• Hallo liebe Forengemeinde.

    Nachdem ich mich im Januar bereits hier angemeldet habe möchte ich hier mal aus der Deckung raus und mich auch vorstellen. Ich bin männlich, Anfang 40 und habe im Laufe der letzten 10 Jahre eine Alkoholsucht entwickelt. Getrunken habe ich eigentlich schon seit jungen Jahren. Das übliche Spiel... Kneipe mit den Kumpels, Disco und die vielen Feste und Gelegenheiten die das Jahr so bietet.
    Bis 30 hatte ich das auch weitestgehend im Griff. Festes Angestelltenverhältnis, geregeltes Leben und an den Wochenende abschalten... Wenn ich ehrlich bin aber auch eher im ungesunden Bereich, Wenn auch niemals/selten unter der Woche. Mit 30 Jahren habe den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Das lief ganz gut aber mit den ganzen Freiräumen wurde mein Konsum immer mehr. Phasen des täglichen Trinkens wechselten sich mit Trinkpausen mehrere Tage oder sogar Wochen ab. Ich denke vor ungefähr sechs Jahren wurde ich mir meines missbräuchlichen Konsums bewusst und ich habe es seit dem tausende Male versucht in den Griff zu bekommen. Seit dieser Zeit kenne ich dieses Forum im öffentlichen Bereich Wohl recht gut. Ich habe bestimmt jeden Faden von oben bis unten gelesen. Vor vier Jahren habe ich mich meinem Hausarzt ( älterer Herr, mittlerweile im Ruhestand ) offenbart. "Ich trinke zuviel!" - Wieviel? Im Schnitt 5 grosse Bier. Auch harte Sachen? Nein. Reduziere es etwas... Untersucht hat er mich trotzdem. Blutwerte gut, Ultraschall unauffällig. Glück gehabt. Der Schuss vor den Bug und die Freude haben mich dann ein paar Woche enthaltsam leben lassen. Aber es hat sich natürlich wieder eingeschlichen. Vor 2 Jahren habe ich dann den Weg zu einem Psychotherapeuten gesucht. Es blieb bei zwei Sitzungen. Es hat einfach nicht gepasst. Immer wieder habe ich Wege gesucht es dauerhaft sein zu lassen. Ich habe sogar meine Selbständigkeit aufgegeben, wieder einen festen Job angenommen und dann lief es ganz gut. Bis Corona. Seit fast einem Jahr sitze ich im Homeoffice und natürlich hat sich diese alte "Gewohnheit" wieder voll eingeschlichen. Im letzten Jahr habe ich mich erneut meiner neuen Hausärztin offenbart. Wieder untersucht, alles ok. 3 Überweisungen zu einem Psychologen sind mittlerweile verfallen weil ich keinen Termin bekomme bzw. nichts stattfindet. Im Januar wollte ich es wieder sein lassen mit der Trinkerei. Aber ich krieg es nicht dauerhaft hin. Auf ein paar tolle nüchterne Tage folgt immer wieder ein Trinkabend... Und ich hasse es. Die Nächte sind nicht erholsam und der Tag darauf ist schlechtes Gewissen und Traurigkeit angesagt. Körperlich bin ich zum Glück noch nicht abhängig. Vom Kopf her wohl schon. Ich werde die Tage noch einiges an Informationen hinzufügen und versuchen darzustellen was ich mir von diesem Forum/Austausch erhoffe. Schon jetzt vielen Dank fürs "zuhören" Randy

  • Hallo Randy,
    willkommen im sichtbaren Teil des Forums.

    Nach deiner Selbstvorstellung will ich nicht kommentarlos an deinem Faden vorbei gehen.
    Wenn du hier schon so viel mitgelesen hast, bist du ja schon recht gut informiert. Ich bin gespannt, was du von uns erwartest. Im Moment wüsste ich nicht, was ich dir schreiben sollte, denn, wenn du hier ausführlich mitgelesen hast, weißt du gewiss, was ich dir auf deine Selbstvorstellung antworten könnte, und so belasse ich es erstmal nur bei einem Willkommen.
    Oder doch: Du schreibst, dass du es seit Januar wieder lassen willst mit der Trinkerei, es aber nicht dauerhaft hinbekommst. Kannst du Gründe benennen, woran das liegt?

    Viele Grüße
    AmSee

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo Am See.

    Vielen Dank für Deine Willkommensgrüsse.

    Ich komme einfach nicht dahinter warum ich immer wieder damit anfange. Es ist als switcht ein Schalter um! Die nüchternen Tage sind toll, ich bin stolz auf mich und eigentlich zufrieden. Hm Gründe gibt es nicht konkret... Wenn ich trinken will trinke ich... Ob es mir gut oder schlecht geht. Dann möchte ich berauscht sein.

    Viele Grüsse

  • Es gibt da so nen Punkt, manche Dinge muss man nicht verstehen, die muss man aber akzeptieren.

    Das ist im zwischenmenschlichen Bereich so, man muss sich niemandem erklären, es muss einen niemanden verstehen, wenn man was will, müssen andere das akzeptieren. Solange es einen selbst betrifft auf jeden Fall.

    Und genauso ist es eigentlich beim Saufen. Ich kannte Leute, die haben sich beim Bemühen, ihre Saufgründe zu verstehen, tot gesoffen.
    Dabei muss man nur akzeptieren, dass es scheisse läuft, wenn man anfängt, und gleich das erste Glas stehen lassen. Und der Alkohol läuft niemandem nach. Wenn Du Deine Finger nicht unter Kontrolle hast, tja dann.

    Und wenn Du dann ma ne Weile aufgehört hast, kannst Du auch drüber nachdenken, wie es dazu kam. Das hat, so lange du trinkst, meist keinen großen Zweck.

  • Susanne
    Natürlich MUSS man sich niemandem erklären, wenn man was will, aber u.U. macht man es sich leichter, wenn man versucht, seine Handlungen und Motive nachvollziehbar zu machen.
    Hier gilt, wie sonst auch, niemand MUSS, und das, was für mich gilt und bei mir funktioniert, muss nicht unbedingt auch für jemand anderen gelten oder bei jemand anderem funktionieren.

    Es mag sein, dass sich manche andere tot gesoffen haben, während sie sich bemühten, zu verstehen, warum sie saufen. Ich frage mich nur gerade, was ich mit dieser Information anfangen soll.
    An sich liegt es auf der Hand und ist offensichtlich, dass man die Finger vom Alkohol lassen soll, wenn man bemerkt, dass Alkohol trinken einem nicht gut tut und man die Kontrolle verliert, aber, wenn es so einfach wäre, erklärt das nicht, warum es so viele nicht hinkriegen.

    Für mich und deshalb habe ich danach gefragt, ist ein erster Anhaltspunkt, nach Gründen, Anlässen, Gedanken zu fragen, warum man sein Abstinenzvorhaben nicht einhalten kann.
    Wenn sich da erstmal nichts finden lässt, ok, dann ist das eben so. Dann geht man eben einen anderen Weg.
    Es geht hier auch gar nicht darum, sich anderen zu erklären.

    Viele Grüße

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Nun, ich war nicht bei der Suchtberatung und ich nehme für mich auch nicht in Anspruch Suchtberaterin sein zu können.
    Wenn ich hier antworte, dann beruht das immer nur auf meinen Erfahrungen und Gedanken und dem, was ich mir an Wissen erarbeitet habe.
    Mir hat es sowohl beim erfolgreichen Aufhören mit dem Rauchen, beim Ausstieg aus dem Trinken und bei der Bewältigung meiner Erkrankung sehr geholfen, mich genau zu beobachten und in mich hineinzuhorchen. Das habe ich in meinem eigenen Faden auch so erzählt:


    Ich bin von der Raucherei schließlich dadurch weggekommen, dass ich mich immer wieder genau beobachtet habe und in mich hineingehorcht habe. Manches war mir zwar vom Verstand her klar, aber ich hatte meine Gefühle und mein Belohnungszentrum unterschätzt. Bei den ersten Aufhörversuchen hörte ich mehr oder minder aus Vernunftgründen auf, glaubte aber, etwas zu verlieren. Ich scheiterte dann in gewissen Situationen, weil da der innere Druck, die Situation zu bewältigen und dabei funktionieren zu müssen, unerträglich war. Heute brauche ich keine Zigarette mehr, will nicht mehr rauchen und kann fast nicht mehr nachvollziehen, wie ich mir das antun konnte.

    Was ich hier im Forum immer wieder spannend finde, ist, wie viele Ansätze es gibt und wie mal der eine mal der andere besser oder überhaupt funktioniert.
    Ich nehme nicht für mich in Anspruch das Allheilmittel gefunden zu haben, ich biete nur mein Wissen und meine Erfahrungen an. Wenn jemand etwas damit anfangen kann, gut, wenn nicht, auch gut.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Für mich ist das auch OK. Ich widerspreche dem Thema, nach den Gründen zu suchen, bist ja nicht nur Du, normalerweise nie. Und ich kann das auch ganz gut.

    Aber ab und an denke ich, es ist ganz gut, mal an die Basics zu gehen, und wenn einer schon vergeblich nach den Gründen sucht, sollte er vielleicht was Anderes probieren.
    Denn an sich ist ja "nichts trinken" auch nur eine Art von "nichts tun" - etwas nicht mehr zu tun, was man bisher getan hat. Und manchmal bringt einen das weiter. So wie beim essen, nicht alles nur analysieren, sondern auch einfach mal gut schmecken lassen. Das ist eigentlich gar nicht so kompliziert.

    Ich kenne Leute, die können mit dem Begriff "Psyche" überhaupt gar nichts anfangen, und die haben ihr Leben besser im Griff als Du und ich zusammen. Ich weiss ja, wie die leben, das beobachte ich ja.

    Mir gefällt auch der Satz ganz gut, das Leben wird nach hinten verstanden und nach vorne gelebt.

  • Beim Rauchen übriegns..da wars im Kopf ja noch deutlicher, was das für ein unnützer Scheiss ist.

    Alles Wissen hat mir nicht dagegen geholfen, dass der unmittelbare Entzug bei mir absolut fürchterlich war. Und reines Beobachten ist nun mal reines Beobachten. Dadurch hast auch Du nicht aufgehört, sondern da musstest Du beim Beobachten schon auch noch die Zigarette weglassen.
    Oder bist Du rauchend Nichtraucherin geworden?


  • Oder bist Du rauchend Nichtraucherin geworden?

    Lach! In gewisser Weise schon. ;D

    @Randy, hilft dir diese Diskussion weiter? Ich hoffe es, denn da steckt wirklich viel Erfahrung hinter.

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.


  • Im Übrigen..in der Suchtberatung wurde mir die Frage nach dem "warum" kein einziges Mal gestellt. Ich denke, das hatte seine Gründe.

    Mir schon. Nur so richtig fündig wurde der Therapeut nicht. Mein Fazit: Ein multikausales Geschehen, dass in seiner Zusammenschau zu dem Ergebnis führte.

    @Randy: Hast Du schon Kontakt zur Suchtberatung aufgenommen?

    In meiner Anfangszeit hat mir einschlägige Fachliteratur sehr weiter geholfen. https://alkoholforum.de//index.php?topic=1715.0

    Ich bin mein Problem seinerzeit vielschichtig angegangen und habe eine ambulante Therapie durchlaufen und viel Fachliterartur aus Patienten- und Therapeutensicht gelesen. Hinzu trat die Internetrecherche. Hierdurch habe ich meinen Weg gefunden.

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Hallo Randy,

    herzlich Willkommen hier im Forum. Schön, dass Du Dich entschieden hast aktiv dabei zu sein.

    Ich bin Anfang 50 und war mit 40 so ziemlich genau an dem Punkt an dem Du jetzt auch stehst. Wenngleich man unsere Suchtkarrieren, nachdem was ich aus Deiner Vorstellung heraus lese, nicht direkt vergleichen kann. Ich trank fast meine ganze Trinkerzeit komplett heimlich und ich trank am Ende, so die letzten 2 - 3 jahre täglich, selbst wenn ich krank war. Pausen, wie Du sie beschreibst, waren mir nicht mehr möglich und ich sah auch gar keinen Sinn mehr darin. Vorher habe ich das ähnlich versucht, wie Du das von Dir schreibst. Trinkpausen, kontrolliertes Trinken, erst ab einer bestimmten Uhrzeit anfangen, usw., lauter so Sachen. Ich meine fast, dass das die meisten Alkoholiker, sofern sie sich ihrer Sucht bewusst werden und gegensteuern wollen, irgendwie probieren.

    In der Regel läuft es dann so ab, dass man es eine Zeit lang hinbekommt, dann die Sucht aber so ihre Tricks auspackt (können unterschiedlichster Art sein) und schupp, geht es weiter und man dreht die nächste Schleife. Und je tiefer man rein rutscht, desto schwerer wird es dann selbst mal die kleineren Trinkpausen durchzuhalten. So war jedenfalls meine Erfahrung.

    Wenn Du also mal süchtig bist, dann bleibt m. E. nur eine Alternative. Und das ist der komplette Verzicht auf Alkohol. Tja, hört sich vielleicht logisch an, ist aber in der Praxis das große Problem. Wie Du ja gerade selbst am eigenen Leib erfährst. Und ich durfte das ebenfalls am eigenen Leib erfahren.

    Ich kann Dir jetzt hier nicht sagen, wie Du es schaffst diese Sucht zu überwinden. Ich würde es gerne, sehr gerne aber ich kann es nicht. Ich weiß ja noch nicht mal selbst so ganz genau, warum ich plötzlich am Tag X (völlig ungeplant) beschlossen habe: Jetzt ist es vorbei - und das war es dann auch, bis zum heutigen Tag und hoffentlich für den Rest meines Lebens.

    Ich kann Dir aus meiner Erfahrung nur sagen, dass es zuerst mal darauf ankommt, nichts mehr zu trinken. Damit will sagen, dass erst mal elementar wichtig ist, längere Zeit von dem Zeug weg zu bleiben, also nicht zu konsumieren. Das "darf" dann durchaus ein kämpfen sein, ein kämpfen dafür, keinen Alkohol mehr zu trinken. Je länger Du nicht trinkst, desto mehr beginnst Du Dich zu verändern. Man beginnt ganz langsam, Dinge anders wahr zu nehmen, ganz langsam verändert sich die eigene Denkweise und man gewinnt ganz langsam wieder die Kontrolle über sich selbst. Vorher hatte die Sucht die komplette Kontrolle und man (vor allem die Gedanken) waren komplett suchtgesteuert.

    Leider geht das nicht von heute auf morgen. Es dauert eine Weile und es ist leider nicht so, dass man nach ein paar Wochen ohne Alkohol bereits komplett "umgestellt" wäre. Mit zunehmender Dauer des eigenen Lebens ohne erneute Alkoholzufuhr wird man aber langsam in die Lage versetzt, Dinge mal tiefer zu durchdenken. Nun hast Du hier ja schon gelesen, dass nicht jeder die Gründe für seine Sucht finden muss um dauerhaft von dem Zeug weg zu kommen. Ich möchte aber auch sagen, dass das was ich hier schreibe meine Erfahrungen sind. Kann gut sein, dass andere das anders erlebt haben.

    Ich kann und will hier aber nur von mir schreiben. Und mir hat es sehr geholfen, mich mit den Gründen meiner Sucht zu beschäftigen. Ich wollte wissen, wieso mir das passieren konnte und warum ich da so tief hinein gerutscht bin. Vielleicht auch deshalb, weil ich zunächst mal keine offensichtlichen Gründe erkennen konnte. Da war eigentlich nichts, was so eine Suchtkarriere klassischerweise "gerechtfertigt" hätte. Mir ging es nicht schlecht, ich hatte keine Schicksalsschläge zu verkraften, ich hatte einen super Job und eine tolle Familie.... Warum also? Mag sein, dass das der Grund war, warum ich da genauer hinschauen wollte.

    Über diesen Prozess, und das war ein Prozess über Wochen, sogar Monate, kam ich immer mehr an den Punkt, dass ich mir die Frage stellte, was ich eigentlich mit meinem Leben so anfangen möchte. Klar hätte ich sagen können, ich will halt ohne Alkohol leben weils mir mit so beschissen ging und ich das nie mehr so erleben möchte. Aber das reichte mir nicht, auch wenn das natürlich ein zugkräftiges Argument war, welches mir sicher in den Anfangswochen als Motivation diente. Ich wollte wirklich nie mehr so die Kontrolle über mein Leben verlieren.

    Aber erst als ich begann, nach meinem Sinn zu suchen, als ich begann mir Fragen zu stellen wie "Wo willst Du eigentlich hin mit Deinem Restleben?", "Wer möchte ich eigentlich sein?", "Was will ich mal von meinem Leben sagen, wenn ich vor der Kiste stehe?", "Was sehe ich selbst denn jetzt eigentlich als Sinn meines Lebens", da veränderte sich nochmal massiv etwas bei mir. Denn da wurde mir nach und nach bewusst, dass bei der Beantwortung dieser Fragen der Alkohol außen vor war. Er konnte mir hier nirgendwo helfen, war zu nichts mehr nütze. Als ich mir klar darüber wurde, wo ich hin wollte, was ich noch erreichen wollte (und das mir der Alkohol dabei zu keiner Zeit helfen kann), begann ein Prozess des "immer zufriedener werdens", auch des immer klarer werdens.

    Zusammengefasst könnte man vielleicht sagen, ich begann mit mir selbst ins Reine zu kommen.

    Heute bin ich mit mir im Reinen, das kann ich so sagen. Und nicht das Du jetzt denkst, ich hätte das alles alleine im stillen Kämmerlein so hinbekommen. Nein, es war ein langer Prozess, und ich hatte viel Hilfe von außen. Wie Du war ich beim Psychologen, ich hatte einen engen Freund, mit dem ich sehr viel gesprochen habe und dann noch einen Mönch, der mich über Monate begleitet hat und wohl am meisten Anteil an meinem Suchtausstieg hatte. Und natürlich hatte ich viele Zweifel ob das alles richtig ist, es gab viele Weichen, die ich glücklicherweise richtig gestellt habe und ich musste viele Entscheidungen treffen. Bei mir ging es gut aus.

    So dabei will ich es mal belassen. Wichtig ist erst mal nicht mehr zu trinken, damit sich Deine Denkweise "umstellen" kann. Und dann, ja dann muss jeder seinen eigenen Weg finden.

    Alles Gute für Dich und einen guten Austausch hier im Forum wünsche ich Dir.

    LG
    gerchla

  • Hallo auch an Susanne,Rekonvaleszent und Gerchla.

    Erst einmal vielen Dank für jeden einzelnen Beitrag. Das freut mich wirklich sehr.

    @Am See und Susanne: ich nehme jeden Rat dankend an und muss sowieso dann für mich herausfinden was mit etwas bringt, und was eher nicht. Daher kann ich damit schon etwas anfangen, AmSee.

    @Rekon.: danke für die Literaturhinweise! Da befasse ich mich heute Abend mal wenn Ruhe eingekehrt ist im Haus. ( Frau und 2Kinder ). Und ja, ich hatte im letzten Jahr zwei einstündige Gespräche mit einem "Profi" von der Suchtberatung. Das war ein angenehmer Austausch via. Telefon, aufgrund von Corona.
    Sonst wäre ich hingegangen. Ich habe mich aber mit der Frau geeinigt das eine längst fällige Phsychotherapie wohl das beste in meinem Fall wäre. Ich habe hier einiges bis zurück in meine Kindheit aufzuarbeiten.

    Gerchla : vielen Dank für deinen umfangreichen Beitrag! Auch ich habe vor langer Zeit damit angefangen den größten Teil meines Konsums vor meiner Frau zu verheimlichen als sie meinen Übermässigen Konsum angesprochen und als bedenklich gesehen hat. Hierfür schäme ich mich natürlich sehr und auch täglich!

    Versteht mich nicht falsch, ich will nicht mehr trinken! Es gibt mir schon lange nichts mehr. Aber spätestens nach drei Tagen abstinenz kommen die üblichen Standardgedanken zurück... So schlimm war/ist es nicht, der und der trinkt wesentlich mehr... Etc. etc. ihr kennt das ja.

    Ich lasse heute die Flasche zu! Und morgen ist ein anderer Tag.

    Viele Grüsse
    Randy


  • Versteht mich nicht falsch, ich will nicht mehr trinken! Es gibt mir schon lange nichts mehr. Aber spätestens nach drei Tagen abstinenz kommen die üblichen Standardgedanken zurück... So schlimm war/ist es nicht, der und der trinkt wesentlich mehr... Etc. etc. ihr kennt das ja.

    Das kenne ich zur Genüge. Ein paar Tage war ich topmotiviert und es klappte gut, aber dann umschmeichelte mich mein Suchtgedächtnis und schon war ich hin und langte wieder zu.

    Und so hampelte ich noch ein paar Jahre herum, bis es mir nicht mehr gelang, 'ne Saufpause einzulegen. Erst danach kam ich flankiert von meiner Familie, die mir die bildliche Pistole auf die Brust setzte, entweder Therapie oder Trennung/Scheidung, zur Besinnung und ging zur Suchtberatung. Den Termin hatte meine Familie ohne mein Wissen ausgemacht.

    Was ich damit ausdrücken möchte, nimm dir an meiner jahrelangen Hängepartie kein schlechtes Beispiel und versuche, so bald wie möglich, gegenzusteuern.

    Die verlinkten Literaturhinweise sind gut. Ich rate zu Beginn zum Borowiak "Alk", der ist herrlich locker geschrieben.

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Mir hat der Borowiak auch sehr gut gefallen, hab auch sein Buch „Sucht“ gelesen.
    Hilfreich waren für mich dann auch noch:
    Daniel Schreiber, „Nüchtern“ und
    Catherine Gray, „Vom unerwarteten Vergnügen, nüchtern zu sein
    Frei und glücklich - ein Leben ohne Alkohol“

    Du kannst nicht zurückgehen und den Anfang ändern,
    aber du kannst jetzt neu anfangen und das Ende ändern.

  • Hallo Randy,

    ich nochmal.

    Ok, dann bist Du in gleiche Falle getappt wie ich. Bei war es nämlich ähnlich. Meine Frau sprach mich auch an, mehrmals, auf meinen Konsum. Welcher zu diesem Zeitpunkt noch auf einem sehr niedrigen Niveau war. Aber eben schon regelmäßig. Das machte ihr Sorgen, nachvollziehbar, aus heutiger Sicht. Und ich war damals, bei 1 bis max. 2 "Feierabendbieren" bereits süchtig. Das weiß ich heute, das war mir damals nicht so recht bewusst.

    Erst gelang es mir spielend, wirklich nichts mehr zu trinken.Aber irgendwann machte ich mir dann wieder ein Bier auf. Was sie nicht kommentierte. Und ich zum Anlass nahm in immer kürzeren Intervallen "mein" Bier zu trinken. Bis sie mich wieder ansprach. Das ging ein paar mal so und irgendwann, trank ich dann "mein" Bier z. B. mit Kollegen in der Arbeit bevor ich nach Hause fuhr. Nur dieses eine Bier, nicht mehr. Bei uns gab's ne Runde, wo ein paar Leute regelmäßig ein Feierabendbier miteinander tranken und dabei quatschten. Nach der Arbeit und auch nicht in epischer Länge.

    Aber schon hier begann das Lügen, was mich als zentrales Element durch meine Sucht begleitete. Denn ich musste meiner Frau ja erklären, warum ich ne halbe oder dreiviertel Stunde später nach Hause komme.... Und so ging es dahin.

    Und weißt Du wie ich mit meinem Suchtausstieg begann? Mit einem Outing! Ich sagte meiner Frau, völlig ungeplant, dass ich Alkoholiker bin. Ich kam damals aus der Arbeit nach Hause und meine Frau konfrontierte mich mit einer meiner Lügen. Ich wäre damals sicher in der Lage gewesen, mich durch noch geschickteres Lügen aus dieser Situation heraus zu winden. Wie ich es vorher oft getan hatte. Ganz plötzlich wusste ich aber: Nein, dieses mal nicht. Jetzt ist Schluss! Und ich sagte ihr, dass ich Alkoholiker bin. Sie glaubte mir kein Wort und meinte, das wäre doch wieder eine meiner Geschichten. So ging ich mit ihr raus zum Auto und zeigte ihr den Ort, wo normalerweise das Reserverad untergebracht ist. Er war voll mit (Plastik-)Bierflaschen, ich zeigte ihr unser Holzlager im Garten, welches ausgehöhlt war und mit Weinflaschen gefüllt (Wein deshalb, weil die im Winter nicht so schnell auffrierern und es war Winter als ich mich outete), ich zeigte ihr den Jetbag im Keller, der voll war mit Plastikbiersixpacks.

    Und weißt Du was. Es war zentral wichtig, dass ich genau das getan habe. Denn vorher hatte ich mir immer ein Hintertürchen offen gehalten. Niemand wusste das ich trank (erklären, wie ich das verheimlichen konnte sogar vor meiner Familie kann mir manchmal selbst nicht), also merkte auch niemand, wenn ich nach einer Trinkpause wieder damit weiter machte. Jetzt aber war alles anders. Jetzt war es raus! Es war schrecklich, weil ich die Zukunftspläne meiner Frau damit pulverisierte (ich trennte mich kurz darauf auch von ihr), aber es war in gewisser Weise befreiend, weil ich wusste, dass ich jetzt nicht mehr zurück kann.

    Wie sieht es diesbezüglich bei Dir aus? Deinen Zeilen entnehme ich, dass Du eine (geringe) Menge "offiziell" trinkst und den "Rest" dann heimlich. Fatal, fatal für alles. Vor allem für Deine Psyche und Dein Selbstwertgefühl. Du schreibst ja selbst, dass Du Dich schämst. Das war bei mir nicht anders bzw. am Ende war mir das auch wurscht. Am Ende dachte ich so einen Schwachsinn wie "ich tue ja niemanden was, ich schade ja nur mir selbst". Irre, wie sich das Hirn und die Wahrnehmung mit zunehmender Suchtdauer verändern. Irre, wie man in eine eigenen Parallelwelt, eine parallele Wahrnehmung abgleitet.

    Wenn Du es wirklich ernst meinst, ich meine so WIRKLICH ernst, dann lege unbedingt die Karten auf den Tisch. Alles andere bleibt nur rumgeeire. Diese Sucht ist zu mächtig, als das man sichihrer heimlich entledigen könnte. Wirklich, ich spreche aus eigener Erfahrung und reichlichen Versuchen das zu tun.

    Sprich mit Deiner Frau, sag ihr genau was Sache ist. Hole dabei alle Leichen aus dem Keller ( was glaubst Du was ich alles gebeichtet habe, die schlimmsten Schandtaten) wenn Du dort welche hast. Hole sie deshalb heraus, weil wenn Du sie unten lässt, dann belasten sie Dich weiter und gerade am Anfang ist das hochgefährlich und kann Dich zurück in die Sucht treiben. Aber vielleicht hast Du ja gar nichts zu beichten, "außer" das Du trinkst. Bei mir war das anders. da hatte sich ne Menge angesammelt. Heimlich aufgelöste Sparverträge die wir als Altervorsorge geplant hatten und die ich verprasst hatte, waren da noch die harmlosen Sachen.

    Aber das alles kam auf den Tisch. Nein, das war nicht lustig, es war einer der schlimmsten Momente in meinem Leben. Noch schlimmer war es, als ich (wir) unseren Kindern "reinen Wein" ::) einschenkten.

    Es folgten dann, aber erst nach paar Tagen und Wochen, weitere Outings. Bei meinen Geschwistern und auch bei meinen Eltern. Da "durfte"ich dann auch gleich noch beichten, dass ich nicht nur Alki bin sondern mich auch von meiner Frau getrennt habe. Ich glaube ich muss nicht betonen, wie schwer das alles für mich war. Aber absolut notwendig, das weiß ich heute. Und heute weiß ich auch, dass es für meine Frau, meine Familie, noch viel schlimmer war als für mich. Ich war Täter, nicht Opfer.
    Dann kam noch ein guter Freund dran, jener der mir dann später auch viel geholfen hat. Das war's dann erst mal. Hinz und Kunz muss man es m. E. nicht auf die Nase binden aber alle die einem wichtig sind und sich im näheren Umfeld befinden sollten Bescheid wissen. Es dient im Grunde nur dem Selbstschutz und nimmt der Sucht ein Hintertürchen.

    Ehrlichkeit ist also ganz wichtig. Anderen gegenüber aber natürlich auch sich selbst gegenüber. Ich musste das dann auch erst lernen. Denn ich log ja weit über 10 Jahre täglich. Und ich meine damit jetzt nicht die kleinen Notlügen. Und natürlich war lügen auch nach meinem Ausstieg erst mal das erste was mir in den Sinn kam, wenn ich auf eine unangenehme Situation traf (und davon gabs am Anfang reichlich). Ganz bewusst habe ich dann diese Reaktion (also das lügen wollen) übersteuert und mich zur Ehrlichkeit gezwungen. Klingt verrückt, hat aber funktioniert und heute gehört es zu meinen Grundwerten immer ehrlich zu sein und nicht zu lügen. Wegen dieser Erfahrungen aus meiner Suchtzeit.

    Wenn Du also wirklich weg willst von dem Zeug, dann lag alles auf den Tisch. Aber ich wiederhole mich.

    Das wollte ich Dir jetzt unbedingt noch schreiben. Vielleicht hilft es Dir irgendwann mal.

    LG
    gerchla

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