Wie weiter

  • Hallo Zusammen
    Lese immer wieder gerne in Foren aber selbst etwas geschrieben habe ich noch nie. Nun ist es soweit. Ich entschuldige mich bereits im Vorhinein für den langen Text. Aber wenn schon dann richtig.
    Mein Verlobter (Hochzeitsdatum steht, Einladungen sind bereits vor ein paar Monaten versendet worden) ist Alkoholiker. Er ist 30 Jahre alt und führt in der dritten Generation ein Familienunternehmen. Wir sind seit 9 Jahren zusammen. Wohnen seit 6 Jahren zusammen. Bemerkt habe ich bis vor ein paar Monaten nichts. Ist mir ein grosses Rätsel wie ich dies nicht bemerken konnte. Er ist wohl ein funktionierender Alkoholiker. Wir haben früher beide ab und zu über die Stränge geschlagen. Jedoch war dies für mich in den jungen Jahren „normal“. Ich wurde in den Jahren ruhiger (bin auch 3 Jahre älter) er war noch etwas länger in Feierlaune. Aber nur an den Wochenenden. Vor ein paar Jahren hat er es dann auch ruhiger genommen (dachte ich auf jeden Fall). Wenn mich vor ein paar Monaten jemand gefragt hätte, hätte ich behauptet so wenig wie die letzten 3-4 Jahre hat er früher nicht getrunken. Mir war nicht bewusst, dass er heimlich getrunken hat. Er dachte wohl, es könnte auffliegen wenn er in der Öffentlichkeit trinkt. Stattdessen war es fast schon auffällig wie wenig er getrunken hat im Vergleich zu früher.
    Vor ein paar Monaten wurde er plötzlich Gelb im Gesicht. Ich habe ihn aufgefordert zum Arzt zu gehen. Dies wollte er erst nicht (im Nachhinein klar weshalb nicht). Erst als es ihm immer schlechter ging, suchte er dann den Hausarzt auf. Dieser hat ihn gleich in die Notaufnahme gebracht. Dort blieb er über einen Monat. Milz, Galle und Leber waren extrem vergrössert und er hatte viel zu wenig Blut. Die Ärzte vermuteten erst einen Virus, dann Leukämie, dann Myelofibrose usw. Sie machten diverse Untersuchungen, CT, Sonographie, entnahmen ihm Knochenmark. Jeden Tag kam ein neuer Spezialist. Kein Arzt konnte herausfinden was meinem Verlobten fehlt. Ich sass tagelang an seinem Krankenbett, jeden Tag gaben die Ärzte bei gewissen Krankheiten Entwarnung und kamen dann mit noch viel schlimmeren Krankheiten. Da es ihm besser ging und die Blutwerte besser geworden sind und die Ärzte nicht wussten wie sie meinen Verlobten behandeln sollen, durfte er an den Wochenenden nach Hause. Zu Hause sollte er sich jeweils schonen und auf keinen Fall Alkohol trinken. Was verständlich war bei seinen schlechten Werten. Als er dann an einem Montag wieder in der Klinik war, stellte ich plötzlich fest, dass diverse leere Schnapsflaschen im Altglas waren. Dies obwohl ich das Altglas ein paar Tage vorher entsorgt hatte. Das Altglas war bei uns zu Hause all die Jahre immer voll. Wir hatten aber auch immer viel Besuch und ich habe mir nie etwas dabei gedacht. Über dieses Wochenende hatten wir jedoch keinen Besuch. Dies war das erste Mal bei welchem ich etwas Misstrauisch wurde. Ich habe ihn dann darauf angesprochen. Er meinte er habe aufgeräumt. Etwas naiv oder besser gesagt ich wollte es ihm glauben. Trotzdem habe ich zu Hause alle Schnapsflaschen abfotografiert und mir gemerkt wo welche Flasche steht und wie voll diese noch sind.
    Irgendwann waren die Ärzte mit ihrem Latein am Ende. Da haben sie noch eine Leberbiopsie gemacht. Mein Verlobter wurde dann ganz aus der Klinik entlassen. Er sollte nach zwei Wochen wiederkommen, um die Auswertung der Leberbiopsie zu besprechen. Seine Schwester hat ihn dann nach Hause gefahren, weil ich arbeiten musste. Als ich dann nach der Arbeit nach Hause kam fiel mir sofort eine neue Schnapsflasche auf, welche am Vorabend noch nicht dort war. ¼ des Inhaltes hat bereits gefehlt. Mir ging es durch Mark und Bein. Ich habe ihn darauf angesprochen. Er erfand irgendwelche Geschichten. Ich habe so lange auf ihn eingeredet bis er nicht mehr anders konnte, er brach zusammen, weinte und sagte das er Alkoholiker ist. Für mich brach einen Welt zusammen. Ich wollte es nicht wahrhaben. Er beichtete mir, dass er seit einigen Jahren grosse Mengen Wodka zu sich nimmt. Zu Spitzenzeiten 2 Flaschen am Tag. Im Nachhinein denke ich sogar mehr. Da Alkoholiker gerne untertreiben. Er meinte es sei ihm bewusst, dass sich was ändern müsse und werde nun aufhören zu trinken. Er könne dies. Ich hatte keine Ahnung und glaubte ihm alles. Wir haben zusammen alle Schnapsflachen entsorgt. Haben für einen Therapeuten geschaut und mit dem Ärzten gesprochen. Mein Verlobter war überzeugt es zu schaffen. Ich musste ihm versprechen, niemanden etwas zu sagen. An dies hielt ich mich auch mit der Vereinbarung, dass ich bei einem Rückfall seine Familie informieren werde. Dachte dieses Druckmittel genüge um ihn von der Sucht wegzubringen. Natürlich falsch gedacht. Aber zu Beginn ist man so naiv und man will alles glauben. Ich denke, dass er nachher reduziert weitergetrunken hat. Bis dann die Besprechung der Leberbiopsie kam. Das Resultat war verheerend. Leberzirrhose Child C. Wenn er die nächsten 3 Monate überleben möchte darf er keinen Schluck Alkohol mehr trinken. Er musste sogar beim Chefarzt antreten, dieser hat ihm ins Gewissen gesprochen. Jeder Schluck sei lebensbedrohlich. Worauf mein Verlobter für einige Zeit keinen Schluck mehr trank und ich war überzeugt, dass er es überstanden hatte. In dieser Zeit wurde mir erst bewusst, wie er sich all die Jahre verändert hatte. Er war launisch geworden, nie aber aggressiv. Jetzt war er plötzlich wieder der Alte. Alles schweisste uns noch mehr zusammen.
    Nun die 3 Monate waren irgendwann vorbei, vor welchen er nach dem Gespräch mit dem Arzt Angst hatte. Eines Tages hatte ich wieder ein schlechtes Bauchgefühl, zudem wurde er wieder launischer. Ich konnte ihm aber nichts beweisen und wollte ihm nicht unrecht tun. Wir fuhren dann in die Ferien. Dort hat er aus irgendwelchen Gründen immer etwas im Auto vergessen. Zudem glaubte ich auch zwischendurch eine Alkoholfahne zu riechen. War mir aber nicht sicher, vielleicht bildete ich es mir auch nur ein und wollte natürlich nicht unsere Ferien verderben. Irgendwann liess es mir keine Ruhe, ich musste es wissen. Also verlangte ich von ihm den Autoschlüssel. Sofort erkannte ich an seinem Gesichtsausdruck, dass ich Recht hatte. Im Fahrzeug fand ich zwei Magnumflaschen Wodka. Eine war so gut wie leer und wir waren erst ein paar Tage in den Ferien. Ich sagte ihm, dass ich ihn nur heirate wenn er trocken ist und er nun 2 Wochen Zeit hat seine Familie zu informieren, ansonsten werde ich es erzählen. In den Ferien trank er keinen Schluck mehr. Wieder zu Hause angekommen, begann er wieder zu trinken. Ich drohte ihm, ihn zu verlassen wenn er sich nicht Hilfe sucht. Kurze Zeit später kam er zu mir und meinte er sei nun bereit. Wir haben mit seiner Familie gesprochen und er liess sich dann am folgenden Tag in eine Entzugsklinik mit anschliessender Therapie einweisen. Dort blieb er 6 Wochen. Diese Zeit tat ihm sehr gut. Er kam wie ausgewechselt nach Hause. Sprach plötzlich über alles und wir hatten es sehr gut. Er schenkte mir einen Alkoholtester, damit ich ihn jederzeit testen könnte und ich so das Vertrauen zu ihm wiederfinden würde. Er ging fleissig zu den AA’s und zu einer Psychologin.
    5 Wochen ging alles gut. Letzte Woche hatte ich plötzlich wieder ein ungutes Gefühl. Er war nicht bei den AA’s, Begründung war die seien alle viel älter als er. Er war auch wieder launisch. Ich holte den Alkoholtester, welcher ich bis jetzt noch nie gebraucht hatte und liess ihn testen. Er meinte gleich zu Beginn, dass ich den Tester wieder weglegen könne. Weil er getrunken habe. Ich wollte dann wissen wie viel. Er hatte 1.3 Promille. Er meinte es sei einen Ausrutscher und keinen Rückfall. Er habe in der Klink gelernt mit einem Ausrutscher umzugehen und werde gleich morgen die Therapeutin anrufen. Zudem wolle er, dass ich und seine Schwester (arbeitet mit ihm zusammen) ihn alle 2-3 Stunden mit dem Alkoholtester testen. Er traue sich selber nicht und wolle aber unbedingt aufhören. Einen erneuten Klinikaufenthalt würde nichts bringen, da er dort in einer Seifenblase ist und die ihn nicht auf das Leben draussen vorbereiten können. Wir testen ihn nun alle paar Stunden. Dies lässt er sich ohne Aufstand gefallen und hatte die letzten Tage nun immer 0.0.
    Was meint ihr? Ist dies eine Lösung? Mir ist bewusst, dass ich ihm nicht helfen kann. Aber gerne würde ich erfahren, was ihr als Experten dazu denkt. Das einzige was definitiv ist, ist das wenn er weiter trinkt dies sein Todesurteil ist.
    Mir ist es ein Rätsel, das niemand etwas bemerkt hat die ganze Zeit. Er hat normal gearbeitet. Nicht einmal die Ärzte haben es bemerkt. Anscheinend zeigte er zu wenig Entzugssymptome oder es passte einfach nicht ins Bild.
    Entschuldigt nochmals den langen Text. Aber ich habe leider keinen ähnlichen Fall (besonders nicht in diesem Schweregrad) gefunden.

  • Hallo,

    ich hab das gelesen und ich kann nur sagen, dass ich in den vielen Jahren, in denen ich mich mit dem Thema beschäftigt habe, schon vieles gehört habe, das man so eigentlich nicht für möglich halten würde.

    Das will ich nicht beurteilen und um das, was war, gehts wohl auch nicht so sehr, sondern um eine Einschätzung, wie das nun weitergehen wird.

    Hellsehen kann keiner und niemand weiss, wann und ob bei einem Alkoholiker nun - endlich - der Punkt erreicht ist, an dem es ihm reicht, es klick gemacht hat, ers geschnallt hat, wie auch immer man das bezeichnen will. Schon oft gehört "bei dem hätt ich nicht gedacht, das ers schafft" genau so wie "hätte nicht gedacht, dass xyz noch mal anfängt".

    Sicher ist nur, dass wir alle mal sterben müssen. Bis dahin....ist alles möglich. Was heute so ist, kann morgen wieder anders sein. Natürlich kann man, wenn dann etwas zur Gewohnheit geworden ist, und das kann Nüchternheit natürlich auch werden, durchaus Hoffnung haben, und das um so mehr, je länger das bereits klappt, aber so weit seid Ihr ja noch lange nicht, weder er noch Du.

    Deswegen kann man Angehörigen eigentlich nur auch sagen, das sie selbst wissen müssen, wie weit sie das mitgehen, noch aushalten können und was sie zu investieren bereit sind. Immer unter der Maßgabe, das das auch für Angehörige ein gesundheitlich ruinöses Geschäft sein kann und sie selbst aufpassen müssen, ob sie dabei psychisch so belastet werden, dass sie selbst Behandlung brauchen.

    Also unterm Strich, ich kanns Dir nicht sagen, wie es wird. Ich weiss nicht, wo er grad steht, und ich weiss nicht, wie sehr Du schon mit den Nerven am Ende bist. Das Angebot mit dem Blasen kannst Du annehmen, so lange es funktioniert.
    Ob er deswegen trocken bleibt, kann sein, kann auch nicht sein. Alles andere wäre gelogen.

    Gruß Susanne

  • Ach und noch was. Hier im Forum gibts Beispiele von Leuten, die in der Hoffnung, dass es schon noch wird und auch weils natürlich peinlich gewesen wäre, das abzusagen, in so einer Situation geheiratet haben. Manche erzählen dann auch, wie schwer es ist, da wieder rauszukomen. Also das würde ich in der derzeitigen Situation und auf einer so dünnen Basis mit Sicherheit jetzt nicht machen, wenns um mich ginge.

  • Auch von mir ein HERZLICHES WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Ich bin m, 56, Alkoholiker, nach mehreren Anläufen nun seit fast 12 Jahren trocken und auch schon einige Jahre in der Suchtselbsthilfe unterwegs.

    Auch wenn es mir ein wenig schwer gefallen ist, Deine Geschichte zu lesen (ein paar Absätze hätten das Lesen wesentlich erleichtert), habe ich sie gefühlt doch schon mehrfach gehört. Sorry ...
    Aber ich denke, das ist es, was Susanne ausdrücken wollte: Alkoholiker erzählen viel, wenn der Tag lang ist und wenn er so "seine Ruhe" bekommt.

    Ein Alkoholiker mag sich nicht ständig rechtfertigen müssen - er will trinken. Auch wenn er weiß, dass es nicht nur ungesund, sondern sogar tödlich sein kann. Auch wenn ihm bewusst ist, wie bescheuert und paradox das ist. Aber DAS IST DIE SUCHT!

    Natürlich kannst Du ihn alle paar Stunden/Minuten testen - aber ob das etwas auf Dauer bringt nixweiss0 Ich wage es zu bezweifeln.
    Solange der Entschluß zu einer erneuten Therapie nicht von ihm selbst, aus ihm selbst kommt ...

    Hier im Forum gibts Beispiele von Leuten, die in der Hoffnung, dass es schon noch wird und auch weils natürlich peinlich gewesen wäre, das abzusagen, in so einer Situation geheiratet haben. Manche erzählen dann auch, wie schwer es ist, da wieder rauszukomen. Also das würde ich in der derzeitigen Situation und auf einer so dünnen Basis mit Sicherheit jetzt nicht machen, wenns um mich ginge.

    Da kann ich Susanne nur zustimmen. Auch wenn es sich hart und zynisch anhört, aber vorbeugen ist besser als hinten umfallen.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Diliv,

    Wow.. Nachdem Lesen deiner Geschichte, fehlen mir gerade etwas die Worte. Kann dir auch nicht wirklich was dazu schreiben, aber ich kann mich Susanne's und Greenfox' Meinung da nur anschliessen...Wenn es meine Hochzeit wäre, würde ich sie mal auf unbestimmte Zeit verschieben. Einfach, weil ich mir eine Zukunft als Ehefrau eines nassen Alkoholikers auf keinen Fall antun wollte, eine Familie gründen, Kinder bekommen etc.? Das sind keine schönen Aussichten.

    Ich schreibe dir das, weil ich meinem Partner als Alkoholikerin auch so einiges zugemutet habe, wir hatten schwierige Jahre zusammen. Er war dem Ende nahe, sowas verdient einfach niemand. Als nasse Alkoholikerin war ich nicht zuverlässig, er konnte mich nicht glauben, es gab sehr oft Streit, wir drehten uns ständig im Kreis der gegenseitigen Vorwürfe...ich war einfach auch nicht ich selber, zu sehr vom Alkohol bestimmt. Er war meine Priorität, nicht meine Familie, so ist das, wenn man Alkoholkrank und mitten in der Sucht steckt.

    Seit 1,5 Jahren geht es mir viel besser, weil ich aktiv daran bin mich um meine Genesung zu kümmern. Meiner ganzen Familie geht es besser, meine Abstinenz ist heute meine Priorität, weil ich weiss was passiert wenn ich wieder trinke. Alles fällt zusammen...

    Ich rate dir wirklich ganz ehrlich dich nicht in so eine Geschichte vertraglich zu binden (Ehe), es eilt ja nicht, ihr könnt ja auch in einem, zwei, drei Jahren heiraten wenn das dann noch dein Wunsch ist. Bis dahin weisst du es aber mit Bestimmtheit.

    Alles gute für dich,
    Rina

  • Hallo Diliv,

    auch von mir noch ein herzliches Willkommen hier im Forum.

    Ich bin Alkoholiker, 50 Jahre alt und lebe jetzt schon lange ohne Alkohol. Vorher trank ich über 10 Jahre abhängig, die meiste Zeit davon heimlich. Ich war damals verheiratet und hatte damals 2 Kinder die zu dieser Zeit natürlich Teil unserer Familie waren. Obwohol ich zum Ende meiner Alkoholikerkarriere ganz erhebliche Mengen Alkohol zu mir nahm (unter 10 Bier pro Tag gings fast nie) konnte ich meinen Konsum bis zum Schluss geheim halten. Ich war dann derjenige der sich geoutet hat und ich musste meiner Frau auch erst meine Alkoholverstecke zeigen, bevor sie mir wirklich glaubte, dass ich Alkoholiker bin.

    Ich schreibe Dir das so ausführlich, weil ich Dir damit zeigen will, dass Alkoholiker wahre Meister sind im Lügen, im Betrügen, im Tarnen und Verheimlichen. Du kannst also bei einem trinkenden (nassen) Alkoholiker niemals sicher sein, ob das alles stimmt was er Dir da gerade so erzählt. Es kann die Wahrheit sein, es kann komplett erfunden sein.... Leider ist das so.

    Sehr schade, dass Dein Freund trotz mehrer Maßnahmen offenbar nicht in der Lage ist auf das Zeug zu verzichten. Noch nicht mal sein drohender Tod, der ihn bei einer bereits diagnostizierten Leberzirrhose Child C auf jeden Fall droht und den er natürlich durch weiteren Konsum extrem beschleunigt, kann ihn davon abhalten. Ich denke darüber solltest Du Dir intensive Gedanken machen. Und zwar darüber, was das für Dich bedeutet.

    Du denkst ja offenbar noch darüber nach, ob Du ihn heiraten sollst oder nicht. Meiner Meinung nach, ist das wichtigste für eine gute und funktionierende Beziehung das gegenseitige Vertrauen. Du solltest Dir also die Frage stellen, ob Du ihm vertrauen kannst. Vielleicht auch die Frage, ob Du ihm jemals wieder vertrauen kannst. Ich meine, wenn er Dir jetzt mal z. B. 2 abstinente Jahre als "Vorlage" geliefert hätte und ihr dann heiraten wollen würdet, dann kann man vielleicht schon sagen: Na, er ist jetzt schon seit 2 Jahren trocken, ich kann ihm wieder vertrauen. Aber bei Euch scheint das ja ein ständigs auf und ab gewesen zu sein.

    Schaue ich auf mich selbst, so bin ich meiner jetzigen Frau sehr dankbar, dass sie mir einen Vertrauensvorschuss gewährt hat. Ich habe ihr von Anfang an meine Geschichte erzählt und sie wusste somit worauf sie sich einlässt. Sie wusste es auch deshalb ganz genau, weil sie in ihrer Kindheilt selbst intensiv mit diesem Thema konfrontiert wurde. Aber sie sagte mir auch von Anfang an ganz klar: Wenn Du wieder trinkst bin ich sofort weg. Klare Ansage und ich hatte niemals einen Zweifel daran, dass sie das auch umsetzen würde.

    Du hast ja auch bereits gedroht. Oder sagen wir mal besser: Konsequenzen angekündigt. Das ist etwas, was ich für durchaus wichtig und auch für fair halte. Der andere weiß dann ganz genau was Sache ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang nur, dass diese Konsequenzen dann auch umgesetzt werden. Wenn Du also sagst, Du gehst wenn er wieder trinkt, dann sollte Du auch gehen. Ansonsten nutzt sich das ganze recht schnell ab und er wird Dir nicht mehr glauben. Und letztlich solltest Du diese Konsequenzen auch deshalb umsetzen um Dich selbst zu schützen. Das ist der eigentliche Punkt. Ansonsten verlängerst Du nämlich nur DEIN Leiden. Bei ihm kannst Du nichts ändern. Wenn er trotz dieser Diagnose und all dem was er bereits gemacht hat nicht mit den Trinken aufhören will oder kann, dann kannst Du nur auf Dich schauen. Was anderes bleibt Dir gar nicht übrig.

    Nochmal zur Diagnose: Dadurch das er weiter trinkt macht er ja nichts anderes als beschleunigten Selbstmord. Im Grunde betreibt ja jeder Alkoholiker eine Art von Selbstmord. Mit dieser Diagnose aber weiter zu trinken hat ja nochmal eine ganz andere Qualität. Ist vielleicht ein wenig so, als ob sich ein Diabetiker nur noch mit zuckerhaltigen Süßspeisen ernähren würde. Child C bedeutet ja, dass er den höchsten Schweregrad hat. Die 1- Jahresüberlebensrate liegt unter 50 %.

    Was Du also gerade machst ist so eine Art Sterbebegleitung, wenn man es mal hart formuliert. Für ihn gibt und gäbe es also nur Eines. Keinen Tropfen mehr und hoffen dadurch sein Leben zu verlängern. Zwar ist Leberzirrhose nicht heilbar, wenn man jedoch entsprechend lebt können sich Teile der Leber durchaus erholen und man kann damit leben. Wie das in diesem fortgeschrittenen Stadium allerding ist, das weiß ich nicht. Aber er hatte ja Gespräche mit den Ärzten und da er ja weiter trinkt, ist es eigentlich auch egal.

    Klingt alles sehr hart, ist aber genau das, was sich aufgrund Deiner Zeilen als Schlussfolgerung ergibt. Er hat eigentlich keine Alternativen. Aufhören oder sterben. Und Du hast genau zwei Alternativen: Ihn weiter auf seinem Weg begleiten, wie auch immer dieser aussehen mag oder Deinen eigenen Weg gehen. Das könnte bei Dir so aussehen, dass Du nochmal klar formulierst, unter welchen Bedingungen Du bereit bist, den Weg weiter mit ihm zu gehen und wann der Punkt erreicht ist, ab dem Du Deinen eigenen Weg gehst. Da braucht es dann auch keine "Spielchen" mit Alkotester und co. Wenn er wieder oder weiter trinkt bist Du weg. Nichts anderes würde ich an Deiner Stelle als richtig erachten. Einfach um Dich und Dein Leben selbst zu schützen und zu verhindern, dass Du mit ihm zusammen das ganze Elend des Endstadiums eines uneinsichtigen Alkoholikers miterleben musst. Und wenn er weiter trinkt, dann wirst Du das sicher merken, so wie Du das bisher ja auch immer gemerkt hast. Im Grunde brauchst Du ihn dazu in kein Röhrchen blasen lassen.

    Und noch eins. Die Fortführung einer Beziehung macht aus meiner Sicht nur dann Sinn, wenn man sich das auch vorstellen kann. Sprich, wenn nicht bereits zu viel Porzellan zerbrochen wurde, wenn nicht bereits zu viel Vertrauen missbraucht wurde. Ob das bei Euch der Fall ist kannst nur Du allein entscheiden. Wichtig ist, dass Du Dir vorstellen kannst ihm irgendwann mal wieder voll und ganz vertrauen zu können. Ist das nicht der Fall, wird es eine schwierige Beziehung werden, selbst dann, wenn er tatsächlich nicht mehr trinken sollte. Denn auf Misstrauen kann man m. E. keine Beziehung aufbauen.

    So, das waren meine Gedanken zu Deinen Zeilen. Ich wünsche Dir und auch Deinem Freund nur das allerbeste. Ich wünsche ihm, dass er da raus kommt und noch mehr wünsche ich aber Dir, dass Du einen Weg findest, in dem Du DICH in den Mittelpunkt stellst und die richtigen Entscheidungen für DICH triffst.

    LG
    gerchla

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