Und saufen die anderen, von denen wir nichts mehr hören alle wieder? Woher wollen wir das wissen?

    Und was sagen 10 Leute, die in einer Gruppe sind, über die tausende aus, die eben nicht in dieser Gruppe sind?
    Und die Wahrnehmung ist ja auch selektiv, man sieht da vermehrt, was einen in seinen eigenen Ansichten bestätigt (nicht auf meinem Mist gewachsen, gibt Versuche...mal abwarten wie zuverlässig das wieder ist, kann ich mir aber gut vorstellen)

    In diesem Forum mit seinen Methoden sind soundsoviele Leute langfristig trocken geworden im nächsten soundsoviele. Möglichst mit der Gesamtzahl der Mitglieder verrechnet. Und wieviel Prozent von denen schaffen es.

    Ist es auch gut, wenn man wenigstens zeitenweise aufhört, weil sich der Körper dann wieder regenerieren kann, oder ist das nur Leidensverlängerung? Wie sind da die Anteile.

    Wir haben ja nicht mal die Zahlen. Und dann müsste man diese Zahlen auch noch interpretieren.

    Das gleiche gilt übrigens auch für Therapien. Da versucht man, aber auch erst seit wenigen Jahren so richtig, das wirklich auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen. Bis dahin hat man immer nur irgendwas vermutet, hat es sich ausgedacht, was sich plausibel anhört. Vieles hat aber gar keine Evidenz, ist gar nicht verifizierbar.

    Und wenn Du mich fragst, was ich damit sagen will: es gibt leider auch keine zuverlässigen Zahlen, über die Masse der Alkoholiker gerechnet, wie rückfallfördernd alkoholfreies Bier wirklich ist. Jeder kennt jemanden, der, aber mehr?

    Wir fischen tatsächlich ein bisschen im Trüben. Auch wenn wir selbst 20 Jahre trocken sind.

  • Hallo Susanne,
    auch wenn dein Post an Greenfox gerichtet ist und ich auch noch längst nicht auf 20 Jahre erfolgreiche, zufriedene Trockenheit zurückblicken kann, möchte ich ganz gerne meine eigenen Gedanken dazu teilen. wikende091

    Ich kann durchaus nachvollziehen, worauf du hinaus willst, ich denke aber, dass dieses Problem, dass es keine zuverlässige Datenbasis gibt, für uns hier als Online-Selbsthilfegruppe nicht relevant ist. Auch ist gar nicht unsere Aufgabe zu „fischen“, um deine Metapher aufzugreifen.

    Wir sind uns hier - jedenfalls nach meiner Beobachtung - einig darüber, dass der berühmte Königsweg nicht existiert und wir versuchen hier ja auch gar nicht so zu tun, als ob es den gäbe.

    Greenfox hat das meines Erachtens in seiner Metapher ganz gut ausgedrückt. Wir, die Nutzer hier, teilen lediglich UNSERE EIGENEN Erfahrungen und ggf. UNSER Wissen, was UNS bei der Bewältigung UNSERES Alkoholproblems geholfen (oder eher nicht geholfen) hat. Daraus können sich andere dann wie aus einem Werkzeugkoffer bedienen.

    Konkret auf zuverlässige Datenbasis und alkoholfreies Bier: Spielt das, wenn’s um die Weitergabe von dem, was UNS SELBST geholfen oder eher nicht geholfen hat, wirklich eine Rolle?

    Wer um gewisse Risiken weiß, wird möglicherweise achtsamer damit umgehen als jemand, der davon gar keine Ahnung hat, für die dahinter steckende Gefahr aber geradezu prädestiniert ist. - Ob er‘s ist, wissen wir nicht, das müssen wir meines Erachtens aber auch nicht, für UNS war dieses oder jenes jedenfalls gefährlich und nur DAS geben wir weiter.

    Greenfox macht doch immer wieder besonders deutlich, dass es SEINE Erfahrungen sind. Ich mache das nicht ganz SO deutlich wie er, aber auch ich teile lediglich meine eigenen Erfahrungen und das Wissen, das MIR bei der Bewältigung MEINES Problems weitergeholfen hat. Und auch du machst es doch letztlich nicht anders.

    Was ich hier so besonders schätze, ist die Offenheit und Diskussionsbereitschaft. Wie du weißt, habe ich das anderswo vermisst.

    In jenem Vortrag zum Anhören von Prof. Lindenmeyer wird das Beispiel von diesen „Erste Hilfe Kursen“ bemüht, die im Allgemeinen auch dazu führen, dass jemand, der informiert ist, vorsichtiger im Straßenverkehr unterwegs ist.

    Dass wir trotz des Wissens um gewisse Gefahren dennoch ziemlich zufrieden unterwegs sind und nicht ständig mit einem „Geht nicht“ vor Augen leben, ist meines Erachtens in den bisherigen Beiträgen auch recht deutlich geworden. ;)

    Beste Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Da fällt mir noch etwas ein, wo von Datenbasis gesprochen haben und ich mich auf jenen Vortrag zum Anhören von Prof. Lindenmeyer bezogen habe:
    Interessant fand ich persönlich die Aussage, von der ich vermute, dass sie auf der Datenbasis seiner Klinik beruht, dass 50 Prozent der Alkoholiker, die einer Expositionstherapie unterzogen werden, einen Rückfall erleiden.

    Er führt zwar dann noch weiter aus, dass in diesem Zusammenhang auch eine Rolle spielt, ob es sich um einen kleinen Rückfall von ein paar Tagen oder um einen großen Rückfall von ein paar Jahren handelt, aber mich persönlich macht diese verhältnismäßig hohe Zahl, die offenbar trotz des geschützten Bereiches, in dem diese Therapie vorgenommen wird, auftritt, problembewusster.

    Und ob es in den neuen Therapierichtlinien heißt, dass das Abstinenzgebot überholt sei, ist mir persönlich eigentlich ziemlich egal. Ich kann für MICH nur feststellen, dass es mir mit der Abstinenz ziemlich gut geht, definitiv besser als zu dem Zeitpunkt, als ich noch gehofft hab, jemals wieder kontrolliert trinken zu können.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.


  • Und ob es in den neuen Therapierichtlinien heißt, dass das Abstinenzgebot überholt sei, ist mir persönlich eigentlich ziemlich egal. Ich kann für MICH nur feststellen, dass es mir mit der Abstinenz ziemlich gut geht, definitiv besser als zu dem Zeitpunkt, als ich noch gehofft hab, jemals wieder kontrolliert trinken zu können.

    Kann ich unterschreiben! 44.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!


  • Interessant fand ich persönlich die Aussage, von der ich vermute, dass sie auf der Datenbasis seiner Klinik beruht, dass 50 Prozent der Alkoholiker, die einer Expositionstherapie unterzogen werden, einen Rückfall erleiden.

    Es gibt ja insgesamt wenig zuverlässige Daten über Langzeittrockene.
    Nur, 50 Prozent erscheint mir im Vergleich dazu, was sonst kolportiert wird (mal werden 70 Prozent im ersten Jahr genannt, dann wieder 90 Prozent Rückfälllige in fünf Jahren, wobei ich diese Zahlen nicht überprüfen kann), kein schlechteres Ergebnis im Vergleich zur Risikovermeidung oder sonstigen Vorgehensweisen zu sein. Und es muss ja auch gar nicht für alle das Richtige sein, wenns für manche passt, die auf andere Weise vielleicht nicht zufrieden trocken werden würden, reicht das ja auch schon.

    Ich hab mal eine Forschungsarbeit gelesen, da wurden Therapiepatienten während der Alkoholexposition einem MRT-Scan unterzogen, zu gleich eine Vergleichsgruppe, die keine Exposition hatte und bei der jedes Risiko vermieden wurde. Das hat man über Wochen und bei der einen Gruppe nach mehrmaliger Exposition wiederholt.
    Bei der Gruppe mit Alkoholexposition stellte man fest, dass sich im Scan nach mehrmaliger Exposition bei Sitzen vor dem Alkohol keine Reaktion mehr feststellen liess, während eine Vergleichsgruppe, die jedes Risiko vermied, auf Alkohol ansprang wie am ersten Tag.

    Ich muss keinen therapieren, insofern kann ich das rein aus Interesse so lesen. Aber auch was Foren angeht, wem das nicht reicht, der hat ja andere Möglichkeiten. Insofern muss man das nicht verschweigen, nur um niemanden zu gefährden.
    Mein eigener Eindruck ist der, die, die aufhören wollen, finden Wege, das zu tun, eigentlich relativ egal, was Andere dazu sagen. Sinngemäß hast Du mir selbst ja auch schon mal so etwas ähnliches geschrieben, als ich mal die Antwortzeiten hier kritisch gesehen hatte, und das stimmte (dass jeder genügend andere Möglichkeiten hat).

    Bei mir wars ja in der Anfangszeit auch so, ich hab mir aus dem ganzen Gewurschtel von "Ratschlägen" (die auch Schläge sind) nur genau das näher besehen, was mir für mich persönlich brauchbar erschien. Ich war eben z.B. überhaupt kein Gruppenmensch, Menschengruppen sind mir oft zutiefst zuwider, und jeder diesbezügliche Ratschlag rief bei mir nur innere Widerstände hervor. Oft kamen diese Ratschläge ja auch nicht als unverbindliches Angebot, als Möglichkeit, sondern quasi als "muss, sonst schaffst Du es nie oder willst Du überhaupt aufhören?". Bei mir musste das ohne gehen, denn Gruppe wäre kein Beitrag zu meiner Zufriedenheit gewesen, und erste versuchsweise Erfahrungen hatten mir das bestätigt. Also habe ich diese Ratschläge nicht angenommen und als reine freiwillige Möglichkeit habe ich sie erst viel später gesehen, als ich selbst längst trocken war.
    Und das finde ich auch richtig, selbst zu entscheiden, denn weder kann ich Anderen, noch die Anderen mir hinter die Stirn gucken, und man sieht ja von jedem immer nur den Ausschnitt, den er von sich präsentiert. Also man kennt sein Gegenüber im Grund gar nicht genau genug, um einen individuell zugeschnittenen Rat zu geben. Einer der Punkte, warum am Ende eben doch jeder für sich selbst verantwortlich ist.

  • Ich hatte da noch diesen Satz erwähnt "alle sagten, dass es so nicht geht, und dann kam einer, der nicht wusste, dass es so nicht geht, und der hat es dann einfach gemacht".
    Da hattest Du, AmSee, mich gefragt, ob der wohl so hier her passt. Ich kenne den Satz von jemand Anderem aus einem Alkoholikerforum, also schon in einem Zusammenhang zu diesem Thema hier.

    Und mir selbst ging es auch ein bisschen so. In der Suchtberatung, die anfangs meine einzige Quelle war, haben sie auf vielen Themen gar nicht groß herumgeritten, die haben mich nur gefragt, was ich mache, ohne es großartig zu kommentieren. Schon mal Gegenfragen, wie es mir geht und was ich will, aber definitiv keine Ratschläge. Das wäre vielleicht irgendwann in der Therapie gekommen, die ich aber gar nicht angetreten habe, weil ich so ein gutes Jobangebot hatte und mir das in dem Moment wichtiger war, auch für meine Lebenszufriedenheit. Dass ich da meine erheblichen Schulden bezahlen konnte, gehörte ja auch zu den Baustellen, die ich abarbeiten musste.

    Und da ich dann auch in keiner Gruppe war, habe ich vieles tatsächlich einfach gemacht, mich hat da ja auch keiner gewarnt und ich wollte es auch nicht hören. Ich hatte ehrlich gesagt auch mehr Vertrauen in mich selbst als in andere Trinker, warum auch nicht?

    (meine Vorstellung war auch die, wenn ich von der Gruppe dann genau so abhängig bin wie vorher von der Sauferei, wo ist dann da der Fortschritt? Und ausserdem hatte ich die Vorstellung, dass in den Gruppen alle herumeiern, was hätten die mir helfen sollen. Ich hatte eine negative Voreingenommenheit gegenüber dem, was da abläuft, die von ein paar bornierten Volltrotteln auch noch bestätigt wurde)

    Und später habe ich festgestellt, in Gruppen wäre mir von Einigem dringend abgeraten worden, mir ist aber eben nichts passiert. Genau in dem Sinne dieses Satzes. Was mich dann irgendwie dazu veranlasst hat, selbst in die Offensive zu gehen und darauf zu bestehen, dass es auch anders geht.
    Und wenns um Erfahrungen geht, das sind eben meine. Also vermittle ich eben auch meine Erfahrungen, die mit den Erfahrungen anderer Trockener zum Teil übereinstimmen, zum Teil aber auch nicht.

  • Du fängst als Junger Wilder an und willst alles Anders machen.

    Abhängigkeit ist für Dich das Gegenteil von Unabhängigkeit. Freiheit das Gegenteil von Unfreihet.
    Bis hierhin hat Dich der Alkohol bestimmt, jetzt bist Du frei und kannst endlich machen, was Du willst.

    Regeln? Sind was für Schwächlinge. Gruppen? Bist Bu ein Schaf, ein Herdentier?

    Du hast Erfolg auf Deinem Weg. Es macht Dir Spaß, Du lebst. Plötzlch bist Du Mittelpunkt einer Gruppe.

    Und irgendwann bist Du das Establishment, das von den jungen Wilden bekämpft und vom Thron geholt wird.

    Fragt mal die Rolling Stones ;D

  • Ich bin 63, schwer gehbehindert.
    Ab und an tanze ich dazu

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