Ist Alkoholismus wirklich eine Krankheit?

  • Guten Tag zusammen,

    ich weiß ja, dass es höchstrichterlich entschieden ist, dass Alkoholismus zu den Krankheiten zählt. Mich hat das nie überzeugt:

    Ich kann mich auch heute noch nicht daran erinnern, dass mir der Alkohol hineingezwängt wurde. Im Gegenteil. Ich kann mich auch heute nicht daran erinnern, dass ich, sobald ich meine Probleme spürte, um Hilfe nachgesucht habe. Im Gegenteil. Mag ja sein, dass Alkoholismus eine selbstverursachte Krankheit ist. Aber ich zweifle halt daran, dass es sich um ein Krankheit handelt.

    Ich bin davon überzeugt, dass es für mich von ganz grundlegender Wichtigkeit ist, für mein Leben und für meine Entscheidungen, auch die zu trinken, selbst die Verantwortung übernehmen muß. Im Guten, wie im Schlechten. Denn wenn das nur fürs Gute gilt, was ist dann eine Selbstverantwortung wert, die immer nur darauf abzielt das Positive für sich zu reklamieren und das Negative anderen, der Gesellschaft, den Krankenkassen, der Familie, überlässt?

    Mich würden Eure Gedanken dazu interessieren.

    Und damit das ganz klar ist: ich bin Alkoholiker.

    Laurids

  • Dann müsste auch jeder Sportler, speziell von gefährlicheren Sportarten wie Skifahren, aus der gemeinsamen Haftung raus fallen. Fazit, möglichst nicht aus den haus gehen, obwohl ja im Haushalt die meisten Unfälle passieren. :)

  • Ich denke, das stimmt nicht ganz. Da wo der Sportler durch sein Geschick oder meinetwegen Glück Unfälle oder Nachteile für sich vermeiden kann, da ist der Alkoholiker soweit er trinkt, derjenige, der immer wieder aufs Neue seien Sucht befeuert. Um im Bild zu bleiben: Der Rennfahrer der die Nordschleife des Nürburgringes immer wieder mit zu hoher Geschwindigkeit durchfährt und dabei rausfliegt, dem möchte ich nicht die Verantwortung für sein Tun abnehmen.
    Du beschreibst die Risiken des täglichen Lebens für die sinnvollerweise eine Versichertengemeinschaft aufkommt. Wobei es da durchaus sein kann, dass Extremsportler unversichert sind bei ihrem Tun und sich separat für ihr spezielles Risiko versichern müssen.
    Für mich ist aber der Alkoholiker ein Einzelfall der es immer wieder und wieder probiert und das wider besseres Wissen.

  • Hallo!

    Wenn Du Alkoholismus als Krankheit in Frage stellst, musst Du wohl auch alle anderen Süchte (seien sie Stoffgebunden als auch nicht) als Krankheit in Frage stellen?


    Ich bin davon überzeugt, dass es für mich von ganz grundlegender Wichtigkeit ist, für mein Leben und für meine Entscheidungen, auch die zu trinken, selbst die Verantwortung übernehmen muß. Im Guten, wie im Schlechten. Denn wenn das nur fürs Gute gilt, was ist dann eine Selbstverantwortung wert, die immer nur darauf abzielt das Positive für sich zu reklamieren und das Negative anderen, der Gesellschaft, den Krankenkassen, der Familie, überlässt?

    Wie kommst Du darauf, dass ich nur das positive für mich in Anspruch nehme und das negative anderen überlasse?

    Ich bin froh, dass wir in Deutschland noch eine Solidargemeinschaft haben, denn es kann jeden treffen. Ich denke keiner wird mit Absicht süchtig.

    Caroline

  • Ich bin davon überzeugt, dass es für mich von ganz grundlegender Wichtigkeit ist, für mein Leben und für meine Entscheidungen, auch die zu trinken, selbst die Verantwortung übernehmen muß. Im Guten, wie im Schlechten.

    Also ist es nur Charakterschwäche, wenn jemand einfach nicht aufhören kann mit dem Saufen?
    Ich war also selbst schuld/charakterschwach, dass ich mir fest vorgenommen habe, nicht mehr zu trinken und es doch tat - und vor lauter Verzweiflung darüber überlegt habe, zum Wohle meiner Familie mir das Leben zu nehmen?
    Man ist also selbst schuld an den Rückfällen - vor allem daran, dass es so rasend schnell geht, bis man wieder auf dem alten Level ist?

    Mag sein. Und doch ist "Krankheit" für mich die beste, weil plausibelste Erklärung für all das - auch wenn es mich/uns nicht davon befreit, selbst alles dafür tun zu müssen, um diese "Krankheit" zu stoppen. Oder mit ihr unterzugehen.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Wer es geschafft hat, die Abhängigkeit vom Alkohol zu beenden, dem ist die Krankheitsfrage nicht mehr wichtig. Vorher aber allein schon deshalb, weil es nur bei einer anerkannten Krankheit einen Rechtsanspruch auf Hilfe seitens der Krankenkassen gibt.

    Ich habe meine eigenen Abhängigkeiten (Alkohol und Tabak) zwar nie als Krankheiten angesehen, fühle mich aber auch nicht schuldig, dass ich abhängig geworden bin. Schließlich habe ich mich nicht für ein Leben als Abhängiger entschieden, sondern bin in einem schleichenden Prozess zu einem geworden. Und nachdem ich an diesem Punkt angekommen war, machte ich die Erfahrung, dass ich nicht (mehr) so ohne weiteres aufhören konnte. Obwohl ich ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr rauchen und nicht mehr trinken wollte, tat ich es, weil ich nicht wusste, wie ich aus diesem Teufelskreis herauskommen sollte. Denn wenn ich meinen Konsum zurückschraubte, ging es mir schlecht. Also war klar: Ich musste das weiter machen. Ob ich nun wollte oder nicht, weil in meinem Erleben die Suchtmittel stärker waren als ich.

    Heute bin ich wieder der Stärkere. Ich muss weder rauchen noch trinken, bin also heute wieder in der Lage, die Verantwortung für mein Tun zu übernehmen.
    Gestern war ich mal wieder an dem selten vorkommenden Punkt, wo ich Lust auf eine Zigarette hatte. Gleichzeitig war mir absolut klar, dass ich nicht nur einfach so ein bisschen vor mich hin rauchen wollte, sondern dass es darum ging, den Drogenkick zu spüren.

    Und hier sind wir bei der Verantwortung, den jeder „trockene“ Raucher und/oder Trinker sich selbst gegenüber wahrzunehmen hat.
    Will ich „normal“ rauchen oder trinken, oder geht es um den Drogenkick?

    Bassmann

  • Das ist so eine in den Raum gestellte Diskussion, die alle, die dafür gekämpft haben, dass Alkoholismus im speziellen bei den Kostenträgern der sozialen Kassen, aber auch von den KVs als Krankheit anerkannt wird, als Laien der Sucht erscheinen lässt, bzw. erscheinen lassen soll.

    Dass Alkoholismus überhaupt den Status einer „Krankheit“ erhalten hat, liegt u.a. darin begründet, dass – glücklicherweise – die Mehrheit der Menschen durch Alkohol nicht „krank“ werden.
    Ein Trinker, auch wenn er noch so intelligent und willensstark ist, kann i. d. R. nicht mit dem Trinken aufhören, bevor nicht sehr gravierende Folgen dadurch entstanden sind.
    Würde man heute noch, in unserer aufgeklärten Zeit, darüber diskutieren müssen (und offenbar sind immer noch viele nicht aufgeklärt), müsste man nahezu sämtlichen psychischen Verhaltensstörungen die Anerkennung als Krankheit verweigern.

    Die Mechanismen von Sucht im Allgemeinen sind „kranke“, im Sinn von „nicht normale und natürliche“, Störungen im Gehirn, für die kein Mensch etwas kann, oder sie gar selbstverschuldet.
    Und natürlich gibt es sehr viele Menschen, die durch ihr Umfeld u.a. völlig unbewusst in die Sucht hineinrutschen. Da kann man doch nicht sagen „die hat niemand gezwungen“. Sie wurden oft schon von der Kindheit an zum Alkoholkonsum animiert, haben nie etwas anderes erlebt und gesehen, und als sie ggf. feststellten, dass sie an der Flasche hingen, da war bestenfalls ein Stillstand der Sucht mit Hilfe (bezahlter Hilfe von den Kassen und Rententrägern) möglich, aber eben weil es eine unheilbare Krankheit ist, keine Heilung im klassischen Sinn.

    Da Du, Laurids, Zugang zum geschützten Bereich hast, kannst Du mal den Beginn meiner Sucht nachlesen. Dann wirst Du Deine Behauptung, niemand würde dazu gezwungen, sicherlich zurücknehmen wollen.

    Das Argument mit der Gesellschaft etc. ist völlig absurd.
    Ich könnte dann genauso argumentieren und sagen „die Grippe oder sogar Krebs“ eines anderen Mitmenschen geht mich überhaupt nichts an. Hätte der die Verantwortung für sich übernommen, wäre regelmäßig in die Sauna, hätte er kein Fleisch gegessen, oder nicht geraucht, oder sogar, wäre er halt nicht mit einem Raucher zusammen über Jahre im Büro sitzen geblieben, dann wäre alles gut.

    Wenn Du so felsenfest davon überzeugt bist, dass es für Dich von grundlegender Wichtigkeit ist die Verantwortung für Dein Leben und Deine Entscheidungen zu übernehmen, dann bist Du entweder ein Hasardeur, der mit der Sucht gespielt hat, ober Du hast halt doch nicht das Verantwortungsbewusstsein, dass Du haben möchtest, sonst wärst Du nämlich nicht süchtig geworden.

    Bzgl. Positivem haben wollen, und nur das Negative der Gesellschaft überlassen, stimme ich Caroline in allen Punkten zu. Schließ bitte nicht von Dir auf Andere!

    Es haben Dich unsere Gedanken dazu interessiert – jetzt hast Du sie.

    Zitat

    Und damit das ganz klar ist: ich bin Alkoholiker.


    Oh! Und ich dachte, Du bist wegen Malaria hier im Forum 8)

  • @ Bassmann:
    Das was du schreibst ist auch das, was ich in großen Teilen sagen könnte. Mir geht es nicht darum, dass Sozialstaaatsgebot in Frage zu stellen oder aus „Kranken“ „Gesunde“ zu machen. (Wobei ich die beiden Begriffe in Anführungszeichen setze, weil niemand so genau weiß, was das eine und was das andere ist).
    Wenn wir darüber reden, ob Alkoholismus eine Krankheit ist, dann müssen wir aber auch darüber reden, was mit Menschen geschieht, die freiwillig oder unfreiwillig die Verantwortung für ihr Tun reduzieren und in einen für mich dubiosen Begriff von „Krankheit“ geschoben werden.
    Welche moralischen und ethischen Fragen werden berührt und müssten (werden aber nicht) diskutiert werden um die psychsichen Folgen dieser Verschiebung zu erkennen?
    Ich habe in Meetings oft genug Menschen getroffen, die sich in ihrer „Krankheit“ eingerichtet hatten. Für sie war von dritter Seite gesorgt, sie standen oft genug unter Amtsvormundschaft und waren die materiellen Risiken ihrer Sucht los. Was aber hat das mit ihrer Psyche angestellt und stellt es dauerhaft mit ihr an?

  • Zitat

    Mir geht es nicht darum, dass Sozialstaaatsgebot in Frage zu stellen oder aus „Kranken“ „Gesunde“ zu machen.


    Verzeihung, doch, darum ging es Dir:

    Zitat

    Denn wenn das nur fürs Gute gilt, was ist dann eine Selbstverantwortung wert, die immer nur darauf abzielt das Positive für sich zu reklamieren und das Negative anderen, der Gesellschaft, den Krankenkassen, der Familie, überlässt?

    Zitat

    (Wobei ich die beiden Begriffe in Anführungszeichen setze, weil niemand so genau weiß, was das eine und was das andere ist).


    Sorry, das ist natürlich genauso falsch: Natürlich weiß man ganz genau, ob jemand „Kranker“ oder „Gesunder“ ist.

    Zitat

    Wenn wir darüber reden, ob Alkoholismus eine Krankheit ist, dann müssen wir aber auch darüber reden, was mit Menschen geschieht, die freiwillig oder unfreiwillig die Verantwortung für ihr Tun reduzieren und in einen für mich dubiosen Begriff von „Krankheit“ geschoben werden.


    „Wir“ wollten eigentlich nicht darüber reden. Zumindest ich nicht. Und wieder machst Du diejenigen, die ihre Sucht, so wie es fachlich richtig ist, als Krankheit wahrnehmen, lächerlich, indem Du von einer „dubiosen“ (zweifelhaft, fragwürdig!) Krankheit schreibst.

    Zitat

    Welche moralischen und ethischen Fragen werden berührt und müssten (werden aber nicht) diskutiert werden um die psychsichen Folgen dieser Verschiebung zu erkennen?


    Also ich weiß ja nicht, aber diese versuchte Verknüpfung von „Moral“ und „Ethik“ ist nun wirklich „dubios“.
    Erst recht bei dem Versuch, „eine psychische Verschiebung“ daraus zu konstruieren.

    Ich gehe weiter jetzt gar nicht darauf ein, aber das ist alles so hanebüchener Blödsinn, wie es für ein Selbsthilfeforum für Alkoholiker und Angehörige, in dem man sich mit Eigenerfahrung und ggf. auch mit gutem Wissen über die Sucht (und ihre Folgen) austauscht, wirklich nicht würdig ist.

  • Du diskriminierst Alkoholkranke Menschen. Hinter jeden Betroffenen gibt eine Geschichte,
    die oft dramatisch sind. es gibt meistens einen Grund, dass man Süchtig wird.
    Dietmar hat Recht, dass ist nicht würdig für dieses Forum.

    woko

    Das Leben leben ohne Alkohol und Medikamente!

  • Grundsätzlich müsste man, wenn man die Alkoholsucht nicht als Krankheit ansieht, auch alle anderen Suchtkrankheiten davon aus nehmen. Also z. B. auch die Spielsucht, die diversen Drogensüchte, oder (ganz neu) auch die Internetsucht.

    Ich denke, ein Alkoholiker ist definitiv krank. Wie auch alle anderen Suchtkranken für mich definitiv krank sind. Für mich ist es eine psychische Krankheit, eine Erkrankung meiner Psyche. Wieso, woher, warum meine Psyche oder die Psyche anderer Alkohliker erkrankt ist, das ist sicher sehr vielfältig. Ich glaube, dass ich für mich selbst die Gründe dafür gefunden habe. Es sind aber sicher andere Gründe als bei den meisten anderen Betroffenen.

    Vielleicht kann man ja noch sagen, dass man auf dem Weg hin zum Alkoholiker, also quasi in der voralkoholischen Phase noch nicht krank ist. Wenn man dann aber aber mal süchtig ist, dann ist man definitv krank. So wie das bei jeder anderen Krankheit, die sich über einen bestimmten Verlauf anbahnt eben auch der Fall ist. Es gibt eben Menschen, die durch ihr Verhalten bestimmte Krankheiten auch begünstigen. Z. B. durch ihr Ernährungsverhalten oder ihr Bewegungsverhalten. Nehmen wir Diabetes mal als Beispiel. Immer gut und reichlich gegessen, nie bewegt, ärztliche Ratschläge ignoriert und plötzlich kommt die Diagnose: Diabetes / Ist das dann auch keine Krankheit sondern ein Fehlverhalten oder gar eine Charakterschwäche des Betroffenen? Der ist ja dann auch "selber schuld". Genau wie ich als Alkohliker, hat mich ja keine gezwungen einer zu werden. Und hätte ich mich anders verhalten, wäre ich auch keiner geworden - genau wie der von mir zitierte Diabetiker, dessen Krankheit möglicherweise nie augebrochen wäre.

    Nun ist bei mir Alkoholiker die Alkoholkrankheit halt leider mal ausgebrochen. Und weil ich dafür selbst verantwortlich bin, soll ich jetzt nicht krank sein? Das wäre ja für sozusagen die Schlussfolgerung.

    Ich glaube da kommt dann schon eingiges durcheinander. Und die Frage "ist Alkoholismus wirklich eine Krankheit" spiegelt für mich schon stark das wieder, womit wir leider auch heute immernoch zu kämpfen haben: Nämlich das wir alle miteinander selbst schuld sind, einfach nur charakter- und willensschwach sind und das wir, wenn wir es nur wöllten, da jederzeit wieder heraus ziehen könnten. Können wir halt nur deshalb nicht, weil charakter- und willensschwach sind.

    Und das ist für mich totaler Schwachsinn und viel zu kurz gedacht. Weil bei dieser Denke nämlich vergessen wird, dass Alkoholismus eben doch eine Krankheit ist.

    LG
    gerchla

  • Lieber Gerchla,

    ob Alkohol, massvoll verwendet, für organische, auch gehirnorganische, Schäden verantwortlich, oder sogar gesund sein kann, darüber gibt es ja höchst gegensätzliche wissenschaftliche Studien.
    Ich schrieb schon: Glücklicherweise ist die Mehrheit der Menschen nicht von der Sucht betroffen, obwohl nach den heutigen Erkenntnissen zu viel und zu oft Alkohol konsumiert wird. Aber trotzdem wird nicht Jeder, der es „übertreibt“ gleich Alkoholiker.
    Das hat letztlich, wenn man objektiv bleiben möchte, auch etwas Tröstliches, finde ich.

    Warum nun ca. 2 Millionen (hohe Dunkelziffer!) Menschen nach der wissenschaftlichen Definition „Verhaltensstörungen durch Alkohol“, bis hin zur Abhängigkeit (Kriterien nach ICD 10 ff.) aufweisen, darüber wird selbst heute noch wissenschaftlich geforscht. Von der genetischen, bis hin zur sozial geprägten Veranlagung wird alles dabei unter die Lupe genommen.
    Den Betroffenen hilft das insofern natürlich nicht, weil sich niemand, der betroffen ist, darauf „ausruhen“ kann – vergleichsweise, wie wenn man eine Erdbeerallergie hat und nichts dafür kann -, sondern gegen diese Krankheit aktiv von sich aus etwas tun kann und tun muss, um sie zum Stillstand bringen zu können. (Und dazu reicht nicht – im Vergleich zur Erdbeerallergie – nur den Alkohol wegzulassen!)

    Kein Mensch, der Verhaltensstörungen im psychologischen Sinn aufweist, hat diese „absichtlich“ und sich mit Vorsatz zugelegt!
    Viele, leider immer noch viel zu Viele, unterschätzen das Abhängigkeitspotential von Alkohol auch heute noch. So kommt es, dass gerade „Charakterstarke“ und „Willensstarke“ Menschen ruckzuck in diese Sucht hineinschlittern, bevor sie es selbst ganz bewusst wahrnehmen.

    Auch viele sehr erfolgreiche Politiker, Geschäftsleute, Manager, Künstler usw. sind darunter. Gerade Menschen, die fast alles im Leben exzellent wuppen, tun sich sehr schwer damit, ihre eigene Machtlosigkeit gegenüber der Sucht, wenn sie sich mal bei ihnen eingeschlichen hat, bedingungslos zu akzeptieren. Wohlverstanden "hilflos" dann, wenn Kontakt (in Form von Genuss) zum Suchtmittel bestehen bleibt.

    Du sprichst darüber hinaus die psychischen Ursachen, wie Stress, Ärger, schwierige Lebenssituationen usw. an. Lange bevor jemand überhaupt in die Nähe der Suchtmittelabhängigkeit kommt, hat er die wohltuende Wirkung des Suchtmittels in all diesen belastenden Situationen kennengelernt und wahrgenommen. Ich kenne wenige, die wegen „ein bisschen Ärger“ zum Arzt oder Mediator rennen, um im eigentlichen gesunden weiterführenden Sinn nach Lösungen zu suchen. Aber ich kenne viele, die auf ihren Ärger hin, mal zu tief ins Glas schauen … glücklicherweise ganz ohne davon süchtig zu werden.

    Zum Thread selbst: Ich denke nicht, dass Laurids wirklich fundiert darüber diskutieren wollte, was andere von der Sucht betroffene Alkoholiker darüber denken. Es war wohl mehr so ein völlig unausgegorenes in den Raum stellen von Verantwortlichkeiten zur eigenen Person, wie man sie eben auch sehr häufig immer noch bei den AA rauf und runterdiskutiert.
    An der Sache, nämlich dass Alkoholismus eine gute begründete und gut wissenschaftlich untersuchte Krankheit ist, geht das völlig vorbei.

  • Mir hat der Alkohol das leben gerettet, ab meinen 13 Lebensjahr
    habe ich regelmäßig Alkohol konsumiert. Der Konsum hat sich nach und nach gesteigert,
    irgendwann hatte ich den Alkohol nicht mehr im Griff.
    Ich bin aber Stolz darauf, dass ich als Spiegeltrinker, funktioniert habe.
    War nie Arbeitslos, habe nie meinen Führerschein verloren, meine Familie war gut versorgt.
    Bin nicht aufgefallen, nur das letzte Jahr vor meiner Entgiftung, habe ich immer öfter Abstürze gehabt.
    31 Jahre habe ich getrunken, ich war ein guter Steuerzahler.
    Ich bin Alkoholkrank, habe aber die Krankheit seit 11 Jahren gestoppt.
    Habe auch eine Persöhnlichkeitsstörung, habe ich mir nicht ausgesucht.
    Laurids, du machst es dir leicht, kranke Menschen, die Schuld für ihre Krankheit zu geben.
    Für mich war es schlimm aufzuhören, hatte Angst vor einem leben ohne Alkohol.
    Mir wurde geholfen, von verschiedenen Menschen, alleine keine Chance.
    Ein schöner Gedanke, man braucht ja bloß nichts mehr zu trinken, klappt aber nicht.
    Mein Körper hat seinen Alkoholspiegel gebraucht, wenn nicht, Entzugserscheinungen.

    woko

    Das Leben leben ohne Alkohol und Medikamente!

  • Was mir auffällt: Irgendwie scheint es in Bezug auf den Alkoholmissbrauch wichtig zu sein, sich als krank zu bezeichnen oder eben mit derselben Vehemenz die Einstufung als Kranker abzulehnen.

    War auch mir mal wichtig.
    Ich gehörte zur zweiten Gruppe. Insbesondere nachdem ich einen in diesem Forum empfohlenen Film gesehen hatte, in dem u.a. ein von Suchtmedizinern therapierter, immer wieder rückfällig gewordener Alkoholiker völlig fatalistisch feststellte: „Ich muss immer wieder trinken. Ich bin halt krank.“
    Diese Einstellung zur Krankheit empfand ich als abschreckend.
    Und ich denke, dass es mir bei meiner Abnabelung von der Sucht half, mich nicht als Kranker zu fühlen.

    Heute, nachdem ich mich vom Alkohol unabhängig gemacht habe, kann ich das viel lockerer betrachten. Ich finde es gut, dass Hilfe von den Krankenkassen angeboten bzw. finanziert wird, frage mich aber auch, warum eine solche Hilfe z.B. den Nikotinabhängigen versagt wird. So habe ich unter der Abhängigkeit vom Nikotin mindestens so sehr gelitten wie unter der vom Alkohol. Aber Nikotinabhängige sind offiziell nicht krank. Oder hat sich das inzwischen geändert?

    Zum Glück gibt es Foren. Und zumindest in den beiden Foren, die ich besuchte, hat man sich nicht damit aufgehalten, ob man nun krank oder ein „Chrakterschwein“ ist, sondern sich schlicht und einfach geholfen, der Sucht von der Schippe zu springen.

    Bassmann

  • Zum Glück gibt es Foren. Und zumindest in den beiden Foren, die ich besuchte, hat man sich nicht damit aufgehalten, ob man nun krank oder ein „Chrakterschwein“ ist, sondern sich schlicht und einfach geholfen, der Sucht von der Schippe zu springen.

    Und DAS ist m.E. doch wohl das Wichtigste. Alles Andere ist Kinderk...ram.
    Ich bin froh, dass ich für mich die Sucht bis heute besiegt/im Griff habe, möchte, dass es so bleibt - und möchte mit meinen Erfahrungen anderen helfen, es ebenfalls zu schaffen. Punkt.

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Ich bin Alkoholkrank, aber ich habe die Krankheit gestoppt.
    Das ist der Vorteil zu vielen anderen Krankheiten,
    ich habe meine Genesung selbst in der Hand.

    Das Leben leben ohne Alkohol und Medikamente!

  • Hallo Ihrs,

    also ich empfinde die Alkoholsucht sehr wohl als Krankheit !
    Gerade auch deshalb, weil man sehr wohl daran sterben kann und man macht es trotzdem.
    Ich leide daneben auch an Bulimie, die auch eine Sucht ist. Die Ess-brech-sucht.
    Und auch da ist man immer mehr dem Tod nahe als dem Leben.
    Man will dagegen ankämpfen aber die Sucht ist auch da sehr stark...

    lg

  • Hallo Golfsegler,

    Zitat

    Es gibt eine interessante und kontroverse Sicht auf diese Dinge von Dr. Gene Heyman.

    Wenn Du geschrieben hättest "es gibt eine interessante und polarisierende Behauptung von Dr. Heyman", hätte ich zugestimmt.
    Weil seine Aussage ist ja nichts anders, als eine "Behauptung" ohne jeden fundierten, sachlichen oder wissenschaftlichen, schon gar nicht durch seriöse Studien belegte Behauptung.
    Sogar das Gegenteil ist der Fall: Alle seriösen Studien, die es zum Thema gibt, verweisen auf das Gegenteil.

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