Alkoholkranke Mutter, Ich weiß nicht mehr weiter..

  • Hallo Zusammen,
    nach langer Überlegung habe ich mich überwindet mich anzumelden und meinen Kummer zu teilen und vielleicht Erfahrungen/ Ratschläge von anderen zu hören.
    Ich versuche meine Situation mal so kurz wie möglich zusammenzufassen... Ich bin 22 und wohne zur Zeit aus diversen Gründen wieder bei meinen Eltern. Meine Mutter ist seit mindestens 6 Jahren alkoholabhängig... als Jugendliche wollte ich das Ganze nie wirklich wahrhaben. Ich bin quasi mit streitenden Eltern groß geworden, dabei war zunächst mein Vater immer der Böse in meinen Augen, der die Familie kaputt macht und meine Mutter ständig anschreit. Er hat mir schon damals oft gesagt, dass sie trinkt, provoziert, aggressiv wird etc... Ich habe ihm das aber nie geglaubt und meine Mutter immer beschützt. Irgendwann habe ich in einem alten Schrank etwas gesucht und mehrere leere Flaschen Wein gefunden, ich habe meine Mutter konfrontiert und gefragt ob/warum sie heimlich trinkt. Sie hat sich einfach umgedreht und so getan als könnte sie mich nicht hören, so ist das bis heute wenn man sie auf das Thema Alkohol anspricht. Sie macht einfach dicht und redet tagelang mit niemandem mehr. Es gab mehrere Situationen in denen das ganze eskaliert ist, beispielsweise ist sie gefallen, hatte eine Platzwunde am Kopf und Polizei sowie Rettungsdienst waren bei uns, ein anderes Mal ist sie nachts volltrunken mit dem Auto losgefahren und hat dieses zu Schrott gefahren, glücklicherweise ohne jemanden zu verletzen. Wenn es nicht zu solchen "Eskapaden" kommt, bekommt Sie ihr Leben, Job und den Haushalt sogar auf die Reihe. Man (oder zumindest ich) merke ihr jedoch sofort an wenn sie etwas getrunken hat, auch wenn es nicht allzu viel ist. An manchen Tagen ist alles gut und man kann normal mir ihr Reden, an anderen Tagen drückt Sie mir und meinem Vater andauernd böse Sprüche, wird beleidigend und gibt uns die Schuld für alles.
    Mit der Zeit ist sie von Wein auf Wodka umgestiegen. Eine Weile habe ich ihre Alkoholverstecke gesucht, um zumindest einen Überblick zu haben wie viel Sie trinkt. Mittlerweile habe ich es aufgegeben weiter mit ihr zu reden und "ignoriere" es mehr oder weniger wenn ich merke sie ist wieder zu betrunken. Ich gehe dann auf mein Zimmer, oder versuche ihr den Tag über aus dem Weg zu gehen. Dennoch bemerke ich, wie ich darauf achte zu hören ob sie im Wohnzimmer eine Flasche aufdreht, oder wie oft sie in den Keller geht sich ein neues Bier holt, worüber sich meine Eltern mal wieder streiten etc.. Ich habe das Gefühl, dass niemand versteht wie sehr mich das belastet, meine Mutter sowieso nicht, aber auch mein Vater und mein Bruder können mit der Situation wohl besser umgehen bzw. diese besser verdrängen als ich. Ich weiß das ich keine Schuld daran habe wenn sie trinkt und es auch nicht beeinflussen kann wie viel sie trinkt und ob ihr betrunken etwas passiert, aber es ist immer noch meine Mutter und ich mache mir Sorgen/ Vorwürfe, bin aber gleichzeitig auch sehr wütend auf sie. Bisher habe ich kaum einer Person davon erzählt, aber hier zu lesen das es doch viele mit demselben Schicksal gibt, lässt mich nicht ganz so einsam fühlen und es tat gut das ganze mal etwas niederzuschreiben.

    LG

  • Hallo und HERZLICH WILLKOMMEN hier bei uns im Forum :welcome:

    Kurz zu meiner Vorstellung: Ich bin m, 57, Alkoholiker und lebe nun, nach mehreren Anläufen, seit 12 Jahren ohne Alkohol und bin seit ca. 10 Jahren in der Suchtselbsthilfe ein wenig unterwegs.

    Es ist für mich immer wieder … schwierig/schlimm/erschütternd zu lesen, zu hören, wie sehr die Kinder betroffen sind.
    Um so wichtiger finde ich, dass Du Dir Hilfe suchst und findest.

    Zitat

    Bisher habe ich kaum einer Person davon erzählt, aber hier zu lesen das es doch viele mit demselben Schicksal gibt, lässt mich nicht ganz so einsam fühlen und es tat gut das ganze mal etwas niederzuschreiben.

    Ich kann Dir u.a. nur empfehlen, mal in unsere Linksammlung zu schauen - hier findest Du noch einige weiterführende Links und Informationen, die Dir helfen können. Z.Bsp. "NACOA - Infos für erwachsene Kinder aus Suchtfamilien"
    Aber auch in unserer Bücherecke findest Du vielleicht noch einiges Wissenswertes.

    Ansonsten wünsche ich Dir einen guten Austausch hier im Forum und weiterhin viel Kraft!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo JJ97,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum. Auch wenn Du aus traurigem Anlass hier bist, aber das geht leider den meisten so, die neu hier ankommen.

    Ich stelle mich mal kurz vor. Ich bin 50 Jahre alt, Alkoholiker und habe 3 Kinder. Mein Großer ist zwei Jahre älter als Du. Er war während meiner Trinkerzeit noch ein Kind bzw. zum Ende hin dann im jugendlichen Alter. Wobei mein Trinkverhalten nicht dem Deiner Mutter glich, denn ich trank komplett heimlich und konnte das auch gegenüber meiner Familie tatsächlich verheimlichen. Was aber nicht bedeutet, dass sie nicht alle ganz erheblich gelitten hätten. Sie wussten nur nicht so genau woran das lag und ich hatte mir ein unfassbares Doppelleben aufgebaut welches es mir ermöglichte, sehr viel Zeit ohne meine Familie zu verbringen. Wo ich dann u. a. in Ruhe trinken konnte.

    Mittlerweile lebe ich jetzt viele Jahre ohne Alkohol und es sind besonders die Geschichten der Angehörigen, die mich immer wieder sehr berühren. Wie eben auch Deine Geschichte, denn in irgendeiner Form hälst Du mir damit ja einen Spiegel vor. Und mir wird (obwohl ich es ja ganz genau weiß) nochmal bewusst, was auch ich meinen Kindern angetan habe.

    Meine Gedanken zu Dir und Deiner Geschichte:

    Zitat

    ch weiß das ich keine Schuld daran habe wenn sie trinkt und es auch nicht beeinflussen kann wie viel sie trinkt und ob ihr betrunken etwas passiert, aber es ist immer noch meine Mutter und ich mache mir Sorgen/ Vorwürfe, bin aber gleichzeitig auch sehr wütend auf sie.

    Es ist nur ein einziges Wort in diesem Satz, dass Du unbedingt streichen solltest. Nämlich das Wort "Vorwürfe". Bitte mach Dir keine Vorwürfe. Es ist ganz wichtig, dass Du Dich hier nicht für irgendwas verantwortlich fühlst. Es wird ganz sicher Gründe geben, weshalb Deine Mama trinkt, wahrscheinlich ist es eine Kombination aus unterschiedlichsten Gründen / Voraussetzungen / etc. die dazu geführt haben, dass sie irgendwann mal in den Alkohol abgerutscht ist. Nur eines ist auch klar: Es war ihre Entscheidung (wenn auch vielleicht nicht bewusst), sich dem Alkohol hin zu geben. Niemand wird sie dazu gewzungen haben. Und es ist aktuell auch allein ihre Entscheidung nichts an dieser Situation verändern zu wollen. Denn wenn sie das wirklich wollte, dann könnte sie das auch tun. Viele hier im Forum haben das auch getan. Es ist nicht einfach, kein Zweifel. Und man kann auch scheitern, auch kein Zweifel. Aber man muss es selbst wollen und das scheint ja bei Deiner Mama aktuell nicht der Fall zu sein. Sie trinkt, sie darf das, es ist nicht verboten. Aber Du darfst Dir dafür keinesfalls die Schuld geben.

    Das Du Dir Sorgen machst, naja, dass ist denke ich etwas ganz "normales" und liegt in der Natur der Sache. Es geht schließlich um Deine Mama. Wichtig ist nur, dass Du lernst mit diesen Sorgen zu leben und umzugehen.

    All Deine anderen Gefühle, wie z. B. Wut oder wahrscheinlich auch Verzweiflung, ich verstehe sie sehr gut und ich denke, es ist auch gut, wenn Du sie zulässt. Das Du Dir Sorgen machst, naja, dass ist denke ich etwas ganz "normales" und liegt in der Natur der Sache. Es geht schließlich um Deine Mama. Wichtig ist nur, dass Du lernst mit diesen Sorgen zu leben und umzugehen.

    Und Du solltest auch damit beginnen in die Zukunft zu schauen. Es ist ganz wichtig, dass Du DEIN Leben gestaltest. Du bist jetzt genau in dem Alter in dem Du DEIN Leben gesaltest. So schlimm es ist mit Deiner Mama so wichtig ist es, dass Du auf Dich und Dein Leben achtest und es nicht zulässt, dass die Sucht Deiner Mama auch Deine wird. Will sagen, dass die Sucht Deiner Mama nicht auch noch Dein Leben mit in den Abgrund reißt. Als Kind hattest Du keine Chance. Jetzt bist Du erwachsen und jetzt bist Du die Chefin im Ring. Ich weiß, es ist alles andere als einfach. Als Kind ist man immer das Kind und eine Mama bleibt immer eine Mama.

    Darum ist es so wichtig, dass Du den richtigen Weg und den richtigen Umgang mit der Situation findest. Greenfox hat Dir ja schon Literaturhinweise und auch sehr hilfreiche Links genannt. Hol Dir doch noch weiter Hilfe, Du musst das nicht alleine durchstehen. Es ist einfach wichtig, dass Du Deinen Frieden schließen kannst und Dein Leben leben kannst. Ohne immer Angst zu haben, was jetzt gerade wieder mit Deiner Mama ist.

    Was Du ja schon verstanden hast, und was ich für sehr gut erachte, ist, dass Du ihr nicht helfen kannst. Nein, dass kannst Du nicht. Du kannst Dich aber damit trösten, dass Du für sie da sein kannst, wenn sie aufwachen sollte, wenn sie wirklich mal ernsthaft etwas gegen ihre Sucht unternehmen sollte. Aber leider auch nur dann. Was man tun kann, hast Du bereits getan. Du hast sie angesprochen. Das war wichtig und richtig. Hat aber nichts gebracht und das ist leider der häufigere Fall in solchen Situationen. Mehr geht gerade nicht. Lass ihr ihres, lass ihr ihr Leben und kümmere Dich um Deines. Und weil das eben alles andere als einfach ist, kann ich Dich nur dazu motivieren, Dir ganz viel Hilfe zu suchen. Dich viel zu informieren, natürlich auch gerne hier bei uns aber auch anderswo.

    Wenn Du fragen hast, stell sie bitte. Du kannst hier alles Fragen und Du kannst hier Antworten sowohl von Menschen bekommen, die in Deiner Situation waren oder auch von Menschen, die in der Situation Deiner Mama waren, so wie ich z. B. Lass Dich nicht unterkriegen von dieser Sch...sucht. Ich wünsche Dir einen guten Austausch hier und von Herzen, dass Du einen guten Weg für Dich finden kannst.

    LG
    gerchla

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