Hallo zusammen

  • Hallo zusammen,

    ich bin weiblich und 35 Jahre alt.

    Von 2015 bis 2016 war ich bereits in ambulanter Entwöhnung. Leider blieb ich nicht so lange trocken. Ich machte eine Fortbildung, wechselte den Job und wurde gemobbt. In dieser Zeit fing ich langsam wieder zu trinken an. Inzwischen habe ich einen neuen Job und eine Therapie gemacht. Nur das mit dem Trinken bekomme ich nicht dauerhaft hin. 5 Wochen ohne Alkohol war das höchste, was ich seitdem geschafft habe.

    Im Augenblick kommt es mir so vor, als würde ich fast nach Gründen suchen, die es rechtfertigen, zu trinken. Als würde ich mich absichtlich in emotional aufwühlende Situationen bringen, nur um mich dann hinterher zu betäuben, weil es mir viel zu viel ist. Nach allem, was ich in der Entwöhnung und in der Therapie gelernt habe, bin ich total beschämt da drüber, dass ich es einfach nicht hinbekomme. Die Tage erfüllt ich eine unglaubliche Hoffnungslosigkeit, weil ich mir nicht mehr vorstellen kann, dass ich irgendwann wieder ein zufriedenes Leben führen werde. Ich habe irgendwie auch gar keine Vorstellung mehr davon, wie dieses Leben aussehen sollte und wer ich eigentlich bin.

    Getrunken habe ich seit Donnerstagabend nichts mehr. Donnerstag auf Freitag konnte ich nur 2 h schlafen. Zu gestern waren es dann 6 h, bis ich vor lauter Gedankenkarussell wieder aus dem Bett geflüchtet bin. Heute bin ich nun seit 5 Uhr wach und bin schon wieder total unruhig. Immer wieder kommen Gedanken, dass ich doch nur 1-2 Bier trinken könnte, damit ich ruhiger werde und schlafen kann. Dann sage ich mir, dass es nicht bei 1-2 bleiben würde und ich danach wieder von vorne anfangen müsste und vermutlich die ganze Unruhe und Anspannung von vorne losgehen würde. Dass sich die Unruhe so lange zieht, kannte ich bislang noch nicht (oder ich erinnere mich nicht). Eigentlich war das immer nur ein Tag und den darauffolgenden habe ich geschlafen, wie abgeschossen. Nun dachte ich, dass hier aufzuschreiben und Austausch zu suchen, ist wohl besser, als mich weiter einsam im Gedankenkarussell zu bewegen und nachher womöglich noch nachzugeben…

    Vor einem Monat habe ich Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe aufgenommen. Seit drei Wochen trifft sie sich wieder. Immer donnerstags. Am Wochenende bin ich immer hoch motiviert dorthin zu gehen und bis es Donnerstag ist, hat mich der Mut verlassen und ich habe wieder getrunken. Ich hoffe sehr, dass der Austausch mir hier helfen wird, bis Donnerstag durchzuhalten und endlich hinzugehen.

    Am Anfang wusste ich gar nicht, was ich schreiben sollte. Jetzt ist es irgendwie doch ziemlich viel geworden. Also vielen Dank fürs Lesen.

    VG Freedom

  • Hallo Freedom,

    herzlich willkommen hier im Forum!
    Ich bin weiblich, 54 und Alkoholikerin.

    Diesen Teufelskreis, in dem Du Dich befindest, kenne ich gut. Ich habe sehr viele Jahre immer wieder versucht, vom Alkohol loszukommen, habe für einige Tage, Wochen, Monate, einmal für etwas über drei Jahre aufgehört. Irgendwann wurde dann jedesmal die innere Unruhe immer stärker, bis ich schließlich wieder angefangen habe zu trinken.

    Du schreibst, Du hättest eine Therapie gemacht. Was für eine Therapie war das? Habt Ihr Euch da mit Deiner inneren Unruhe und möglichen Ursachen dafür beschäftigt? Hast Du darin vielleicht auch etwas über die Gründe herausgefunden, aus denen Du trinkst?
    Bei mir ist es so, daß ich erst, seitdem ich erkannt habe, wie eng meine Sucht mit meiner Lebensgeschichte zusammenhängt, angefangen habe, innerlich zur Ruhe zu kommen. Dabei helfen mir das Schreiben und Lesen hier sehr.
    Deine Scham, es nicht hinzubekommen, kann ich so gut verstehen, wie wohl jeder hier. Allerdings wundere ich mich etwas über die Therapie. Hat man Dir denn nicht gesagt, daß Alkoholismus eine Krankheit ist? Daß Du nicht schuld daran bist?
    Du klingst für mich so tapfer, wie Du da täglich allein gegen Deine Sucht anzukämpfen versuchst. Ich glaube aber, daß das ein Kampf ist, den man so gar nicht gewinnen kann. Gut, daß Du Dich hier angemeldet hast!
    Inzwischen weiß ich, daß es bei mir immer so weiter gegangen wäre, wenn ich nicht irgendwann verstanden hätte, daß ich es allein nicht schaffen werde.
    Was ist das für eine SHG? Ich meine, es wäre ja immerhin möglich, daß es aus irgendwelchen Gründen gar nicht die richtige Gruppe für DICH ist. Vielleicht gibt es noch andere zur Auswahl? Es klingt für mich außerdem nach Quälerei, daß Du durchhalten mußt bis Donnerstag. Gibt es vorher nichts?
    Hast Du sonst Menschen, denen Du Dich anvertrauen kannst?

    Du schreibst, es komme Dir so vor, als würdest Du Dich absichtlich in emotional aufwühlende Situationen bringen, nur um Dich dann hinterher zu betäuben, weil es Dir viel zu viel ist. Könnte es sein, daß Du Dich in diese Situationen bringst, um herauszufinden, was eigentlich mit Dir los ist? Warum Du krank bist?

    Was mir noch sehr geholfen hat und hilft beim Verstehen ist, möglichst viel über das Thema Alkoholismus lesen. Es gibt so viele sehr gute Bücher dazu, unter „Selbsthilfe/ Therapie“ findest Du viele Lesevorschläge.


    LG und einen guten Austausch hier!
    Rieke

  • Auch von mir ein HERZLICHES WILLKOMMEN hier bei uns im Forum :welcome:

    Kurz zu mir: Ich bin m, 57, Alkoholiker und nach mehreren Anläufen nun seit 12 Jahren trocken. Und das sehr zufrieden.

    Auch mir hat, um trocken zu bleiben, am Anfang sehr geholfen eine SHG zu besuchen. Allerdings erging es mir ähnlich wie Dir.
    Nur dass ich mir selbst nicht über den Weg getraut habe und von daher die Maschen selbst etwas enger gestrickt habe: Ich habe mir 2 Gruppen pro Woche gesucht und dann noch einen Termin/Woche Einzelgespräch bei einem Therapeuten. Somit hatte ich Montags den Therapeuten und Mittwochs und Freitags Gruppe.
    Nach einem Jahr habe ich dann den Therapeuten langsam reduziert - erst auf 14tägig, dann nur noch 1x/Monat und schließlich beendet.
    Und nach 2,5 Jahren habe ich dann auch die Gruppen auf eine reduziert - wobei mir das schwer gefallen ist und ich eine Münze werfen musste, da mir beide Gruppen und die Leute ans Herz gewachsen waren. Aber mit der Zeit wurde die Zeit doch knapp - wenn man 6 Tage/Woche arbeiten geht und dann noch Familie hat und außerdem versucht, wieder normal seine Freizeit zu gestalten ...

    Es gibt übrigens auch die Treffen der AA, die täglich stattfinden - und wenn man Hilfe braucht, um erstmal trocken zu werden/bleiben, dann sollte man auch dieses Angebot ins Auge fassen.
    Diese Monologe sind zwar nicht jedermans Sache, aber vor bzw. nach den Treffen kann man sich sehr gut unterhalten und austauschen (ich war auch des Öfteren bei den AA).

    Vielleicht überlegst Du es Dir ja mal. Und gehst von der Theorie (Kontakt zur SHG aufnehmen) zur Praxis über (die /eine SHG besuchen).

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Rieke,

    vielen Dank für das Willkommen und Deine Worte.

    Nach dem Aufschreiben der Gedanken vorhin, bin ich tatsächlich ruhiger und klarer geworden und konnte mich zu einem Spaziergang aufraffen. War ca. 1 ½ h unterwegs und habe dabei das Hörbuch „Nüchtern“ von Daniel Schreiber gehört. Wie viel mir dort bekannt vorkam…

    Über das, warum ich trinke, hatte ich in der Entwöhnung einiges gelernt. Irgendwie bekomme ich es gerade aber nicht mehr zusammen. Die Therapie war eine Psychotherapie, um nach dem Mobbing in der neuen Arbeit wieder im Alltag klarzukommen.

    Unruhe/Angespanntheit hab ich immer mal wieder… Meistens, wenn ich das dann annehme und akzeptiere, kommt mir dann auch irgendwann woran es liegt oder welche Gedanken mich dann umgetrieben habe. Die Unruhe jetzt war irgendwie anders. Fast wie Angst oder Panik…

    Ich denke, im Augenblick suche ich immer wieder Gründe, um zu trinken und bringe mich deshalb in die Situationen. Ein Bisschen das arme Schweinchen-Spiel oder eine Rechtfertigung oder ähnliches. Andererseits sehe ich, wie ich dadurch nach und nach verwirrter und unglücklicher werde. Und an meinem Vater mit gut voranschreitendem Korsakow sehe ich auch, wo dieser Weg enden wird, wenn ich das nicht in den Griff bekomme. Dass Alkoholismus eine Krankheit ist, weiß ich zwar. Trotzdem schäme ich mich sehr dafür.

    Die SHG ist eine Freundeskreis-Gruppe. Sie ist von der Arbeit aus gut erreichbar und ich komme im Anschluss auch gut nach Hause. Ob sie etwas für mich ist, kann ich ja erst beurteilen, wenn ich dort war. Was ich allerdings als sehr positiv empfunden habe… Ich hatte dort angefragt, als es wegen Corona noch keine Treffen gab. Als diese wieder stattfanden, hatte man meine Anfrage nicht vergessen und hat mich kontaktiert.

    Inzwischen lebe ich sehr isoliert und nüchtern über Persönliches zu sprechen, fällt mir sehr schwer. Viele Freunde habe ich nicht mehr. Die wenigen wissen allerdings um mein Problem, „nur“ nicht, dass es wieder aktuell und akut ist. Im Augenblick suche ich allerdings eher den Kontakt mit „Gleichgesinnten“.

    Ich denke, das hier ist ein guter Anfang, wenn ich sehe, dass ich schon wieder recht viel geschrieben habe…

    Vielen Dank für Deine Fragen. Ich denke, sie haben mich an „Ecken“ gebracht, an denen ich im Augenblick vielleicht selbst gar nicht gesucht hätte.

    VG freedom

  • Hallo Greenfox,

    auch Dir vielen Dank fürs Willkommen heißen.

    Ich denke, eine SHG wird mir auch langfristig helfen, trocken zu bleiben.

    Sich selbst nicht mehr über den Weg trauen ist ein sehr gutes Stichwort. Das tue ich mir selbst inzwischen tatsächlich auch nicht mehr. Eine zeitlang war es so, dass wenn ich mich mal für was entschieden hatte, den Weg dann auch ohne wenn und aber gegangen bin, egal wie unangenehm. In letzter Zeit eiere ich in vielen Dingen aber sehr rum und ändere gefühlt 5 x am Tag die Meinung… Also so wirklich trauen tue ich mir dann auch nicht mehr…

    AA sind tatsächlich nicht mein Ding. Habe, auch wenn es schon eine zeitlang her ist, mir 3 Gruppen angeschaut und irgendwie finde ich da nicht rein. Denke, dialogbasiert passt besser zu mir. Nur man sollte seinen Hintern halt auch tatsächlich mal von der Theorie in die Praxis bewegen... Trotzdem werde ich auch über die AA mal nachdenken… Im Augenblick würde ich recht viel in Betracht ziehen, damit dieses Trauerspiel zu einem Ende kommt.

    VG freedom

  • Ja, auch ich bin mehr für dialogbasierte Gruppen.
    Nur - was nutzt es, wenn man aktuell und akut in einer Rückfall bzw. Trinkphase feststeckt? Das ist ungefähr so, als wenn ein Ertrinkender sagt "Also, der rosafarbene Rettungsring sagt mir nicht zu - den nehme ich nicht! Lieber (er)saufe ich weiter!"

    Nach meiner Erfahrung hilft es schon ungemein, in der Gruppe zu sitzen, zuzuhören und zu wissen "Ich bin nicht alleine!" Und wie gesagt: bei den AA kann man sich NACH der Gruppe auch sehr gut unterhalten.
    Und wenn man dann die richtige, einem "genehme" Gruppe gefunden hat, kann man diesen Rettungsanker ja auch wieder Rettungsanker sein lassen.

    Zitat

    Nur man sollte seinen Hintern halt auch tatsächlich mal von der Theorie in die Praxis bewegen...

    DAS ist das A und O! Wer sich nicht bewegt, kommt nie voran - und schon garnicht aus dem Loch!

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Guten Abend zusammen,

    die letzten Tage war ich sehr ruhig und habe alles etwas „wirken lassen“. Nochmals danke für die kritischen Fragen und den kleinen Tritt ;)

    Diese Woche habe ich nun erstmal Urlaub genommen. Es gibt dieser Tage schlimmeres als zuviel Arbeit zu haben, trotzdem war es nach vier Monaten Ausnahmezustand jetzt irgendwie genug. Daher kam wohl das übermäßig große Gefühl „durchhalten zu müssen“ und eigentlich weiß ich auch sehr gut, dass lange am Rand der eigenen Kräfte spazieren, einer meiner Hauptauslöser fürs Trinken ist.

    Seit Donnerstagabend habe ich nun nicht mehr getrunken und bekomme langsam wieder klarere Gedanken. Heute konnte ich das erste Mal seit Ewigkeiten wieder die „Suchtstimme“ hören und habe sie auch als solche wahrgenommen. Was für absurde Argumente einem da einfallen… Und das wollte gar nicht aufhören. Das musste ich an Riekes Fragen denken, ob es niemanden gibt, dem ich mich anvertrauen kann…
    Schließlich habe ich nach ein paar Stunden meine Mutter angerufen. Ich konnte ihr zwar nicht sagen, dass es um Alkoholgelüste geht. Aber ich habe es immerhin geschafft ihr (nüchtern) zu sagen, dass es mir nicht gut geht, ich im Gedankenkarussell hänge und dringend Ablenkung brauche. Es gibt schon Hilfe… Man muss sie halt auch annehmen.

    Für die Woche steht nun zum einen noch der Besuch der Selbsthilfegruppe am Donnerstag auf dem Plan. Mit halbwegs klarem Kopf werde ich mich, denke ich, nicht mehr drücken. Zudem gehe ich ab nächster Woche dienstags wieder tanzen. Das hilft mir irgendwie in Kontakt mit mir selber zu kommen bzw. zu bleiben, wie man so schön sagt.

    Außerdem möchte ich noch eine Strategie entwickeln, wie ich zurück auf Arbeit nicht wieder in altes Fahrwasser gerate. Die Situation dort lässt sich im Augenblick nicht ändern. Daher muss ich einen anderen Umgang damit finden. Ausreichend essen und trinken und regelmäßig Pause machen ist mir bislang eingefallen. Für den Anfang werde ich mir hierfür Erinnerungen stellen, damit ich es nicht wieder „vergessen“ kann.

    Soviel erstmal… Ich vermute, dass mir noch einiges mehr im Kopf rumgeht, was mir im Augenblick gar nicht bewusst ist… Vielleicht geht es aber im Augenblick auch einfach erstmal nur darum, wieder festen Boden unter den Füßen zu bekommen.

    VG freedom

  • Hallo, Freedom, auch von mir. Ich bin Anfang fünfzig und seit einigen Jahren trocken und ebenfalls in einer SHG der Freundeskreise. Ich wünsch dir dort morgen eine gute Erfahrung. Nach zwei oder drei Gruppenabenden wirst du bestimmt spüren, ob du dich dort wohlfühlst.

    Zusätzlich fiel mir beim Lesen deiner Beiträge noch ein, dass du dich ja auch noch an eine Suchtberatung wenden könntest. Bücher zum Thema lesen (hier im Forum an anderer Stelle gibts ja auch eine gute Bücherliste) und eine SHG besuchen und dich hier austauschen :) ist auf jeden Fall auch schon mal gut, aber vielleicht könntest du dir ja auch noch mehr Unterstützung holen.

    In einer Suchttherapie kann man solche Fragen wie diese ganz gezielt bearbeiten und sich guten Input holen.

    Zitat

    Außerdem möchte ich noch eine Strategie entwickeln, wie ich zurück auf Arbeit nicht wieder in altes Fahrwasser gerate. (...) muss ich einen anderen Umgang damit finden.

    Ich wünsch dir jedenfalls einen weiterhin erholsamen Urlaub und morgen eine gute Gruppe.

    Grüße,
    Camina

  • Hallo Camina,

    auch Dir herzlichen Dank fürs willkommen heißen.

    Hallo auch in die Runde,

    gestern habe ich es dann tatsächlich endlich geschafft in die Gruppe zu gehen. Es hat mir wirklich gut gefallen dort und wurde auch sehr herzlich aufgenommen. Jetzt freue ich mich sogar auf nächste Woche :) :)

    War gestern den ganzen Tag so aufgeregt, dass ich den ganzen Tag nur Kaffee und Zigaretten zu mir genommen habe, aber letztlich hat es ja dann funktioniert. Habe am Anfang nur eine abgeschlossene Tür gefunden, aber da ich dann schon mal dort war, wollte ich dann auch nicht mehr unverrichteter Dinge gehen. Zum Glück viel mir dann noch rechtzeitig aufgefallen, dass ich an der falschen Kirche war…. Gestern Abend war ich dann zwar sehr zufrieden, aber auch total platt.

    Am Mittwoch habe ich endlich meine Wohnung fertig gestrichen. Die Wände und die Decke (wie auch immer das ging) habe ich bei einem Absturz im September mit Rotweinspritzern versehen. Beim Streichen bin ich immer wieder auf kleinere Hindernisse gestoßen, für die sich aber letztlich auch immer wieder Lösungen gefunden haben. Am Ende werde ich das ganze irgendwann noch einmal machen müssen. Warum auch immer hatten zwei Eimer der gleichen Farbe (das habe ich bestimmt 20 x überprüft) zwei verschiedene Weißtöne ergeben. Aber immerhin ist kein Rotwein mehr zu sehen.

    Irgendwie dachte ich so, ein Bisschen stelle ich mir so auch den Weg zum Trockensein vor. Es wird immer wieder „Hindernisse“ geben, für die es Lösungen zu finden gilt. Und im Augenblick kommt es mir auch so vor, als wäre ich ein Bisschen wie meine Wände, die jetzt zum Teil zwei verschiedene Weißtöne haben. Erstmal einfach nüchtern bleiben (keine Rotweinflecken mehr) und irgendwann, wenn der Kopf wieder klarer wird, kann man die Hintergründe angehen (der zweite Anstrich in einheitlichem weiß). Vielleicht hinkt der Vergleich ein Bisschen, aber irgendwie …

    Ich wohne etwas abseits, daher hatte ich meine Mutter gebeten, mit mir die Farbe kaufen zu fahren (ich selber besitze kein Auto). Den Absturz damals hatte sie mitbekommen und wusste daher auch, warum ich streichen wollte. In dem sich daraus ergebenden Gespräch habe ich ihr dann auch erzählt, dass ich die Freundeskreisgruppe besuchen werde. Sie freut sich darüber. Für mich bedeutet das irgendwie noch einen kleinen Schritt aus der Geheimniskrämerei heraus.

    Ich habe tatsächlich in Erwägung gezogen, noch mal in eine Entwöhnung zu gehen. Diesmal ggf. auch mit Klinikaufenthalt, wenn ich es weiterhin nicht auf die Reihe bekomme. Denke, die Entscheidung findet sich auf dem Weg. Allerdings hat mich das auf die Idee gebracht, im Keller mal nach den Unterlagen der letzten Entwöhnung zu suchen. Die habe ich nie weggeworfen.

    Lesen/hören tue ich gerade tatsächlich einiges über das Thema. „Vom unerwarteten Vergnügen, nüchtern zu sein“ von Catherine Gray habe ich als Buch hier und „Nüchtern“ von Daniel Schreiber habe ich als Hörbuch zum Einschlafen und bei Spaziergängen. Auch in der Gruppe habe ich gestern noch etwas zum Lesen mitbekommen.

    Ich habe das Gefühl, dass es, selbst wenn es gerade nur einige kleine Schritte sind, es jetzt wieder in die richtige Richtung geht. Heute bin ich nun den 8. Tag nüchtern. Das ist zwar erst ein kleiner Anfang, andererseits mehr, als ich in den letzten Wochen geschafft habe. Ziemlich müde war ich heute, sodass ich mich mittags tatsächlich noch einmal hingelegt habe…

    Irgendwie bin ich immer wieder überrascht, wie lange die Texte werden… Ich hoffe, dass es nicht zu durcheinander geschrieben ist.

    Einen schönen Abend und viele Grüße

  • Hallo Freedom,

    schön, dass du geschrieben hast. Ich finde es gar nicht durcheinander. Für mich klingt es so, als sortiertest du dich nach und nach, Tag für Tag, und in eine gute Richtung, in deinem Tempo. Insofern waren das doch wirklich richtig gute acht Tage! Gratuliere dir dazu, und auch dazu, zur SHG gegangen zu sein. Bei mir dauerte es ganz schön lange, bis ich mich endlich überwinden konnte, zum ersten Mal hinzugehen...

    Mit deinem Bild von den Flecken und dem unvollkommenen Weiß kann ich was anfangen - ich nutze auch gerne Bilder, die machen mir (manchmal auch anderen) noch auf direktere Weise klar, was ich meine/spüre/sagen will.

    Manchmal sind es auch bestimmte Wortfolgen, kurze Sätze, die in der Wiederholung für mich hilfreich waren und sind. Zum Beispiel das berühmte „Schritt - Atemzug - Besenstrich“ oder manchmal bei mir nur ganz einfach „eins nach dem anderen“.

    Ich finde jedenfalls, du machst das prima (obwohl mir das nicht zusteht, sowas zu sagen) mit deinem „Schritt für Schritt“.

    Wie planst du dein Wochenende?

    Viele Grüße
    Camina

  • Habe am Anfang nur eine abgeschlossene Tür gefunden, aber da ich dann schon mal dort war, wollte ich dann auch nicht mehr unverrichteter Dinge gehen. Zum Glück viel mir dann noch rechtzeitig aufgefallen, dass ich an der falschen Kirche war…. Gestern Abend war ich dann zwar sehr zufrieden, aber auch total platt.

    Ja, es kostet schon eine ziemliche Überwindung, so dass Einem schon mal solche kleinen Fehler unterlaufen können. Schön, dass es Dir selbst und noch rechtzeitig aufgefallen ist.

    Und dass Du Abends platt warst, kann ich sehr gut nachvollziehen - schließlich war es psychische Schwerstarbeit ...

    Auf jeden Fall: Gut gemacht und weiter so 44.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Freedom,

    willkommen und alles gute auf deinem Weg zum trocken werden. Bin m, +40 und trinke seit fast zwei Jahren
    keinen Alkohol mehr. Kenne das von deinen Erzählungen mit dem Grund suchen, sich Alkohol zu gönnen
    und leider gab es dann bei mir zuletzt nur noch Gründe, habe jeden Tag getrunken, ausschließlich Schnaps.

    War für meinen körperlichen Entzug 4 Wochen krankgeschrieben und parallel in einer SHG bei AA, bei denen
    ich immer noch bin. Bin damit nicht 100%ig zufrieden, aber die Gruppe hat mir damals geholfen trocken zu
    werden, zu bleiben und immer noch zu sein. 44. Werde bleiben, gehe aber nur noch alle 2 Wochen.

    Ich habe beruflich einen Schritt nach hinten gemacht, weil mein Beruf auch teilweise meinen Konsum angetrieben
    hat, glaube ich zumindest. Entzug habe ich gnadenlos offen mit meiner Mutter besprochen, sie hat mich ohne
    Fragen & Vorwürfe unterstützt, mir auch geholfen.

    Muss aber auch sagen, dass die ersten 6 Monate ohne Alkohol, das sich nüchtern wieder eingliedern ein Knochen-
    job war - es hat sich gelohnt, aber einige Sachen verändern sich auch: Arbeit, Kollegen, Freundeskreis, etc.

    Ich habe mich selbst für einen der hoffnungslosesten Fällen in Deutschland gehalten und wenn ich es geschafft
    habe, schaffst du es auch! Kopf hoch, es funktioniert.

    Liebe Grüße,
    Benno

    Auf Veränderung zu hoffen, ohne selbst etwas dafür zu tun,<br />ist wie am Bahnhof zu stehen und auf ein Schiff zu warten

  • Hallo Camina,
    hallo Greenfox,
    hallo Benno,

    vielen Dank für Eure Worte 

    Habe tatsächlich auch das Gefühl, dass sich das ein oder andere im Augenblick sortiert. Komme mir aber gleichzeitig auch noch ziemlich wirr und durcheinander vor…

    War heute bei meinem Nebenjob (das hätte ich beinahe vergessen, weil ich dort nur noch alle paar Monate mal bin). Das war nach einer recht lauten Nacht eine kleine Herausforderung.
    Nachbarn haben gestern Nacht vor dem Haus, gegenüber von meinem Fenster, Geburtstag gefeiert… Je später die Nacht, desto lauter wurde es… Kurz nach Mitternacht bin ich dann hingegangen und habe freundlich gebeten, ob sie bitte etwas leiser sein könnten, da ich am nächsten Tag arbeiten muss. Nach einem „Wer sind Sie denn?“ und einem wirschem „Ja machen wir“ kam ich zurück in eine Wohnung und bin noch auf den Balkon gegangen noch eine rauchen… Dort habe ich dann mitbekommen, wie die fleißig über mich hergezogen sind und leiser wurde es natürlich auch nicht. Einen weiteren Anlauf habe ich nicht mehr gestartet. So wirklich nüchtern waren die guten Nachbarn auch nicht mehr, sodass ich dann zu dem Schluss kam, dass das nichts wirklich bringen würde, noch einmal hinzugehen.

    Jedenfalls hatte ich dann, mitten in der Nacht, den dringenden Wunsch nach Alkohohl… Gute 1 ½ bis 2 h ist mir immer wieder im Kopf rumgegangen, mir vom Pizzaservice Bier bringen zu lassen… Wirklich in Erwägung gezogen, habe ich es nicht. Aber der Gedanke kam wieder und wieder… Schließlich habe ich mich an der ABC-Methode probiert, die Catherine Grey in ihrem Buch beschreibt… A = Affe, B = Bär, usw… Irgendwann habe ich es dann doch noch geschafft, mich soweit zu beruhigen, dass ich einschlafen konnte…

    Heute bin ich jetzt wieder total platt. Ein paar Mal wäre ich heute Morgen beinah überm Schreibtisch eingeschlafen… Jetzt bin ich daheim, habe mir essen gerichtet und werde den Abend auf dem Sofa vorm Fernseher verbringen, einfach entspannen und es mir gut gehen lassen.

    Für morgen weiß ich noch nicht so recht… Ein paar Dinge im Haushalt gibt es zu erledigen. Ansonsten je nach Fitnessgrad ein Bisschen wandern gehen oder auf dem Balkon ein Bisschen lesen oder einen schönen Film schauen… Denke, das werde ich spontan entscheiden. Möchte mir morgen auch noch mal ein Bisschen Zeit nehmen und mich quasi mental auf die Rückkehr ins Büro vorbereiten.

    Im Augenblick werde ich irgendwie auch immer Recht schnell müde… Ich vermute, dass das mit der Umstellung zusammenhängt… War das bei Euch am Anfang auch so?

    Viele Grüße und einen schönen Abend

    freedom

  • Hallo zusammen,

    wollte Euch kurz einen kurzen Zwischenstand geben.

    Bin immer noch trocken, heute ist Tag 16.

    Die Woche war aufregend, meine Stimmung fährt Achterbahn. Einmal habe ich meine Mutter um Hilfe gebeten, als die Suchstimme mich fast niedergezwängt hatte. Die Suchtstimme wird aber jeden Tag etwas leiser. Habe das Gefühl je öfter sie nein als Antwort bekommt, desto weniger versucht sie es...
    Am Donnerstag war ich wieder in der Gruppe, einer Onlinegruppe bin ich auch beigetreten und einer Freundin habe ich nun auch davon erzählt, dass ich nun den Freundeskreis besuche.

    Manchmal habe ich gerade das Gefühl den Kopf voller Watte zu haben. Ich bin mir nur sicher, dass ich nüchtern bleiben will. Ich kann mir im Augenblick nicht vorstellen, nie wieder zu trinken. Allerdings kann ich mir auch ein Leben mit Alkohol nicht mehr vorstellen...

    Die oberste Priorität ist die Abstinenz. Der restliche Weg findet sich außen herum...

    VG freedom

  • Schön bzw. gut, dass Du am Ball bleibst. 44.

    Ich möchte zwar kein Spielverderber sein, aber trotzdem davor warnen zu glauben, die Suchtstimme würde von Tag zu Tag leiser werden und schließlich ganz verschwinden ...

    Sie (die Sucht) ist so heimtückisch, dass sie durchaus so tun kann, als wäre sie auf Tauchstation gegangen - um dann urplötzlich und unerwartet mit ziemlich lauter Stimme zuzuschlagen.
    Deshalb empfehle ich Dir (und auch jedem anderen), Dich neben den Gruppen auch noch ein wenig "literarisch" mit dem Thema zu beschäftigen. Ein paar Vorschläge findest Du in unserer Literatur-Ecke.
    Da gibt es nicht nur (eigentlich kaum) trockene Fachbücher - die meisten sind in einem sehr guten, leicht lesbaren Stil geschrieben. Besonders empfehlen kann ICH "Simon Borowiak "Alk. Fast ein medizinisches Sachbuch".
    Aber auch die Biographien sind sehr lesenswert. Bestimmt findest Du etwas.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Greenfox,
    hallo Rina,

    Zitat

    Ich möchte zwar kein Spielverderber sein, aber trotzdem davor warnen zu glauben, die Suchtstimme würde von Tag zu Tag leiser werden und schließlich ganz verschwinden ...

    Ich empfinde das gar nicht als spielverderbend... Dann doch viel eher als hilfreich... Nicht zuletzt Suche ich ja den Austausch, um Schwachstellen in meinem eigenen Denken aufzudecken...

    Manchmal habe ich gerade schon absurde Argumente im Kopf... Das Buch, das ich hier habe, hatte ich nun gestern zu Ende gelesen. Also Zeit für Nachschub... Habe dann letztlich bei Amazon bestellt. Dem Vorangegangen war aber schon eine "lustige" Diskussion mit mir selbst...
    Ich muss ja jetzt meine Finanzen dringend in Ordnung bringen... Da kann man ja nicht 30,00 Euro für Bücher ausgeben... Die gibt es sicher auch in der Stadtbücherei...
    Wenn man das jetzt mal genauer betrachtet... Ja, die gibt es in der Stadtbücherei... Aber ich habe mir in den letzten Wochen öfter vorgenomen dort hin zu gehen und es dann doch nicht gemacht. Und 30,00 Euro investieren ist zu viel? Mal abgesehen von der Gesundheit... Es kostet viel mehr, wieder zu trinken. Allein der Alkohol selbst, die Zigaretten, die ich im Rausch mehr rauchen würde und schließlich der Pizzadienst, den ich dann anrufen würde, weil ich dann doch noch mehr Alkohol brauche... Da ist das Geld locker an einem Abend weg, ohne dass ich mir Gedanken um den nächsten Tag gemacht hätte... Aber für etwas hilfreiches sind 30,00 Euro zu viel? Echt total absurd...

    Und das lesen hilft mir tatsächlich... Zum Teil verstehe ich etwas neues, zum Teil erinnere ich mich aber auch an Wissen, dass ich wohl zwischenzeitlich verdrängt hatte :(

    Gleich heute morgen habe ich mir dann meine Finanzen vorgenommen und die sortiert... Schön war das nicht, aber auch kein Weltuntergang. So lange ich nüchtern bleibe, lässt sich das regeln und einen kleinen Dämon habe ich damit auch aus dem Hinterkopf raus.

    Die letzten Tage, dachte ich mir oft, dass ich mich wohl in einigen Dingen der Realität nicht stellen wollte, lieber weiter irgendwo Traumtänzeln und ggf. die Illusion durch das Trinken aufrecht erhalten... Ob das letztlich so ist und was ggf. den Schalter umgelegt hat, darüber bin ich mir noch nicht im Klaren... Aber irgendwie sagt mir mein Bauch, dass an dem Gedankengang was dran ist...

    Viele Grüße

    freedom

  • Recht hast Du: Für Alkohol haben wir weit mehr (Zeit und Geld) investiert - jetzt können und sollten wir es für etwas Sinnvolleres tun. Das waren damals auch meine Gedanken, als ich mir einge Bücher zum Thema kaufte und anfänglich sogar 3 Mal/Woche in die Gruppe bzw. zum Therapeuten ging. Aber: MIR hat es ziemlich viel gebracht.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!


  • Ich muss ja jetzt meine Finanzen dringend in Ordnung bringen... Da kann man ja nicht 30,00 Euro für Bücher ausgeben... Die gibt es sicher auch in der Stadtbücherei...
    Viele Grüße

    freedom

    Hallo Freedom,
    ich bin Britt, Mitte 50 und alkoholkrank. Schön, dass du hier bist.
    Sprich das Ganze doch mal in deiner Selbsthilfegruppe an. Vielleicht könnt ihr ja untereinander Bücher tauschen?
    Bis heute ist für mich die SUCHTFIBEL von Ralf Schneider eines der besten (wenn nicht sogar das beste) Bücher zum Thema Sucht. "Trivial" Literatur findet bei mir nur wenig Platz. Für Viele mag dieses Sachbuch vielleicht ein wenig "trocken" sein, weil sehr sachlich und informativ, aber gleichzeitig ist es auch praktisch anwendbar. Zudem ist es nicht nur für Betroffene geschrieben, sondern für alle, die SUCHT verstehen wollen. Du kannst Geld sparen, wenn du eine ältere Auflage kaufst.
    Bist du bei Ama..-prime? Dort kannst du auch Bücher ausleihen.

    LG Britt

    ~ bevör ik mi nu opregen deed, is dat mi lever egaal ~

  • Wat - bei Amadeus-Prime kann man auch Bücher ausleihen? Da muss ich doch glatt mal nachschauen, wenn ich wieder zu Hause bin. Von meinem Tablet komme ich nicht rein.

    Aber das wäre natürlich auch eine Alternative...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!