Es wird Zeit, bevor es zu spät ist...

  • Liebes Forum,

    gerne würde ich mich zunächst vorstellen. Ich bin 42 Jahre alt, seit 10 Jahren in einer guten Beziehung und Vater eines sehr süßen und glücklichen Sohns der jetzt 2 Jahre alt ist. Ich bin berufstätig, seit 15 Jahren in der selben Firma, Führungsebene mit gutem Gehalt. Ich bin so gut wie nie krank, lebe in einer großen deutschen Stadt in Bestlage, habe einen intakten Freundeskreis. Also, warum bin ich hier? Klar, der Alkohol.

    Ich trinke zu viel, viel zu viel. Rund jeden zweiten Abend rund 3 Flaschen Wein. Und das seit über 10 Jahren. Ich habe über die Zeit eine ungehörige Resistenz entwickelt. Selbst nach 3 Flaschen Wein zwischen 19h-2h, bin ich in der Lage um 10h am Vormittag eine Konferenz in der Arbeit zu leiten. Stolz bin ich darauf nicht. Ich bin mir bewusst, dass ich dann noch mit ein paar Umdrehungen vor den Leuten stehe. Merken tut es wohl keiner, bzw. wurde ich noch nie darauf angesprochen (was nichts heißen will, ich weiß). Gleichwohl verzichte ich deshalb bewusst auf ein Auto – wobei ich den Führerschein nie verloren habe – und fahre konsequent mit Öffis am Morgen.

    Das hat über ein Jahrzehnt wunderbar funktioniert, aber ich werde nich jünger und bin zudem noch starker Raucher. Doch möchte ich meinem Sohn möglichst lange als Vater erhalten bleiben. Ich will raus aus der Spirale, zumal ich in den letzten Jahren stark zugenommen habe (vornehmlich wegen dem Wein und Alter wie ich annehme) und mich nicht mehr wohl fühle. Doch wo fängt man da an?

    Ich kann mir aktuell noch nicht vorstellen, gänzlich auf Alkohol zu verzichten. Aber das wird vielen von euch nicht anders gegangen sein. Mein Problem: Ich halte aus meiner Erfahrung mit Panikattaken von Psychotherapie wenig. Letztlich haben mir nur Medikamente geholfen. Ich weiß, dass Alkoholsucht nicht mit ein paar Pillen zu überwinden ist. Doch vielleicht erkennt sich jemand von euch in meiner Situation wieder und hätte ein paar Ratschläge parat. Ich würde mich sehr freuen.

    Viele Grüße, Astro

  • Hallo, Astronomix,

    und HERZLICH WILLKOMMEN hier bei uns im Forum :welcome:

    Kurz zu mir: Ich bin m, 57, Alkoholiker und nach mehreren Anläufen nun schon seit einigen Jahren trocken.

    Zunächst einmal: Gut, dass Du Deinen Alkoholkonsum nicht nur für Dich alleine kritisch hinterfragst, sondern auch den ersten Schritt getan hast, indem Du es zumindest HIER mal "ausgesprochen" hast.

    Und es ist auch gut, dass Du mit den Öffis fährst, nachdem Du Dir fast eine ganze Flasche Schnaps hintergeprügelt hast (guckst DU ]HIER) - denn da hast Du morgens definitiv noch einiges an Restalkohol übrig.

    Wie oft habe ich (nicht nur hier im Forum) schon gehört/gelesen, dass der/diejenige nichts von einer Psychotherapie/SHG wegen Panikattacken hält?! Und da ich damit absolut keine Erfahrung habe, halte ich mich da lieber raus - ich möchte hier keinem entweder auf den Schlips treten oder (was genauso schlimm wäre) falsche Ratschläge geben.
    Aber hier gibt es Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie Du. Also überlasse ich denen das Feld!

    Den ersten Schritt hast Du gemacht - jetzt heisst es, Schritt für Schritt weitergehen.
    Jede große Reise hat mit einem ersten Schritt angefangen.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Lieber Astro,

    schön, Dich hier zu finden, ich bin auch ganz neu hier und ich erkenne mich so gut wieder in dir!!!!
    Wir sind im gleichen Alter, ich habe 2 Kinder (12 Jahre und 10 Monate) und einen wundervollen Ehemann.
    Auch ich funktioniere perfekt, habe keinerlei Probleme nach 1 Fl Wodka noch Abendessen zu kochen, die Kinder zu versorgen, die Scheinwelt aufrecht zu erhalten
    Ich weiß nicht wieviele hundert Male ich schon gesagt habe: ab heute nichts mehr...und jedes Mal kläglich gescheitert bin!!!
    Vor 2 Tagen kam für mich der POINT OF NO RETURN!!!! ich habe bei einer Familienfeier im Vorbeigehen zur Toilette Schnaps entdeckt und mir einen großen Schluck gegönnt und (!!!!!!!!) die Flasche mitgehen lassen....
    In der Nacht ging es mir so schlecht dass ich kaum Luft bekam, Herzrasen hatte,, meine Beine nicht mehr ruhig hielten und ich dachte: Das war es!!!!
    Gestern hing ich den ganzen Tag am Handy mit zitternden Fingern weil ich auf eine Nachricht der Familie wartete (ich denke es ist aufgefallen, dass die Flasche fehlt)

    Heute Nacht habe ich alles meinem Mann gestanden, der aus allen Wolken fiel: ihm ist zwar hin und wieder was aufgefallen, aber dass es SOOOO schlimm ist, kann er nicht glauben...

    Ich glaube JEDER braucht diesen Punkt an dem er sich eingesteht, dass es so nicht weitergeht... und zumindest die Karten auf den Tisch legt... das ist denke ich der 1. Schritt in eine bessere Richtung....

    LG, June

  • Hallo Astro,

    auch von mir ein Willommen im Forum. Ich bin der Spaziergänger, 48, und seit Anfang des Jahres ohne Alkohol und Zigaretten unterwegs. Von daher bin ich selber noch ein Frischling und nicht in der Position, Ratschläge zu geben. Da ich mich in Deinem Post hier und da wiedererkannt habe, möchte ich Dir dennoch gerne ein paar Gedanken da lassen.

    Mit Ängsten und Panikattacken habe ich ein paar Jahrezehnte Erfahrung. Eine Zeit lang war ich deswegen in einer SHG für Leute mit sozialer Phobie. Im Nachhinein muss ich darüber lachen, so absurd war das. Ein Raum voller Leute für die nichts schlimmer ist, als in einem Raum voller Leute zu sein. Und im allerschlimmsten Fall auch noch etwas vor der Gruppe sagen zu müssen. Furchtbar. Ich bin dann auch bei Medikamenten gelandet. Aber mit einer Trinker-SHG würde ich es dennoch einmal versuchen, wenn die denn wieder stattfinden. Schlimmer kann's ja kaum werden.

    Die Gute Nachricht ist: seit ich nicht mehr trinke, habe ich keinerlei Probleme mit Ängsten/Panikattacken mehr. Du schreibst nicht, ob Du damit jetzt noch Schwierigkeiten hast. Falls ja, gibt es durchaus Hoffnung, dass sich die Problematik durch Abstinenz stark verbessert.

    Zum Thema Gewichtszunahme: sicher, 3 Flaschen Wein haben nun mal ca. 1800 kcal. Das sind 2 ordentliche Pizzas zusätzlich. Besonders dumm, wenn der Wein auch noch zusätzlich Hunger auf Nüsschen oder eine echte Pizza macht. Ich nehme bisher stetig 2 Kilo pro Monat ab, seit ich nicht mehr trinke. Und das ohne wirklich etwas dafür zu tun, außer ein wenig darauf zu achten, die fehlenden Zigaretten und Biere nicht (nur) durch Schokolade und Pizza zu kompensieren.

    Ganz auf Alkohol zu verzichten, also für immer, fand ich anfangs auch eine erschreckende Vorstellung. Mittlerweile, also nach nur wenigen Monaten, ist die erschreckende Vorstellung die, wieder zu trinken. Interessanter Perpektivenwechsel. Ich hoffe, das bleibt so.

    Dir einen guten Austausch hier im Forum!

    der Spaziergänger

  • Hallo Astronimox

    Willkommen im Forum!

    Der erste Schritt etwas gegen dein Problem zu unternehmen ist getan, du bist hier und teilst deine Gedanken mit uns!

    Wie man aus der Sucht raus kommt ist meist individuell. Manche müssen in der Vergangenheit alte Wunden heilen, anderen hilft eine oder mehrere Therapien, ein/e gute Suchtbertater/in, eine SHG...für mich zum Beispiel ist es eine Traumattherapie und eine SHG die mich seit einiger Zeit erfolgreich auf meinem abstinenten Weg begleiten. Davor habe ich etliche Jahre damit verschwendet mich irgendwie selbst aus dem Sumpf zu ziehen...wie bei den allermeisten hat es nicht geklappt. Genauso wenig wie ein kontrollierter Konsum nicht geklappt hat...aber was ich ja sowieso wollte war mich aus der Realität schiessen und nicht genüsslich ein Glas Wein trinken und angeheitert aufhören müssen.

    Ich bin jetzt 1jahr alkfrei aber schon mehrere Jahre in Behandlung und in einer SHG. Es hat lange gedauert bis ich die Fäden zusammen hatte und für mich Lösungsstrategien entwickeln konnte. Und ich habe alle Hilfsangebote angenommen, nichts ausgelassen...auch alle Medikamente die der Markt her gibt (was bei mir überhaupt nichts gebracht hat). Erst als ich radikale Veränderungen in meinem Leben vornahm und meine Krankheit akzeptieren konnte war ich auf einem Weg der Besserung. Alkoholismus als Krankheit zu verstehen hat mir sehr geholfen, wenn dich das interessiert findest Du reichlich Literaturtipps hier im Forum.

    Ich habe wie du auch Kinder,bin ungefähr im selben Alter...ich begreife erst jetzt wie viel sie von meiner Trinkerei mitbekommen haben. Das ist manchmal immer noch schwierig auszuhalten. Kinder imitieren und lernen durch das Nachahmen ihrer Altersgenossen aber auch ihrer Eltern, die sie als Vorbilder nehmen. Da hilft es gar nichts den Sprösslingen vorzutragen wie schlecht rauchen und trinken ist wenn man ihnen das Gegenteil vorlebt.

    Hast du dir denn schon Gedanken gemacht wie es weiter gehen soll? Vielleicht solltest du wirklich über einen betreuten Entzug nachfragen, sind ja schon beträchtliche Mengen die Du trinkst! Und ja du hast recht, mit zunehmendem Alter wird es nur schwieriger, die Folgen werden irgendwann sichtlich, äusserlich wie psychisch. Dass Alkohol auch Depressionen hervorruft oder verstärkt ist bekannt, wahrscheinlich verhält es sich mit Panikattacken genauso...

    Lass uns an deinem Weg teilhaben und viel Kraft für die weiteren Schritte!

    Lg
    Rina

  • Guten Morgen Spacecowboy,

    will mal nur kurz ganz konkret was sagen.

    An Pillen wurde vor einigen Jahren eine Sau durchs Dorf getrieben, es scheint inzwischen jedoch wieder ziemlich ruhig darum geworden zu sein, war wohl doch nicht so toll und hat die Hoffnungen, die viele darauf gesetzt hatten, nicht so erfüllt wie gedacht.

    Alkohol ist eine Droge, die an sich schon ein gewisses Suchtpotential hat, also bei allen, wenn sie nur genug trinken (dafür gibts ausreichend randomisierte Studien), und Sucht/Entzugsdruck ist ein häufiger Grund für Rückfälle.
    Potential heisst ja nicht, alle kriegens, aber man kanns auch nicht an irgendwas festmachen wer es dann kriegt. Also es ist eine Eigenschaft des Stoffs wie bei anderen Drogen auch.

    Aber Alkoholismus ist, auch wegen der Bewusstseins/Erlebensänderung, ziemlich vielschichtig und viele brauchen ja gerade die Wirkung, um ihren Laden/ihr Leben mit dem Sprit am Laufen zu halten. Die Wirkung gibts dann aber mit Reduzierung auch nicht mehr, und das ist ein erheblicher Teil des Problems, weswegen kaum jemand dauerhaft reduziert. Wenn der Durst nicht sowieso beim Trinken kommt, der berühmt-berüchtigte Kontrollverlust, klares Suchtmerkmal.
    Einige brauchen dann zumindest Ersatz der ihnen wenigstens was vergleichbares bringt, einen emotionalen Ausgleich oder was ihnen halt dann fehlt, und Viele müssen grundsätzlicher was an ihrem Leben ändern, weil das eben so nur mit dem regelmässigen Abschuss funktioniert hat.

    Also durch den Entzug, körperlich wie geistig/seelisch muss man durch und wenn man nicht ganz aufhört und das Problem bereits besteht, verlängert man dadurch nur seine Leiden.

    Und man kann das durchaus auch erst mal alleine angehen - wenn man das kann. Also wenn man keine Lust auf xyz, Gruppen, Therapeuten hat, kann man es ja zumindest mal probieren. Ich bezweifle dass es viel bringt wenn man sich dann dazu zwingt, obwohl man nicht dahinter steht. Das Risiko ist halt, dass man erst mal noch länger weitersäuft, wenn das nicht klappt. Muss nicht, aber kann.

    Zitat

    Rund jeden zweiten Abend rund 3 Flaschen Wein

    ...Was machst Du eigentlich an den anderen Tagen? Trinkst Du da wenig oder gar nicht?

    Ich habe in den letzten Jahren meiner Trinkerkarriere fast nur (Ausnahmen, Feste etc. bestätigen die Regel) nach Feierabend getrunken und jede Woche an etwa drei Tagen (zusammenhängend, war dann sicher auf 0,0 Promille und das wollte ich auch so) Pause gemacht. Als es immer schlimmer wurde, auch sehr viel längere Pausen eingeschoben. Hauptsache nicht ganz aufhören, also ziemlich viel getan ums irgendwie im erträglichen Rahmen zu halten.

    Und als ich dann endgültig die Schnauze voll hatte (hab viel Schnaps getrunken und das war ziemlich extrem, bis ich eines Tages einfach nicht mehr konnte und wollte) habe ich eine dieser Pausen im Grund erst mal nur ausgedehnt. Ohne die Pausen hätte ich wahrscheinlich ganz anderen Entzug gehabt.

    Da werden ja dann von selbst Wochen und Monate draus, so viel passiert da ja erst mal oberflächlich gesehen nicht. Das Gift geht aus dem Körper, und manches am Erleben regelt sich schon rein durch die Dauer. Nur halten das viele einfach nicht durch und wo Du stehst, weisst nur Du.

    (Stationäre) Therapie hat ja bei vielen erst mal den Sinn, dass sie aus ihrer gewohnten Umgebung rauskommen, es dort keinen Alkohol gibt (keine Versuchung und klare Konsequenzandrohungen, wegen denen man sichs dann überlegt ), und natürlich sieht man dabei auch ein paar Andere , kann man sich dann überlegen wie man das sieht, Erfahrungsaustausch oder schlechte Beispiele, denen mans nicht nachmachen will.

    Ich kenne Leute die sonst mitten im Leben stehen, für die ist die Entgiftungsstation das Highlight ihres Lebens, kümmert sich wenigstens mal jemand um sie und so lustig haben sie es sonst nirgends (haben mir schon welche ganz klar so erzählt). Wäre aber klar nicht meines, denn sind keine Leute mit denen ich tauschen wollte, denn wenn DAS das Highlight ist...

    Also was für wen zu spät ist und wozu, ist natürlich auch individuell. Da gabs nen alten Witz, wo sich einer mit Schwarzgebranntem blind gesoffen hat, und dann dem Arzt, der ihn gewarnt hatte, gesagt hat "nichts was ich gesehen habe, war so schön wie der Schnaps".

    Vor was hast Du konkret Angst, dass es zu spät werden könnte? Ich meine, rein technisch gehts bei Dir noch lange tiefer. Und ist es bislang noch graue Theorie oder gehts schon los? Ich frag deswegen, weil sehr oft muss es halt erst weh tun. Bis dahin ist es eigenlich fast üblich, zu versuchen sich durchzumogeln.

    Das Rauchen, 50 Kippen++, hab ich allerdings erst ein Jahr später aufgehört. Ich wollte, als ich mal damit angefangen habe, schon reinen Tisch machen, aber beides auf ein mal war mir dann zu viel. Aber da das bei mir eine Vollsucht war und im Hirn an den selben Mechanismen ansetzt, wollte ich das loshaben. Nichts fand ich lächerlicher als Leute in Gruppen, die in Punkto Alk Moralpredigten hielten und dann erst mal ne Kippenpause brauchten.

    Gruß Susanne

  • Hallo Astro,

    herzlich Willkommen hier im Forum.

    Ich bin Jahre alt, Alkoholiker und lebe jetzt schon lange ohne Alkohol.

    Ein paar Gedanken von mir:
    ,
    Einiges von dem was Du schreibst erinnert mich an meine Geschichte. Ich trank zum Ende meiner Karriere hin mindestens 10 Bier pro Tag, meist eher noch ein paar mehr und als ich in den letzten Zügen lag kam dazu oft noch eine Flasche Wein. Trotzdem war beruflich sehr erfolgreich und genoss große Anerkennung. Ich führte ein sehr erfolgreiches Team und das Bild, dass man beruflich von mir hatte, hatte so überhaupt nichts mit dem zu tun, wie ich eigentlich war. Denn ich war zu dieser Zeit bereits seit einigen Jahren ein Wrack. Zuerst mal ein psychisches und dann auch zunehmend ein körperliches. Während meiner gesamten Trinkerzeit (diese dauerte weit über 10 Jahre) hatte ich mein Gewicht immer im Griff bzw. es war überhaupt kein Thema für mich. Die letzten 2 - 3 Jahre nahm ich dann enorm zu und zusätzlich stellten sich noch weitere körperliche Probleme ein (Magen / Darm / Schmerzen im Bauchraum / ständig geschwollene Lymphknoten / u. E. m.). Die Gewichtssteigerung war leicht erklärt, denn Bier und Wein hat halt ordentlich Kalorien. Und ich weiß nicht, wie oft ich mir morgens dann aus lauter Heißhunger einer Burger im Fastfoodschuppen gegönnt habe. Mehrmals die Woche, wenn ich mich recht erinnere.

    Solltest Du also mit dem Trinken aufhören, wird sich Dein Gewicht wahrscheinlich von selbst regulieren. Als ich aufhörte ersetzte ich all das Bier durch Wasser (wobei ich natürlich in der Menge deutlich weniger trank) und obwohl ich gleichzeitig wieder Appetit auf Süßes und Milchspeise bekam, nahm ich kontinuierlich ab. Innerhalb kürzester Zeit musste ich mehrmals meine Garderobe erneuern, weil mir die alten Sachen einfach zu groß waren. Und zu dieser Zeit hatte ich noch nicht mal daran gedacht wieder Sport zu machen. Das kam dann erst später und hat nochmal ein paar Kilo (die es eigentlich gar nicht mehr unbedingt gebraucht hätte) von der Waage genommen. Ich mache heute sehr viel Sport und kann essen soviel ich will. Die Wage ist immer mein Freund :)

    Zum Thema Angststörung:
    Als ich Deine Zeilen dazu las dachte ich mir: Wieder mal einer, der Psychologen pauschal ablehnt bzw. "nichts davon hält". Natürlich fußt das auf Deinen eigenen Erfahrungen, das will ich Dir nicht absprechen.

    Aber ich will Dir eine Geschichte dazu erzählen. Meine erste Frau litt unter Angststörungen. Das war noch zu einer Zeit, als ich noch nicht im Alkoholsumpf hing, relativ am Anfang unserer Beziehung. Nachdem es eher harmlos begann wurde es mit der Zeit immer schlimmer und ich weiß nicht mehr wie oft ich, vornehmlich nachts, den Notarzt gerufen habe, weil sie dachte sie würde jetzt sterben. Nachdem wir über einen sehr langen Zeitraum von Arzt zu Arzt gerannt sind, natürlich immer auf der Suche nach körperlichen Auslösern, kam doch irgendwann mal die Idee einen Psychologen aufzusuchen.
    Ich weiß nicht mehr genau wie lange meine Frau dann dort in Behandlung war, gefühlt würde ich sagen etwa ein Jahr. Sie war dann auch in einer Art SHG, die von diesem Psychologen moderiert wurde. Für den Notfall hatte sie auch Medikamente, aber ehrlich, beim Lesen der Packungsbeilage konnte einem ja echt schlecht werden....

    Nun, irgendwann kam sie dann mal wieder von so einer Sitzung nach Hause und eröffnete mir, dass sie ab jetzt nicht mehr hin gehen wird. Sie wäre sich jetzt sicher das es vorbei ist. Worauf hin ICH fast eine Panikattacke bekommen hätte, denn ich hatte wahnsinnige Angst es würde wieder kommen und ich stand dem so unglaublich hilflos gegenüber.

    ABER: Seither hatte sie nie wieder einen solchen Anfall. Das sollte jetzt mindestens 25 Jahre her sein und sie hat in diesen 25 Jahren viel erleben müssen. Nicht zuletzt meine Sucht und dann unsere Trennung mit all den schrecklichen Konsequenzen für sie und unsere Kinder. Aber von Panik oder Angst war auch in dieser Zeit nichts mehr zu sehen.

    Muss wohl ein guter Psychologe gewesen sein.....

    Dann noch eine Geschichte. Ich kenne jemanden, der durch eine solche Angststörung zum Alkoholiker wurde. Ein sehr erfolgreicher Mann, beruflich gesehen. Reiste um die Welt, war der Held. Zunehmend hatte ihm aber eine Angststörung dann seine Karriere gefährdet, z. B. hatte plötzlich Angst im Flugzeug. Also was tun? Natürlich Medikamente reinpfeifen. Nur halfen ihm diese irgendwie nicht so, wie er das erwartet hatte (hat er mir so erzählt, Details sind mir unbekannt). Eines Tages ging er an seiner Hausbar vorbei, die voll war mit edlen Schnäpsen, alles Geschenke der vergangenen Jahre wie er betonte. Denn er trank zu diesem Zeitpunkt keinen Alkohol. Und weil er sich mal wieder nicht so toll fühlte, genehmigte er sich einen Cognac.

    Und merkte plötzlich, wie wohl das tat. Seine Angst war wie weggeblasen und von da an hatte er sein Mittel gegen seine Panikattacken. Innerhalb kürzester Zeit wurde er zum schweren Alkoholiker und Anfangs war er wie euphorisiert. Aber ja länger das ging, desto mehr kam die Angst zurück. Und die Sucht hatte er jetzt auch noch an der Backe. Am Ende konnte er in manchen Phasen nicht mal mehr zum Briefkasten und die Post holen, weil er Angst hatte.

    Am Ende hat er dann erst mal eine Therapie gegen seine Sucht gemacht und dann auch seine Angststörung behandeln lassen. Muss einen guten Psychologen gehabt haben, der Mann. Denn heute merkst Du davon nichts mehr. Alles was ihm "geblieben ist", sind seine regelmäßigen Besuche in einer SHG, einer SHG für Alkoholiker wohlgemerkt.

    Das sind meine beiden Erfahrungen mit Angststörungen, wobei nur die erste Geschichte eine persönlich erlebte ist, die zweite hat mir dieser Mensch erzählt, wobei ich keinen Grund habe an seinen Worten zu zweifeln.

    Insofern möchte ich dazu sagen:

    Zitat

    Ich kann mir aktuell noch nicht vorstellen, gänzlich auf Alkohol zu verzichten. Aber das wird vielen von euch nicht anders gegangen sein. Mein Problem: Ich halte aus meiner Erfahrung mit Panikattaken von Psychotherapie wenig. Letztlich haben mir nur Medikamente geholfen.

    Ich denke das hast Du gut erkannt. Das ist Dein Problem. Ich klammere jetzt mal die Angststörung aus, spreche mal "nur" von der Alkoholsucht. Wenn Du Dir nicht vorstellen kannst gänzlich auf Alkohol zu verzichten, dann bleibt Dir ja immer noch kontrolliertes Trinken. Also statt 3 Flaschen Wein z. B. ein Glas. Warum Du das dann unbedingt trinken willst bleibt Dein Geheimnis... Aber gut, warum nicht. Alles was Du tun kannst ist, es einfach auszuprobieren. Wenn Du Alkoholiker bist, wirst Du es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht dauerhaft schaffen und bald wieder auf Dein altes Niveau zurück fallen. Sicher kannst Du das mal ein paar Wochen, vielleicht auch Monate hinbekommen. Aber es wird sich nicht so anfühlen wie bei einem Menschen der kein Problem mit Alkohol hat.

    Wenn Du scheiterst, dann weißt Du, dass es nur den absoluten Alkoholverzicht für Dich geben kann. Wenn Du etwas verändern willst. Selbstverständlich ist es immer Deine Entscheidung was Du machst. Niemand kann Dir verbieten Deine 3 Flaschen Wein zu trinken. Nur Du selbst kannst das.

    Und was die Psychologen betrifft: Ich hatte im Rahmen meines Ausstiegs auch einen "fürchterlich schlechten", der machte mich damals regelrecht wütend. Ich habe das dann eine Zeit lang probiert und mir dann anderweitig Hilfe gesucht. U. A. war damals auch eine SHG ein fester Bestandteil meiner ersten Monate ohne Alkohol. Die wichtigste Person wurde dann aber ein Mönch, er schaffte das, was der Psychologe nicht mal ansatzweise hinbekommen hatte. Und sehr viel später, als ich längst gefestigt und zufrieden abstinent lebte, erzählte mir dieser Mönch, dass er doch glatt auch mal Psychologie studiert hatte..... Es muss sicher nicht immer ein Psychologe sein und trotzdem bin ich davon überzeugt, dass der richtige Psychologe (wenn man sich die Mühe macht ihn zu finden und dann das Glück hat fündig zu werden) Gold wert sein kann. Und kaum zu glauben: Jahre später verstand ich plötzlich, was dieser erste "schlechte" Psychologe mir damals eigentlich sagen wollte, was er eigentlich erreichen wollte. Nur war ich dazu damals noch lange nicht bereit. Denn für mich war er ein "Depp", der keine Ahnung hatte.

    So, genug geschrieben. Ich wünsche Dir einen guten Austausch hier im Forum, viele gute Anregungen und natürlich, dass Du einen guten Weg für Dich finden wirst. Alles Gute und bis bald mal.

    LG
    gerchla

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