Es wird zur Gewohnheit

  • Hallo zusammen,

    ich bin ein 32 Jahre alter Mann aus Köln und habe mich hier neu angemeldet weil ich mittlerweile ab und zu das Gefühl habe ein bisschen auf meine Trinkgewohnheiten acht geben zu müssen.
    Es kommt immer öfter vor, dass ich mehr Trinke als ich mir vorgenommen hatte. Und wenn ich mich mit Freunden treffe wird fast immer etwas getrunken. Manchmal habe ich den Eindruck das Trinken steht dann sogar im Vordergrund wenn man sich trifft.
    Ich bin kein schwer Abhängiger, aber ich habe die Befürchtung, dass sich bei mir eine beginnende, sich langsam einschleichende Abhängigkeit entwickeln könnte.
    Im Berufsleben und in meiner Beziehung läuft es gut, aber in meiner Freizeit, und besonders am Wochenende hat das Trinken leider einen festen Platz eingenommen, was mich besorgt und ich unbedingt ändern möchte. Es wäre gut wenn ich hier auf den ein oder anderen treffen könnte, der oder die in einer ähnlichen Situation ist und mit dem/ der man sich austauschen und gemeinsam nach Lösungen suchen könnte. Vielleicht habt ihr Ideen wie man diese Probleme umgehen kann, vielleicht sollte man den Freundeskreis ändern, Hobbies suchen etc. Was hilft euch dabei am besten?

  • Guten Morgen Kölner,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum!

    Ich habe mir jetzt eine Weile überlegt, was ich Dir eigentlich schreiben möchte. So wie Du Deine Situation beschreibst, scheint es nun ja nicht so zu sein, dass Du den Rest Deines Lebens abstinent verbringen willst und es scheint auch nicht so zu sein, dass Du Dich selbst als Alkoholiker siehst.

    Du scheinst gerade an einem Punkt zu sein (den ich von meiner eigenen Alkohlikerkarriere auch kenne), wo Du das Gefühl hast, dass es deutlich zu viel Alkohol ist und wahrscheinlich auch zu regelmäßig. Und dass es nun mal an der Zeit wäre, das ganze etwas einzudämmen. So lese ich das aus Deinen Zeilen heraus.

    Ich finde es übrignes super, dass Du Dir diese Gedanken machst. Vielleichst hast Du noch die Chance gegenzusteuern. Die hast Du nämlich so lange, so lange Du nicht süchtig bist. Ob man wirklich süchtig ist, weiß man aber sicher leider immer erst dann, wenn es bereits zu spät ist.

    Deshalb würde ich Dir mal ein kleines "Experiment" empfehlen wollen: Nimm Dir doch einfach mal vor die nächsten 4 Wochen keinen Alkohol mehr zu trinken. Keinen Tropfen! Beobachte mal, wie es Dir damit geht. Ob es Dir leicht fällt oder ob Du ständig an Alkohol denken musst. Wie leicht es Dir fällt abzulehnen, wenn Freude / Kollegen usw. Dich dazu überreden wollen (wir haben ja gerade Vorweihnachtszeit, da kann man das wunderbar austesten).

    Wenn Du keine Problem hast, dann sollte das eine ganz leichte Übung für Dich sein. Wenn Du ein Problem hast, dann wird Dir Dein Hirn versuchen zu erklären, dass man doch in der Vorweihnachtszeit nicht auf Alkohol verzichten kann. Dass es doch nicht möglich ist einen Weihnachtsmarkt zu besuchen ohne Glühwein zu trinken. Dass es ja überhaupt keinen Spaß macht ohne Alkohol weg zu gehen. Dass Dir Alkohol schmeckt und es nicht sein kann, dass Du da jetzt längere Zeit drauf komplett verzichten sollst. Und dass es überhaupt ein schwachsinn ist komplett auf Alkohol zu verzichten wo der doch auch so viel Gutes hat und Du doch eigentlich nur etwas weniger trinken willst. Und das gerchla sich sein "Experiment" wo hinstecken kann ;)

    Teste es mal aus!

    LG
    gerchla

  • Vielen Dank für deine Antwort Gerchla.

    Du hast vollkommen Recht, ich muss mir wieder beweisen, dass es für einige Wochen oder Monate auch ohne Alkohol geht. Nur ist es ja nicht so als würde ich das zum ersten Mal machen.

    Ich habe mir schon oft fest vorgenommen nicht zu trinken. Aber kaum bin ich mit meinen Freunden zusammen, schon kann ich mich nicht mehr kontrollieren und betrinke mich bis ich völlig voll bin. Es bleibt nie bei einem oder zwei Bieren - das ist schon seit 15 Jahren so und ändert sich scheinbar nie.
    Darin sehe ich die Gefahr bei mir und ich nehme sie besonders ernst, weil ich mehrere Verwandte habe, die starke Alkoholiker geworden sind. Die Veranlagung kann ich auch bei mir sehen.

    Der scheinbar einzige Weg auf Alkohol zu verzichten ist, wenn ich mich nicht mit Freunden treffe oder schon gar nicht abends am Wochenende rausgehe.
    Aber man kann sich ja auch nicht völlig isolieren...

    Wie soll ich diesen Problemen aus dem Weg gehen frage ich mich? Wenn ich 4 Wochen lang nur mit meiner Freundin verbringe, Sport mache oder Playstation zocke kann ich auf das Trinken verzichten. Aber sobald ich in die falsche Situation komme kann ich einfach nicht nein sagen.

    Hat Jemand eine ähnliche Problematik gehabt und gelernt damit umzugehen?

  • Hallo und auch von mir HERZLICH WILLKOMMEN hier im Forum!

    Gerchla hat ja einen sehr guten Vorschlag gemacht.
    Und die Weihnachtszeit kannst Du ja als Fastenzeit betrachten.

    Der scheinbar einzige Weg auf Alkohol zu verzichten ist, wenn ich mich nicht mit Freunden treffe oder schon gar nicht abends am Wochenende rausgehe.
    Aber man kann sich ja auch nicht völlig isolieren...

    Diese Ausrede habe ich früher auch gebraucht und höre sie heute des Öfteren.
    Nur: Du solltest Dir mal überlegen, ob Freunde Dich unbedingt zu etwas überreden würden, was Du nicht willst!?

    Wenn man sich aus einer Sucht befreien möchte oder erst gar nicht in eine solche rutschen will, dann reicht es nicht aus, nur das Suchtmittel - also bei uns den Alkohol - wegzulassen. Man muss auch sich selbst und seine Angewohnheiten unter die Lupe nehmen und etwas ändern. Dazu gehört auch, für sich selbst zu entscheiden, wer seine wirklichen Freunde sind und wer nur "Saufkumpane".

    Als ich damals bekanntgab, dass ich keinen Alkohol mehr trinken will, versuchten mich einige "Freunde" auch erst zu überreden, doch "wenigstens etwas" zu trinken. Und da es bei mir (zu Hause) keinen Alkohol mehr gab, kamen sie dann nicht mehr. Tolle Freunde ...

    Andere kamen erst recht, redeten mir gut zu, wenn ich etwas down war, unterstützten mich. Wahre Freunde ...

    Ansonsten sollte man sich für den (ernsthaften) Ausstieg auch Strategien zurechtlegen:

    Was mache/sage ich, wenn ...

    ... man mich trotz Ablehnung zum Trinken auffordert?
    ... ich mich auf einer Feier nicht mehr wohl fühle (evtl. weil viele Leute viel trinken)?
    ... ich nicht irgendwo hin gehen möchte (Feier o.a. Veranstaltung)?
    ... ich trotz meines Vorhabens den Wunsch verspüre, etwas zu trinken?
    ...

    Und wenn Du für Dich schon erkannt hast, dass Du nicht "gemäßigt"/kontrolliert/in vernünftigen Rahmen trinken kannst ...

    Ich habe mir schon oft fest vorgenommen nicht zu trinken. Aber kaum bin ich mit meinen Freunden zusammen, schon kann ich mich nicht mehr kontrollieren und betrinke mich bis ich völlig voll bin. Es bleibt nie bei einem oder zwei Bieren - das ist schon seit 15 Jahren so ...

    ... dann solltest Du wirklich über den kompletten Ausstieg nachdenken.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Kölner,

    Zitat

    Der scheinbar einzige Weg auf Alkohol zu verzichten ist, wenn ich mich nicht mit Freunden treffe oder schon gar nicht abends am Wochenende rausgehe.
    Aber man kann sich ja auch nicht völlig isolieren...

    Das ist m. E. der völlig falsche Weg, um mit einer Sucht (oder Suchtveranlagung) umzugehen.
    Ich habe Deine Beiträge aufmerksam gelesen, und mir ist dabei nicht wirklich verständlich geworden, welche Hilfe Du überhaupt möchtest.
    Einerseits liest es sich so, als hättest Du „Kontrollverlust“, wärst also nach der klassischen Definition längst Suchtmittelabhängig, andererseits liest es sich aber dann wieder so, als wäre Dein Alkoholkonsum lediglich eine lästiger Nebeneffekt Deiner diversen Umgebungen.

    Die Frage ist da: Hast Du denn – trotz der vielen Verwandten, die abhängig sind/waren – die Ernsthaftigkeit Deiner (eventuellen) Sucht erkannt?
    Wenn ja, dann wirst Du vermutlich so wie meisten Betroffenen ohne weitere Hilfe nicht aus diesem Strudel aussteigen können. Wenn Du hier im Forum gelesen hast, dann kennst Du den wahrscheinlichsten Weg, den Du gehen wirst, wenn Du keine Hilfe annimmst.

    Spontan fiel mir bei Dir ein, dass eine therapeutisch begleitete Expositionsbehandlung in solchen Fällen helfen könnte. (Aber das ist schon tiefes Betroffenenwissen ;) )
    Und ja, zu Deiner wiederholten Frage, ob hier jemand ist, der „solche Situationen“ kennt. Es sind keine besonderen oder außergewöhnlichen Situationen im Leben eines Suchtkranken, sondern eher die Normalität.

  • Herzlichen Dank für eure Antworten. Ich weiß die Mühe, die ihr euch gebt um mir und den anderen hier zu helfen, sehr zu schätzen.

    Greenfox
    Ich werde versuchen mit meinen Freunden Sachen zu unternehmen, die nicht mit Alkohol in Verbindung stehen.
    Die Strategien/Fragestellungen die du vorschlägst sind bestimmt eine gute Maßnahme um mit dem Problem umzugehen. Ich werde mir etwas einfallen lassen , damit ich schon vorher einen Plan B habe wenn ich in solche Situationen komme.

    @Dietmar
    "...mir ist dabei nicht wirklich verständlich geworden, welche Hilfe Du überhaupt möchtest."

    Für mich ist es schon eine erste kleine Hilfe, dass ich mich hier angemeldet habe um darüber zu sprechen. Jeder Rat von euch hilft mir. Außerdem thematisiere ich mein Alkoholproblem immer wieder meiner Freundin gegenüber und diese Offenheit ist auch sehr wichtig, damit ich diese Schwierigkeiten nicht ausblende und ignoriere.
    Ich hatte auch überlegt ob ich mal zu einer SHG gehen soll. Noch warte ich aber glaube ich eine Weile ab, halte mir die Option aber auf jeden Fall offen und versuche erstmal in den nächsten Monaten mithilfe eurer Tipps und meiner Freundin, die mich unterstützt, nichts zu trinken.

  • Ich hatte auch überlegt ob ich mal zu einer SHG gehen soll. Noch warte ich aber glaube ich eine Weile ab, halte mir die Option aber auf jeden Fall offen und versuche erstmal in den nächsten Monaten mithilfe eurer Tipps und meiner Freundin, die mich unterstützt, nichts zu trinken.

    Sorry, auch wenn Du es bestimmt nicht so meinst, aber solche Äußerungen (da bist Du nicht der Einzige) hören sich fast an wie "Ich versuch es erst mal homöopatisch, bevor ich amputieren lasse!"

    SHGn sind nicht giftig, ansteckend, tödlich oder sonstwie schädlich!! Auch wenn es vielleicht bei dem Einen oder Anderen nix nützt oder nicht hilft (Okay: Ich bin Befürworter, dann war es vielleicht nur die falsche Gruppe), aber: Es kann nicht schaden!!

    Nichtsdestotrotz wünsche ich Dir Durchhaltevermögen und viel Erfolg bei der Umsetzung!

    Alles Gute, allseits ein geruhsames, friedliches Weihnachtsfest und einen guten, gesunden Rutsch!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Ach Greenfox, nun lass den Kölner doch erst einmal schauen, wo er steht. Es zeigt doch Problembewusstsein, dass er sich hier angemeldet hat und etwas ändern möchte. Aber warum soll er gleich in eine Selbsthilfegruppe gehen oder sich noch besser gleich für sofortige lebenslange Abstinenz entscheiden? In seinem Fall halte ich es für verständlich, sich zunächst einmal selbst zu beobachten und sich auszuprobieren. Gerchlas Vorschlag war gut. Vielleicht wäre es für den Kölner auch eine Möglichkeit, kontrollierten Konsum auszuprobieren.

    Kölner, Du schreibst zwar, Du könnest dich nicht kontrollieren. Aber hast Du es denn schon mal ernsthaft versucht? So ein schwammiges „Och, heute trinke ich nur mal so ein bis drei Bier und dann höre ich auf …“ bringt keinen Erfolg. Wenn Du es probieren möchtest, brauchst Du einen festen Plan! Ich würde Dir raten, Dir zu überlegen, was Du wirklich willst, welcher Umgang mit Alkohol für Dich der beste wäre. Und dann probierst Du es und wenn Du scheiterst, solltest Du Hilfe in Anspruch nehmen. Gut, dass Du mit Deiner Freundin darüber sprichst. Bleib dran! Ändern solltest Du tatsächlich etwas, denn sich immer wieder volllaufen zu lassen ist keine Option für‘s weitere Leben. Du bist noch jung. Mach was!


    Ein frohes Fest und guten Rutsch!

  • Hi Kölner!

    Ich finde mich in dir sehr wieder, wir sind das gleiche Alter und bei mir war es fast die gleiche Nummer: Alkoholiker in der Familie. Plusminus 15 Jahre zu viel trinken. Kein Problem, nicht zu trinken, wenn die soziale Situation stimmt, aber völlig machtlos in Partysituationen. Versuchen, zu kontrollieren, und immer wieder scheitern.

    Kenn ich alles.

    Was ich weiß, was ich dir mit ZIEMLICHER Sicherheit sagen kann: Es hat für dich offenbar schon vor einer ganzen Weile aufgehört, Spaß zu sein. Und, auch ziemlich sicher: Es wird nicht besser. Wahrscheinlich nie wieder. Es wird vielleicht nicht so schnell schlimmer mit dem Trinken. Aber es wird nie wieder BESSER.
    Ich bin jetzt auf der anderen Seite, und ich kann dir von hier aus zurufen: Es ist super hier. Komm rüber, wenn du bereit bist. Wenn du noch zwei oder drei oder fünf Jahre brauchst, ist das okay. Aber wenn du fertig bist mit kontrollieren und moderieren, und quälen und zählen, komm rüber. Es lohnt sich. Hier gibt es jede Menge super Leute, die mehr drauf haben als Saufen um Spaß zu erzeugen.

    Auch interessant: Gibt es in deiner Familie auch trockene Alkoholiker? Mit denen zu reden wäre Gold wert.
    Selbsthilfegruppen sind auch sehr zu empfehlen. Da findest du all die wilden Leute, mit denen du auch saufen gehen würdest. :)

    Grüße aus Berlin!
    Mia

  • Falls du noch nicht abhängig bist,
    lernen nein zu sagen,
    "nein, ich trinke heute nichts",
    konsequent gegenüber deinen Freunden anwenden,
    auch nichts trinken, wenn der Standardsatz kommt
    "na, ein Glas wenigstens zum Anstoßen".
    Dann wirst du auch erkennen,
    wer wirklich deine Freunde sind.

    Lg Gerd

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