Katro's Thread

  • Nicht (mehr) abhängig zu sein, ist eine viel zu großartige Sache, als dass man sie nur rückwärts gerichtet betrachten sollte. Also in der Form, dass man sich vergegenwärtigt, wie schlimm alles in Zeiten der Abhängigkeit war. Ich betrachte die Sache nach vorne gerichtet. Also in der Form, dass ich mich jeden Tag aufs Neue darauf freue, einen weiteren Tag erleben zu dürfen, an dem ich entscheide, was ich tue oder nicht tue (und das nicht von einer Abhängigkeit bestimmen lasse).

    Ich verstehe einfach nicht, warum wir zwei beide nicht "zueinander finden" können:
    Im Grunde geht's mir doch genauso. Auch ich freue mich jeden Tag, nicht unter dem Kommando des Suchtmittels zu stehen. Ich treffe meine Entscheidungen und weiß, dass ich für jede einzelne die Konsequenzen zu tragen habe. Und ich weiß mit 99%iger Sicherheit, was passiert, wenn ich mich für den Alkohol entscheiden würde - was mir Nichts und Niemand verwehren kann.

    Ich für mich weiß, dass ich nach wie vor abhängig bin. Aber ich stehe (zur Zeit) nicht unter dem Kommando des Suchtmittels, sondern unter meinem eigenen.
    Und selbst wenn dieses "Wissen" nur Einbildung sein sollte - ich möchte nicht ausprobieren, ob ich heute (im Gegensatz zu meinen früheren "Versuchen") doch nicht mehr abhängig bin.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Heute starte ich ins sechste Jahr meiner Unabhängigkeit vom Alkohol.

    Auch wenn ich im Gegensatz zu den „Klassikern“ weder vor der Macht des Alkohols kapituliert, noch ihn ganz aus meinem Umfeld verbannt habe, stelle ich zumindest eine wesentliche Gemeinsamkeit fest: Alkohol hat in meinem Leben so gut wie keine Bedeutung (mehr).

    Ich finde zwar nach wie vor die tiefrote Farbe mancher Rotweine schön, doch schon bei der Geruchsprobe ist es mit dem Schönheitsempfinden vorbei. Da gelingt es mir nicht in Begriffen wie blumig usw. zu denken, sondern da fällt mir eigentlich nur das Wort Fäulnis ein. Beim Tabakrauch ist das ähnlich. Vor dem Ausstieg fand ich ihn animierend, seit einigen Monaten nach dem Ausstieg nur noch unangenehm. Ich kann ihn aushalten, aber schön ist anders.

    Das zeigt mir, wie Sucht die objektive Realität in eine (falsche) subjektive Realität verändert.

    Gut, dass ich in die objektive Realität zurückgefunden habe.

    Bassmann

  • Hallo Bassmann

    Zu diesem kurzen Stop auf deiner
    Lebensreise die besten Wünsche!

    Brant


  • Vielen Dank für die Glückwünsche.

    Bassmann

    ja ich auch mich noch einidräng....

    Auch von mir Glückwünsche! Wo gehst du zum Feiern hin? ::) :D

  • Weil es in meinen Augen wichtig ist, zum nachstehenden Zitat Stellung zu nehmen, und weil diese Stellungnahme m.E. nicht nur etwas für den internen Bereich ist, hier ein paar Gedanken zur "Leichtigkeit des Suchtausstiegs":


    Bei Bassmann liest es sich immer so einfach: "man muss NUR ... das Positive sehen"

    Wenn man das NUR weglässt und das Wort „Sehen“ durch das Wort „Spüren“ oder besser: "Erspüren" ersetzt, kommt man dem, was ich meine und in meinen Suchtausstiegen erfahren habe, ziemlich nahe.

    Suchtmittel verändern uns enorm. Auch wenn wir -so habe ich das erfahren- aus Vernunftsgründen aus dem Suchtkreislauf aussteigen wollen, sträubt sich fast alles in uns dagegen, weil wir sofort einen Verlust zu spüren meinen.

    In Alkoholikerforen wird m.E. meist nicht so motivierend geschrieben, wie ich das z.B. in einem Raucherforum erlebte. Dort berichtete z.B. eine Frau, dass ihr nichtrauchender Mann sie nie vor die Wahl zu stellen getraut hätte, sich entweder für ihn oder für die Zigarette zu entscheiden, weil er geahnt hätte, wofür sie sich entschieden hätte. Und dann heißt es im Anschluss: Wenn ich geahnt hätte, wie sensationell ich mich einmal ohne Zigarette fühlen würde, dann hätte….
    In Alkoholikerforen geht es meist weitaus verhaltener zu und oft darum, dass ein bestimmtes Gerüst vorgegeben wird, das man dann abarbeiten soll: Sich als Alkoholiker bekennen, Therapie durchlaufen und anschließend SHG besuchen, weil man ja lebenslang krank ist.

    So richtig Freude auf die Zukunft kommt da m.E. nicht auf. Höchstens dass mal einer schreibt: Seit ich nüchtern bin, kann ich Probleme besser lösen. Na toll! (Es gibt natürlich auch in Alkoholikerforen Ausnahmen wie z.B. Betty)

    Ich hätte es ohne die Vorfreude wahrscheinlich nicht so leicht geschafft. Und ich wäre in meiner Vorstellung, dass nur ein Leben ohne Suchtmittel ein wirklich gutes Leben sein kann, wahrscheinlich nicht so gefestigt, wenn ich mich nicht täglich über den Suchtausstieg freuen könnte.
    Was ich mit meinen Beiträgen in erster Linie erreichen möchte, ist, dass das Augenmerk von „Ich sollte mit dem Trinken aufhören, weil ich sonst frühzeitig sterben werde“ wechselt auf „Ich sollte mit dem Trinken aufhören, weil ich sonst eine Menge Schönes verpasse.“

    Bassmann

  • Sehr treffend und gut geschrieben!

    "Ich sollte mit dem Trinken aufhören, weil ich sonst eine Menge Schönes verpasse.“

    Ich stimme vollkommen mit dir überein.

    Schönen Sonntag.

    LG Betty :sun:

    Auf dem Weg zu mir lerne ich mich immer besser kennen. <br />Ich habe Freundschaft mit mir geschlossen und freue mich, dass ich mir begegnet bin.<br /><br />Ich bin lieber ein Original als eine herzlose Kopie.

  • Dem stimme ich natürlich auch voll zu!
    Allerdings ist diese Sicht auf das zukünftige Positive nicht das Einzige bei einem Suchtmittelausstieg. Man muss sich auch klar darüber sein, dass es nicht einfach sein wird, dieses "gelobte Land" zu erreichen, dass es (mehr oder weniger) schwer sein wird, man etwas dafür tun muss ...

    Und deswegen habe ich manchmal so meine Probleme mit Deinen Argumentationen, wenn Du Dich (in meinen Augen) eben nur darauf beschränkst, dass man nur das Positive sehen muß, um den Ausstieg zu schaffen. Dies ist m.E. nur EIN wichtiger Teil des Ganzen:

    Ich will nüchtern/trocken/clean werden, weil
    - ich dann morgens nicht mehr dauernd kotzen muss
    - meine Familie/Freunde/Kollegen nicht mehr belügen muss
    - ich dann völlig entspannt Auto fahren kann, ohne ständig aufpassen zu müssen ...
    ... beliebig ergänzbar ...

    Aber dafür muß ich auch etwas tun, nämlich
    - meine Gewohnheiten ändern
    - etc ...

    DAS meine ich damit, wenn ich schreibe, dass es sich bei Dir immer so leicht liest.

    Im Übrigen gibt es ja auch hier eim Forum einen Thread, der sich mit der positiven Seite des Ausstiegs beschäftigt (leider ist er irgendwie eingeschlafen): Die exzellenten Vorzüge der Abstinenz

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

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    können wir nur selber tun!

  • Nochmal: Von NUR sprichst/schreibst nur du, Greenfox.

    Ich will nüchtern/clean werden, weil
    … ich unabhängig/frei von einem Gedankenkarussell sein will, das durch einen Suchtstoff in Gang gesetzt wurde und sich anschließend verselbstständigt hat.

    Dazu muss ich etwas tun, nämlich
    … mich von dem Gedanken verabschieden, dass dieser Suchtstoff langfristig irgendetwas Positives bewirken kann. Und ich muss die Überzeugung entwickeln, dass nur ein suchtfreies Leben ein gutes Leben sein kann.

    Alles Weitere sind taktische Maßnahmen. Die sind wichtig, machen m.E. aber nur dann wirklich Sinn, wenn das Ziel klar ist und man sich auf die Zielerreichung freut.

    Du schreibst m.E. in erster Linie über die taktischen Maßnahmen, Greenfox. Mir fehlt bei dir die Begeisterung. Und was mich auch immer wieder aufs Neue stört, ist deine Unsicherheit, also das ständige Wiederholen, dass deine letzte Entgiftung hoffentlich deine letzte sein wird.
    Aber vielleicht erinnerst du dich auch daran, dass ich dir einmal in einer PM schrieb, dass wir bzw. unsere Beiträge letztendlich zwei Seiten einer Medaille darstellen.

    Bassmann

  • Und was mich auch immer wieder aufs Neue stört, ist deine Unsicherheit, also das ständige Wiederholen, dass deine letzte Entgiftung hoffentlich deine letzte sein wird.

    Ich habe nunmal keine Glaskugel und behaupte nicht, in die Zukunft sehen zu können.
    Und leider kenne ich auch genug Leute, die auch nach 15, 20, 25 Jahren einen Rückfall/Absturz hatten ...

    Ein Ziel vor Augen haben, aber keine taktischen Maßnahmen zu treffen ist genauso wenig erfolgversprechend wie taktische Maßnahmen ohne Ziel!

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  • Bald endet mein sechstes Jahr ohne Alkoholexzesse.

    Spannend ist für mich die Beobachtung, dass ich -abgesehen von der ersten Zeit des Ausstiegs- nie auch nur kurzzeitig den Wunsch verspürte mich zu betrinken. Anders als beim mehr als zehn Jahre zurückliegenden Rauchstopp, wo es mir immer wieder mal passiert, dass mir der Gedanke durch den Kopf schießt, dass es schön wäre, mal wieder diesen Kick zu spüren, der durch das Nikotin im Gehirn ausgelöst wird, gibt es solche Momente in Bezug auf das Trinken nicht.

    Vielleicht liegt es daran, dass ich beim Rauchen auf Nullkonsum und beim Trinken nur auf Minimalkonsum ging, so dass mein Gehirn den Alkohol nicht verklären kann. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass mir der Tabak schlicht und einfach mehr Kick verpasste als der Alkohol.
    Mittlerweile ist mir die Erklärung dieser unterschiedlichen Nachsuchterfahrungen nicht mehr wichtig. Wäre eher eine Sache für Forscher. Für mich ist nur wichtig, dass es vorbei ist.

    Vom Kopf her bewertete ich beide Abhängigkeiten gleich. Beide ließen mich irgendwann einen Zwang verspüren, der mein Leben vergällte. Gefühlsmäßig hat mir jedoch die Nikotinabhängigkeit größere Probleme bereitet, weil ich so viel rauchen musste, dass ich die Abhängigkeit beim besten Willen nicht vor anderen verstecken konnte und mich stets minderwertig fühlte, wenn ich in Stresssituationen Zigaretten „fraß“, während die Nichtraucher mit derselben Situation -zumindest scheinbar- gelassener umgehen konnten.

    Seit vielen Jahren bin ich nun unabhängig von Tabak und Alkohol. Und diese Unabhängigkeit wiegt nach meinem Empfinden mehr als jeder Drogenkick.
    Ich habe nie jene Demut verspürt, von denen in Alkoholikerforen so oft geschrieben wird. Aber ich empfinde eine tiefe Zufriedenheit, ja sogar Glück, dass ich diese Phase der Abhängigkeit hinter mir lassen konnte.

    Bassmann

  • Aber ich empfinde eine tiefe Zufriedenheit, ja sogar Glück, dass ich diese Phase der Abhängigkeit hinter mir lassen konnte.

    Meinen Glückwunsch - sowohl zu den 6 Jahren als auch zu der erreichten Zufriedenheit 44.
    Mögen es noch viele weitere Jahre so weitergehen!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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    können wir nur selber tun!

  • Inzwischen ist wieder mehr als ein Jahr ins Land gezogen. Und wenn ich meinen letzten Beitrag lese, kann ich eigentlich nur feststellen, dass ich ihn schlicht und einfach kopieren müsste, um mein derzeitiges Empfinden zu beschreiben.
    Mit zwei Ausnahmen:
    1) Der gelegentliche Gedanke an die Freuden des Rauchkicks ist inzwischen auch verschwunden und ich empfinde
    2) inzwischen tatsächlich so etwas wie Demut. Denn was mir passiert ist, ist anscheinend ein echter Glücksfall.
    Ich kann zwar bei anderen Menschen durchaus den Wunsch auslösen, sich aus ihrer Abhängigkeit zu befreien. Sie spüren meine Begeisterung und fühlen sich motiviert, sich ebenfalls zu befreien, kommen aber nicht ans Ziel.
    So ist eben -wie hier oft beschrieben wurde- jeder Weg aus der Sucht einzigartig.

    Es grüßt
    Bassmann

  • Was soll man sagen - Du bist eben einzigartig ;) ;D

    Aber mal im Ernst: Ich habe bisher (außer Dir hier) noch niemanden getroffen, der es geschafft hat, sich aus der Sucht zu lösen, nur weil er erkannt hat, dass ihm diese nicht guttut (mal sehr grob vereinfacht ausgedrückt).
    Aber ganz alleine scheinst Du ja doch nicht zu sein, denn Belinda Stern beschreibt in ihrem Buch "Denn sie wissen nicht, was sie tun: Mein Leben als "nasse" Alkoholikerin: neun Jahre, vier Monate und zwölf Tage", dass sie es mit Allan Carr's Methode "Easyway" geschafft habe.

    Und trotzdem kann ICH es immer noch nicht nachvollziehen :sorry: Aber es muss/scheint ja bei einigen Menschen zu funktionieren - also ran an die Buletten 44.

    Auf die nächsten zufrieden trockenen Jahre :clap: :blumen:

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

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    können wir nur selber tun!

  • Auch meine Antwort könnte ich von einem Vorjahr kopieren ;).

    Es freut mich, dass auch bei Dir alles weiterhin so gut läuft! Herzlichen Glückwunsch dazu und alles Gute weiterin.

    Lg Mira

  • Hallo zusammen,

    das Thema Alkoholismus hat mich auch viele Jahre meines Lebens begleitet, allerdings konnte ich mich nach einer Therapie von dem Teufel "Alkohol" lösen und bin nun frei.

    Was mir am allermeisten geholfen hat, waren soziale Kontakte. Das Miteinander unter Menschen - insbesondere Menschen, die einen schätzen, auch wenn man eine "Säufer-Vergangenheit" hat.

    Zudem bin ich im Internet fündig geworden -

    Ich wünsche allen weiterhin viel Kraft!

    ------------------------------
    Werbung - !!! NEIN - DANKE !!! Ich habe den Link entfernt - Henri

    Einmal editiert, zuletzt von Henri (10. Juli 2019 um 10:58)

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