Ich geselle mich zu Euch...

  • ...und ein liebes "Hallo" in die Runde *winkewinke*

    Tja, und wie fange ich an!? Ich habe das Gefühl, ich stehe vor den Trümmern meines Lebens. Kurz zu mir, ich bin weiblich, 36 Jahre jung, Mutter von 2 kleinen Kindern und habe die letzten Jahre ein "scheinbar" schönes Leben geführt. "Scheinbar", weil ich mir dieses Leben schön getrunken habe.... Dabei hatte ich doch alles. Außer mein persönliches Glücksgefühl, denn dieses kam frühstens nach 1/2 Liter Wein, Vielleicht muss ich weiter ausholen. Vor knapp 5 Jahren versuchte ich das erste mal aus meiner (damals noch intakten) Ehe auszubrechen. Ich war Hausfrau im ländlichen Reihenmittelhaus am Waldrand und hatte das große Privileg ganz und gar für die Familie da zu sein. Mittelklasse Urlaube (meistens 2-3x pro Jahr) waren nie ein Problem, auch die Musikschule und der Sportverein konnten bezahlt werden. Bis irgendwann der Tag (irgendwann im Juli 2014) kam an dem ich nach einem Klassentreffen relativ spät am Abend heimkam und mir die Gespräche noch bis zum Morgen durchs Hirn geisterten. Ich habe mir nichts daraus gemacht und ein paar Tage später das Gespräch zu meiner "damals besten" Freundin gesucht. Ihre Idee: das haben wir gleich. Ich mach und erst mal eine Flasche Sekt auf!? Klar, dachte ich klingt verrückt, aber so machen wir das. Alkohol spielte bis zu diesem Vormittag kein große Rolle in meinem Leben, ich hatte nie das Bedürfnis mir einen hinter die Binde zu schütten und auch gemütliche Abende mit Wein auf der Couch gab es eigentlich nie....

    Ab diesem Tag im Juli 2014 nahm die Sache eine gefährliche Wende. Ich ertrug das Leben plötzlich total gut und zu den am Anfang 1-3 Dosen Sekt kam dann oft am Abend eine (oder manchmal auch 2) Flaschen Weißwein dazu. Ich habe nie heimlich getrunken und wurde ab diesem besagten Tag im Sommer zum regelmäßigen Trinker. Immer mit der romantischen Vorstellung das ich kein Problem mit Alkohol habe! Sondern nur noch ohne! Mein Leben dümpelte so daher, es gab gute und weniger gute Tage bis Oktober diesen Jahres. Da kam dann der Horror schlechthin, denn ich habe mich an einem Scheißtag betrunken ins Auto gesetzt und bin jemandem hinten drauf gefahren. Das ganze passierte auf dem Weg zu einem Mann den ich auf dem besagten Treffen kennenlernte.

    Mein Führerschein ist weg, ich habe mich von meinem getrennt und lebe aktuell bei meinen Eltern- die Kinder sind bei meinem noch-Mann. Das war der Tag an dem ich mir eingestehen musste das ich definitiv ein gewaltiges Problem habe. Ich habe seitdem nichts mehr getrunken, ich habe noch am selben Abend die Notfall Nummer der Suchberatung gewählt und daraufhin 2 Gespräche in einer direkten Beratung gehabt.

    Gerne würde ich SHGs besuchen, aber ich habe seit dem Unfall Angst vor Menschen.... Klingt vielleicht bescheuert, aber vielleicht geht es anderen auch so? Mein Umfeld hat übrigens relativ gut reagiert, allerdings sind viele aus allen Wolken gefallen als ich das "Alkoholproblem" offen ansprach. So Dinge wie ach du doch nicht und doch nicht wegen 3 Sekt oder einer Flasche Wein, da gibtś doch viel härtere Fälle.... Ja das ist mir klar, aber ich würde mit diesem Problem gerne ernst genommen werden, auch wenn es immer schlimmer geht.

    Vielleicht hab ich das alles ziemlich Wirr geschrieben, ihr dürft mich selbstverständlich mit Fragen löchern. Mir war jetzt erst mal wichtig mir das von der Seele zu schreiben.

    Ich grüße Euch ganz herzlich in die Runde,
    Schnurzelchen

  • Hallo Schnurzelchen,

    erst mal: Herzlich Willkommen bei uns im Forum.

    Ich wollte jetzt einfach mal nur ganz kurz "hallo" sagen, denn ich bin heute leider sehr unter Zeitdruck und muss gleich weg. Zu Deinen Zeilen fällt mir ganz viel ein, und das werde ich Dir auch gerne in Ruhe schreiben. Dieses "vor den Trümmern seines Lebens stehen", das kommt mir verdammt bekannt vor. Und ich hatte damals auch 2 Kinder, nur dass ich männlich bin und mittlerweile ein wenig älter als Du (ich bin 50).

    Ich werd' mal schauen, dass ich Dir morgen in Ruhe schreiben kann. Jetzt lies Dich erst mal ein und ganz wichtig: Lass mal nicht den Kopf hängen. Man kann diesen Trümmerhaufen auch abtragen und, ob Du's glaubst oder nicht, sogar gestärkt aus der ganzen Geschichte heraus gehen. Aber das ist eine andere Geschichte und ein langer Weg. Ihn zu gehen ist aber das beste was man tun kann! Mehr dazu hoffentlich morgen.

    Schönen Abend und ich wünsche Dir einen guten Austausch hier bei uns im Forum.

    LG
    gerchla

  • Willkommen Schnurzelchen

    Ich bin weiblich, 55 Jahre, und seit ugf 2 Monaten trocken.

    Eine Frage: Was ist bei diesem Klassentreffen passiert? Was hat dich so sehr beschäftigt im Anschluss? Was wurde aus dem Mann, den du treffen wolltest an dem Tag des Unfalls?
    Huch, sind 3 Fragen...verzeih :)

    Was diese Angst betrifft. Kann es nicht Scham sein die dich hindert, auch wenn dein Umfeld Verständnis zeigt, so muss das nicht unbedingt heißen, dass DU locker damit umgehen kannst.

    Das reicht für den Anfang, ich will dich nicht zutexten ;)

    Guten Austausch wünscht Emilie

  • Ich danke euch für die Zeit und eure Antworten und freue mich auf weiteren Austausch.

    Was genau passiert ist kann ich so genau gar nicht sagen, ich saß da und dachte, war es das jetzt!? War es mein Leben... Will ich das so.... Wir haben natürlich Nummern getauscht und der Kontakt ging los, immer mehr und mehr und ich dachte das tut mir gut, ich fühlte mich verstanden aber im Nachgang immer das schlechte Gewissen meiner Familie damit zu schaden. Ich habe versuch den Schein zu waren und wurde immer unglücklicher... Die Sehnsucht nach einem anderen Leben. Ich weiß gar nicht wie ich das beschreiben soll. Ich habe gemerkt ich bin unglücklich, wollte aber mein Umfeld und meine Familie nicht enttäuschen und habe mich damit selbst zu Grunde gerichtet. So viel erstmal zu keiner Erklärung. Vielen lieben Dank für eure Antworten, sobald ich mich etwas sortiert habe, werde ich mehr schreiben.

  • Hallo und willkommen!

    Du hast schon die ersten richtigen Schritte gemacht. Du setzt dich nach deiner Trunkenheitsfahrt mit deinem Problem auseinander und hast Kontakt zur Suchtberatung aufgenommen. Wie bist Du mir ihr verblieben? Kommt für dich ggf. eine Therapie in Frage?

    Ich rate Neueinsteigern neben dem Forum und dem Kontakt zur Suchtberatung grundsätzlich noch zur Lektüre von Fachliteratur. Schau mal hier: https://alkoholforum.de//index.php?top…g30349#msg30349

    Zum Einstieg halte ich Borowiak ALK für top.

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Danke Rekonvaleszent damit werde ich mich mal auseinandersetzen.

    Ich werde auf jeden Fall eine Therapie machen, die Frage im Moment ist nur in welcher Form...

  • Ich werde auf jeden Fall eine Therapie machen, die Frage im Moment ist nur in welcher Form...

    Hallo!

    Das klärst Du am besten mit der Suchtberatung. Die bearten nicht nur, sondern kümmern sich auch noch um die Formalitäten.

    Ich habe seinerzeit eine ambulante Therapie gemacht. Zusammen mit eigener Recherche im Netz und Fachliteratur bin ich das Problem angegangen und habe es hoffentlich dauerhaft im Griff. Ich lebe jetzt mehr als 4 1/2 Jahren unfallfrei abstinent.

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Ich denke auf Dauer werde ich eine ambulante Therapie machen kombiniert mit einer "Reha" wo ich generell meinen Seelenquark angehen muss.

    Wahnsinn wie sehr ich mich aber gesundheitlich wieder viel besser fühle, was auch den Leuten um mich rum an meinem Aussehen und Auftreten auffällt.

    Übrigens ist morgen Tag 46 ohne Alkohol, das ist natürlich nichts im Vergleich zu dem was noch vor mir liegt, aber ich bin so stolz auf mich, jeden Morgen aufs Neue in den Spiegel zu schauen und mir zu sagen, ein neuer Tag ohnr Sekt und ohne Wein. Ein neuer Tag den ich total bewusst erlebe ohne Kater usw. Trotzdem habe ich großen Respekt und auch Angst vor dem Weg der noch vor mir liegt.

  • Hallo,

    und Glückwunsch zu deinem Entschluss und den ersten 46 Tagen deiner Trockenheit!

    Ich erkenne mich auch in Teilen wieder in dem, was du von dir erzählt hast. Und auch ich hatte große Angst davor, wie ich mein Leben „schaffen“ sollte, wenn ich nicht mehr den Alkohol benutzen konnte, weil er längst ein ganz eigenständiges Problem geworden war.

    Ich habe es immer hilfreich gefunden, mich zu meiner Krankheit Alkoholismus ganz umfangreich zu informieren, wie dir hier ja auch schon nahegelegt worden ist. Und sehr hilfreich war und ist für mich der Austausch mit anderen Betroffenen.

    Daher freue ich mich, dass du hierher gefunden hast, und ich wünsche dir hilfreiches Schreiben und Lesen hier und weiterhin alles Gute für deinen Weg in ein neues trockenes und glücklicheres Leben. Ich kann dir nur aus meiner Erfahrung sagen, dass es sich so sehr lohnt, den Mut und das Vertrauen aufzubringen.

    Viele Grüße
    Camina, w, 50, trockene Alkoholikerin

  • Übrigens ist morgen Tag 46 ohne Alkohol, das ist natürlich nichts im Vergleich zu dem was noch vor mir liegt, aber ich bin so stolz auf mich, jeden Morgen aufs Neue in den Spiegel zu schauen und mir zu sagen, ein neuer Tag ohnr Sekt und ohne Wein. Ein neuer Tag den ich total bewusst erlebe ohne Kater usw. Trotzdem habe ich großen Respekt und auch Angst vor dem Weg der noch vor mir liegt.

    Angst brauchst Du nicht haben. Aus den letzten 6 Wochen dürftest Du schon was gelernt haben.

    Respekt ist genau der richtige Ausdruck. Andere sprechen von "Demut". Mir ist dieser Begriff zu unterwürfig.

    Bleib wegen der Therapie am Ball, ich bin froh, sie gemacht zu haben. Da Du mehr als 6 Wochen auch ohne Alk klar gekommen bist, dürfte die ambulante Therapie für dich die richtige Wahl sein.

    Gruß
    Rekonvaleszent

  • Danke Camina auch für deine Erfahrung.

    Rekonvaleszent wenn es nach mir ginge dann wäre ich schon längst in eine Therapie gegangen, da ich aber ja noch einige anderen Baustellen habe muss ich schauen wie ich alles organisiert bekomme, damit ich aber nicht einfach nichts tuen möchte, dachte ich der online Austausch mit anderen Betroffenen könnte gut tun. Und der ein oder andere Tipp war ja auch schon dabei. Heute war zB ein nicht so guter Tag und es hat mir geholfen im Netz zu lesen und mich hier anzumelden. Jetzt sitze ich stolz mit meiner Tasse Tee auf der Couch und lasse den Tag trotzdem positiv ausklingen.

  • Du kennst den Grund, wieso du mit dem Trinken angefangen hast. Ein guter Anfang.
    Sollte es von der Organisation her möglich sein, deine Kinder gut beim Papa aufgehoben, würde ich dir zu einem stationären Aufenthalt raten.
    Schau, wer sich in deiner Gegend um diese Anträge kümmert (bei mir war es die Caritas) .
    Falls du ein gutes Verhältnis zu deinem Hausarzt hast, wäre das ein guter Ansprechpartner, auch für den Seelenmüll.

  • Noch kurz zu deiner Affäre. Sorry, wenn ich darauf rumhacke, aber das ist meiner Meinung nach die Wurzel des Übels.
    War es das wert, deine Ehe auf's Spiel zu setzen? Hast du an deine Kinder gedacht? .....

  • @Wodka1964: Wer vollkommen ohne Schuld, DER werfe den ersten Stein … Ich denke mal, das ist eine Ebene, die uns überhaupt nicht zusteht!

    @Schnurzelchen:

    Auch von mir ein HERZLICHES WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Kurz zu mir: Ich bin m, 56, Alkoholiker und nun schon einige Jahre trocken - und sehr zufrieden damit.

    Ich freue mich (für jeden), dass Du nicht nur den Entschluß gefasst hast, mit dem Trinken aufzuhören - sondern ihn auch umgesetzt und durchgezogen hast 44.

    Übrigens ist morgen Tag 46 ohne Alkohol, das ist natürlich nichts im Vergleich zu dem was noch vor mir liegt … Trotzdem habe ich großen Respekt und auch Angst vor dem Weg der noch vor mir liegt.

    Ich weiß nicht, ob Du mal das Buch "Momo" von Michael Ende gelesen hast. Darin beschreibt der alte Straßenkehrer Beppo sein "Geheimnis":

    „Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man. Und dann fängt man an, sich zu eilen. Und man eilt sich immer mehr. Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt.
    Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst zu tun und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen. Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du?
    Man muss immer nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.
    Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat. Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste. Das ist wichtig.

    Wenn ich heute zurückschaue, bin ich auch manchmal "erstaunt", wie schnell die Zeit vergangen ist, die ich nun schon ohne Alkohol lebe, den ich früher vermeintlich wie Luft zum atmen brauchte. Und es geht mir gut, so ohne das Zeug.
    Natürlich gibt es auch ohne Alkohol unangenehme Momente, Krankheiten, die nix mit Alk zu tun haben, Regentage …
    Mit Alkohol wäre ich "baden" gegangen ;( - ohne Alkohol koche ich mir 'nen Tee, kuschle mich ein und warte, dass wieder die Sonne scheint :sun:

    Welche Variante ist schöner?

    Also: Mach weiter so und lass Dich nicht ins Boxhorn jagen 44.

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Schnurzelchen,

    jetzt habe ich ein wenig mehr Zeit und will mal versuchen Dir meine Gedanken mitzuteilen. Ich mach' jetzt einfach mal und beginne vielleicht damit, Dir ein wenig von mir zu erzählen, damit Du Dir ein Bild machen kannst wer Dir hier überhaupt schreibt.

    Also ich bin 50 Jahre alt, Alkoholiker und habe mittlerweile 3 wunderbare Kinder. Zu meiner Alkoholikerzeit waren es 2, wobei es unmittelbar nach meinem Ausstieg zur Trennung von meiner Frau kam (ich trennte mich, sie hätte unserer Beziehung gerne noch eine Chance gegeben). Meine Tochter war damals im Grundschulalter, mein Großer schon in der Oberstufe des Gymnasiums. Nach meiner Scheidung (einige Jahre nach meiner Trennung) habe ich wieder geheiratet und noch eine kleine Tochter geschenkt bekommen, sie ist jetzt 3 Jahre alt und sie kennt ihren Papa glücklicherweise nur alkoholfrei.

    Wie ist das bei mir passiert? Nun, es erinnert in vielen Punkten an das was Du geschrieben hast. Mir (uns) ging es gut. Guter Job, sehr guter Job sogar, keine Krankheiten, keine Schicksalsschläge. Unsere Heirat damals war eine Liebesheirat, ich war mir sicher das diese Frau die einzige und richtige für mich ist. Und so bauten wir unser Leben auf. Dann kamen die Kinder und alles war so, wie man es sich eigentlich nur wünschen konnte. Auch die Kinder waren äußerst "wohl geraten", keine Probleme, auch in der Schule nicht.

    Warum bin ich dann also in diese Sucht hinein geschlittert? Nun, einige Zeit habe ich das mit dem Spruch "wenns dem Esel zu Wohl wird begibt er sich aufs Eis" erklärt, aber nach vielen Jahren ohne Alkohol und intensiver Aufarbeitung meiner Sucht und meiner Verhaltensweisen kann ich heute sagen, dass die Gründe natürlich viel tiefer lagen. Ich brauchte über ein Jahr (ohne Alkohol) um sie einigermaßen zu ergründen. Aber das ist eine andere Geschichte.

    Im Gegensatz zu Dir war ich fast meine ganze Trinkerzeit (diese dauerte weit über 10 Jahre, eher gegen 15, wann genau es gekippt ist vermag ich nicht 100%ig zu sagen) heimlicher Trinker. Das unterscheidet mich also von Dir. Was wir aber wieder gemein haben, war der Aufbau eines Doppellebens, zumindest habe ich Dich so verstanden, dass Du zu diesem anderen Mann eine heimliche Beziehung (wie auch immer diese ausgesehen hat) aufgebaut hast. So auch ich, wobei mein Doppelleben auch viel Geld kostete, denn ich erfand z. B. Dienstreisen (die ich dann selbst bezahlte) oder verlängerte ebensolche (auch auf eigene Kosten), weil ich dann in Ruhe trinken konnte. Irgendwann waren es dann auch kurze Tagesreisen (die nie statt fanden), wo ich dann ebenfalls gefahrlos trinken konnte.

    Zuhause war mein größter Stress die Be- und Entsorgungslogistik für den Alkohol aufrecht zu erhalten. Es musste ja geheim bleiben. Wenn ich weg war, konnte ich einfach nur trinken. Selbstverständlich lief mein normales Leben nebeher ganz normal weiter. Ich hatte ja noch meinen (guten) Job und war dort auch nicht schlecht. Je länger das ganze dauerte desto schlechter wurde mein Gewissen wobei ich bemerken möchte, dass ich irgendwann so abgestumpft war, dass ich jeden Anflug von Gewissensbissen sofort mit Alkohol bekämpft habe. Auch glitt ich mehr und mehr in eine Parallelwelt ab die mir vorspielte, dass ich da schon irgendwie wieder raus kommen würde.

    Die schlimmsten Gedanken die ich hatte waren die, dass meine Familie irgendwann die Wahrheit erfahren könnte. Ich dachte, wenn sie es nicht wissen, dann tut es ihnen auch nicht weh. Weit gefehlt natürlich, denn ich nahm ja am Familienleben bestenfalls noch als Zombie teil und entfremdete mich vor allem von meiner Frau immer mehr. Diese versuchte alles um die Ehe zu retten, hatte aber keine Chance, weil sie noch nicht mal wusste, wo sie den Hebel ansetzen könnte. Und ich wollte einfach meine Ruhe, meinen Alkohol und mein Doppelleben.

    Selbst die große Liebe zu meinen Kindern, und diese spürte ich intensivst, konnte mich nicht dazu bringen reinen Tisch zu machen und mit dem Trinken aufzuhören.

    Bis der Tag x kam, ein ganz normaler Tag an dem ich abends nach Hause kam (ich glaube ich hatte damals zu diesem Zeitpunkt "nur" 4 Bier intus, war also quasi nüchtern) und meine Frau mich mit einer schlimmen Tat konfrontierte, die ich vollbracht hatte und von der sie erfahren hatte. Sowas gabs immer wieder mal und normalerweise habe ich mich da immer sehr geschickt heraus gelogen. Ich vermute, das wäre mir auch in diesem Fall gelungen. Aber als ob es einfach Klick gemacht hätte, habe ich mich sozusagen ganz spontan geoutet. In dem Wissen, dass nach diesem Outing mehrere Welten komplett in Trümmern liegen werden. Die meiner Frau, die meiner Kinder und meine eigene. Und so kam es dann auch.

    Ich zog schnell aus und durchlief meine persönliche Hölle. Vor allem die Trennung von meinen Kinder brachte mich fast um den Verstand. Dabei möchte ich betonen, dass ich der Täter war und meine Frau und Kinder sicher eine noch höllischere Hölle durchliefen als ich. Nur das sie nicht dafür konnten.

    Wenn es jemals in meinen Leben einen Grund zum Saufen gegeben hätte (heute weiß ich das es NIEMALS einen Grund gibt), dann wäre es zu dieser Zeit gewesen. Aber, wie durch ein Wunder, war ich so felsenfest davon überzeugt genau jetzt auifzuhören. Ich wollte einfach nicht mehr. Ich wollte endlich wieder leben, auch wenn ich gerade nur von Schmerz umgeben war.

    Meine erste Anlaufstelle, bereits am ersten nüchternen Abend war eine SHG der AA. Sie wurde in den nächsten Wochen meine täglichhe Anlaufstelle. Hier lernte ich sozusagen erst mal die Basics über meine Krankheit. Dann ging es weiter mit Arzt, Suchtberatung, Psychologe und am Ende war es dann ein Mönch, mit dem ich in ganz vielen Gesprächen den Weg heraus fand. Dieser Mönch half mir im Gegensatz zu den anderen Hilfen die ich hatte, mein größtes Problem zu überwiniden. Ich hatte nämlich extreme Schuldgefühle, die hätten mich fast erdrückt. Und er half mir auch dabei, die Gründe für meine Sucht zu finden, warum das alles zu so einem riesigen Berg an Lügen, Betrügen und damit auch an Problemen angewachsen war.

    Und so konnte ich mich Stück für Stück heraus arbeiten. Ich schrieb es schon, nach ca. 1 Jahr war ich mit dem Gröbsten durch, wobei ich noch längst nicht fertig war. Aber ich hatte wieder ein lebenswertes Leben zurück und konnte neu starten. Auch der Umgang mit meiner damaligen Frau und meinen Kindern war dann wieder einigermaßen geregelt, wobei sich das gergelt hier eher auf die emotionale Ebene bezieht. Ich war ja dann getrennt lebend, sah meine Kinder nur noch am Wochenende und da auch nicht so, wie ich es gerne gehabt hätte. Z. B. ließ mich meine Frau niemals mit den Kindern Auto fahren (zurecht, denn sie konnte ja nicht vertrauen, dass ich nüchtern war). Aber auch meiner Frau in die Augen zu blicken, nach allem was ich ihr angetan hatte, da hatte ich schon viel dran zu arbeiten.

    So, das war jetzt ganz viel von mir und doch nur ein kleiner Ausschnitt meiner Geschichte.

    Nun zu Dir. Du stehst am Anfang. Bitte lass Dich nicht durch Menschen verunsichern, die Dir einreden wollen (meist nicht böse gemeint), dass es so schlimm doch gar nicht sein kann. Du allein weißt, das Du Alkoholikerin bist. Die Mengen sind übrigens auch nicht entscheidend. Entscheidend ist einfach nur, ob man ohne Alkohol klar kommt oder nicht. Und wie es einem dann damit geht.
    Was für mich ganz entscheidend war, war die Aufarbeitung meiner Sucht und meines gesamten Lebens, möchte ich mal sagen. Du hast ja vor eine ambulante Therapie zu machen und Dich um Deinen "Seelenquark" zu kümmern. Ich glaube dieser Seelenquark ist enorm wichtig. Letztlich war es bei mir dieser Mönch, ein wunderbarer und weiser Mann, der sich genau darum gekümmert hat. Natürlich hätte ich mir da gerne vom Psychologen helfen lassen wollen (darum bin ich auch hin), jedoch stimmte da unsere Chemie offenbar nicht. Aber er half mir bei anderen Dingen.
    Was mir dann auch sehr geholfen hat meinen Weg in ein trockenes und vor allem zufriedenes Leben zu gehen, waren intensive Gedanken darüber, wie ich eigentlich leben möchte, wer ich eingentlich sein möchte.

    Als ich begann mich damit auseinander zu setzen hatte ich erst mal das Gefühl oder das Bewusstsein, dass ich diese Fragen noch nie in meinem Leben so klar gestellt hatte. Irgendwie lief es halt, dieses Leben. Alles so wie es "halt" sein soll. Jetzt fragte ich mich: Wer war ich und wer möchte ich sein? Was bedeutet für mich Glück? Was für ein Mensch möchte ich sein, welche Werte sind mir wichtig? Was erwarte ich von meinem (Rest-)Leben eigentlich? Was möchte ich tun, um am Ende dann mal sagen zu können: Es war gut so wie es war?. Solche Fragen habe ich mir gestellt und sie dann auch für mich beantwortet. Und all meine Gedanken und mein Handeln darauf ausgerichtet.

    Leider, vielleicht stellt Du das bei Dir auch fest, kann man während der Trinkerheit manifestierte Verhaltens- und Denkweisen nicht so einfach ausschalten. Also auch nicht, wenn man bereits seit längerer Zeit nicht mehr trinkt. Lügen war für mich z. B. was ganz normales. Ich log ganz besonders immer dann, wenn ich mir damit vermeintlich eine unangenehme Situation ersparen konnte. Und das wollte ich dann auch tun, nachdem ich aufgehört hatte. Ganz automatisch ist das passiert. Und so gab es noch viele andere Dinge, wo ich "nasse Verhaltenweisen" an den Tag legte, obwohl ich gar nicht mehr trank. Ich habe das dann alles per "bewusstes Denken" übersteuert. Also ganz bewusst nicht gelogen. obwohl das der erste Impuls war. Bewusst positiv gedacht, auch wenn meine ersten Gedanken negativ waren, etc. Das war ein sehr langer Prozess und manchmal ertappe ich mich sogar noch heute dabei, dass ich in ein altes Denkmuster verfalle. Aber das meiste, das ich erreichen wollte, konnte ich gut umsetzen.

    So, jetzt habe ich viel geschrieben. Vielleicht sind ja ein paar Anstöße für Dich dabei, vielleicht kannst Du was für Dich heraus nehmen, für Deinen Weg. Vielleicht hast Du aber auch Fragen, dann stelle sie mir einfach. Ich antworte gerne.

    Ich frag jetzt auch noch mal was, was mir sofort spontan in den Kopf kam als ich Deinen ersten Text las: Wie geht es Dir denn mit der Trennung von Deinem Mann und vor allem von Deinen Kindern? Ich frage das deshalb, weil das für mich damals das größte Rückfallriskiko war. Weil's mir so verdammt mies damit ging, vor allem eben wegen meiner Kinder. Und da war es eben für mich ganz extrem wichtig, hier einen Weg zu finden, mit diesen Gefühlen richtig umgehen zu können. Ich glaube das war bei mir absolut zentral, hätte ich diesen Weg (besagter Mönch) nicht gefunden, ich weiß nicht wie lange es gut gegangen wäre oder ob es gut gegangen wäre.

    So, jetzt reicht's aber mal. Alles alles Gute wünsche ich Dir und viele gute "Gespräche" hier im Forum.

    LG
    gerchla

  • Ich danke dir Greenfox für den ausführlichen Text! Ich habe eben auch erkannt, ohne Alkohol macht das Leben mehr Spaß, ich koche mir Tee und lese ein Buch, oder bastle etwas...

    Nungut, um auf die Frage von @Wodka1964 (die ja völlig berechtigt ist) auf das Thema der damaligen Situation zu kommen.... Natürlich hätte ich damals gegensteuern können, ich war aber vorher schon nicht zufrieden und hatte schon eine gescheiterte Ehetherapie hinter mir. Wollte mir aber mein Leben und meine Ehe immer glücklich reden. Wieso, weshalb warum finde ich ist hier nicht relevant und schon gar nicht möchte hier meinem ExMann, weder der "Affäre" noch sonst wem die Schuld geben.
    Ich bin hier, um an mir zu arbeiten und wieder zu mir zu fieden und das alles ohne Alkohol und natürlich auch für meine Kinder. ABER: meine Kinder brauchen weder eine vorgegaukelte Familie, noch eine Mutter mit Alkoholproblem. Mir ist ganz klar bewusst, ich stehe vor einem langen (wahrscheinlich auch) steinigen Weg! Wo dieser hinführt weiß ich nicht...

    Gerchla , du hast jetzt grade geschrieben als ich selbst am tippeln war, deshalb erstmal lieben lieben Dank!!! Ich heule wie ein Schlosshund und möchte mir das nochmal ganz in Ruhe durchlesen, allerdings liegt es mir viel daran die letzte Frage zu beantworten und tatsächlich muss ich sagen (und ich könnte laut schreien bei dem Gedanken) ich war in den 6 Wochen jetzt am Ende wieder häufiger in "unserem" Haus und bei den Kindern und das ist für mich der allergrößte Stressgedanke... Jedesmal wenn ich aus der Haustüre raushehe, habe ich die Notfallnummer (die ich schon abgespeichert hab) geöffnet, sonst würde ich 10 Minuten später am Kiosk stehen... Mir drückt es die Luft ab, jede einzelne Minute in diesem Haus und ich fühle mich so schlecht bei dem Gedanken :(

    Ich muss jetzt aber erstmal den Laptop anwerfen, weil vom Handy ist es schwer zu schreiben.

  • Hallo Schnurzelchen

    Du hast Anfangs geschrieben, dass du aus deiner damals noch intakten Ehe ausbrechen wolltest. Deshalb meine Frage. Denn aus einer intakten Ehe bricht Frau nicht einfach so aus.
    Sorry, du bist hier weil du Unterstützung im abstinent bleiben brauchst. Den Rest machen die Therapeuten, da hat Greenfox Recht.

    Nix für ungut Schnurzelchen...klingt sooo süß:)

    Gruß von Emilie

  • Hallo Schnurzelchen,

    wie geht es Dir denn gerade? Ich mache mir gerade Sorgen darüber, dass Dich meine Frage aus der Bahn geworfen haben könnte. Das wollte ich ganz sicher nicht, ich wollte das einfach thematisieren, weil ich damals die Erfahrung gemacht habe, das mich genau dieses Thematisieren damals wohl "gerettet" hat. Ich hatte ein paar Menschen um mich, mit denen ich über diese Gefühle sprechen konnte. Das waren ganz unterschiedliche Menschen. Ein sehr guter Freund z. B. aber eben auch besagter Mönch. Es war natürlich nicht einfach darüber zu sprechen, jedoch war es immer befreiend. Ich weiß nicht was passiert wäre, wenn ich das alles immer nur mit mir alleine ausgemacht hätte.

    Ich war damals zwar ganz fest entschlossen nie mehr zu trinken und ich kam auch tatsächlich niemals ins Wanken, aber das lag m. E. daran, dass von Anfang an immer geredet habe. Mir half das enorm.

    Ich kann bei Dir jetzt nicht so ganz heraus lesen, wie Deine Situation genau ist. Du lebst bei Deinen Eltern, kannst Du mit ihnen darüber sprechen? Ich hätte dieses Thema mit meinen sicher nicht besprechen können. Sie wollten noch nicht mal was von meinier Sucht wissen, die ich ihnen selbstverständlch gebeichtet hatte. Sie konnten und können bis heute nur schwer damit umgehen. Vielleicht geben sie sich selbst auch eine Mitschuld daran, ich weiß es nicht. Aber, ein Grund warum ich da hineingeraten bin, war eben genau dieses Verhalten, dass ich ja von klein auf so erlernt habe: Probleme gibt es nicht und wenn, dann spricht man nicht darüber.

    Wenn Du möchtest, dann schreib doch ein wenig über Deinen Alltag, über Deine aktuelle Situation. Welche Menschen Du an Deiner Seite hast, wer Dir aktuell hilft. Also jetzt, bevor Du Dich dann in professionelle Hände begibst. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass es gut für mich war, beide Seiten immer zu beachten und auch zu hinterfragen. Also einerseits die Profis, wie z. B. Psychologen, andererseits aber (bezogen auf die gleichen Problematiken) z. B. meinen Freund. Teilweise waren hier die Ansichten total konträr. Und ich konnte mir dadurch aber besser eine eigene Meinung bilden.

    Ich möchte nochmal auf das eingehen,was Du bezüglich "Deines Hauses" geschrieben hast, also auf das hier:

    Zitat

    Jedesmal wenn ich aus der Haustüre raushehe, habe ich die Notfallnummer (die ich schon abgespeichert hab) geöffnet, sonst würde ich 10 Minuten später am Kiosk stehen... Mir drückt es die Luft ab, jede einzelne Minute in diesem Haus und ich fühle mich so schlecht bei dem Gedanken :(


    Weißt Du, in meiner Geschichte war ja ich damals derjenige, der sich dazu entschieden hatte zu gehen. Ich tat das, weil ich mir ganz sicher war (und auch heute noch bin), dass ich es nicht dauerhaft geschafft hätte trocken zu bleiben, wenn ich weiterhin mit meiner damaligen Frau zusammen gelebt hätte. Wie gesagt, sie hätte mir diese Chance ja gegeben. Ich wusste aber, so schlimm meine Entscheidung auch für alle Beteiligten war, es gab etwas das sicher noch schlimmer gewesen wäre: nämlich wenn ich wieder getrunken hätte! Denn dann, da bin ich sicher, wäre es bis zum bitteren Ende gegangen. Und meine Familie hätte damit mit in den Abgrund gerissen.

    Jetzt aber zu Deinen Gefühlen, wenn Du in Dein altes Heim zurück kehrst. Ich kenne diese Gefühle, ich kenne sie sehr gut. Einerseits hatte ich eine mega Sehnsucht nach meinen Kindern, andererseits eine riesige Angst sie zu sehen und auch meiner Frau unter die Augen treten zu müssen. Ich war bei diesen Treffen, besonders in den ersten Wochen und Monaten, teilweise wie ferngesteuert. Und heute erscheint mir diese Anfangszeit wie im Nebel. Ich frage mich immer wieder mal, wie ich das damals alles überhaupt gemacht habe, wie ich das aushalten konnte. Wobei ich ja eigentlich genau weiß, was ich gemacht habe.

    Dieser Zwiespalt, dieses Haus zu betreten, das ja mein Zuhause war, in mein gewohntes Umfeld zu kommen und mich gleichzeitig als Fremdkörper zu fühlen, der war sehr schlimm. Auch das spüren all der Verzweiflung und der Ängste meiner Kinder und auch meiner Frau und das Wissen, das ich allein für diesen ganzen Mist verantwortlich war. Damit musste ich lernen umzugehen, unbedingt. Mir war klar, das wird ein Schlüssel sein um zurück in ein lebenswertes Leben zu finden. Was mir half waren besagte Gespräche und im ganz Praktischen, wenn ich mit meinen Kindern nicht im alten Umfeld geblieben bin, sondern irgendwas unternommen habe. Weg nur weg von diesem Haus. Nun durfte ich ja nicht mit ihnen Auto fahren, aber es gab glücklicherweise auch einen Zug, so dass wir schon ein wenig mobil waren. Sie dann an der Haustüre wieder "abzugeben" war deutlich leichter als die Zeit mit ihnen im Haus zu verbringen.

    Ich habe dann etwas später auch Spaziergänge mit meiner damailgen Frau gemacht. Um zu reden, eben auch außerhalb des Hauses. Diese Spaziergänge waren lange vorher besprochen und eine enorme Belastung für mich. Aber sie waren wichtig, denn wir haben da elementare Dinge geklärt. Natürlich ist man geneigt, also ich zumindest, solchen Gesprächen aus den Weg zu gehen, sie zu verschieben etc. Aber das ist m. E. falsch, denn damit vertagt man nur, man löst nichts. Ich weiß nicht, wie Dein Verhältnis zu Deinem Mann ist. Es scheint ja so, dass Eure Ehe bereits vor der Beziehung zu diesem anderen Mann im Eimer war. Naja, wenn alles passt ist die Gefahr, dass man nach jemand oder etwas anderen sucht normal auch nicht groß bzw. nicht vorhanden.

    Noch eine Frage von mir, die keine einfach sein wird: Warum sind die Kinder bei ihm? Wolltest Du das so? Habt ihr das so vereinbart? Und wie geht es Dir damit? Ich frage das nicht aus einem männlichen, althergebrachten Rollenverständnis heraus sondern weil ich weiß, dass z. B. meine Kinder sicher lieber bei der Mama geblieben wären als bei mir. Auch unabhängig von der Sucht. Wie dem auch sei, wichtig ist m. E. wie es Dir damit geht und wie Du damit umgehen bzw. klar kommen kannst. Ggf solltest Du Dir auch hierzu unbedingt Hilfe holen, jemanden an Deiner Seite haben, der Dich hier stützen kann, mit dem Du reden kannst.

    Und eines möchte ich Dir noch sagen, aus meiner persönlichen Erfahrung heraus. Je länger Du jetzt ohne Alkohol lebst und wenn Du entsprechend aufarbeitest und an Dir arbeitest, umso heller wird es am Horizont wieder werden. Glaube mir das. Ich brauchte lange, sehr lange um wieder Vertrauen zurück gewinnen zu können. Sowohl bei meinen Kindern als auch bei meiner jetzigen Ex-Frau. Aber irgendwann spürten sie, dass da langam ein anderer Mensch war. Das ich nicht mehr derjenige war, der ich all die Jahre gewesen bin. Ich bin heute sehr glücklich und wir haben tatsächlich sowas wie eine sehr gut funktionierende Patchworkfamily (wobei ich dieses Wort eigentlich gar nicht mag, mir fällt nur nix besseres ein). Ich habe ein gutes Verhältnis zu meiner Ex-Frau und helfe und unterstütze sie auch, wenn ich kann und meine Kinder haben eine prima Beziehung zu meiner jetzigen Frau. Das dauert alles einen Moment, aber es ist erreichbar. Aber nur, und das ist ganz klar und elementar, ohne Alkohol! Wobei ich auch zugeben muss, dass das Verhalten Deines (Ex-)Mannes natürlich auch eine wichtige Rolle dabei spielen wird und ich bin meiner Ex-Frau für ihr Verhalten unendlich dankbar.

    So, wieder viel Text. Vielleicht hilft Dir ja das ein oder andere weiter. Ansonsten: schreib einfach, was Dich belastet. Vielleicht können wir Dir hier helfen mit unseren Erfahrungen.

    LG
    Gerchla

  • Guten Morgen in die Runde :)

    Gerchla ich möchte mich ganz aufrichtig für die lieben Worte bedanken und mich für meine Reaktionsgeschwindigkeit entschuldigen. Da ich durch das pendeln im Moment ständig kurz angebunden bin, versuche ich trotzdem mir zwischendurch Zeit zunehmen. Für mich. Zum durchatmen. Ich versuche 2 mal am Tag eine große Runde spazieren zu gehen.

    So, jetzt versuche ich mal ein paar Zeilen zu verfassen.
    Genau, ich lebe im Moment bei meinen Eltern und meiner Schwester, knapp 40 Kilometer von "meinem" zuhause entfernt. Wäre natürlich mit Führerschein etwas einfacher, aber den hab ich ja nun versemmelt. Also bin ich täglich mindestens 4 Stunden mit Bus und Bahn unterwegs, was mir aber erstaunlicherweise total gut tut.

    Nun, meine Eltern verstehen nur bedingt was mit mir los ist... Sie erklären zwar niemanden für schuldig, aber ihnen tun die Kinder und mein "Mann" leid. Und genau das ist der knackende Punkt. Eigentlich. Immer und immer wieder über Jahre und Jahre hieß es die armen Kinder, der arme Ehemann und und und. Ich hatte aber das Gefühl nach mir fragt keiner. Ich muss funktionieren. Als Ehefrau, Mutter, Putzfrau, Köchin, Krankenschwester, Psychologin, Nachhilfehrerin... Tag für Tag 24 Stunden lang 7 Tage die Woche. Im Alltag, im Urlaub. Verstehst du/ihr? Irgendwann ist dieses Gerüst mit mir eingebrochen.

    Mir tut die Distanz zu meinen Kindern natürlich sehr sehr weh, ich versuche viel mit ihnen zu sprechen, ich glaube mein Sohn leidet sehr. Jetzt der nächste Punkt. Ich vermisse meine Kinder unendlich, ja. Aber ich vermisse weder meinen Mann, noch dieses Zuhause. Ich genieße es abends noch 30 Minuten spazieren zu gehen, bevor ich mich mit meinem Tee und einem Buch hinsetzte und den Tag ausklingen lasse. Vor 8 Wochen hätte ich mich, sobald die Kinder im sind, mit einer Flasche Wein auf die Couch gesetzt und gehofft das das Schweigen bald ein Ende hat, er mich bloß in Ruhe lässt und ich ins Bett gehen kann.

    Mein Alltag ist im Moment natürlich durch die pendelei viel anstrengender als vorher, aber ich bin nicht den ganzen Tag allein. Ich treffe mich viel mit meiner Schwester und Nähe zu meiner Familie tut mir gut. Das hat mir gefehlt. Nicht falsch verstehen, meine Svhwiegereltern haben mich aufgenommen wie eine Tochter, aber es drehte sich immer viel um seine Familie, weil wir einfach beisammen wohnten.

    Die Kinder sind bei ihm, weil sie dort zur Schule gehen und es für mich im Moment nicht in Frage gekommen wäre im Haus zu bleiben. Was hätte ich sagen sollen nach allem was passiert ist? Ich trenne mich, aber du musst gehen!? Zumal für mich ja im Moment erstmal im Vordergrund steht mit mir selbst wieder gut zu werden und erst dann kann ich auch wieder einen klaren Kopf für andere Sachen haben.

    Am Dienstag habe ich ein Termin beim Arzt um nochmal ein paar Therapie Varianten zu besprechen.

    So weit erstmal. Ich schreibe wahrscheinlich etwas wirr, bitte verteiht mir das.

    Herzliche Grüße
    Schnurzelchen

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