Ich würde gerne von mir erzählen

  • Hallo ihr Lieben,

    so richtig weiß ich nicht wie ich anfangen soll. Ich habe schon seitdem ich die ersten Erfahrungen mit Alkohol gemacht habe, immer zu viel getrunken. Es gab noch nie ein maßvolles Trinken wenn ich mich richtig zurück erinnere. Ich habe mir allerdings nie viele Gedanken darüber gemacht, es war einfach normal weil das alle so getan haben. Ich kam aus der Pubertät ins Studium, von da in den ersten Job und irgendwie hatte ich immer Freunde/Kollegen und Bekannte um mich herum die es genauso gemacht haben wie ich. Es war ganz normal sich anfangs nur am Wochenende, im Studium dann auch unter der Woche total zu betrinken. Irgendwann hat es bei mir auch angefangen das ich, wenn ich abends telefoniert habe, mir da ein paar Drinks genehmigt habe. Das hat sich total eingeschlichen und ist zum Standard geworden. Auch heute, viele Jahre später kann ich abends nicht telefonieren ohne dabei zu trinken.

    Naja, zumindest gingen die Jahre ins Land (mittlerweile bin ich fast 34) und exzessiver Alkoholkonsum gehörte ob mit anderen oder alleine (aber am Telefon) mehrmals die Woche einfach dazu. Eigentlich war es immer so, einen Abend trinken, einen Tag auskatern, am nächsten wieder trinken. Ich arbeite auch in einer Branche, in der es normal ist das es einen Bierkühlschrank gibt. Ständig gibt es Feiern, ob aus ausgedachtem Anlass oder weil etwas gewonnen wurde, oder einfach weil Freitag ist. Ich fand das auch toll, war es doch genau das was ich gerne gemacht habe. Dann wurde ich vor knapp zwei Jahren ungeplant schwanger, mein Freund (jetzt Mann) und ich haben uns nach kurzem Schock, wirklich sehr gefreut und ich habe von heute auf morgen nicht mehr getrunken und nicht mehr geraucht.
    Eigentlich eine gute Sache, aber ich bin echt in eine Art Depression verfallen. Konnten doch alle anderen noch rauchen und trinken und ich nicht mehr. Mir kam es so vor, als wäre mir jede Freude am Leben genommen worden. Es war wirklich schlimm für mich. Ich war so neidisch auf alle die ihr (mein) Leben weiterführen konnten. Ich hab es aber durchgezogen und bis zur Geburt meiner Tochter weder Zigaretten noch Alkohol angerührt. Darauf bin ich auch tatsächlich stolz. Denn es war sehr schwer.

    Nachdem sie auf der Welt war, war dann auch eine ganze Weile alles gut. Ich habe gestillt, von daher waren Alkohol und Zigaretten weiterhin tabu. Aber irgendwann wurde die Sehnsucht immer größer und nach einem halben Jahr habe ich dann abgestillt, weil ich einfach meinen Körper wieder für mich wollte und wieder Rauchen und trinken wollte. Das war dann auch anfänglich mal eine Zigarette am Tag und mal alle 3-4 Wochen ein Absturzabend mit Freunden. Dazwischen wollte ich wirklich gar nicht mehr.

    Aber nun ist es seit etwa März so, das ich wieder ständig Lust habe zu trinken. Seitdem sitze ich 1-2 mal die Woche auf dem Balkon, trinke Wodka Red Bull, weil alles andere mir nicht schnell genug das richtige Gefühl gibt und telefoniere mit Freunden. Ich katere dann leider schon relativ stark am nächsten Tag, weil ich auch viel rauche dabei und schleppe mich dann sehr müde durch den Tag mit meiner Tochter (bin gerade noch in Elternzeit). Ich hasse mich dafür, ich möchte ja schöne Tage mit ihr erleben und keine Mutter sein die sich das Ende des Tages herbeisehnt. Mir tut das so leid. Und gleichzeitig weiß ich einfach das es auch nicht normal ist, so wie es ist. Ich halte im Moment schon einige Tage durch bevor ich wieder trinken „muss“. So etwa 4-5. Aber dann ist es so, als würde mein Innerstes einen Entschluss fassen und den muss ich dann durchziehen. Das heißt also wieder Wodka kaufen und rauchen. Ich hab dann leider auch so gut wie immer Filmrisse und weiß von den Telefonaten nicht mehr viel. Dafür schäme ich und versuche das einfach beim nächsten Telefonat gekonnt zu überspielen. Es merkt auch nie jemand. Viele meiner Freunde machen sich auch direkt ein Bier oder einen Sekt auf wenn wir telefonieren. Und da ich nie lalle oder in irgendeiner Form ausfallend werde, kommt niemand auf den Gedanken das ich zu viel trinken könnte.

    Ich könnte noch ewig weiter schreiben, aber ich weiß gar nicht so recht worauf ich eigentlich hinaus will. Ich habe einfach das starke Gefühl das es so nicht mehr weitergehen kann. Für mich gehört aber Alkohol zu so vielem dazu. Vor allem auch zu meinen sozialen Kontakten, weil wirklich 90% meines Freundeskreises sehr viel trinken. Jedes Treffen/Spieleabend/Telefonieren/Plätzchen backen zur Weihnachtszeit ist eigentlich ein getarntes Besäufnis. Wäre ich nicht Mutter geworden, würde ich es wahrscheinlich gar nicht so hinterfragen. Aber mir fehlt einfach die Kraft so weiterzutrinken wie bisher.

    Gerade schaffe ich es schon wieder seit Freitag nichts zu trinken, aber ich merke wie der Drang in mir wächst und ich mich selbst belüge. Ein Getränk kannst du doch trinken... Aber ich weiß ja das ich das nicht kann. Ich muss immer soviel trinken bis ich (früher: komplett aus dem Leben geschossen bin) eine deutliche Wirkung spüre. Früher kann ich es nicht sein lassen.

    Ja das ist mein Leben bzw. meine Gefühlslage im Moment. Ich hoffe einfach das ich hier Hilfe finde und es bald schaffe nicht mehr den nächsten Wodka kaufen zu müssen. Ich weiß das etwas massiv falsch läuft, aber ich glaube ich brauche einfach den Austausch und ein paar Worte von erfahrenen Menschen. Alleine kriege ich es nicht in den Griff. Wäre meine Tochter nicht würde ich bestimmt wieder jeden zweiten Tag trinken und das kann doch einfach nicht das Leben sein. Ich will nicht ständig über Alkohol und Zigaretten nachdenken. Das ist einfach so traurig.

    Danke euch fürs Lesen!

    Viele Grüße

  • Moin und herzlich willkommen.

    Du kannst jetzt hoffentlich hier schreiben. Ich habe leider im Moment keine Zeit, aber ich melde mich später.

    Ich glaube, dass du das Thema versehentlich selbst geschlossen hast???
    Wenn du nämlich auf Anhänge und andere Optionen gehst, dann kann man das dort angeben. Kann es sein, dass du dachtest, du meldest dich nur normal ab bis zum nächsten Mal? Also... ;) da bitte keinen Haken setzen.

    Ich wünsche dir hier einen guten Austausch.

    Liebe Grüße von Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • So, hier bin ich nun und ich schreibe dir ein paar Dinge aus meinem Leben, denn du hast mich sehr erinnert an meine alte Zeit. Auch ich habe während der Schwangerschaft und Stillzeit keinen Tropfen getrunken. Ich habe immer wieder im Laufe meines Lebens nicht getrunken. Ich habe mich dann übrigens sehr viel besser gefühlt. Ich hatte über Jahrzehnte Menschen um mich, die alle viel zu oft und viel zu viel tranken und immer noch trinken. Eine Welt und ein Umfeld, in welchem der Alkoholkonsum in krankem Maße „normal“ ist. Auch ich habe Stundenlang mit einer Flasche Wein an meiner Seite telefoniert. Ich vereinsamte immer mehr. Ich musste tatsächlich über 50 Jahre alt werden, um mein Leben komplett zu ändern. Ich bin heute sehr sehr glücklich und ich lebe mein Leben mit einer absolut positiven Energie und Freude, dass ich manchmal denke, ich hätte es schon viel früher machen sollen. Aber… es ist nie zu spät, etwas zu tun. Ich kann nur jedem raten, dass er sofort sein Leben ändert, wenn er merkt, dass irgendetwas nicht stimmt.
    Was möchtest du gerne tun? Was denkst du, dass du unternehmen kannst? Hast du dich schon einmal informiert? Warst du vielleicht schon einmal bei einer Beratung? Wie schätzt du dich selbst ein? Es ist bestimmt für dich interessant, hier ein wenig zu lesen. Du kannst aber auch gerne Fragen stellen und ich wie auch viele andere Betroffene hier werden dir gerne antworten. Ich musste für mich damals erst einmal herausfinden, was ich wirklich will und wer ich bin!!! Es war ein langer Weg zu mir selbst, aber heute finde ich diesen Weg sehr lohnenswert. Ich wünsche dir hier einen guten Austausch und vielleicht auch Hilfe oder zumindest Anreiz und Tipps für einen Weg, der dein Leben verbessert.
    Liebe Grüße von Betty :sun: :sun: :sun:

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Hallo lieber Sonnenkäfer,

    erst einmal herzlich willkommen im Forum.Ich wollte dir gesten Abend schon schreiben,aber gerade als ich fertig war,stellte ich fest, dass der Strang geschlossen war. Habe es aber abgespeichert,weil ich mir schon dachte, dass das nur ein Versehen war. Jetzt brauche ich es also nur eben rüber kopieren ;D

    ....meinen großen Respekt, dass du beides - Alkohol und Zigaretten -auf einen Schlag gelassen hast. Ich habe mir zwischen meinem trocken-werden und dem Zigarettenentzug immerhin mehr als zwei Jahre Zeit gelassen.
    Das mir der depressiven Stimmung ist übrigens unter anderem auch eine ganz normale körperliche Reaktion,weil ja dein Nervensystem die Gifte Alkohol und Nikotin...und die anderen Suchtstoffe in der Zigarette fest "eingeplant" hat. Zigaretten waren bei mir übrigens noch wesentlich schlimmer,vielleicht auch weil: getrunken habe ich "nur" Abends; geraucht habe ich aber von früh morgens bis spät abends, morgens mit Kaffee,Abends mit Alk. Als ich trocken geworden bin war meine Stimmung eher im Gegenteil: fast euphorisch.
    Also das mit der depressiven Stimmung könnte auch passieren, wenn alle anderen um dich herum knochentrockene Nichtraucher wären, aber dass alle anderen um dich herum anscheinend "dein Leben" weiter führen macht die Sache natürlich nicht leichter.
    Das Problems war bei dir vielleicht damals auch, dass du für deine Tochter aufgehört hast. Das ist natürlich sehr löblich, ich bin selber Vater und würde für meine Tochter auch auf alles verzichten. Aber dadurch hast du es natürlich auch als Verlust empfunden.Sicher, diesen Verlust bzw.Verzicht hast du gerne erbracht, aber dann wahrscheinlich die ganze Zeit dem Moment entgegen gefiebert wenn "es wieder geht".
    Um dabei zu bleiben ist wichtig, das du Trockenheit und Rauchfreiheit als Gewinn ansiehst. Wenn dir jetzt beides auf einmal zu schwer erscheint fang doch erst mal mit dem Alkohol an. Natürlich lässt sich das nicht erzwingen, Trockenheit als Gewinn anzusehen, aber der Austausch mit Menschen, die trocken geworden sind und jetzt ein zufriedenes und glückliches Leben führen kann dabei helfen. Deshalb ist es schon mal super,dass du hier schreibst. Vielleicht wäre auch eine Selbsthilfegruppe mit realen "analogen" Treffen etwas für dich. Das geht ja jetzt bei den meisten nach den Kontaktbeschränkungen auch wieder langsam los .
    Noch etwas zu den depresssiven Stimmungen.. .Bei meinem Rauchstopp habe ich mich immer an den Spruch gehalten: "das kommt jetzt nicht, weil ich aufgehört habe zu rauchen ,sondern weil ich so lange und so viel geraucht HABE. "....lässt sich übrigens auch auf Alkohol übertragen.

    Noch ein Gedanke,der mir beim heutigen Lesen auch noch gekommen ist. Du schreibst, dass dein Freundes- und Bekanntenkreis dem Alkohol auch sehr zugetan ist. Um so wichtiger finde ich es auch, dass au da ein Gegengewicht schaffst und auch Leute näher kennen lernst, bei denen der Alkohol keine so große Rolle spielt oder die sogar abstinent leben. Eine Selbsthilfegruppe hat natürlich den Vorteil, du kannst über dein Problem reden, kannst von den anderen lernen, und nette Bekanntschaften - wenn nicht gar Freundschaften - ergeben sich fast von selbst wenn du regelmäßig hingehst.

    Bei mir war das übrigens auch so, dass früher, als ich in deinem Alter war (bin jetzt 52) mein gesamter Freunds-/Bekanntenkreis dem Alkohol zugetan war. Dann folgte bei mir eine Zeit nach der Geburt meiner Tochter und in fester Partnerschaft, wo ich meinen Konsum - zumindest betr. Alkohol, aber nicht btr.. Zigaretten -auch stark einschränken konnte,phasenweise habe ich sogar abstinent gelebt. Nach der Trennung habe ich denn wieder angefangen, nicht weil ich so unter der Trennung gelitten hätte, sondern weil "es wieder ging" -ohne soziale Kontrolle durch die Partnerin.
    Am ersten Abend in der eigenen Wohnung waren es 3 Halbliter-Flaschen Bier "zur Feier des Tages" -das weiß ich noch genau, und innerhalb eines halbes Jahres wurde es mindestens fünf, ,meist 6 bis 7 - zumindest an den Abenden an denen ich getrunken habe -und das war wirklich jeder Abend an dem meine Tochter nicht bei mir war -also mehr als die Hälfte alle Abende. Ohne meine Tochter wäre es jeder einzelne Abend gewesen - und ich war total einsam,habe immer alleine getrunken....da war dann nichts mehr von der Zeit als ich zwischen Mitte 20 und Mitte 30 war mit durchgefeierten Nächten am Wochenende, das war einfach nur noch saufen,nichts mehr mit feiern. Still und alleine habe ich jeden Abend auf meinem Balkon gesessen, bis tief in die Nacht, in der linken Hand ne Pulle und in der rechten Hand ne Kippe.
    Liebe Grüße
    Frank

  • Hallo

    Willkommen im Forum.

    Dein Text hätte mein Text sein können als ich 34 war. Ausser ich hatte schon 2 Kinder und trank Wein.

    Genau wie du hatte ich in der SS das trinken und rauchen eingestellt (das rauchen nie wieder angefangen zum Glück) und erlebte es als persönliche Bestrafung. Und irgendwann habe auch ich abgestillt und langsam aber sicher verlängerten sich die Wochenenden und verkürtzten sich die Wochen...Erst trank ich nur Samstags, dann auch mal Freitags und Samstags, dann bis Sonntag etc...Das nahm so seinen Lauf. Das mit dem Telefonieren war auch so...Drink and Dial nennen es die Amis.

    Ich habe immer sehr exzessiv getrunken, ich wollte die Wirkung, nicht den Geschmack und das seit meinem ersten Konsum an. Ich war sofort auf 120% und wollte mehr davon...wie du meistens jeden 2. oder 3. Tag betrunken.

    Ich bin heute 38j, und seit einem Jahr (+1 Tag :)) abstinent. Ich musste mein Leben umgestalten, mir Hilfe suchen in Form von Therapie und SHG, ich habe neue Freunde und neue Aktivitäten in mein Leben gebracht und meine Prioritätenliste sieht anders aus als noch vor 4 Jahren. Ich musste die letzten Jahre meiner Trinkerkarriere sehr leiden, mit mir meine ganze Familie, mein Mann, die Kinder, meine Eltern...es ging rapide abwärts, Kontrollverluste wurden immer heftiger. Ich bin echt froh jetzt auf einem stabilen Weg zu sein und es wird immer besser. Ich habe Anfangs oft meine Trockenheit in Frage gestellt, auch noch andere um ihr "Glück" beneidet, die trinken und feiern dürfen...dieses Gefühl verschwindet immer mehr. Ich hasse die Person zu der der Alkohol mich gemacht hat, ich will sie nie wieder sein. Und ich empfinde nun endlich echtes Glück, echte Freude und eine Innere Ruhe stellt sich ein. Ich kann mich wieder im Spiegel ansehen und ein wenig Stolz und Selbstachtung empfinden...das war in meiner Trinkerzeit nicht mehr der Fall.

    Ich habe sehr lange Zeit damit verschwendet, mich irgendwie selbst aus dieser psychischen Abhängigkeit zu ringen. Ich tat nichts ausser den Alk weg zu lassen...das Resultat war immer ein Flopp, ich trank nach jedem gescheiterten Versuch noch mehr als zuvor. Ich habe es erst schaffen können, als ich mir Hilfe suchte, es ist für die meisten einfach zu Gross, man braucht sich nicht alleine trocken zu kämpfen.

    Wie siehst du es denn mit Hilfsangeboten? Vielleicht eine Form von Gesprächstherapie oder SHG oder Beratung mit einem Artzt oder was auch immer...? Wie steht denn dein Mann dazu? Kannst du mit ihm darüber sprechen? Trinkt er eher viel oder wenig? Ein viel trinkender Freundeskreis ist sicher nicht hilfreich, andere zusätzliche Kontakte sehe ich als super wichtig an falls es dir mit dem Ausstieg ernst ist...

    Ich freue mich auf den Ausstausch mit dir ,

    und ja ps: Ich kann mittlerweilen auch ohne Wein telefonieren!! Hätte ich vor noch 6 Monaten für nicht möglich gehalten ;D

    Alles Liebe,
    Rina

  • Sorry für das Kidnappen Deines Threads, Sonnenkäfer. Hallo und Willkommen!

    Ich bin auch noch neu hier, seit 5 Monaten abstinent und rauchfrei und auch noch etwas auf der Suche nach dem richtigen Weg. Ich wünsche Dir einen guten Austausch hier im Forum!

    Spaziergänger

  • ich antworte jetzt erst mal nur kurz und versuche heute Abend ausführlicher zu antworten. Erst mal vielen Dank an alle die mir geschrieben haben! Es hat sehr gut getan von euch zu lesen. Gestern bin ich leider dann doch wieder schwach geworden. Beim schlafen legen meiner Tochter war er plötzlich wieder da, dieser innere Entschluss. Die Entscheidung wurde gefühlt einfach getroffen und ich hab als sie geschlafen hat, meine Schuhe angezogen und bin noch schnell zum Supermarkt um die Ecke. Nur ein, zwei Gläser wollte ich trinken. Wie man sich doch immer selbst belügen kann. Heute Morgen habe ich dann gesehen das es doch wieder ein halber Liter Wodka war.
    Und nun ist sie wieder da, die Scham und auch das erschrockene Gefühl das ich das tatsächlich alles getrunken habe. Tatsächlich geht es mir heute bis auf etwas Müdigkeit sehr gut. Was eigentlich noch viel erschreckender ist, nach der Menge die ich in mich hinein geschüttet habe. Natürlich habe ich dann nervös mein Handy gecheckt ob ich doch irgendjemand Quatsch geschrieben habe, aber das ist nicht passiert. Immerhin.
    Nach einer Selbsthilfegruppe habe ich aber geguckt und in meiner Nähe gibt es auch jeden Mittwoch eine, noch fühle ich mich nicht ganz bereit dazu. Aber ich hoffe das die nächsten Wochen die Erkenntnis bringen das es wirklich nicht mehr anders geht, als jetzt wirklich etwas zu ändern. Ich möchte das so einfach nicht mehr.

    Jetzt gehe ich erst mal raus mit meiner Tochter und versuche einen klaren Kopf zu bekommen und hoffe das sich das Schamgefühl verflüchtigt. Meistens hält es aber den ganzen Tag an.

    Ich wünsche euch einen schönen Tag und melde mich später nochmal.

    Liebe Grüße
    Sonnenkäfer

  • Guten Morgen Sonnenkäfer,

    ich finde es sehr gut, dass Du heute hier gleich geschrieben hast, obwohl Du gestern wieder zur Flasche gegriffen hast. Es kommt leider nicht so selten vor, dass Betroffene die zunächst hochmotiviert hier geschrieben haben, dann plötzlich sang- und klanglos verschwinden. Und nie mehr gesehen werden oder manchmal nach Monaten oder gar Jahren wieder schreiben und schildern, dass sie wieder getrunken haben uns sich schämten, sich nicht trauten hier weiter zu schreiben. Gut das Du bei uns bleibst.

    Du hast ganz ehrlich geschrieben was Dir passiert ist und dafür hast Du meinen Respekt. Gleichzeitig ist das aber m. E. auch die Voraussetzung um überhaupt erfolgreich gegen diese Krankheit sein zu können. Da geht es darum ehrlich gegenüber sich selbst und auch gegenüber den anderen zu sein. Das warst Du und das ist wirklich gut.

    Ich glaube dieser Vorfall zeigt Dir wieder, wie ernst die Lage eigentlich ist. Und er zeigt Dir auch, wie heimtückisch diese Sucht ist und dass man ihr nicht einfach so, auch nicht mit einem starken Willen, entkommen kann. Denn der Wille ist bei dir sicher vorhanden, da bin ich mir ziemlich sicher. Du zweifelst ja nicht, Du möchtest ja weg, Du schreibst ja auch nicht (wie das durchaus ab und an hier vorkommt), dass Du "nur" weniger trinken möchtest aber keinesfalls ganz verzichten. Ich denke, Du willst da wirklich einen Strich ziehen. Was ich auch wirklich als die beste und wahrscheinlich auch einzige Möglichkeit sehen würde.

    Ich kann Dich nur dazu ermutigen diesen Kampf nicht alleine zu führen. Das musst Du nicht. Lass Dir helfen. Du hast ja bereits geschrieben, dass es bei Dir eine SHG gibt. Das ist ja nur ein Weg. Ob er der Richtige für Dich ist kannst Du nur herausfinden, wenn Du ihn ausprobierst. Du brauchst da auch wirklich keine Angst haben. Ja, ich weiß, das spricht sich leicht. Aber schau mal, das sind alles Menschen die genau das gleiche Problem haben wie Du. Die werden Dich weder komisch anschauen noch werden sie Dir irgendwie blöd kommen. Und Du wirst dort auch keinen Vortrag halten müssen, es sei denn Du willst das. Ich weiß jetzt nicht welche Art von Gruppe das ist, also monolog (wie z. B. die AA) oder dialog. Alles was hier erst mal aus meiner Sicht wichtig ist, ist die Frage ob Du Dich dort wohl fühlst. Ob die Menschen zu Dir passen, ob Du ein gutes Gefühl hast. Ich kenne viele Alkoholiker, die mehrere Gruppen ausprobiert haben bevor sie ihre gefunden haben. Und ich kenne auch welche, für die das einfach nichts war und die einfach andere Wege gegangen sind und noch gehen.

    Ich möchte Dir kurz von meinen Erfahrungen berichten. Ich ging bereits am ersten Abend ohne Alkohol in eine SHG. Das war eine Gruppe der AA, also eine monolog-Gruppe. Läuft so ab, dass der Gruppenleiter moderiert und die Teilnehmer (nur die die möchten) sprechen. Immer nur einer spricht, die anderen hören zu. Dann spricht der/die Nächste, usw. Es findet aber kein Dialog statt, d.h. das was jemand gesagt hat wird von den anderen weder kommentiert noch sonstwie bewertet. Es kann sich also jeder quasi "seines" von der Seele reden, die anderen hören nur zu und ziehen daraus ggf. Input für sich selbst. Wenn jemand neues dazu kommt so ist es meist üblich, dass die Gruppenmitglieder dieser Person ihre eigene Geschichte erzählen. Das war z. B. für mich ganz ganz wichtig. Ich habe da in den ersten Wochen unglaublich viel gelernt.

    Allerdings muss man das "mögen", also diese Monologform. Für manche sind Monologgruppen überhaupt nichts andere finden sie ganz prima. Mich hat es mit zunehmender Dauer gestört bzw. es hat mir nicht mehr das gegeben was ich glaubte zu brauchen. Natürlich habe ich mit den Gruppenmitgliedern auch einen Dialog geführt, also z. B. vor oder nach den offiziellen Gruppensitzungen. Das fand ich teilweise deutlich wertvoller als die Sitzungen selbst. Aber wie gesagt, das Gefühl kam dann bei mir erst nach einiger Zeit auf. Anfangs war diese Gruppe mein Anker, mein Rückhalt und da sie sich täglich getroffen hat (wenn auch in unterschiedlicher Besetzung) war ich anfangs auch fast täglich dort.

    Das wollte ich Dir einfach mal schreiben, damit Du einen Einblick bekommst, wie soetwas in etwa aussehen kann.

    Was ich einfach nochmal sagen möchte und was Du ja durch das Ereignis von gestern auch wieder erlebt hast: Nur nicht mehr trinken (wollen) reicht einfach nicht aus. Man muss aktiv gegen die Sucht vorgehen. Am besten mit Hilfe. Um Strategien zu entwickeln um z. B. solche enormen und plötzliche Drucksituationen wie Du sie gestern erlebt hast ohne Alkohol zu überstehen. Mit dem langfristigen Ziel solche Drucksituationen abzumildern und irgendwann überhaupt nicht mehr entstehen zu lassen. Das schafft man m. E. nur dann, wenn man die Trinkgründe dauerhaft beseitigt. Denn auch gestern wirst Du einen Grund gehabt haben, weshalb Du trinken wolltest. Du wollest ein Gefühl erleben, einen Zustand erreichen, von dem Du glaubst, dass Du ihn nur mit Alkohol erreichen kannst. Und genau das ist eben die Sucht, die psychische Abhängigkeit.

    Und noch was: Du brauchst Dich nicht schämen! Im Gegenteil, sei stolz darauf, dass Du etwas unternimmst, dass Du wieder aufstehst und nicht liegen bleibst. Pass auf Dich auf, achte darauf, dass Du Dich nicht in Selbstvorwürfen verlierst und im Selbstmitleid versinkst. Das ist bei Alkoholikern relativ häufig der Fall. Jetzt ist kämpfen angesagt. Es geht um nicht weniger als um Dein Leben und am Ende dann auch um die Kindheit Deiner Tochter. Aber in erster Linie erst einmal um Dein Leben. Du entscheidest ob der Alkohol den Ton angibt und Dein Leben steuert oder ob Du die Chefin im Ring bist die ihr Leben selbstbestimmt führt.

    Ich kann's nur nochmal schreiben: Mach Dir einen Plan, aber mach' ihn nicht alleine und schon gar nicht irgendwie heimlich. Geh zum Arzt, geh zur Suchtberatung, sei ganz offen und nimm die vielen Hilfsangebote die wir in diesem Land hier haben. Wirklich, Du brauchst keinerlei Scham haben, keinerlei Angst. Tue es einfach und schaue was passiert, was zu Dir passt. Schau mal, es sind nur ganz wenige Alkoholiker die diesen Schritt überhaupt gehen. Die also überhaupt versuchen ernsthaft vom Alkohol weg zu kommen. Und von denen die das Versuchen sind es wiederum nur relativ wenige, die das dann auch dauerhaft schaffen. Alle anderen, die überwiegende Mehrheit, lebt mit der Sucht und funktioniert auch mit der Sucht, irgendwie, bis es halt nicht mehr geht.

    Und Du willst ja weg. Also ergreife diese Chance und sei kompromisslos. Dann kannst Du da auch raus kommen. Ich wünsche es Dir wirklich von Herzen.

    LG
    gerchla

  • Guten Abend, da bin ich wieder wie angekündigt. Da ich vom Handy schreibe, wird das jetzt wahrscheinlich nicht so einfach mit dem zitieren und gezielt antworten, aber ich versuche es mal Antwort für Antwort zu strukturieren.

    Betty

    Vielen Dank für deine Worte. Ich glaube ich habe tatsächlich eine vage Vorstellung in mir wie mein Leben eigentlich aussehen soll. Darin hat Alkohol, zumindest so wie ich ihn konsumiere auch keinen Platz. Ich habe so viele Tage in den ganzen Jahren verschwendet in denen ich energielos ihr Ende herbei gesehnt habe. Wollte nur in den Schlaf fallen, Peinlichkeiten oder zu intime Geständnisse vergessen. So möchte ich nicht mehr leben, vor allem auch wegen meiner Tochter. Ich glaube im Endeffekt war sie meine Rettung, denn nur durch sie habe ich den Ausstieg damals geschafft und hinterfrage jetzt so wie nie zuvor meinen Wiedereinstieg ins Trinken.
    Vor einigen Jahren war ich tatsächlich schon mal bei einer Beratung, ich habe mich bei dem Mann aber gar nicht wohl gefühlt. Ich weiß nicht ob es Einbildung war, aber ich hatte irgendwie das Gefühl das er mehr als beratendes Interesse an mir hatte, auf eine zwar unterschwellige aber unangenehme Art.
    Deshalb bin ich dort noch zwei, drei Stunden nicht mehr hingegangen und habe mir leider aber auch nichts anderes gesucht.
    Grundsätzlich habe ich aber Interesse an einer Beratung oder Selbsthilfegruppe. Das werde ich auf jeden Fall noch mal angehen.

    FrankUndFrei

    Danke auch dir für deine Antwort.
    Du hast total recht, ich habe die Alkohol und Nikotinabstinenz als komplette Strafe empfunden und absolut nicht als Gewinn, obwohl ich wusste das es total gut für mich ist und eigentlich auch absolut überfällig die Notbremse zu ziehen. Mir war auch die ganze Zeit klar, das ich wieder rauchen will und ab und zu wieder trinken. :) Den Moment habe ich wirklich herbeigesehnt. Letztendlich war es eigentlich anfänglich gar nicht so toll, ich kam von den ersten Abenden heim und meinte zu meinem Mann, das es eigentlich recht langweilig war, alle kippen sich so schnell wie möglich die Getränke rein und die richtig guten Gespräche gab es auch nicht. Allerdings muss ich sagen, das ich sehr gerne mit nur einer oder zwei Personen zusammen trinke, weil ich dann doch immer finde das die Gespräche in andere Richtungen gehen, sich die Menschen mehr öffnen und tiefer blicken lassen. Aber natürlich hatte ich mit guten Freunden solche oder ähnliche Gespräche auch schon (tagsüber) nüchtern. Auch du schreibst von einer Selbsthilfegruppe und wer weiß, vielleicht finde ich da tatsächlich neue Bekanntschaften die nicht trinken. Das würde mir definitiv helfen. Ein paar nette Mütter habe ich durch meine Tochter schon kennengelernt und da sind die Treffen natürlich nie Alkohol geprägt aber trotzdem immer toll. Davon bräuchte ich einfach mehr denke ich.

    Rina
    vielen Dank für deinen Beitrag. Darf ich fragen inwieweit deine Familie, Mann und Kinder unter dir zu leiden hatten? Ich habe (noch) das Gefühl das bei mir noch Niemand leidet, außer mir vielleicht. Auch wenn ich müde Tage habe, stehe ich immer auf, gehe mit meiner Tochter raus, kümmere mich und wir haben auch viel Spaß. Ab und zu schlafe ich auf der Couch, ansonsten schlafen wir immer zu dritt im Bett, aber das ist jetzt das einzige wo ich dann von der Norm abweiche. Aber natürlich könnte es, wenn ich mein Verhalten nicht ändere, oder der Konsum noch mehr wird, schlimmer werden oder den Alltag mehr beeinflussen. Gerade wenn sie älter wird und mich vielleicht betrunken erlebt, eine nach Zigaretten und Alkohol riechende Mutter ist eigentlich wirklich meine Horrorvorstellung. Ganz schlimm. Dafür schäme ich mich auch am meisten. Es passt einfach nicht in mein Bild als Mutter. Du hast gefragt was mein Mann dazu sagt. Ich muss kurz dazu sagen, das wir uns bei der Arbeit kennengelernt haben und wir also die gleiche Trinkroutine hatten. Wir waren ständig unterwegs und haben zusammen ausgekatert. Eigentlich war das eine schöne Zeit. Zum Teil zumindest. Er hat dann aber auch mit mir aufgehört zu rauchen und nur ganz selten was getrunken wenn er mal weg war. Er hat es aber mir zuliebe wirklich unfassbar stark reduziert. Er hat auch nicht mehr angefangen zu rauchen und zuhause trinkt er nie. Nur wenn er weg geht, dann aber auch viel. Aber das ist so selten geworden, ich würde sagen sein Verhalten ist ziemlich normal. Er hat jetzt die ganzen letzten Wochen gar nichts zu meinem neuen/alten Verhalten gesagt. Er ist da ein sehr gutmütiger, ruhigerer Typ der erst mal lange beobachtet. Ich habe ihn aber selbst letzte Woche angesprochen und gesagt das da gerade was schief läuft bei mir und da meinte er schon auch das es ihm natürlich aufgefallen ist und ich das schon wieder reduzieren sollte. Und mal versuchen nichts zu trinken beim telefonieren, das ich mich doch da umkonditionieren kann. Viel mehr haben wir darüber nicht gesprochen, ich hab mich nicht so richtig getraut auszusprechen, was ich eigentlich befürchte bzw. weiß, das ich ein Alkoholproblem habe, bei dem ich mich eben leider nicht einfach umgewöhnen kann. Ich habe mich aber nicht wegen seiner möglichen Reaktion nicht getraut, sondern es generell laut auszusprechen. Dann wird es so wahr und man muss wirklich was tun. Ich weiß nicht ob man das verstehen kann. Das es wahr ist, weiß ich ja auch so.

    Gerchla
    Danke für deine Worte heute Morgen. Sie haben mir wirklich Mut gemacht. Interessant fand ich abgesehen von deiner generell bestärkenden Antwort, deine Erfahrungen mit den Selbsthilfegruppen. Diese Gruppe die ich gefunden hatte, war tatsächlich eine AA-Gruppe. Nach deiner Erzählung, kann ich jetzt schon sagen das eine Monologgruppe nichts für mich ist. Ich glaube ich brauche definitiv den Dialog und hab vorhin nochmal ein bisschen recherchiert und eine andere gefunden. Im Moment findet sie aber nicht statt, man kann sich aber telefonisch an Menschen dort wenden. Vielleicht mache ich das bald. :)
    Sollte ich wirklich zu Treffen gehen, müsste ich meinem Mann dann natürlich wirklich endlich sagen, das es doch etwas schlimmer um mich steht, als er gerade denkt und ich das Ganze schon sehr ernst sehe. Ich glaube er denkt das es nur eine Phase ist. Alleine mit Kleinkind den ganzen Tag, Corona, der Frühling lädt ein draußen zu sitzen usw. Ich glaube er findet es zwar etwas zu viel, aber nicht wirklich bedenklich.
    Du schreibst zwar, ich müsste mich nicht schämen. Aber das tue ich leider trotzdem. Ich fühle mich einfach schwach, nicht nein sagen zu können. Aber wie du sagst, will ich einfach dieses Gefühl erleben wenn die ersten Drinks wirken. Irgendwas gibt mir das, ich kann es selbst noch nicht hundertprozentig greifen. Ganz platt gesagt wahrscheinlich, einen Ausbruch aus dem Alltag. Ich muss das natürlich aber noch ein bisschen ausführlicher analysieren. Da steckt schon viel begraben, das weiß ich.

    Das komische ist auf jeden Fall, das ich seitdem ich hier geschrieben habe noch mehr Druck zu trinken verspüre als zuvor. Was ich überhaupt nicht verstehe. Da kämpft etwas in mir glaube ich ganz schön dafür an der, es klingt so hart es zu schreiben, Sucht festzuhalten. Ich war wirklich noch nie so sicher in meinem Entschluss und fühle mich eigentlich sehr kurz vor dem Schritt in die richtige Richtung und dennoch hätte ich heute schon wieder zum Supermarkt rennen können (zum Glück hat der jetzt zu).

    Ich versuche mich jetzt abzulenken oder am besten gleich schlafen zu legen.

    Danke euch fürs Lesen!

    Viele Grüße
    Sonnenkäfer

  • Guten Morgen Sonnenkäfer!

    Auch von mir ein herzliches Willkommen hier im Forum!

    Also ich denke, Du hast den ersten Schritt in die richtige Richtung schon getan und ich gratuliere Dir ganz herzlich dazu! 44.

    Ich z.B. habe viel länger gebraucht als Du, bis ich verstanden habe, daß ich es ohne Hilfe nicht schaffen werde, dauerhaft vom Alkohol loszukommen.

    Nun hast Du ja schon viele wertvolle Tipps bekommen. Ich möchte Dir gerne schreiben, wie es bei mir war. Inzwischen bin ich 54 und habe seit ungefähr sieben Wochen das Gefühl, es endlich geschafft zu haben. In der Vergangenheit habe ich etliche Versuche gemacht, vom Trinken loszukommen, bin aber immer irgendwann wieder „schwach“ geworden, wie Du es nennst. Meine längste Trinkpause dauerte über 3 Jahre. Jedesmal war es bei mir ähnlich, wie Du es beschreibst: in mir reifte der Plan heran, nun mal wieder ein Glas Wein zu trinken. Was nichts anderes bedeutet, als daß ich die Krankheit einfach noch nicht als solche akzeptieren konnte und wollte.

    Zu Anfang meiner dreijährigen Trockenzeit war ich ein halbes Jahr bei den AA, habe dann aber gemerkt, daß mir das irgendwann nicht mehr so viel brachte. Gestern habe ich nun endlich gelernt, warum das so war: es handelte sich um eine Monologgruppe und ich wußte gar nicht, daß es auch Dialoggruppen gibt (danke, gerchla!). Tja, man lernt immer dazu. Jedenfalls fühlte ich mich damals so wohl und sicher in meiner Trockenheit, daß ich nichts weiter unternommen habe.
    Aber natürlich habe ich in all diesen Trinkpausen wichtige Erfahrungen gesammelt, auf die ich jetzt zurückgreifen kann.
    Warum ich denke, daß ich es diesmal geschafft habe? Nun, weil ich kapiert habe, wie wichtig es ist, diese Krankheit FÜR IMMER im Auge zu behalten, egal, wie lange man trocken ist. Ein kluges Mitglied hier hat geschrieben: „Den ersten Schritt in Richtung Rückfall mache ich, wenn ich mich nicht mehr regelmäßig mit der Krankheit auseinandersetze“.
    Vor sieben Wochen habe ich mich endlich hier angemeldet und auf Anraten einiger Forenmitglieder einen Termin bei der Suchtberatung gemacht. Das ging problemlos, mir wurde sofort wirklich geholfen. Wie ja schon von anderen hier geschrieben: nimm jede Hilfe wahr! Aber ich denke, daß tust Du sowieso.

    Es gibt keine endgültige Heilung. Aber es gibt ein gesundes freudvolles Leben ohne Alkohol. Und natürlich wird es mit der Zeit immer leichter werden, das erste Glas stehen zu lassen. Man entwickelt Strategien und lernt sich selbst immer besser kennen. Es ist vollkommen normal, wenn plötzlich der Gedanke in Dir aufkommt, daß es doch eine gute Idee wäre, sich ein Glas einzugießen. Ich kann manchmal gar nicht fassen, wie breit sich dieser Gedanke machen kann. Daneben ist dann scheinbar kein Platz für all die vernünftigen Gedanken, die dagegen sprechen.
    Das ist das berühmte Suchtgedächtnis. Es ist immens wichtig, sich damit zu beschäftigen, denn es ist tückisch und kann einen, wenn man nicht vorbereitet ist, einfach ehe man es sich versieht aushebeln.

    Mit Willensstärke hat das Trockensein meiner Meinung nach nur zu einem sehr kleinen Teil zu tun.
    Lieber Sonnenkäfer, Du bist nicht schwach, da bin ich mir ziemlich sicher. Du versuchst aber
    anscheinend, gegen einen Gegner zu kämpfen, gegen den man einfach nicht gewinnen kann.
    Jemand, der sich vor einer Sturmflut in Sicherheit bringt, ist weder stark noch schwach, sondern einfach klug.

    Auch ich habe übrigens damals rund um die Schwangerschaft keinen Tropfen angerührt (mit dem Rauchen hatte ich zum Glück schon ein Jahr vorher aufgehört), war dann aber froh, nach dem Abstillen endlich wieder trinken zu dürfen. Ich verstehe auch sehr gut, daß Du das Nichttrinken bisher als Verzicht betrachtest. Auch das Telefonieren mit Wein kenne ich von früher genauso, wie Du es schreibst. Heute ist das aber weit weg. Ich bin froh, am Telefon einen klaren Kopf zu haben und Gespräche mit an- oder betrunkenen Menschen öden mich an.

    Aber noch bist Du ja ganz am Anfang. Mir wurde hier geraten, erstmal zur Ruhe zu kommen, es dauert, bis man aus dem gröbsten heraus ist, aber es lohnt sich hundertprozentig!
    Jede weite Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Und solltest Du mal stolpern, bedeutet das nicht das Ende der Reise, wie gerchla das ja auch schon geschrieben hat.

    Solltest Du gerne lesen, möchte ich Dir noch ein Buch empfehlen: „Vom unerwarteten Vergnügen, nüchtern zu sein“, Untertitel „Frei und glücklich - ein Leben ohne Alkohol“ von Catherine Gray, sie müßte ungefähr in Deinem Alter sein. Dieses Buch hat mich sehr motiviert, es ist außerdem toll geschrieben, liest sich sehr gut.
    Außerdem ist auch „Nüchtern“ von Daniel Schreiber ein super Buch. Und natürlich gibt es noch viele andere gute Bücher zum Thema, mit denen Du Deine Motivation stärken und sehr viel über unsere Krankheit erfahren kannst.

    Liebe Grüße und einen schönen Tag!
    Rieke

  • Hallo Sonnenkäfer,

    Als erstes möchte ich mich Gerchlas Worten anschliessen: Du brauchst dich hier überhaupt nicht zu schämen wenn du einknickst und wieder trinkst. Im Gegenteil, bleibe und berichte, das Teilen erleichtert bereits einbisschen die Situation und die wenigstens wurden auf Anhieb trocken. Ich übrings auch nicht, ich bin nun wie gesagt ein Jahr alkfrei aber davor gab es auch ein Jahr indem ich 4x rückfällig wurde. Ich hoffe natürlich das passiert nicht mehr, 100%ige Sicherheit gibt es aber nie.

    Das mit den Schuldgefülen und des Versagens kenne ich zu gut...das ist schwierig auszuhalten. Bringt einen ja aber auch nicht weiter...Es zeigt dir vielleicht einfach, wie schwierig es ist aus diesem Teufelskreis auszubrechen, ohne Hilfe schaffen es die wenigsten, das ist Fakt. Ich habe alles über Alkoholismus gelesen was ich finden konnte, ich musste erst verstehen, um zu akzeptieren. Es gibt (bei mir jedenfalls) keine "Reset"-Möglichkeit, der point of no return wurde überschritten und dann hat man nur noch die Wahl weiter zu trinken, immer mehr und immer öfter (Toleranz nimmt zu) oder man hört irgendwann mal auf. Mich begleitet eine SHG und eine Traumatherapie auf diesem Weg, ich habe meine Lösungsstrategien gefunden. Aber auch das nicht auf Anhieb.

    Wie du hatte ich anfangs als die Kinder noch sehr klein waren nur ab und zu wieder angefangen zu trinken und hatte ehrlich das Gefühl, dass ich mich sehr gut um meine Familie kümmere. Das das so im Vergleich zu heute nicht stimmt merke ich vor allem jetzt, mit der nötigen Distanz und Klarheit. Alkohol greift ungemein in die Seele ein und verändert die Persönlichkeit. Ganz unbemerkt nahm der Alkohol immer mehr Platz ein, in meinen Gedanken, in der Wochenend-Planung und gleichzeitig schlich er sich wieder sehr schnell zu gewohnten Mengen ein, das heisst wenn ich trank dann bis zur Trunkenheit. Meine Geduld, meine Nerven, mein Elan etc waren bei weitem nicht da wo heute. Heute bin ich ausgeglichen, friedlich, sehr geduldig mit den Kindern, voller Energie zu jeder Zeit und nicht nur unter der Woche und v.a. bin ich sehr aktiv mit ihnen, unternehme immer draussen was.

    Natürlich hat sich der Konsum dann gesteigert, so nach gut 2-3 Jahren war ich am Höhepunkt meiner traurigen Karriere angelangt. Das ging bei mir sehr schnell denn ich habe immer schon sehr exzessiv und ohne Limit getrunken, null Kontrolle. Meine Kinder sahen mich betrunken, es gab oft Streit mit meinem Mann, sogar mit Freunden, mit Gästen weil ich mich so abschoss...die Feier war längst keine mehr, ich musste trinken, konnte nicht aufhören. Dazu hatte ich auch noch einen Job im Weinhandel...fatal! Ich brach irgendwann das nächste Tabu und trank während der Arbeit, wurde gefeuert...zu recht. Irgendwann war ich wieder wie vorher jeden 3. oder sogar 2.Tag betrunken...ich war wieder am Punkt wie vor den Schwangerschaften. Mein Mann musste ständig irgendwelchen Mist von mir wieder gerade biegen, die Kinder mitten am Nachmittag von der Schule holen weil ich das nicht mehr konnte etc etc. Kurz, Alkoholismus ist eine fortschreitende Krankheit, es wird immer nur schlimmer wenn man sie nicht stoppt.

    Obwohl ich schon Anfang 20 wusste dass ich ein gewaltiges Alkoholproblem habe musste ich noch Jahre weiter trinken und sehr sehr tief fallen. Ich hatte meinen Job verloren und beinahe meine Familie. Von Selbstachtung und Selbstliebe war keine Spur mehr. Ich wünsche dir, dass du diesen Weg nicht gehen musst.

    Es stimmt was du sagst, wenn du dich deinem Mann öffnest dann macht es dein Alkoholproblem definitiv, Du hast es benannt und dich jemandem anvertraut, es gibt kein zurück und keine Hintertüre. Das ist ein grosser Schritt...mich hat dieser Schritt gerettet, es war der Beginn meiner Genesung. Ab dann konnte ich anfangen, die Dinge ernsthaft (und mit Unterstützung!) angehen, es brachte die Kugel ins rollen.

    LG
    Rina

  • Moin Sonnenkäfer,

    schau mal, das war mein erster Beitrag hier. Ich bin jetzt seit dem 14. März 2014 tatsächlich alkoholfrei. Ich habe Jahre damit meine Zeit verbracht, mich zu schämen, mich zu ärgern, mich zu verstecken, mich zu betrinken usw.

    Ich habe mein Leben nicht gelebt. Ich war irgendein Zaungast, der nicht wusste wo er hingehört. Allerdings war mir immer klar, dass ich so eigentlich gar nicht leben möchte und dass eine Änderung her muss. Irgendwann habe ich dann gemerkt, dass nur ich und wirklich nur ICH den Weg bestimme.

    "Guten Tag,

    ich stell mich mal vor. Bin weiblich (57 Jahre) und seit 71 Tagen ohne Alkohol. Nach jahrelangem Missbrauch (1 Flasche Wein 3 x die Woche und am Wochenende auch mal mehr; Mo, Di und So waren eigentlich die alkoholfreien Tage) habe ich es geschafft, "JA" zu sagen. Ja, ich will keinen Alkohol mehr. Ich will keine Kopfschmerzen mehr, das schleckte Gewissen schon gar nicht!!! Gut zu schlafen, wäre auch nicht schlecht usw. usw. usw.

    Die Liste ist noch länger. Wie geht es mir? Es geht mir gut. :) Es geht mir ausgezeichnet. 44. Ich fühle mich um Jahre jünger. Äußerlich wie innerlich. Ich habe mich hier angemeldet als ich mit dem Trinken aufgehört habe. (Als Sicherheit, falls ich Hilfe brauche). Bin bis jetzt gut durchgekommen. Keine Entzugs- oder Nebenerscheinungen. Bei Verlangen auf Alkohol habe ich mich abgelenkt. Hat immer funktioniert.

    Jetzt habe ich aber eine Frage -

    Mein Lebenspartner ist und war sich meiner Situation wohl nicht so wirklich bewusst. Er fragt mich häufiger danach, ob ich denn nun gar keinen Alkohol mehr trinken will oder ob ich irgendwann kontrolliert trinken möchte. Meine Antwort kommt bei ihm nicht an.

    Also dieses "kontrolliert trinken" hat mich vor Jahren wieder an den Alkohol gebracht. War schon mal während und 3 Jahre nach meiner Schwangerschaft und dann noch einmal von 2004 bis 2007 abstinent. Ein "Kontrolliertes Trinken" hat mich dann ertränkt. Das WILL ich nicht mehr erleben. Wie kann ich meinem Freund dies erklären??? nixweiss0

    Ansonsten bin ich auf einem guten Weg. Vielleicht weiß jemand einen Rat für mich?

    Danke schon mal.
    Betty"

    Es gibt ein schönes Buch. ALK
    Es hat mich ein ganzes Stück weitergebracht.

    Lieber Sonnenkäfer, ich weiß, dass du dich nicht schämen musst, ich weiß, dass jeder den Weg schaffen kann. Du hast alle Möglichkeiten. Da du einen Mann hast, der zu dir hält und eine kleine wunderbare Familie, für die es sich lohnt, fröhlich und frei durch das Leben zu gehen, kann ich dir nur raten: Geh deinen Weg. Nimm alle Möglichkeiten der Hilfe an. Und: Sprich mit deinem Mann. Sag ihm die bittere Wahrheit. So bitter ist die Wahrheit nämlich gar nicht, wenn man es ausgesprochen hat. Du musst dich für eine Krankheit, denn Alkoholismus ist eine Krankheit, nicht schämen. Für eine Grippe oder Diabetes schämt man sich ja auch nicht. Es wäre fatal, wenn du nichts tust. Geh deinen Weg an. Du wirst eine passende Selbsthilfegruppe finden. Du wirst neue und andere Menschen kennenlernen. Ich habe ein neues Leben und neue Menschen und mein damaliger Lebenspartner ist heute mein bester Freund. Er hat den Alkohol und die Zigaretten wie ich auch anderen Menschen überlassen. Und einen Menschen habe ich in meinem Leben, der ganz stolz auf mich ist und der immer an mich geglaubt hat: Meine Tochter. Sie wird bald 30 Jahre alt und ist ausgesprochen glücklich über eine gesunde und alkohol- und auch nikotinfreie (seit 2016) Mutter. Ich werde demnächst 64 Jahre alt und es geht mir ausgesprochen gut. Gesund, keine Tabletten, keine anderen Komplikationen. Frei im Kopf und ich kann alles machen. Ich lebe und genieße mein Leben mit positiver Energie und das wünsche ich dir auch.

    Liebe Grüße von Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Hallo Sonnenkäfer,

    alles ok bei dir? Kannst du deine Gedanken ordnen und dir überlegen, was du gerne möchtest?

    LG Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Hallo Sonnenkäfer,

    ich hoffe, es geht Dir und Deiner Familie gut!

    In den letzten Tagen hast Du hier nicht mehr geschrieben, meine Post geht also etwas ins Blaue...

    Ich möchte Dir nur gerne schreiben, daß es wohl bei fast allen von uns erst wirklich „klick“ machen mußte, bevor sie sich aus der Macht der Sucht befreien konnten. Vielleicht hast Du ja inzwischen schon weitere Schritte unternommen, was ich natürlich hoffe. Mit Deinem Mann zu sprechen ist auf jeden Fall ein ganz entscheidender Schritt, wie Rina und Betty ja bereits geschrieben haben. Vielleicht bist Du aber auch noch nicht so weit?

    Bei mir war es ein bisschen wie mit dem Schwimmen lernen. Man fängt mit Vorübungen an, da, wo man noch stehen kann, läßt sich von erfahrenen Schwimmern die Bewegungen zeigen. Niemand wird im offenen Meer seine ersten Schwimmversuche unternehmen. Mit der Zeit wird man immer sicherer und irgendwann schwimmt man. Herrlich!
    Mit anderen Worten: meine Trinkpausen, in denen ich mich intensiv mit dem Thema Alkohol, mit meinem Verhältnis dazu und mit mir beschäftigt habe, waren, wie ich jetzt im Nachhinein weiß, wichtige Vorbereitungen für ein dauerhaft trockenes Leben.

    Du schreibst, daß Du jetzt, wo Du kurz davor bist, mit dem Trinken aufzuhören, erst recht den Druck zu trinken verspürst. Könnte es sein, daß Du Dich einfach schlecht genug fühlen möchtest, um genug Grund zum Aufhören zu haben? Daß Du vielleicht einen Tiefpunkt herbeiführen möchtest, von dem es aufwärts gehen kann?

    Wie gesagt ist es sehr wichtig, seine Motivation zu stärken. Nicht nur zu Beginn, wo dazu oft schon ein starker Kater ausreicht, sondern dauerhaft, also auch, nachdem die erste Euphorie (und der Kater) abgeklungen ist. In den letzten Wochen habe ich in diesem Forum mehr Hilfe und wertvolle Gedanken bekommen, als ich je für möglich gehalten hätte. Ich bin Euch, die Ihr mir geschrieben habt und das hier vielleicht gerade mitlest, total dankbar!!

    Wie ich Dir ja schon geschrieben habe: ich habe sehr lange gebraucht, bis ich kapiert hatte, daß ich nicht die eine Ausnahme bin, die nach jahrelangem starken Alkoholkonsum nun plötzlich moderat trinken kann. Ich hatte es zwar aufgenommen, aber es war noch nicht wirklich durchgesickert. Andere haben das früher begriffen und sich einen dauerhaft trockenen Weg erarbeitet.

    Zitat Gerchla: „Nur nicht mehr trinken (wollen) reicht einfach nicht aus. Man muss aktiv gegen die Sucht vorgehen. Am besten mit Hilfe. Um Strategien zu entwickeln um z. B. solche enormen und plötzliche Drucksituationen wie Du sie gestern erlebt hast ohne Alkohol zu überstehen. Mit dem langfristigen Ziel solche Drucksituationen abzumildern und irgendwann überhaupt nicht mehr entstehen zu lassen.“

    Ganz genau! Das ist auf jeden Fall ein gutes Stück Arbeit. Aber eine, die sich unbedingt lohnt, mehr als alles andere!

    Man muß ja nicht gleich ins kalte Wasser springen, wenn man innerlich einfach noch nicht so weit ist. Man kann auch erstmal einen Zeh reinhalten, dann den Fuß, dann geht man langsam rein und stellt fest: es ist wunderbar, nicht zu kalt, sondern genau richtig, erfrischend, und tut so gut, warum habe ich das nicht schon viel eher gemacht? Und dann möchte man am liebsten gar nicht mehr da rauskommen.
    Womit ich meine: man kann auch versuchen, die nüchternen Zeiten immer weiter auszudehnen, wenn einen die Vorstellung noch überfordert, nie wieder zu trinken. Gleichzeitig kann man sich mit dem Thema beschäftigen, sich alle Informationen dazu holen, die man nur kriegen kann (z.B. in diesem Forum), bis man irgendwann merkt: es ist so weit: das Wasser ist fantastisch und ich kann schwimmen!

    Jeder hat seine eigene Geschichte. Wobei es aber doch immer wieder frappierend ist, wie sehr sich diese Geschichten in Bezug auf den Alkohol dann doch gleichen.

    Meine Tante hat mich übrigens manchmal angerufen, wenn sie einen im Tee hatte. Sie merkte nichts, aber für mich waren diese Gespräche unangenehm. Zu der Zeit hatte ich schon damit aufgehört, Menschen anzurufen, wenn ich trinken wollte - ja, die Dinge und die Menschen ändern sich, auch wenn man sich das oft kaum vorstellen kann.
    Du schreibst, daß Deine Gesprächspartner ebenfalls ihren Drink neben dem Telefon haben. Das ist was anderes. Dann merkt man nichts und badet gemeinsam in der „schönen“ Stimmung ...klar macht das Spaß. Sonst würden ja nicht so viele Leute trinken und es gäbe nicht so viele Alkoholiker.
    Aber telefonieren ohne Alkohol ist einfach noch viel schöner.
    Vielleicht solltest Du so ein Telefonat mal aufzeichnen? Wahrscheinlich wirst Du feststellen, daß Du zwar nicht ausfallend geworden bist, aber doch recht ausführlich....

    Man muss ja seine Telefonate nicht ab sofort mit Wasser oder Saft führen. Wahrscheinlich wäre es besser, tatsächlich eine Zeit lang auf diese abendlichen Telefonate zu verzichten und stattdessen etwas anderes zu tun, was für Dich nicht mit Alkohol in Zusammenhang steht; vielleicht lesen, schreiben, nachdenken...
    Oder einen Film sehen:
    Es gibt recht gute Filme zum Thema, z.B. „28 Tage“, „When a man loves a woman“ oder „Sommer vorm Balkon“ u.v.a.

    Zitat Rina: „Wie du hatte ich anfangs als die Kinder noch sehr klein waren nur ab und zu wieder angefangen zu trinken und hatte ehrlich das Gefühl, dass ich mich sehr gut um meine Familie kümmere. Das das so im Vergleich zu heute nicht stimmt merke ich vor allem jetzt, mit der nötigen Distanz und Klarheit. Alkohol greift ungemein in die Seele ein und verändert die Persönlichkeit“

    Das stimmt leider. Natürlich liebst Du Deine Tochter und zeigst es ihr und kümmerst Dich um sie und das spürt sie. Du bist wahrscheinlich keine schlechte Mutter, aber Du bist auf jeden Fall keine gesunde Mutter, und das spüren Kinder eben auch und es verunsichert sie zutiefst, denn sie sind ja völlig von uns abhängig. Sie fühlen, daß mit uns etwas nicht stimmt.
    Mein Sohn hat mich, wenn ich verkatert war, oft gefragt, ob es mir denn gut geht... Manchmal habe ich ihm auch gesagt, ich sei krank (erkältet).
    Bin ich froh, daß diese Zeiten vorbei sind!
    Zwar habe ich ihm zugehört, aber eben nicht richtig, nicht mit meiner vollen Aufmerksamkeit, dazu war ich gar nicht in der Lage.
    Heute sind meinem Sohn eher meine (fast) durchgehend gute Laune und mein ungebremster Tatendrang suspekt - aber Pubertät ist ja sowieso, wenn die Eltern schwierig werden..

    Ich wünsche Dir, daß Du nicht so lange brauchst wie ich, um Dich aus der Abhängigkeit zu befreien.

    Alles Gute!
    Rieke

  • Hallo ihr Lieben,

    Betty und Rieke66, danke das ihr an mich gedacht habt und Rieke vielen Dank für deinen ausführlichen Beitrag. Ich musste beim Lesen gerade mehrfach schlucken. Zum einen weil das mit dem Tiefpunkt herbeiführen glaube ich tatsächlich stimmen könnte, das passt leider ganz gut zu mir und zum anderen bei dem Teil über meine Tochter und das sie die Katertage vielleicht doch deutlicher spüren könnte als ich dachte oder mir eingestehen wollte. Zum Glück trinke ich „erst“ seit Mitte März wieder, ich hoffe einfach, das wenn ich jetzt die Kurve kriege, ich nicht zu viel Schaden bei ihr angerichtet habe. Sie ist jetzt 14 Monate alt, Ich weiß wirklich nicht was und wieviel sie dann schon mitbekommt. Aber wahrscheinlich doch mehr als ich mir eingeredet habe.

    Ich habe jetzt seit letztem Donnerstag nichts mehr getrunken und fühle mich eigentlich ganz gut. Ich bin mit meiner Tochter ein paar Tage zu meiner Schwester gefahren, hab einfach einen Tapetenwechsel gebraucht und habe auch mit ihr darüber gesprochen. Als ich gestern wieder kam, dann auch mit meinem Mann. Gerade kann ich nicht so ausführlich schreiben, aber ich melde mich bald nochmal und erzähle euch etwas mehr.

    Was mir gerade noch Bauchschmerzen macht, ist das nächste Wochenende. Seit vielen Monaten ist geplant das ich mit zwei Freunden das Wochenende verbringe, ohne Kind.

  • Hallo Sonnenkäfer,

    du möchtest einen Rat? Du möchtest einen ehrlichen Rat? Ich schreibe dir meine echte und ehrliche Antwort zu deinen Fragen.

    Susanne hat dir eigentlich schon eine sehr passende Antwort gegeben. Was willst du mit solchen Freunden?

    Ich sehe es ganz genauso. Es sind keine Freunde, wenn sie dir schaden. Und Besäufnisse dieser Art schaden immer. Aber – es ist eben letztlich DEINE Entscheidung. Du musst entscheiden, ob Alkohol ja oder nein. Ich kann dir nur erzählen, dass ich damals genau die richtige Entscheidung getroffen habe. Ich habe nichts vermisst. Ich habe ein interessantes, spannendes, lustiges und sehr liebenswertes und lebenswertes Leben. Ich bin nicht einsam. Im Gegenteil. Zu meiner Zeit mit Alkohol war ich oft sehr viel einsamer. Die paar wenigen Freunde, die mir aus der damaligen Zeit geblieben sind, sind alle sehr stolz auf mich. Sie ziehen den Hut und sagen: Das hast du toll gemacht. Ja, ich musste mein Leben neu ordnen, ja es hat neue Menschen in mein Leben gerufen, ja es ist gut so. Ich kann wieder von Herzen lachen, mich freuen, mich gut fühlen usw. usw.

    Überdenke doch mal ganz genau, wofür dir der Alkohol gut tut?
    Was kommt Gutes dabei heraus, wenn du dich besäufst und nachher nicht mehr weißt, ob und/oder welche Dummheiten du gemacht hast?
    Wie geht es dir am nächsten Tag?
    Loben dich deine Freunde, dass du gesoffen hast?
    Ich führe die Liste jetzt nicht weiter. Ach ja und Geld kostet der Blödsinn auch noch.

    Wenn du nicht sagen möchtest, dass du ein Alkoholproblem hast, dann kannst du sagen, dass du Tabletten nehmen musst oder fahren musst oder dich nicht wohl fühlst... Da gibt es auch ganz viele Möglichkeiten. Aber eigentlich willst du dir ja nur dein Hintertürchen offen halten, oder? Tu das nicht. Verschenke nicht deine Zeit, deine Gesundheit und die Liebe deiner Menschen, die dich lieben und dir sicher helfen werden, dich in deiner Entscheidung zu unterstützen. Denke an deine Tochter und deinen Mann und daran, dass ihr eine tolle Familie mit einer ganz tollen Zukunft sein könnt.

    Liebe Grüße von Betty

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Will noch mal was zu der Einsamkeit sagen.

    Klar kann man feststellen, dass viele Freundschaften nur wegen dem Schmiermittel Alkohol Freundschaften sind oder waren. Trinkkumpane bei genauer Betrachtung. So lange man selbst säuft, sucht man sich ja auch einen Bekanntenkreis, bei dem man durch seinen Hochkonsum nicht schlecht auffällt. Wo man dazupasst, wenn mans krachen lässt.

    Man findet neue Leute, die einen dann trocken nehmen wie man ist. Das dauert halt ein wenig und man muss sich sicher überlegen, mit wem man das dann will. Aber an sich ist es nicht so viel anders, als wegen dem Studium in eine andere Stadt zu ziehen und sich dort einen neuen Freundeskreis aufzubauen. Klar, in der Kneipe rumängen wird dann irgendwann den meisten trockenen Trinkern langweilig, man trifft sich nicht mehr zum gemeinsamen Saufen, sondern braucht dann halt andere gemeinsame Interessen.

    Abgesehen davon, die "echten" Freunde sind mir trotzdem geblieben. Manche saufen weiter und sind ja fast neidisch, dass ich aufgehört habe. Was ich aber denen überlasse.

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