Hallo in die Runde

  • Hallo,

    nach langer Zeit habe ich nun anerkannt, dass ich bedenkliche Mengen Alkohol konsumiere. Ich bin 24 Kahre und habe das Gefühl, es wird mit jedem Jahr schlimmer. Mein Problem ist, dass ich beim Trinken meine Grenze nicht kenne. Ich trinke vielleicht an 7-8 Tagen im Monat Alkohol, aber ca. 4x, also 1x am Wochenende, übertreibe ich völlig. Das heißt, dass ich auch gerne mal 12 Stunden am Stück trinke und dan natürlich auch exzessive Mengen. 3 Liter Bier, 5 starke Longdrinks und 12-15 Jägermeister, Ouzo etc. sind dann nicht selten. Dazu kommt, dass ich immer sild durcheinander trinke und häufig 5-6 verschiedene Alkoholsorten an einem Abend trinke. Alkohol hat auf mich eine aufputschende Wirkung, ich werde dann einfach nicht müde. Es ist für mich absolut normal, erst zwischen 8 und 11 Uhr morgens nach Hause zu kommen. Zudem falle ich nie um und kann immer weiter trinken. Übergeben muss ich mich auch fast nie und wenn, dann geht es mir danach nicht schlecht und ich gehe zur Bar und bestelle ein neues Getränk. Ich realisiere in dem Moment auch gar nicht, dass mein Körper mir sagt, dass es genug Alkohol war.

    Unter der Woche trinke ich fast nie und habe auch kein Verlangen nach Alkohol. Ich habe auch noch nie in meinem Leben alleine getrunken, sondern immer mit Freunden. Das Problem ist, dass ich ein sehr offener Mensch bin und einen wirklich großen Bekanntenkreis habe, sodass mich am Wochenende immer mehrere Leute fragen, ob ich nicht mit ihnen saufen will und dann sag ich leider fast immer ja. Am Anfang trinke ich eigentlich in einem normalen Tempo wie meine Freunde, aber irgendwann wird es immer schneller und ich bestelle mir um 5 Uhr morgens noch alleine Shots an der Bar. Es kommt auch mal vor, dass meine Freunde dann um 5-6 Uhr nach Hause gehe und ich mich dann noch alleine in eine Kneipe setze, weil ich weiter trinken will und einfach nicht müde bin.

    Wenn ich freitags mit Freunden in eine Kneipe gehe und jeder trinkt nur 1-2 Bier, dann trinke ich auch nicht mehr und das fällt mir auch gar nicht schwer. Aber sobald Partystimmung ist und die anderen auch mehr trinken, kann ich mich nicht mehr kontrollieren und realisiere nicht, wenn ich schon total betrunken bin. Es ist für mich leider absolut normal, am nächsten Tag starke Erinnerungslücken zu haben, was mich auch massiv stört, aber am nächsten Wochenende denke ich mir dann, diesmal klappt es, nur normal betrunken zu sein und dann geht es wieder schief und ich schieße mich komplett ab. Meistens mache ich auch keine schlimmen Sachen, aber einen Filmriss zu haben, stört mich trotzdem sehr und es ist mir unangenehm, dass Leute mich so betrunken sehen.

    Früher gab es auch durchaus Abende, an denen ich nicht so übertrieben habe, aber mittlerweile wird es zu 90% ein Vollrausch. Also entweder nur 2-4 Bier oder komplettes Programm, etwas dazwischen kann ich einfach nicht. Ich habe mir dann überlegt, keinen Schnaps mehr zu trinken, aber den Gedanken vergesse ich nach dem 7. oder 8.Bier dann wieder. Ich befürchte leider, ich muss ganz mit dem Saufen aufhören. Ich bekomme bei besagter Partystimmung bereits nach den ersten Schlücken Bier Lust komplett zu eskalieren.

    Dieses Wochenende habe ich es Donnerstag und Freitag geschafft, Freunden abzusagen und nicht zu saufen, aber dann war ich Samstag bei einem Geburtstag und habe zwischen 1 und 5 erhebliche Erinnerungslücken und keine Vorstellung, wie viele Gläser ich da wieder geleert habe. Typisch ist auch, dass ich am Anfang des Abends noch an Mädchen denke und dann ab 12 oder 1 das komplett ignoriere und nur noch an den Alkohol denke. Mädchen sind aber sonst fast das einzige, was mich davon abhält, mich komplett zu betrinken. Hätte ich eine feste Freundin würde ich mit Sicherheit deutlich weniger trinken, weil ich sie am Abend als Ablenkung hätte.

    Bisher hat mich noch keiner meiner Freunde darauf angesprochen, dass ich mal weniger trinken sollte, aber für mich ist es offensichtlich, dass ich ein Problem habe, wenn ein Filmriss quasi Standard ist und ich häufig nach einer halben Flasche Vodka noch fast nüchtern bin. Liegt auch daran, dass ich natürlich auch viele Freunde habe, die selber einen bedenklichen Alkoholkonsum haben.

    Ich befürchte leider, dass ich das Trinken (abgesehen von 1-2 Bier oder Wein) komplett aufgeben muss, weil ich mir eingestehen muss, dass ich mich einfach auf Dauer nicht kontrollieren kann. Das mag mal klappen, aber eben auch nur in Einzelfällen. Aber grundsätzlich lehne ich z.b. nie ab, wenn jemand Shots anbietet.

    Hinzu kommt, dass ich aufgrund der Menge an Alkohol immer einen enormen Kater habe. Am Tag danach schaffe ich es kaum das Bett zu verlassen und selbst am 2.Tag danach bin ich nicht richtig fit. Naja kein Wunder, wenn man bis morgens trinkt.

    Wenn jemand Tipps hat, wie man es schafft, nur gut angetrunken zu sein, bin ich dankbar, aber glaube leider, dass ich es komplett sein lassen muss auf Partys zu trinken.

  • Guten Morgen Zlatan,

    ich bin froh, dass du den Mut gefunden hast, hier zu schreiben. Herzlich willkommen :)

    Kurz zu mir: ich bin w, 55, und viele Jahre clean und trocken.

    Du schreibst, dass du fürchtest, den Alkoholkonsum auf Parties komplett lassen zu müssen.

    Tatsächlich war damals eine meiner größten Ängste: Mit dem Alkohol (und vorher THC) auch meine "Freunde" zu verlieren. Und das ist auch so geschehen.

    Das war sehr traurig. Am Anfang war ich echt verzweifelt, zudem die Sucht auch meine Familie geschreddert hatte...

    Und trotzdem (oder gerade weil) war es der beste Entschluss meines Lebens!

    Du stehst jetzt ganz am Anfang hier. Ich wünsche dir von Herzen ganz viel Mut und Kraft. Lese dich ein wenig durch die Beiträge, es gibt auch ausgezeichnete Büchertipps (evtl. kann jemand das hierher verlinken?)

    Was mir von allem am meisten geholfen hat, war das ich über Jahre eine reale Selbsthilfegruppe besucht habe.

    Freue mich, wieder von dir zu lesen.

    Netten Gruß,

    ichso

  • Hallo Zlatan,

    herzlich Willkommen hier im Forum.

    Ich stelle mich mal kurz vor: Ich bin 50 Jahre alt, Alkoholiker und lebe jetzt schon lange ohne Alkohol.

    Du hast ein Problem bei Dir erkannt und willst was dagegen tun. Damit bist Du schon mal weiter als die meisten Menschen, die entweder Alkohol missbrauchen oder bereits süchtig sind. Die Gründe, warum so wenige versuchen den Absprung zu schaffen, also ernsthaft versuchen den Absprung zu schaffen, kannst Du Dir vielleicht denken. Der Alkohol ist einfach was ganz normales in unserem Leben und es ist ja kaum vorstellbar, wie es ohne ihn gehen sollte. Außerdem findet man oft im eigenen Umfeld Menschen, die ähnlich trinken oder sogar deutlich mehr und so gibt's meist auch immer eine Rechtfertigung für sich selbst, warum ja alles ok ist und man ja gar kein Problem hat. Werbung und Co tun ihr übriges dazu. Die Werbung zeigt uns ja, dass es ohne Alkohol gar nicht geht und dass z. B. keine Feier gelingen kann, wenn dort nicht getrunken wird. Und letztlich sprechen ja sogar unsere Politiker bei Bier und Wein von Kultur. Von einer Bier-oder Weinkultur, die eben dieses Land oder bestimmte Regionen dieses Landes auszeichnet und prägt. Und so trinkt irgendwie eben fast jeder, und nicht wenige, wirklich nicht wenige, regelmäßig deutlich zu viel.

    Manche rutschen dann über die Jahre in eine Sucht, in der sie wiederum sehr viele Jahre mehr oder weniger unfaufällig vor sich hin leben. Die meisten Alkoholiker sind sogeanannte funktionierende Alkoholiker, die nach außen hin alles im Griff haben. Job, Freunde, Familie, etc. Es scheint alles zu passen, trotzdem sind diese Menschen i. d. R. Sklaven ihrer Sucht und bei genaurem Hinsehen ist meist vieles total kaputt (und damit meine ich jetzt keine körperlichen Probleme, die gibt's noch extra). Die wenigsten Alkoholiker sind so, wie man sie immer so vor Augen hat: also verwahrlost mit dem Fusel auf der Parkbank....

    Andere bekommen irgendwie die Kurve. Die Gründe sind vielfältig. Z. B. ein Wohnortwechsel verbunden mit neuen Freundschaften, ein Wechsel im Job, Familiengründung kombiniert mit anderen Interessen, u.v.m. Und so kommt es, dass auch manche Menschen die länger Alkohol missbrauchten (aber noch nicht süchtig waren), einfach irgendwie zurück zu einem unauffälligen Trinkverhalten finden. Meist ohne überhaupt zu merken, dass sie mal auf der Rasierklinge spaziert sind.

    Wo Du stehtst, kann ich Dir natürlich nicht sagen. Ich meine damit, ich kann Dir nicht sagen, ob Du zu denen gehörst, die "nur" Alkoholmissbrauch betreiben oder zu denen, die bereits süchtig sind. Klar ist, dass das was Du von Dir beschreibst, mit einem normalen Trinkverhalten nichts mehr zu tun hat.

    Von dem was Du schreibst, erfüllst Du einige Symptome, die für eine Sucht sprechen, also z. B. das Du keine Kontrolle mehr über die Menge hast oder auch das Du regelmäßige Filmrisse hast. Das muss aber nicht bedeuten, dass Du bereits süchtig bist. Auf jeden Fall aber, bist Du auf den besten Weg dorthin. Wenn Du nicht gegensteuerst. Aber genau das möchtest Du ja jetzt tun, was ich echt sehr gut finde.

    Ich mach mal einen Vorschlag: Schau doch jetzt erst mal, dass Du etwas zur Ruhe kommst. Versuche doch mal heraus zu finden, wo Du eigentlich genau stehst und wie wichtig der Alkohol für Dich tatsächlich ist. Da eigent sich m. E. ein kleines Experiment recht gut. Nimm Dir doch einfach mal vor, sagen wir mal, 3 Monate lang absolut überhaupt keinen Alkohol mehr zu trinken. Das mag Dir vielleicht lange erscheinen, ist aber eigentlich nur einviertel Jahr und für jemanden, der kein Alkoholproblem hat, absolut kein Problem. Es passt vielleicht nicht in Deine aktuelle Freizeitgestaltung, vielleicht auch nicht in Deinen aktuellen Freundeskreis, aber mit ein wenig Fantasie und dem entsprechenden Willen Deinerseits, müsste es Dir doch gelingen, diese 3 Monate irgendwie nach außen hin zu "argumentieren". Nur zur Info: solltes Du irgendwann denn mal wirklich süchtig sein, dann brauchst nichts mehr argumentieren, dann dann bleibt Dir nur noch die absolute Abstinenz. Oder Du säufst halt.

    Und wenn Du dieses Experiment machen solltest, dann achte doch mal genau darauf, was da dann mit Dir passiert. Ob es Dir leicht fällt zu verzichten, wie es Dir damit geht, wie oft Du daran denkst etwas trinken zu wollen usw. Gellingt es Dir recht einfach, vielleicht nach anfänglichen Umgewöhnen, auf Alkohol zu verzichten, dann kannst Du Dir überlegen, wie Du künftig damit umgehen möchtest. Ob Du wieder zum Partytrinker mutieren möchtest oder ob Du vielleicht nur ab und an mal ein oder zwei Bier zu bestimmten Anlässen (was Du ja jetzt auch kannst, wie Du geschrieben hast) trinken möchtest. Und auf Parties z. B. grundsätzlich nix trinkst. Geht auch.
    Wenn Du aber feststellst, dass Du im Laufe dieses Experiments ständig an Alkohol denkst, es Dir enorm schwer fällt zu verzichten oder Du es gar nicht schaffst zu verzichten, dann müsstest Du wohl andere Maßnahmen ergreifen. Denn dann würde einiges darauf hindeuten, dass Du süchtig bist. Und dann, tja dann..... Das kannst Du ja hier in zahlreichen Beiträgen nachlesen, was man dann so alles tun kann oder tun sollte, wenn man diese Sucht irgendwie überwinden möchte.

    Aber soweit bist Du ja (hoffentlich) noch nicht.

    Kannst Dir ja mal überlegen, ob Du so ein kleines Experiment probieren möchtest. Und ich würde mich natürlich freuen, wenn Du dann ab und an hier über Deine Erfahrungen berichten würdest. Aber das bleibt natürlich alles Dir überlassen. Ich wünsche Dir auf jeden Fall alles Gute und einen guten Austausch hier im Forum.

    LG
    gerchla

  • Hallo Zlatan und Willkommen!

    Was du da schreibst, erinnert mich stark an mich...bin auch so eine exzessive, immer mit Vollgas oder eben gar nicht.
    Habe wie du schon sehr schnell festgestellt, dass ich ein Problem habe, war so um die 19, 20 Jahre und das erste mal Alk trank ich so mit 17. Ich war quasi von 0 auf 100. Wie du, hauptsächlich am Wochenende, so 15 Jahre später auch immer öfters unter der Woche...das ist der Verlauf der Sucht. Ich konnte damals noch nichts dagegen unternehmen, trotz meiner Einsicht. Es war mir unvorstellbar mich mit 20 oder auch 26 Jahren für ein alkfreies Leben zu entscheiden...es dauerte ewig, bis ich dann so weit war.

    Heute bin ich 38, w, mit Kindern und seit 1,5 Jahren auf einem guten Weg, seit 7 Monaten ohne Alk.

    Ich bin davon überzeugt, dass ich sofort psychisch süchtig war und schnell wusste ich es auch. Wenn ich nun die Zeit zurück drehen könnte würde ich es natürlich anders angehen, mit dem Wissen, das ich damals schon hatte. Aber es war mir wahrscheinlich nicht klar welcher Leidensweg da noch folgen wird, und dass sich die Sucht eben unabhängig weiter entwickelt. Es wird nie einfach so von alleine besser, es geht immer nur bergab solange man nicht aktiv etwas dagegen unternimmt. Es ist bei allen so die abhängig sind. Es hört auch nie jemand einfach so ohne es wirklich zu wollen mit dem Rauchen auf.

    Du scheinst dir wirklich schon sehr im Klaren über deine Situation zu sein und völlig bewusst, dass du so eigentlich schon weiter machen kannst, es aber früher oder später total ausser Kontrolle gerät. Ich finde das sehr bewundernswert, du scheinst selbstreflektiert und objektiv deinem Konsum gegenüber, das sind gute Voraussetzungen, um Änderungen vorzunehmen!

    Ich kann dir sagen, was mir geholfen hat: SHG, Austausch mit Betroffenen und viel Lesen, um so gut wie möglich zu verstehen, was da im Gehirn abläuft. Denn du kannst nichts dafür, du kannst einfach nicht aufhören wenn du mal in Fahrt bist, es liegt aber nicht an deinem Willen. Das ist was die Alkoholkrankheit ausmacht, man kann es nicht entscheiden, das erlebst du ja des öfteren...ab einem gewissen Mass ist es einfach hin. So oft wäre ich Meilen gegangen, um weiter trinken zu können, auch wenn alle meine Freunde längst am Boden lagen. Es war wie ein vitales Bedürfnis, wie ein Tier das nach Nahrung sucht, um zu überleben...ganz schön schrecklich.

    Ich freue mich von dir zu lesen, schreibe deine Gedanken nieder, das hilft immer! Und durch den Austausch hier kannst du von den Erfahrungen anderer lernen.

    Alles Liebe und viel Kraft die für dich richtigen Entscheidungen zu treffen und deinen Weg zu gehen,

    Rina

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!