Mutter seit 20 Jahren alkoholkrank

  • Hallo Zusammen,

    Ich habe mich nun auch einmal angemeldet um meine Geschichte mit euch zu teilen.

    Bei mir fing alles an als ich ungefähr 6Jahre alt war. Jedenfalls ist meine früheste Erinnerung aus der Zeit. Jetzt bin ich 26 Jahre alt und muss sagen es wird eher immer schlimmer als das es besser wird.

    Meine Mutter kommt aus einer Großstadt und ist damals vor meiner Geburt mit meinem Vater zusammen auf ein kleines Dorf gezogen. Mein Vater selber ist ein total schwieriger Mensch der extrem viel Aufmerksamkeit sucht und naja, einen Hang zum Choleriker hat. Ich denke, dass das und auch die Einsamkeit eine Menge dazu beigetragen haben das meine Mutter mit dem Trinken angefangen hat.

    Meine Kindheit war geprägt von unzähligen Situationen in denen meine Mutter betrunken war und mein Vater sie dann aus Aggressivität dafür schlug und körperlich misshandelte. Auch mir tat er das an (zumindest bis zu dem Alter wo ich mich dann wehren konnte).
    Mit 15 fingen dann Krankenhausaufenthalte, Delirien (grüne Männchen und Fruchtfliegen etc.) und Entzüge an. Insgesamt war sie 7x auf einer geschlossenen Station, hatte 3 Bauchspeicheldrüsenentzündungen und zwei Aufenthalte auf Intensivstationen aufgrund von Krampfanfällen und Natrium- Kaliummangel. Die letzten beiden Male habe ich ihr das Leben gerettet. Das letzte Mal ist jetzt ca 2 Wochen her. Sie war nicht mehr ansprechbar und ich fand sie in ihrem Schlafzimmer zwar wach aber nicht mehr ansprechbar. Man muss dazu sagen, dass sie seit Mitte letzten Jahr alleine wohnt weil meine Eltern sich scheiden ließen.

    Nachdem letzten Krankenhausaufenthalt entließ sich meine Mutter selber weil sie der Meinung war sie müsse nach Hause, da würde sie eher gesund werden. Das Krankenhaus rief mich an und sagte sie sei immer noch in Lebensgefahr, da sie Immernoch Kaliummangel, eine Lungenentzündung, eine Zwerchfellentzündung und innere Blutungen hat. Ich weiß, dass sie das im Endeffekt nur tat um wieder zu trinken.

    Sie hat keine Freunde mehr, keine Familie und mein Vater wälzt Immernoch alles auf mich ab und meint ich wäre verantwortlich. Seitdem sie sich jedoch selber entlassen hat habe ich den Kontakt zu ihr abgebrochen weil ich einfach nicht mehr konnte. Mein Verlobter und ich haben uns das vergangene Wochenende um die Ohren geschlagen (kaum Schlaf, kaum Essen) weil wir dachten, jederzeit müssen wir los und bestellen am Besten direkt den Bestatter dort hin. Ich kann es einfach nicht mehr!

    Man muss dazu sagen, ich selber leide seitdem ich 18 Jahre alt bin unter immer wiederkehrenden Panikattacken, gehe damit aber schon seit Jahren zur ambulanten Therapie. Woher das Ganze rührt brauch ich euch ja nicht zu sagen...
    Wir wollten kommenden Montag auch mal eine Selbsthilfegruppe für Angehörige besuchen in der Hoffnung Menschen kennen zu lernen, die das Selbe Problem haben. (Leider bin ich auch Einzelkind, sodass ich nie wirklich die Möglichkeit hatte mich mit anderen Menschen auszutauschen)

    Wie würdet ihr handeln?
    Es ist einfach so schwierig, wenn man immer die Verantwortung hatte, sie von heute auf morgen abzulegen. Ich habe so eine Angst das sie stirbt und ich sie mal nicht schnell genug finde, besonders dann, wenn ich den Kontakt jetzt komplett abbreche... aber so kann ich einfach nicht weiter machen!
    Und dann noch mein Vater, der ständig an mir rum meckert das ich stark sein soll und ihr doch helfen muss. (Tue ich aber schon seit frühester Kindheit!)


    Danke für eure Zeit. Ich freue mich auf eure Antworten! :)

  • Guten Tag, Laura,

    ich schreibe nicht als Angehöriger eines Alkoholikers, sondern ich bin selbst Alkoholiker. Aus vielen Meetings bei den Anonymen Alkoholikern (AA) kommt mir die Geschichte deiner Mutter so bekannt vor, als hätte ich sie erst gestern von jemand anderem gehört.
    Bei den AA gibt’s die Angehörigengruppe, die heißt Al-Anon und ist ausschließlich für eben Angehörige von Alkoholikern. Versuche doch einmal herauszufinden, ob es so etwas in deiner Stadt oder in der Nähe deines Wohnortes auch gibt. Das kann ich empfehlen. Und natürlich jede andere Gruppe oder jede andere Möglichkeit mit anderen, die dein Problem teilen, ins Gespräch zu kommen.

    Mein Kopf sagt mir (auf den höre ich in aller Regel): Nichts wie weg aus der Situation! Aber ich weiß, dass die Verbindung zwischen dem trinkenden Alkoholikern und seinen Angehörigen, so tief, so krank und so beschädigend sein kann, dass man da selbst, schon gar nicht ohne Hilfe, rauskommt.

    Positiv sehe ich, dass du den ersten Schritt getan hast und etwas in deinem Leben ändern willst. Nach meiner Erfahrung ist eine wichtige Änderung im Leben meistens nur dann möglich, wenns weh tut. Aber genau dann ist es wichtig, etwas zu ändern.

    Viel Glück

    Laurids

  • Hallo Laurids,

    Erstmal vielen, lieben Dank für deine Antwort.

    Zu genau so einer Al- Anon Gruppe wollte ich kommenden Montag gehen.
    Ich war noch nie in einer Selbsthilfegruppe, weiß aber das Reden sehr helfen kann vor allen Dingen mit Menschen die mein „Problem“ teilen...

    Es ist einfach so unglaublich verletzend und traurig, ein Gefühl das man seinem ärgsten Feind nicht wünscht! Ich hab das Gefühl der Gedanke sie alleine zu lassen zerfrisst mich, eben weil ich es nie anders kannte!
    Ich habe eben immer das Gefühl, unbedingt helfen zu müssen auch wenn nur ein Funke Chance oder Hoffnung bei dem Ganzen ist. Einen Menschen los zu lassen und aufzugeben ist ein schreckliches Gefühl, vor allem wenn es die eigene Mutter ist!

    Ich hatte sie nach dem letzten Krankenhausaufenthalt und ihrer eigenen Entlassung darum angebettelt, hab gefleht das sie sich helfen lassen soll, hab gesagt ich sei doch ihr Kind und sie gefragt wie ich damit leben soll wenn sie jetzt stirbt und das sie sich helfen lassen soll weil ich so nicht weiter machen kann. Das ich will das sie ihre Enkel einmal kennen lernt usw ....
    Ihre einzige Reaktion war, sie geht nach Hause. (Um zu saufen - AHHhHH das macht mich sooo wütend!!!!!)

    Die ersten Tage habe ich ständig auf ihren WhatsApp Status geguckt und wenn sie mal längere Zeit nicht online war bin ich fast durchgedreht aus lauter sorge es wäre jetzt soweit...

    Ich weiß jeder Mensch ist anders aber vielleicht warst du mal in einer ähnlichen Situation...
    Merkt man selber gar nicht mehr wie nah man dem Tod ist und das alle anderen, vor allem ich, nur das Beste fÜr sie wollen?

    Liebe Grüße,
    Laura

  • Hallo, Laura, und auch von mir ein HERZLICHES WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Auch ich bin Alkoholiker, seit einigen Jahren trocken und in der Selbsthilfe für Betroffene aktiv.

    Mir kommt Deine Geschichte auch sehr vertraut :-[ vor: sowohl aus diversen Gesprächen als auch hier aus dem Forum.

    Leider gibt es zwar sehr viele (Selbst)Hilfeangebote für uns Betroffene, aber für Angehörige ist mir tatsächlich nur Al-Anon bzw. Alateen (für Jugendliche) bekannt.
    Aber schau doch auch mal in unsere Linksammlung - vielleicht findest Du dort ja auch noch für Dich interessante und hilfreiche Links.

    Aus meiner Sicht (eines Betroffenen) war der Schritt des Kontaktabbruchs zu Deiner Mutter - auch wenn es hart klingt und ist - der einzig Richtige! Denn sie ist für ihr Leben selbst verantwortlich - so wie Du für Deines! Denn wenn Du Dich weiter an sie "hängst" und ihr (vergeblich) versuchst zu helfen, wird sie Dich ebenfalls "mit in den Abgrund" ziehen und Dein/Euer Leben zerstören.

    So eine Selbsthilfegruppe für Angehörige oder - wenn es in Deiner Nähe keine geben sollte - der Austausch in einem Forum wie unserem ist/kann ebenso wie für uns Betroffene eine große Hilfe sein: Man merkt, dass man selbst nicht der Einzige mit diesen/solchen Problemen ist, man erhält auf Grund der Erfahrungsberichte anderer mögliche Lösungsansätze für bestimmte Probleme ... aber auch Zuspruch, Trost. Denn natürlich werden sich nicht alle Probleme problemlos lösen lassen. Manche auch gar nicht.

    Ihre einzige Reaktion war, sie geht nach Hause. (Um zu saufen - AHHhHH das macht mich sooo wütend!!!!!)

    Sorry - aber das ist nunmal die Krankheit, die Sucht.

    In erster Linie musst Du für Dich sorgen. Und wenn DANN noch etwas Kraft übrig ist, kannst Du auch versuchen, anderen zu helfen. Dies aber nur, wenn die Hilfe auch angebracht ist. Denn wenn z.Bsp. Deine Mutter die Hilfe gar nicht will (sondern nur weitersaufen will) - dann wären/sind Deine Anstrengungen gleich erfolgreich, wie Sonnenlicht in Eimern in einen dunklen Keller bringen zu wollen.

    Und was Deinen Vater angeht: Ich hatte in meiner Jugend ein ähnliches Problem (allerdings nicht wegen Alk) und habe schnell gemerkt, dass ich ZWEI Ohren habe - Eingang und Ausgang. "Ja, Du hast recht - und ich meine Ruhe!" Mittlerweile habe ich zu meiner Mutter wieder ein sehr gutes Verhältnis ;)

    Auf jeden Fall wünsche ich Dir ganz viel Kraft - und hier einen guten, fruchtbaren Austausch!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Laura,

    zuerst einmal Herzlich Willkommen hier im Forum.
    Zu mir ich bin 53 Jahre und Alkoholikerin, die Besonderheit ist, das ich auch eine trinkende Mutter habe und wie du, in einer Sucht Familie aufgewachsen bin.
    Alles was du mit deiner Mutter erlebt hast kenne ich nur zu gut, es hat mich an manche schlimme Situation mit ihr erinnert.
    Als ich selber vor 24 Jahren aufhörte zu trinken, habe ich alles versucht auch sie trocken zu bekommen.
    Doch das funktionierte überhaupt nicht.
    Meine Mutter wollte immer trinken,es schien mir fast wie von ihr gewünscht.
    Wie oft hat sie mir gesagt das es ihre Sache ist ob und wann sie trinkt, ja sie hat mir immer ein schlechtes Gewissen gemacht, so das ich mich irgendwann zurück zog mit dem Thema Alkohol.
    Nun bin ich deutlich älter wie du und ich denke das spielt auch eine Rolle im Umgang mit trinkenden Angehörigen.
    Irgendwann so vor ca 10 Jahren habe ich verstanden das es keinen Sinn macht unser Verhältnis wegen der Trinkerei zu zerstören,es führe ja doch zu nichts.
    Ich entschied es komplett ihr zu überlassen ob und wann sie trinkt, mit dem Gefühl das es ihr mit dem Alkohol aus ihrer Sicht besser geht als ohne und es geht ja um ihre Sicht.
    Das ist erst einmal schwer nachzuvollziehen für Außenstehende, aber die Entscheidung die meine Mutter getroffen hat anzunehmen hat mir geholfen gelassener damit umzugehen.
    Ich weiß, da ich selber Alkoholikerin bin das meine Mutter nicht hilflos ist, nein sie hat sich entschieden , also ihr Leben so zu führen.
    Die Verantwortung trägt alleine meine Mutter.
    Damals als kleines Kind habe ich unter der Situation gelitten sie hat mir durch ihre Entscheidung zum Trinken großen Schaden zugefügt,
    auch dafür ist sie verantwortlich.
    Denke mal darüber nach ob dir die Sucht deiner Mutter nicht schon genug geschadet hat?
    Wir sind versöhnt ich mache ihr keine Vorwürfe und Vorhaltungen mehr, fühle mich aber auch frei von Verantwortung ihr gegenüber.

    Hoffe du findest gute Ideen hier im Forum.
    Es Grüßt die
    Birgit

  • Hallo Greenfox, hallo Birgit,

    Erstmal einen lieben Dank für eure Antworten.
    Es tut einfach sehr gut verstanden zu werden und sich austauschen zu können.

    Greenfox : bezüglich der Al Anon Selbsthilfegruppe habe ich direkt in meinem Wohnort eine gefunden und werde da auch am Montag mal hin gehen. Ich denke es hilft sich dann auch mal persönlich auszutauschen.

    Das mit dem Sonnenlicht in Eimern fand ich einen super Vergleich weil es sich eben genauso anfühlt. Ich frage mich nur ständig wann der Punkt überschritten war an dem sie „noch zu retten war“. (Auch wenn mir die Antwort auch nicht weiter hilft)
    Was meinen Vater angeht hast du auch vollkommen Recht. Er ist und bleibt einfach einer der größten Egoisten dieses Planeten der sich und seine Bedürfnisse über die von allen anderen stellt.
    Die ganze Kombi macht einfach das schwierige an dem Ganzen aus. Ich denke einfach, wenn ich in der Situation wenigstens einen „normalen“ Vater hätte...
    Freut mich aber das du wieder ein gutes Verhältnis zu deiner Mutter hast.
    Hast du den Kontakt zu deinem Vater denn komplett abgebrochen?


    @Birgit:
    Wie kam das denn bei dir? Wenn ich richtig rechne hast du mit 29 Jahren aufgehört zu trinken...
    wie lange hast du denn vorher getrunken und bist du seither trocken?
    Ich muss sagen das ich absolut null Alkohol trinke, Selbst an Geburtstagen oder Feiern lasse ich die Finger davon. Zu groß ist die Angst, dass es mir irgendwann genauso ergeht wie ihr und ich meinem Körper das selbe antue wie sie es ihrem an tut. Aber auch da gibt es wohl nur zwei Extreme wenn man in solchen Verhältnissen aufwächst.

    Mir scheint es genauso, ich habe das Gefühl sie will unbedingt trinken und lässt sich dabei von nichts und niemandem davon abhalten oder aufhalten...

    Kann gut verstehen was du meinst, wenn du sagst das du keinen Sinn darin siehst das Verhältnis zu zerstören wegen der Trinkerei. Ich habe lange Zeit selber so gedacht. Ich habe mir eingeredet, dass ich gerne mit ihr zusammen bin wenn sie nüchtern ist und diese Zeit auch genieße und in der anderen Zeit, in der sie trinkt, ich den Abstand wahre und mich distanziere. Aber das funktioniert natürlich nur begrenzt denn je länger die „Nüchternphasen“ andauern, desto größer wird die Hoffnung das sie alleine davon weg kommt und desto tiefer wurde der Fall als sie dann wieder getrunken hat.
    Aber der ausschlaggebende Punkt sind wohl wirklich die Situationen sie so zu sehen und jedes Mal wieder ins Krankenhaus (oder in die Psychiatrie) einweisen zu lassen.. Das macht einfach was mit einem. Was, wozu meine Kraft nicht mehr ausreicht.
    Ich kann mir auch nicht sagen, dass gehört eben zu ihr dazu, mit dem Wissen das sie das in den Tod bringen wird... Es ist einfach so verletzend, so machtlos zu sein diesem Schei*** Zeig gegenüber!!!

    Meine größte Angst momentan ist es aber das sie, aufgrund der inneren Blutungen usw jetzt stirbt. Genau jetzt, wo ich zum ersten Mal versuche für mich da zu sein und nur für mich Verantwortung zu haben. Ich habe Angst das sie stirbt und ich mir das vorwerfe.... ;(


    Danke für eure Hilfe!


  • Greenfox :
    Freut mich aber das du wieder ein gutes Verhältnis zu deiner Mutter hast.
    Hast du den Kontakt zu deinem Vater denn komplett abgebrochen?

    Ooops - nicht, dass da was in den falschen Hals kommt: Mit meinem Vater hatte ich nie Probleme! Und die Probleme mit meiner Mutter hatten absolut nix mit Alk zu tun. Bei ihr waren aber Ratschläge immer eher wie RatSCHLÄGE: Wehe, Du befolgst sie nicht!
    Ich habe dann einfach auf Durchzug gestellt. Und als es zu arg wurde und sie sich (wie eine klischeehafte Schwiegermutter) auch in meine Ehe eingemischt hat, habe ich mal in Form eines klärenden Briefes "auf den Tisch gehauen". Und nu is wieder gut :D

    Wünsche noch ein schönes Wochenende :sun:

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • @Laura

    Ab einem gewissen Zeitpunkt merkt man nichts anders mehr, als den Wunsch zu trinken, zu trinken, zu trinken. Alle andere tritt in den Hintergrund. Das ist nun mal der Charakter von Sucht.

    Mir hätte eine Psychoanalyse z.B. nicht geholfen oder eine Gesprächstherapie. Ich schätze mich glücklich, bei den AA gelandet zu sein. Dort sitzen die Profis, die wissen, wann ich lüge und mich selbst bescheiße. Ich war und bin dort genau richtig.
    Ich denke in einer anderen Form trifft das auch für die Al-Anon Gruppen zu. Ich wünsche dir, dass du hingehst und dran bleibst!

    Laurids

  • Zitat von "Greenfox"

    Leider gibt es zwar sehr viele (Selbst)Hilfeangebote für uns Betroffene, aber für Angehörige ist mir tatsächlich nur Al-Anon bzw. Alateen (für Jugendliche) bekannt.

    Das überrascht mich jetzt sehr. Immerhin bieten auch alle anderen Suchtselbsthilfeorganisationen (Kreuzbund, Blaues Kreuz, Freundeskreise, usw.) schon lange Angehörigengruppen oder auch gemischte Gruppen an.

  • Zitat von "Laurids"

    Mir hätte eine Psychoanalyse z.B. nicht geholfen oder eine Gesprächstherapie. Ich schätze mich glücklich, bei den AA gelandet zu sein. Dort sitzen die Profis, die wissen, wann ich lüge und mich selbst bescheiße. Ich war und bin dort genau richtig.
    Ich denke in einer anderen Form trifft das auch für die Al-Anon Gruppen zu.

    Ich denke, dass Co-Abhängigkeit, wie man in sie hineingerutscht ist, genauso wie man aus ihr herauskommen kann, genauso individuell ist, wie die ganze persönliche Verwicklungen in der Sucht.
    Kein Weg hat Anspruch auf Allgemeingültigkeit.
    "Profis" gibt es natürlich unter den Therapeuten und Psychologen in jedem Fall. Viele haben sich auf die Suchterkrankung spezialisiert. Leider wenige auf die Behandlung von Co-Abhängigkeit. Aber die Suchtberatungen bieten auch für Co-Abhängige ambulante Therapie an.
    "Profis" gibt es natürlich auch unter den Betroffenen. Ich glaube aber, dass es bei den Betroffenen genauso wie bei den beruflichen Fachleuten genausoviel Nicht-Profis gibt, wie halt überall. ;)

  • Guten Morgen Laura,

    ich bin Alkoholiker, lebe jetzt aber schon mehrere Jahre ohne Alkohol. Ich bin jetzt Ende 40 und lebe ein sehr zufriedenes und glückliches Leben. Während meiner Trinkerzeit war das ganz anders. Besonders die letzten Jahre waren die Hölle und es ist für Aussenstehende, damit meine ich Menschen ohne ein Suchtproblem, nicht nachvollziehbar, weshalb sich das jemand antut. Warum hört der Trinker nicht einfach damit auf. Ok, das es nicht einfach ist, das weiß man ja. Aber warum versucht er es nicht mal? Warum versucht er es nur halbherzig? Warum wird es so schnell wieder schwach, rückfällig? Warum ist nicht einmal die Liebe zum eigenen Kind Grund dafür, diese fürchterliche Sucht zu bekämpfen?

    Ich hatte damals selbst 2 Kinder (heute 3 ;D ) und diese liebte ich über alles. Auch im Suff, ich liebte und liebe sie wirklich über alles. Trotzdem konnte ich nicht mit dem Trinken aufhören. Und, es hätte auch sein können, dass ich mich tot gesoffen hätte. Es war bei mir einfach so, dass irgendwann der Tag kam (und dieser war nicht irgendwie vorher "geplant"), wo ich beschloss: jetzt ist schluss, jetzt mache ich reinen Tisch.

    Ich trank heimlich, meine Familie litt dennoch enorm, denn sie sahen einen Menschen der immer mehr verfiel, der immer kränker wurde und hatten doch keine richtige Erklärung. Mein Charakter wurde immer schlechter, immer mehr Lügerreien und Betrügerein flogen auf. Ich habe meiner Familie sehr viel angetan, was ich nie wieder gut machen kann.

    Ich war eigentlich in einer Situation, aus der ich gar nicht mehr heraus kommen konnte. Es sei denn, ich wäre bereit mit zu outen und alles über mein jahrelang geführtes Doppelleben preis zu geben. Ich wusste, dass das zur Konsequenz haben würde, dass mein bisherigen Leben nicht mehr existent sein würde. Ich wusste, dass ich ein komplett neues Leben beginnen werden müsste, wo absolut nicht klar war, wie das ganze am Ende ausgeht. Und ich wusste, dass meine "Ehre", alles worauf ich so stolz war, dass das nach dem Aufdecken meiner Lügereien, meiner Betrügerein nicht mehr vorhanden sein wird.

    Wenn ich mich oute, dann werde ich ein Mensch sein, der moralisch das allerletzte ist, der sehr viel Schuld auf sich geladen hat, der anderen Menschen massiven Schaden zugefügt hat. Das alles wusste ich und das alles war jahrelang der Grund, weshalb ich mir dachte: Entweder ich schaffe es heimlich aufzuhören, weil ich ja heimlich trinke und niemand bekommt etwas mit oder ich saufe mich zu tode. Letzteres kam mir am Schluss manchmal gar nicht mehr so schlimm vor.....

    Und trotzdem kam dieser Tag. Ich outete mich, und hörte mit dem Trinken auf (natürlich wäre das jetzt eine längere Geschichte, die aber für Deine Situation nicht wichtig ist). Es passierte das, was ich wusste: Alles brach zusammen, ich "verlor" alles - nur weniges konnte ich "retten" - Ich fing ganz neu an.... Und bin dennoch nicht das Opfer sondern der Täter, Mitleid wäre völlig unangebracht. Denn ich war für mich verantwortlich, nur ich, und ich entschied mich zu trinken, niemand hat mich dazu gezwungen.

    Deine Mutter hängt ganz tief im Sumpf, so wie Du schreibst ist wohl schon fast darin versunken. Hoffnung, dass sie (wie ich damals) plötzlich eine Eingebung hat und ihr Leben ernsthaft ändert, darfst Du immer haben, allerdings sollte diese nicht allzu groß sein. Bei mir war das damals so, dass ich einfach nicht mehr konnte. Wenn ich mir aber die Geschichte Deiner Mama ansehe, dann steckt sie viel viel tiefer drin, als ich es jemals tat. Und sie hatte auch schon mehrere Anläufe zum Ausstieg und nun, so scheint es mir, hat sie sich endgültig für's trinken entschieden. Ich glaube nicht, dass sie nicht weiß was sie da tut. Ich glaube nicht, dass sie sich des Risikos, das sie eingeht nicht bewusst ist. Ich denke sie will es so, sie nimmt es bewusst in kauf. Und ihre Liebe zu Dir reicht nicht aus es Dir zuliebe nicht zu tun. Genau wie meine Liebe damals nicht reichte um meiner Kinder willen trocken zu werden.

    Ich finde Brigittes Beitrag für Dich sehr sehr wertvoll!

    Ich möchte noch eines schreiben: Wenn Du nun auf Dich und Dein Leben achtest, was sicher der einzig sinnvolle Weg ist, dann solltest Du Dir aber im klaren darüber sein, wie Du mit dem möglichen Tod Deiner Mutter umgehst. Denn wenn Du Dir dann die Schuld dafür gibst, dass es so gekommen ist, wird Dir nicht geholfen sein. Ich kann Dir hier auch 1.000 mal schreiben, dass Du nicht Schuld bist, an nichts was die Sucht Deiner Mutter betrifft, das wird Dir wahrscheinlich nicht helfen. Das musst Du selbst mit Dir ausmachen. Ich denke, dass Dir andere Betroffene dabei auch eine große Hilfe sein können.

    Es ist alles eine sehr schwierge Situation und ich wünsche Dir ganz ganz viel Kraft sie zu meistern!

    LG
    gerchla

  • Das überrascht mich jetzt sehr. Immerhin bieten auch alle anderen Suchtselbsthilfeorganisationen (Kreuzbund, Blaues Kreuz, Freundeskreise, usw.) schon lange Angehörigengruppen oder auch gemischte Gruppen an.

    Diese Angebote richten sich - ebenso wie bei "meinem" Verein - auch an Angehörige, d.h., diese werden so "nebenbei" betreut.
    Auch bei uns, in meiner Gruppe, sind Angehörige, Freunde und Interessierte gern gesehen und herzlich Willkommen. Allerdings richtet sich unser Hilfsangebot HAUPTSÄCHLICH an Betroffene. Und m.E. bedürfen gerade Angehörige intensiverer Betreuung, auch wenn der Besuch unserer Gruppe/n bestimmt nicht "schadet" ;)

    DAS meinte ich mit meiner Äußerung ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Zitat

    Diese Angebote richten sich - ebenso wie bei "meinem" Verein - auch an Angehörige, d.h., diese werden so "nebenbei" betreut.

    Nein, das ist beim Kreuzbund in meinem Regionalverband nicht so.
    Wir haben sowohl separate Angehörigengruppen, Angehörigenseminare, usw., als auch Gruppen, in denen sowohl Angehörige als auch Suchtkranke vertreten sind.
    Von "nebenbei" kann bei uns keine Rede sein, weil wir die Co-Abhängigkeit als völlig eigenständige Krankheit ansehen.


    Kreuzbund Rottenburg-Stuttgart Angehörige

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