Selbsthilfegruppen - wozu eigentlich?

  • ;D Das wäre auch für mich glaubhaft(er).

    Naja, man haut sich selbst in solchen Situationen erst mal selbst die Taschen voll, um sich vor sich selbst zu rechtfertigen: "Ich konnte ja nicht anders, ich musste doch ..."

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!


  • Da kann ich mir bildhaft vorstellen, wie so jemand durch die Fahne des anderen Gruppenteilnehmers auch einen Rückfall bauen.

    Ich kann mir das auch vorstellen.
    Ich kann mir aber EBENFALLS vorstellen, dass die Fahne das genaue Gegenteil bewirken kann.
    M.E. hängt die Reaktion davon ab, welches Bild in meinem Kopf mit dem Auslöser „Fahne“ verknüpft ist bzw. von mir mit ihr verknüpft wurde.

    Solange ich die vermeintliche positive Wirkung meiner Rauschmittel nicht wirklich hinterfragt hatte, also trotz aller gesundheitlicher und sonstiger Nachteile davon ausging, dass sie für mich subjektiv gut waren, lösten Gerüche nach Alkohol oder Tabak bei mir augenblicklich Konsumwünsche aus.
    Nach meiner Ausstiegsentscheidung war das sicherlich zum einen noch immer so; gleichzeitig lief aber in mir ein völlig anderer Film ab. Und der bewirkte, dass ich nicht trank oder rauchte. Der bewirkte sogar, dass ich nicht voller Bedauern auf Alkohol bzw. Tabak verzichtete, sondern den Konsum durchaus freudig sein ließ.

    In meinem Kopf war nämlich -anfangs zusätzlich und inzwischen ausschließlich- ein völlig neues Bild vorhanden. Dieses Bild ließ mich eine Freiheit sehen und lässt sie mich heute erfahren, von der der „Marlborough-Mann“ oder die „Becks-Bier-Segelmänner“ nur träumen konnten.

    Bassmann


  • Selbsthilfegruppen sind kein Allheilmittel
    Sie schützen nicht vor einem Rückfall! Denn sonst gäbe es ja keine Rückfälle mehr. Aber sie erleichtern den Kampf gegen die Sucht ungemein und helfen, einen Rückfall zu vermeiden. Sollte es doch einmal zu einem solchen Rückfall kommen –auch das geschieht leider hin und wieder -, kann man mit ihrer Hilfe wieder aufstehen und wieder weiter etwas gegen seine Sucht tun. Nichts tun hilft nicht!

    Ja, hat sich leider wieder bewahrheitet: Erst im April war ich bei einem Gruppenfreund, der einen Rückfall hatte, und habe ihn in einem Krankenhaus untergebracht.
    Nun hat es ihn wieder erwischt. Und leider lügt er sich und seiner Umwelt momentan die Hucke voll. So soll ich ihn heute in die Klinik gebracht haben ... dabei hat er noch nicht einmal mit mir telefoniert/gesprochen. Nur seine Frau hat sich bei mir gemeldet ...

    Aber momentan fühle ich mich selbst nicht in der Lage, in an die Hand zu nehmen und ihm zu helfen - so wie letztes Mal. Ich habe meine Tochter zu Besuch und habe selbst gerade genug um die Ohren ...

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  • Hallo zusammen
    da ich ja neu in diesem Forum bin komme ich mit dem lesen gar nicht nach
    vieles was ich hier lese, kommt mir bekannt vor da ich ja auch ein Betroffener bin

    in den SHG wir ja das immer wider sehr betont ich bin " trockener Alkoholiker "
    ich denke wenn ich nicht mehr trinke bin ich kein Alkoholiker mehr
    was mich ehrlich am meisten stört ist der Ausdruck " trockener Alkoholiker " gibt es "trockene Raucher" auch ?

    wenn ich trinke vor allem zuviel oder zu lange bin ich ein Alkoholiker so wie eben ein Raucher der viel oder wenig raucht ein Raucher ist es gibt ja den Begriff Raucher- Nichtraucher warum nicht Trinker - Nichttrinker das Rauchen das ist ja auch eine Sucht sicher nicht so arg wie das Trinken
    Ich finde auch der Ausdruck Alkoholiker sehr sehr negativ man wird in der Gesellschaft gleich abgestempelt so wie die Vorredner gesagt haben die Alkoholiker sind nur Sandler leben unter der Brücke auf der Straße usw

    ich war voriges Jahr bei einer ambulanten Behandlung habe es nach 5 Wochen abgebrochen weil das Klima dort für mich nicht okay war
    ich war auch schon 2 x bei einer SHG bei den anonymen Alkoholikern,es gibt ja genug davon

    zur Zeit bin ich am Suchen um eine Gruppe zu finden wo ich mich wohl fühle

    ich habe zum glück eine frau die zu mir steht und die mir hilft ich habe nächste Woche ein Erstgespräch in einer Entzugsanstalt ich bin auch in Behandlung bei einem Neurologen oder Psychologen
    die Medikamente dich ich zur Zeit nehme helfen mir über die Entzugserscheinungen hinweg

    ich finde das Forum sehr gut komme aber mit dem lesen nicht nach

    liebe Grüße
    Wolfgang


  • ich denke wenn ich nicht mehr trinke bin ich kein Alkoholiker mehr [...]Böser Trugschluss. Alkoholiker bleibst du für den Rest deines Lebens, jedenfalls nach heutigem Wissensstand. Es bezeichnet eine nicht umkehrbare Veränderung im Körper, auf Grund derer du mit Alkohol nicht mehr angemessen umgehen kannst. Das maßvolle Trinken mag für einige Zeit gut gehen, irgendwann führt es in die alte Schiene zurück. Das nennt man Alkoholismus.
    ...
    was mich ehrlich am meisten stört ist der Ausdruck " trockener Alkoholiker " gibt es "trockene Raucher" auch ?[...]

    Was stört dich denn daran? Ich bin Alkoholiker für den Rest meines Lebens, aber ich trinke keinen Alkohol. Dafür hat sich die Bezeichnung "trockener Alkoholiker" schon seit vielen Jahren eingebürgert. Vielleicht stört dich der Begriff "Alkoholiker" weniger, wenn du dich von der Vorstellung der braven Bürger befreist, daß alle Alkoholiker besoffen in der Ecke liegen.

    Grüße aus dem Drachenhort

    Einmal editiert, zuletzt von Greenfox (18. September 2016 um 17:03)

  • ich denke wenn ich nicht mehr trinke bin ich kein Alkoholiker mehr

    Ich bin alkoholabhängig/Alkoholiker. Und obwohl ich (seit nunmehr 8 Jahren) nicht mehr trinke, bin ich immer noch alkoholabhängig/Alkoholiker - denn wenn ich wieder bewusst und absichtlich Alkohol trinke, steige ich wieder in die Suchtspirale ein. Dass dem so ist, weiß ich. "Musste" es ja mal ausprobieren und hing dann wieder ziemlich lange in der Spirale drin :(
    Und die Begriffe "nasser" bzw. "trockener" Alkoholiker haben sich nunmal so eingebürgert, da sie den "Zustand" desjenigen beschreiben. Wie Du Dich selber bezeichnest bleibt Dir selbst überlassen.
    Und dass der Begriff "Alkoholiker" in der Bevölkerung so negativ besetzt ist und viele es so interpretieren, dass der "Alkoholiker = der Penner auf der Parkbank" ist, liegt vielleicht daran, dass wahrscheinlich Viele sonst zugeben müssten, dass sie selber Alkoholiker sind bzw. kurz davor stehen, einer zu werden.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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  • Hallo Wolfgang,

    was mich ehrlich am meisten stört ist der Ausdruck " trockener Alkoholiker " gibt es "trockene Raucher" auch ?

    es gibt tatsächlich auch den „trockenen Raucher“, der allerdings nicht so, sondern als Nichtmehrraucher bezeichnet wird. Soviel ich weiß, will man damit zum Ausdruck bringen, dass jemand, der einmal süchtig geraucht hat, niemals wieder so sein wird, wie er war, als er noch nicht geraucht hat. Bzw. dass er immer anders sein wird als derjenige, der nie geraucht hat.

    Das ist nichts Negatives. Wenn ich als ehemaliger Raucher heute z.B. einen Raucher sehe, freue ich mich darüber, dass ich nicht mehr rauchen muss. Ein anderer, der nie geraucht hat, registriert den Raucher wahrscheinlich überhaupt nicht. Er verbindet im Gegensatz zu mir mit dem Rauchen keine Erinnerungen.

    Auch ein ehemaliger Trinker hat andere Erinnerungen als einer, der nie Trinker war.
    Ob dieser ehemalige Trinker in der Bezeichnung „trockener Alkoholiker“ etwas Negatives sieht, hängt m.E. in erster Linie davon ab, wie er sich selbst sieht.

    Bassmann


  • in den SHG wir ja das immer wider sehr betont ich bin " trockener Alkoholiker "
    ich denke wenn ich nicht mehr trinke bin ich kein Alkoholiker mehr
    was mich ehrlich am meisten stört ist der Ausdruck " trockener Alkoholiker " gibt es "trockene Raucher" auch ?

    Hallo Wolfgang, so eine Diskussion um ("negative Begriffe sozusagen") habe ich einmal eröffnet:
    Die "zufriedene Abstinenz"...

    Auch mich stören diese Ausdrücke, aber gut... (trocken, nass, staubtrocken, oder noch besser: fast völlig staubtrocken, halbtrocken, nicht ganz staubtrocken, oder "trocken mit Abstinenzpause" (das ist mein Favorit, den finde ich besonders ulkig) .... und weitere Wortgebilde.

    Aber ich widerspreche dieser Aussage, dass man dann kein Alkoholiker mehr ist, wenn man nichts trinkt. Alkoholabhängig oder Alkoholiker bezeichnet auch einen Kontrollverlust, wenn man wieder was trinkt. Und das kann dann fast niemand, wer wirklich "Alkoholiker" ist. Wenns wer kann, hat er/sie wahrschineinlich nur Alkoholmissbrauch betrieben, war aber (noch) nicht wirklich abhängig. In der Abstinenzzeit ist man eben ein "inaktiver" Alkoholiker (aber nicht geheilt damit). Diese Woche habe ich eine bemerkenswerte gute Beschreibung gefunden (wars Dietmar?)? Man sieht es nicht unbedingt (nur) als Krankheit sondern auch als einen Zustand eines dauerhaft veränderten Körpers. Es gibt kein Reset (Stichwörter: Toleranzentwicklung, Suchtgedächtnis und (wichtig:) das MEOS System. Dieses hat eine Erinnerungsfunktion, hängt mit der Verstoffwechselung und Abbau von Alkohol zusammen (wie das geht, habe ich schon wieder vergessen (Korsakow) => google) [size=6pt]ähm das mit (Korswakow) habe ich von Herrn Borowiak jetzt ausgeliehen :) [/size]

    Einmal editiert, zuletzt von franz68 (18. September 2016 um 20:40)

  • Guten Morgen allerseits,

    ich habe mindestens eineinhalb Jahre Meetings der Anonymen Alkoholiker besucht. Dort wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass man sich mit folgenden Worten vorstellt bzw. begrüßt: "Hallo, ich bin xy und ich bin Alkoholiker." Das habe ich mit gemischten Gefühlen angenommen. Das Positive daran finde ich, dass man es eben ausspricht bzw. dass man sich eingesteht und es über die Lippen bringt, dass man ein "fettes Alkoholproblem" hat. Das ist glaube ich der erste Schritt in eine konstruktive Richtung/Entwicklung. Denn viele Menschen verdrängen es ja und können es weder anderen, geschweige denn sich selbst eingestehen. Das "Bekenntnis" kann - zumindest am Anfang - befreiend sein bzw. setzt alle Anwesenden, Betroffenen - egal ob Ingenieur oder Arbeitsloser - auf ein Niveau, auf eine Ebene. Niemand ist besser, wir haben alle das selbe Problem.

    Andererseits empfand ich es aber eben auch negativ bzw. destruktiv. Genau wie oben jemand zitierte, habe ich mir immer diese Frage gestellt: "Wenn ich nicht mehr rauche, bin ich dann etwa ein 'kalter Raucher'?"

    Richtig genial fand ich dann die Leiterin einer anderen Selbsthilfegruppe, die sich jedesmal mit folgenden Worten vorstellte: "Hallo, ich bin xy und ich WAR alkoholabhängig." Kann ja sein, dass sie deswegen noch Alkoholikerin ist, das sei dahingestellt, aber hier schwingt eine positive Botschaft mit: Ich WAR abhängig. Momentan brauche ich den Alkohol nicht mehr. Wenn ich wieder trinke, dann bin ich vielleicht ruck-zuck wieder abhängig, aber jetzt bin ich nicht alkoholabhängig.

    Das finde ich realitätsnah und positiv.

    Liebe Grüße
    Pinguin

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • [...]
    ich habe mindestens eineinhalb Jahre Meetings der Anonymen Alkoholiker besucht. Dort wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass man sich mit folgenden Worten vorstellt bzw. begrüßt: "Hallo, ich bin xy und ich bin Alkoholiker." Das habe ich mit gemischten Gefühlen angenommen. Das Positive daran finde ich, dass man es eben ausspricht bzw. dass man sich eingesteht und es über die Lippen bringt, dass man ein "fettes Alkoholproblem" hat. Das ist glaube ich der erste Schritt in eine konstruktive Richtung/Entwicklung. Denn viele Menschen verdrängen es ja und können es weder anderen, geschweige denn sich selbst eingestehen. Das "Bekenntnis" kann - zumindest am Anfang - befreiend sein bzw. setzt alle Anwesenden, Betroffenen - egal ob Ingenieur oder Arbeitsloser - auf ein Niveau, auf eine Ebene. Niemand ist besser, wir haben alle das selbe Problem.

    Andererseits empfand ich es aber eben auch negativ bzw. destruktiv. Genau wie oben jemand zitierte, habe ich mir immer diese Frage gestellt: "Wenn ich nicht mehr rauche, bin ich dann etwa ein 'kalter Raucher'?" [...]

    Die Frage nach dem Sinn des Rituals bei den Anonymen Alkoholikern habe ich mir zu Anfang auch gestellt. Nach einiger Zeit wurde mir aber klar, daß das ein Scheinproblem war, nur dazu geeignet, mich von meinen wirklichen Problemen abzulenken. Solange ich mich mich solchen Kleinigkeiten und Wortklaubereien herumschlug, da mußte ich nicht an das herangehen, was wirklich dran war. Die Auseinandersetzung mit der Sucht, mit dem selbstzerstörerischen Verhalten war das wahre Thema. Die Frage wie ich trocken werden und auch bleiben kann, das war das wahre Thema. Die Frage wie ich mein zerstörtes Selbstwertgefühl wieder auf die Beine bekomme, das war das wahre Thema. Solange ich mich mit Spiegelfechtereien um Begriffe aufhielt, da hatte ich als Anfänger noch nicht verstanden, warum ich eigentlich da in der Gruppe sitze. Die Diskussion um solche Begriffe und das Hadern damit ist für mich ein Schein- und vor allem ein Luxusproblem. Für so etwas ist noch genug Zeit, wenn ich eine wirklich stabile und zufriedene Trockenheit erreicht habe.

    Vielleicht war aber auch meine Geschichte ganz anders. Als ich die Diagnose "schwerer Alkohomißbrauch" bekam, da hätte ich den Arzt umarmen können und das Schild "Alkoholiker" auf meiner Stirn war eher eine Erlösung. Endlich lieferte mir jemand eine Erklärung für mein selbstzerstörerisches Verhalten. Endlich sagte mir jemand, was mit mir los war und warum ich immer wieder bis zum Umfallen saufen mußte, obwohl ich es schon lange nicht mehr wollte. Endlich hatte ich mit der Diagnose auch eine Lösung für meine Verzweiflung in die Hand bekommen. Ich war 24 als ich die Diagnose bekam. Endlich lag mein Leben wieder vor mir und war nicht schon so gut wie beendet.

    Grüße aus dem Drachenhort

  • Hallo gamma draconis,

    ich fühle mich von Deinem letzten Beitrag persönlich angegriffen. Was Du schreibst klingt so, als wäre es mir furchtbar wichtig gewesen. Du kennst mich doch gar nicht. Meinst Du nicht, ich saß in den Meetings, um mich mit meiner Alkoholsucht auseinanderzusetzen? Unterstellst Du mir wirklich, dass ich "Scheinprobleme" angenommen habe? Ich habe hier den Beitrag gelesen über die Bezeichnung "Alkoholiker" und meine Meinung bzw. meine Gedanken dazu abgegeben. Nicht mehr und nicht weniger. Du schreibst zwar über Dich selbst, hast mich aber am Anfang zitiert, also nehme ich an, Du unterstellst auch mir "Spiegelfechterei".

    Ich habe/hatte wichtigere Probleme als ob ich am Anfang des Meetings diesen Satz sage oder nicht.

    Pinguin

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Hallo gamma draconis,

    ich fühle mich von Deinem letzten Beitrag persönlich angegriffen. [...]

    Das verstehe ich nicht. Ich habe zwar deinen Beitrag als Anstoß für meine Gedanken zitiert, danach aber ausdrücklich nur von mir geschrieben. Ich sehe keinen Grund, warum du das alles, was ich von mir geschrieben habe, als auf dich bezogen interpretierst. Ist es dir noch nie so gegangen, daß ein Beitrag eines Anderen Assoziationen oder Erinnerungen bei dir auslöst?

    nixweiss0

  • Natürlich, das geht mir fast ständig so.

    Alles klar, dann habe ich das komplett in den falschen Hals bekommen und zu sehr auf mich selbst bezogen. Jetzt weiß ich ja, dass ich mich geirrt habe und Du mich nicht angreifen wolltest. Sorry, aber ich kenne Dich halt noch nicht gut und momentan habe ich nicht so ein dickes Fell, sondern bin eher dünnhäutig.

    Grüße und einen gelingenden Tag
    Pinguin

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • [...]Alles klar, dann habe ich das komplett in den falschen Hals bekommen und zu sehr auf mich selbst bezogen. Jetzt weiß ich ja, dass ich mich geirrt habe und Du mich nicht angreifen wolltest. Sorry, aber ich kenne Dich halt noch nicht gut und momentan habe ich nicht so ein dickes Fell, sondern bin eher dünnhäutig. [...]


    Ich freue mich, daß wir das so einfach auflösen konnten. Und ja, was du von dir geschrieben hast, das kenne ich gut. Das hat mir in der Anfangszeit bei den Anonymen Alkoholikern große Probleme bereitet, weil ich alles, was nach meiner Wortmeldung gesagt wurde, immer als direkte Antwort interpretierte.

    Deine ehrliche Antwort hat es ermöglicht, das Missverständnis gleich zu klären. Dafür meinen Dank

    Grüße aus dem Drachenhort

  • Ich danke Dir für Deine Offenheit und Dein respektvolles Verständnis. Ich finde es gut, dass Du scheinbar einer jener Zeitgenossen bist, denen es möglich ist, Missverständnisse schnell und komplikationslos zu bereinigen bzw. aufzuklären ohne die Dinge unnötig "aufzubauschen". :)

    Grüße von
    Pinguin

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Liebe Pinguin,

    es ist ja tatsächlich so, wie die Leiterin der Selbsthilfegruppe es sagt: „Ich war abhängig – und bin es jetzt aktuell nicht mehr.“

    Mir persönlich, wie Du sicher aus meinen bisherigen Beiträgen entnehmen konntest, ist es so egal wie noch etwas, was andere über mich denken oder meinen von mir zu wissen.
    Von solchen Befindlichkeiten habe ich mich schon längst gelöst.
    Deshalb geht es mir bei solchen Themen ausschließlich um mich, weshalb ich auch keinen Anlass dazu sehe, andere belehren zu wollen oder mich von anderen belehren lassen.

    Die Sucht ist m. E. sehr individuell und, wie schon oft geschrieben, gleichen sich zwar die Trinkerkarrieren auf den ersten Blick, wie ein Ei dem anderen. Doch bei ein bisschen Kratzen an der Oberfläche entpuppen sich ganz unterschiedliche Wege.
    So empfinde ich das auch auf dem Weg in die Trockenheit – und schließlich in der Trockenheit.
    Schon aus diesem Grund empfindet jeder diesen „Makel“ anders.

    Dass es ein „Makel“ ist, ist gut so, weil, wenn es kein Fehler im Menschsein wäre, sondern die Normalität wäre, dann wäre die ganze Welt alkoholkrank und wir würden über den Begriff „Alkoholiker“ gar nicht reden müssen.
    Ich habe mir schon viele Gedanken darüber gemacht, warum ich mich Alkoholiker nennen soll. Auch ich war, wie Du, am Anfang meines Suchtausstiegs u. a. in einigen AA Meetings und kenne das dortige Prozedere. Das ja einerseits so hingestellt wird, als wäre es gar nicht wichtig (sich Gedanken darüber zu machen) und andererseits für die AA unabdingbar ist.

    Die Begrüßung „ich heiße Dietmar und bin Alkoholiker“, kam mir zu einem Zeitpunkt, an dem ich nicht mehr getrunken habe, irgendwie nicht „echt“ vor. Ich kann mich noch gut erinnern, dass dieser Satz einen regelrechten Widerspruch in mir auslöste.
    Andererseits, das stelle ich heute für mich fest, sage ich ja auch „ich bin Allergiker“, wenn ich momentan gar keine Allergie habe.
    Aber bei beidem bekenne ich mich zu einem Gesundheitszustand (Alkoholismus, Allergie), der in der Vergangenheit liegt.
    DAS regte meine Widerspruch.

    Alles, was ich in Therapie und Behandlung erlernt habe, war auf die Zukunft ausgerichtet.
    Selbst der Satz: „Wenn Du keinen Alkohol mehr trinkst, wirst Du noch viele Jahre das schönste Leben haben“, ist der Zukunft zugewendet.
    Und dann die Bekenntnis zur (gnadenlosen) Vergangenheit: Ich bin Alkoholiker.
    Nicht: Ich war ….

    Wie so vieles am Alkoholismus, hat auch dieser Satz viel Selbstkasteiung an sich.
    Es ist so, wie Du schreibst: Der Begriff Alkoholiker sagt aus, dass man ein „fettes Problem mit dem Alkohol hat“. Hat?
    Ich habe es nicht mehr.

    Aber dann wird es komplizierter.
    Alkoholismus ist eine Krankheit, die den gesamten Menschen erfasst. Physisch und psychisch.
    Mag zwar Menschen geben, die ausschließlich körperliche Probleme damit haben, aber ich bezweifle das jetzt mal. Wissen tue ich es nicht!
    Bei mir waren die Auslöser zum Alkoholismus rein psychischer Natur, und es hat im Rückblick erstaunlich viele Jahre gedauert, bis eine genauso starke physische Abhängigkeit aufgetreten ist.

    Diese Problematiken bleiben bestehen. Mit einem großen Einwand: Wenn sie nicht behandelt und bearbeitet werden.
    Das heißt, wenn ich psychisch nicht am Ball bleibe, all die vielen, oft klitzekleinen Stolpersteinchen in meinem Leben nicht bearbeite und zufriedenstellend aus dem Weg räumen, dann könnte meine Psyche erneut ins Wanken geraten und der Wunsch nach der Wirkung von Alkohol erneut in den Fokus geraten.
    Dabei ist es ja so, dass auch andere, nicht von der Krankheit betroffene Menschen solche Probleme haben. Und, dass die auch gar nicht selten den Wunsch haben, sich mittels Alkohol einfach mal zu entspannen.
    Nur halt mit dem Unterschied, dass sie keine genetische, psychische oder physische Grunderkrankung haben, die sie dann weiter und weitertrinken lässt.

    Wie beim Allergiker, der z. B. nie wieder Erdnüsse knabbern darf, weil er sonst daran zugrunde geht, darf ich nie wieder Alkohol trinken, wenn ich daran nicht zugrunde gehen möchte.

    Völlig falsch wäre es für mich, heute zu sagen: „Ich bin alkoholabhängig.“
    Weil ich das – heute – nicht mehr bin.
    Aber, wenn man in der Begrifflichkeit zugrunde legt, dass ein Alkoholiker jemand ist, der die Krankheit Alkoholismus in sich trägt, dann bin ich ein Alkoholiker.

    Liebe Grüße – und weiter so auf Deinem Weg!
    Dietmar

  • Danke Dir, Dietmar, für Deinen ausführlichen Beitrag, den ich aufmerksam und interessiert gelesen und darüber nachgedacht habe.

    Deinen Ausführungen ist weder etwas hinzuzufügen noch zu widersprechen.

    Hab einen guten Wochenstart und viele Grüße
    Pinguin

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

  • Da dieses Thema immer wieder mal auftaucht und mich auch viele Frage dazu erreichen, will ich diesen Thread mal wieder "hoch holen".
    Ich könnte mir vorstellen, dass es immer noch aktuell ist - wenn nicht sogar aktueller denn je, nachdem man sich ja lange nicht mehr direkt und persönlich austauschen konnte.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

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