Liebe Sunrise,
danke für das schöne Kompliment!
Zitat von “Sunrise“Auch wenn ihr zwei viel Erfahrung habt, muss ich immer wieder den Kopf darüber schütteln
Als was mich anbetrifft: Beim Kopfschütteln bist Du nicht allein! Wenn ich an meine nasse Phasen zurückdenke, dann kann ich über mich auch nur den Kopf schütteln.
Und wenn ich dann schreibe, dass ich dieses Verhalten verstehe, weil ich eben mal ein richtig nasser Alkoholiker war, dann heißt das nicht, dass ich dafür aus heutiger Sicht „Verständnis“ habe. Ich drücke dann nur damit aus, dass ich halt weiß, wie die Sucht wirkt und funktioniert.
Ich glaube, die Zwänge der Sucht sind weit weg von allem, was wir Menschen verstandesmäßig begreifen können.
Zitat von “Sunrise“Ich hoffe so sehr dass ich es schaffe diesen Weg bis zum Ende zu gehen um wieder frei zu sein.
Klar schaffst Du das! Aber Du musst halt viel für Dich selbst tun! Genauso wenig wie die Sucht, erledigt sich die Co-Abhängigkeit von alleine.
Zitat von “Sunrise“Manchmal habe ich furchtbare Angst und Alpträume, dass ich es nicht bewältigen kann, dass mir zu viel Kraft geraubt wurde, dass mein Expartner mich zu schwach gemacht hat um es zu schaffen.
Da fällt mir spontan mal wieder „mein Lebensmotto“ zur Wegbegleitung ein:
„Du bist wundervoll,
so wie Du bist.
Versuche nicht,
jemand anders zu sein.“
Das, wonach Du suchst, ist bereits da, in Dir.
Es liegt nicht außerhalb Deiner selbst. Du bist bereits, was Du werden möchtest.
Und Du bist wundervoll, so wie Du bist.
Du musst daher nicht in die Zukunft gehen, um zu werden, was Du sein willst.
Alles, wonach Du suchst, ist schon da, im Hier und Jetzt!
(Thich Nhat Hanh aus: „Sei liebevoll umarmt – Achtsamkeit leben jeden Tag“
Das, wonach Du suchst, ist bereits da, in Dir!
Du hast es nur lange Zeit zugelassen, dass Du es nicht mehr wahrnehmen konntest. Aber es ist da! Hättest Du keine Stärke und Kraft, wärst Du jetzt nicht auf einem guten Weg raus aus der Co-Abhängigkeit. Du hättest dann gar nicht erkannt, wie tief Du drin steckst.
Wirklich „schwache“ Betroffene haben keine Angst davor, schwach zu sein. Schwach ist bei ihnen ein Zustand, den sie einfach hinnehmen, weil sie es nicht anders kennen.
Zitat von “Sunrise“Ich würde mir wünschen einmal so fühlen zu können ehrliches echtes Mitleid oder echte Freude.
Warum wünschst Du Dir „Mitleid“? Du bist raus aus dem Suchtkreislauf! Da musst Du meines Erachtens jetzt nicht mit-leiden oder etwas bedauern.
Und echte Freude zu Deinem Leben wird nach und nach kommen. Fähig bist Du dazu allemal. Es muss nur „wachgekitzelt“ werden.
Ich verstehe Dich bei dieser Rückschau. Aber aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es zwar durchaus gut sein kann, wenn Du irgendwann zurückblickst, wenn Du stabil bist und Dich komplett losgelöst hast, um Dich daran orientieren zu können, wo Du dann heute stehst, aber ansonsten tut die Rückschau auf das Verlorene in Deiner Situation nicht gut. Vor allem aber bringt sie nichts.
Viel wichtiger ist nach vorn zu schauen.
Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen, wo Du auch darüber „den Kopf schüttelst“: Wie lange Du Dich von dieser Situation gefangen nehmen lassen hast.
Zitat von “Sunrise“[list type=decimal][li]Ob ich jemals sagen kann dass jeder Mensch ein Recht darauf hat so zu Leben wie er es für richtig hält (bezogen auf eine Suchterkrankung), kann ich mir derzeit nicht vorstellen aber vielleicht ändert sich auch diese Sichtweise irgendwann einmal.[/li]
[li] Vor allem deshalb weil der Alkohol das Leben so vieler Mitmenschen beträchtlich schädigt und nicht nur sich und sein Leben. Es wird immer "Coabhängige"- Mitmenschen geben die schreckliches durchleben müsse. Ich finde das "Coabhängiges"-Verhalten ein einfaches menschliches, liebendes Verhalten ist. Eine positive Charaktereigenschaft. [/li][/list]
Ich habe das mal in 2 Abschnitte unterteilt. Weil das sind ja auch zwei ganz verschiedene Dinge.
1. Natürlich hat jeder Mensch das Recht auf sein Leben, und darauf, wie er es für sich leben und einrichten möchte.
Und wenn sich jemand dazu entschlossen hat, sich tot zu saufen, dann darf er das.
Sucht ist sehr egoistisch und hat narzisstische Züge. Alkoholiker haben zuallererst die primäre Befriedigung ihrer Sucht im Kopf. Sie können, weil sie halt alkoholkrank sind, nicht anders denken und fühlen. Das ist ja das Teuflische an der Sucht. Dazu diese krankhaften, narzisstischen Züge: Ich bin ja so lieb, so nett, so toll, und ich tue, wenn ich saufe, keiner Fliege was zuleide. Und das, obwohl die Sucht jeden Menschen hässlich, unleidlich und gefühllos macht, und den Mitmenschen der Süchtigen schaden.
(Sehr ähnlich Verhaltensweisen haben im Übrigen auch Co’s)
Jemand, der süchtig geworden ist (und im günstigsten Fall erst während seiner Sucht eine Partnerin kennenlernt), der sollte eigentlich so ehrlich sein, und gleich zur Partnerin sagen: Du, ich mag Dich zwar, und ich bin gern mit Dir zusammen. Aber meine Sucht kommt immer zuerst und lange vor Dir an die Reihe. Erst wenn ich meine Sucht befriedigt habe, dann – vielleicht – bleibt Zeit und Raum für Dich. Und meistens, weil meine Sucht so viel Zeit für sich beansprucht, musst Du mich zusammen mit meiner Sucht teilen. Wenn sie ruft, bist Du abgemeldet.
Aber das kann ein Süchtiger nicht sagen. Weil die Sucht sich in aller Regel tarnt, versteckt, und von der Heimlichkeit lebt. Besonders von Täuschung!
2. Und hier kommt dann der 2. Abschnitt Deiner Gedankengänge.
Aus erlebter Eigenerfahrung kann ich jeder Frau und jedem Mann, die alkoholkranke Menschen kennenlernen, nur empfehlen: Geht mit denen erst zusammen, wenn sie ihre Sucht zum Stillstand gebracht haben! Lasst Ihr Euch trotzdem, schon während der aktiven Sucht auf ein Zusammensein ein, dann werdet Ihr durch die Sucht furchtbar mit-leiden müssen. Ihr werdet nach und nach Eure Stärke verlieren und Euer Eigenleben aufgeben, weil die Sucht viel, viel stärker ist, als alles, was Ihr bislang kennengelernt habt. (Das hast Du, Sunrise, genauso miterlebt.)
Die Sucht und der Alkoholiker sind so raffiniert, dass sie Euch sogar damit ködern, Ihr könntet die Chance haben, gegen die Sucht Eures Partners etwas tun zu können. Oder, wegen Euch würde die Sucht verschwinden, und Euch Platz machen.
Derb ausgedrückt: Alles bullshit! Die Sucht Eures Partners wird Euch genauso platt machen, wie ihn, und am Ende seid Ihr – durch Eure Co-Abhängigkeit – genauso hilflos, krank und am Ende, wie er, wenn er sie nicht selbst zum Stillstand bringen kann.
Wenn Du schon länger mit einem Menschen zusammen bist, der dann eine Sucht entwickelt, dann ist es völlig normal, dass man aus Liebe und Menschlichkeit nicht gleich die Flinte ins Korn wirft. Oft sind ja auch noch gemeinsame Kinder involviert und gemeinsame Anschaffungen im Spiel.
Du kannst dann, wenn Du zu Deinem Glück die Sucht erkannt hast, mit Hilfe (Suchtberatung, Selbsthilfegruppen, Programmen, wie Craft (Caritas)) trotz Zusammenlebens für Dich einen trotz der Sucht des Partners begehbaren Weg beschreiten. Aber, und das gehört m. E. immer dazu gesagt, dieser Weg wird sehr, sehr schwer zu gehen sein, und er ist weit ab von dem, was „normale, nicht suchtkranke Menschen“ unter einem „normalen Lebensweg“ verstehen.
Genau betrachtet kann man wahrscheinlich sogar sagen: So schlimm eine Trennung ist, so brutal die Umbrüche dann in Deinem, und ggf. im Leben Eurer Kinder sein werden, wenn Du Dich trennst, und selbst dann, wenn Du wieder bei „Null“ anfangen musst – wenn Dein Partner seine Sucht nicht zum Stillstand bringen kann, dann wird Dein Leben bis zum bitteren Ende (Tod) der blanke Horror werden.
Eine Entscheidung zu treffen, bleibe ich trotzdem bei ihm, weil ich ja so menschlich und lieb bin, diese Recht hast Du genauso, wie Dein Partner das Recht hat, sich tot zu saufen.
….
Ich habe diese Zeilen eben nochmal überflogen. Sie lesen sich sehr pathetisch und dramatisch. Aber weil ich am Wochenende ein sehr langes Telefonat mit einem Ehemann und Vater zweier Kinder führte, dessen Ehefrau seit einigen Jahren schwer alkoholkrank ist, sind die Zeilen der Realität geschuldet.
….
Du hast bestimmt sehr positive Charaktereigenschaften, Sunrise!
Und ganz sicher gibt es Menschen, die sich ob dieser Charaktereigenschaften erfreuen – und von Herzen bereit sind, Dir auch viel von ihren guten Eigenschaften zurückzugeben.
Wenn Du hier „co-abhängiges Verhalten als eine positive Charaktereigenschaft sehen möchtest, dann irrst Du Dich aber gewaltig.
Zusammenhalt, Liebe, sich in schwierigen Situationen beizustehen, füreinander da sein … das ist positiv und wünschenswert in einer Partnerschaft und Familie.
In einer durch die Sucht beschädigten Familie und Partnerschaft hat sich aber der Süchtige aus dem Pakt verabschiedet – und geht eben primär den Weg seiner Sucht. Ohne Rücksicht auf Verluste.
Lies Dir vielleicht noch einmal das hier durch.
An Co-Abhängigkeit ist genauso wenig Positives, wie an der Sucht!