Jedes Wochenende Vollrausch - Wie kontrollierter trinken?

  • Moin Moin, auch ich bin neu an Board hier. :)
    Und zwar mache ich mir nach jedem Wochenende immer Gedanken ob das noch normal ist was wir treiben.
    Bin zwar erst 20 Jahre jung, aber mein Alkoholkonsum am Wochenende läuft meist komplett aus dem Ruder.
    In der Woche trinke ich sehr selten was, jedoch wenn das Wochenende vor der Tür steht übertreibe ich meistens.
    Da geht dann schon mal ne Kiste Bier (Tag) drauf. Mein Problem ist oftmals wenn ich erst angefangen habe, komme ich meistens
    nicht mehr zum Ende ;(
    Zudem kommt noch dazu dass ich meisten die Kontrolle über mich selber verliere und oftmals peinliche Sachen tue.
    Jemand eine Idee wie ich ruhiger werden kann bzw. mal die Kontrolle beim Trinken habe?

    Liebe Grüße

  • Guten Morgen Fabio,

    willkommen im Forum!

    Du bist noch sehr jung, was den Einstieg in die Sucht anbetrifft, und es ist gut, dass Du Dir schon mal Gedanken über Deinen Alkoholkonsum machst.
    Leider fangen so wie bei Dir die meisten Alkoholiker-„Karrieren“ an, und in der Regel dauert es dann noch einige Jahre, bis die Sucht komplett eskaliert.
    Ungefähr in Deinem Alter, also so Anfang 20, war es bei mir auch soweit, dass ich mich meist an den Wochenenden zu jeder sich bietenden Gelegenheit komplett volllaufen ließ. Niemals hätte ich mich damals (es war auch noch eine andere, sehr unaufgeklärte Zeit, was Alkoholismus angeht.) als Alkoholiker betitelt oder betiteln lassen. Ich doch nicht! Ich „vertrug“ halt, was ein „richtiger Mann“ so verträgt.

    Natürlich hatte ich da auch schon längst den Kontrollverlust, ein Merkmal für Sucht. Wenn ich anfing, gab es kein Halten mehr, und die Menge lag gern und mindestens bei Deinem Level.
    Ich weiß nicht, ob mich jemand damals dazu bringen können hätte, meine zumindest beginnende, wahrscheinlich aber bereits manifestierte Sucht zum Stillstand bringen zu wollen. Wahrscheinlich eher nicht, weil ich eben selbst keinerlei Einsicht hatte.
    Zudem in meinem damaligen Freundeskreis auch noch einige waren, die vielleicht nicht ganz so viel, aber trotzdem viel zu viel Alkohol konsumierten.

    In der ganzen Zeit „funktionierte“ ich. Ich hatte meine Schule hinter mir, machte eine gute Ausbildung, danach sogar noch ein Studium, fand eine gut bezahlte Anstellung, gründete eine kleine Familie mit Kind und war nach außen eigentlich der perfekte Ehemann, der für seine Familie sorgte.
    So vergingen fast 10 Jahre in denen meine Sucht immer mehr Raum in meinem Leben einnahm. Irgendwann war die Heimlichkeit dazu gekommen, weil ich meinen Spiegel ständig auffüllen musste, um nicht in den Entzug zu fallen. Alkohol gleich am Morgen nach dem Aufstehen war normal geworden. Nach den ersten 2 – 3 Schnäpsen plus ein- zwei Bier erstmal gründlich kotzen auch. Alkohol war da nicht mehr aus meinem Leben wegzudenken.
    Es wurde mir – wie allen Alkoholikern – ja auch leicht gemacht: Er war überall und immer präsent. Gelegenheiten gab es zu Genüge.

    Mein Körper rebellierte dann irgendwann. Meine Magenschleimhaut war schon längst entzündet, Darmprobleme kamen dazu. An meine Leber dachte ich gar nicht.
    Dann kam der Totalzusammenbruch, und um ein Haar hätte ich „die Biege“ gemacht. Ich kam in die Notaufnahme des Krankenhauses. Die Bauchspeicheldrüse war kurz davor ihren Geist aufzugeben, die Leberwerte waren astronomisch.
    Und ich hatte das für die damalige Zeit große Glück an einen ganz patenten, jungen Arzt zu geraten, der mir die Augen öffnete.
    Da begann dann mein Suchtausstieg. Noch vom Krankenhaus aus ging ich zur Suchtberatung, machte erst in einer Motivationsgruppe mit, bekam dann eine ambulante Therapie und etwa ein Jahr später eine Langzeittherapie. Einer Selbsthilfegruppe hatte ich mich auch angeschlossen, und die Erfahrungen meiner damaligen Gruppenfreunde öffneten mir vollends die Augen, wie kurz ich davor war elendig den Alkoholtod zu sterben.

    Ich habe Dir keine Idee, wie Du über Dein Trinken Kontrolle zurückerhältst, weil ich aus eigener Erfahrung weiß: Wenn ein Trinker einmal Kontrollverluste hatte, dann gibt es meist kein Zurück mehr zu einem moderaten Konsum, weil eben jedes Mal, wenn er Kontakt zum Suchtmittel hat, die Kontrolle wieder verliert.
    Manche meinen dann mit „Kontrolliertem Trinken“ (nach Prof. Körkel) würden sie wieder zurück zu einem normalen Konsum finden, aber nach den vielen Jahren, in denen ich in der Suchtszene bin und viele Verläufe miterlebt habe, weiß ich, dass nur ein verschwindend geringer Prozentsatz das fertigbringt. Kontrollierter Trinken eignet sich nur für sogenannte „Missbraucher“. Für Süchtige gibt es keine Kontrolle mehr.

    Ich habe auch viele erlebt, die so wie Du irgendwann ihren Konsum dann doch für ungewöhnlich fanden und mal ein paar Wochen gar nichts mehr tranken. Das war für sie die Bestätigung, dass sie nicht süchtig wären, und dann irgendwann einmal wieder damit anfangen konnten. Bei den meisten ist es dann wieder genauso eskaliert, wie zum dem Zeitpunkt, als sie schon einmal damit aufgehört hatten.
    Und auch recht viele mussten lange Jahre und viele Erfahrungen, mit immer heftigeren Abstürzen erfahren, bis sie für sich erkannten, dass ihre Sucht bei dem geringsten Kontakt zum Suchtmittel viel stärker war, als alles was sie an Willenskraft und versuchter Kontrolle aufbringen konnten.

    Recht häufig war bis dahin dann alles weg: Freunde, Familie, Arbeitsplatz, Besitz – und vor allem die Gesundheit. Zu diesem Zeitpunkt dann noch auszusteigen ist möglich, aber sehr, sehr schwer.
    Ich wünsche Dir, dass Du das Alles nicht miterleben musst, und vielleicht zu den wenigen jungen, taffen und wachsamen Menschen gehörst, die aus den Erfahrungen alter, erfahrener Alkoholiker, die ihre Sucht zum Stillstand bringen konnten, lernen und sie annehmen können. Dann bleibt Dir ein leidvoller und verlustreicher Lebensweg erspart.

    Wenn Du wirklich Nägel mit Köpfen machen möchtest und genau wissen willst, wo Du bereits stehst, dann empfehle ich Dir einen (auf Wunsch auch völlig anonymen) Besuch bei einer Suchtberatung. Rein informativ und garantiert ohne irgendwelche Zwänge. Niemand der sich mit Sucht auskennt, will Dich in eine Schublade stecken, weil erfahrene Suchtexperten wissen: Wenn ein Betroffener selbst keine Einsicht in seine Sucht hat, dann ist jede Hilfe vergebens.

  • Hallo, Fabio, und HERZLICH WILLKOMMEN hier im Forum :welcome:

    Kurz zu mir: Ich bin m, Ü50, Alkoholiker und seit einigen Jahren trocken.

    Schön, dass Du Dir bereits in Deinen jungen Jahren Gedanken über Deinen Umgang mit dem Alkohol machst. Habe ich damals leider nicht getan :(

    Denn bei mir fing es ähnlich wie bei Dir an: Unter der Woche fast kein Alkohol, dafür aber am WE übertrieben. Und das hat sich im Laufe der Jahre gesteigert - zunächst wurde dann auch in der Woche "ab und zu" mal "etwas" getrunken, bis es dann regelmäßig wurde. Und irgendwann dann täglich.
    Und als mir dies dann bewusst wurde, habe ich natürlich auch versucht, mich etwas runterzuschrauben und

    die Kontrolle beim Trinken

    wiederzuerlangen.

    Allerdings wurde mir diese "Kontrolle" zu anstrengend und dann war 16 Uhr doch schon fast 18 Uhr und 6 Bier sind ja fast 4 Bier und wenn ich heute mal 10 Bier trinke, dann eben morgen keins (Warum eigentlich?? War doch nur ne Ausnahme!) ... Also habe ich es wieder sein lassen und ganz entspannt mein Pensum reingeknallt.

    Okay, soweit ist es bei Dir noch nicht (ganz). Versuch doch einfach mal, einen Monat komplett auf Alkohol zu verzichten - dann wirst Du merken, ob Du schon in eine Abhängigkeit gerutscht bist.

    Wenn nicht (es Dir also keine Probleme bereitet) - gut.
    Außerdem solltest Du Dir überlegen, WARUM Du Dir am Wochenende die Birne vollknallst. Bist Du in einer Clique, die es "uncool" findet, das WE nüchtern zu verbringen und jeden mobbt, der nicht mitsäuft? Oder warum sonst tust Du das? Vielleicht hilft es, sich andere, richtige Freunde zu suchen und/oder sich ein Hobby zuzulegen, um die Freizeit am WE sinnvoll zu verbringen ...

    Ich will damit nichts gegen Deinen Bekannten-/Freundeskreis sagen! Aber oft spielt dieser eine wichtige Rolle ...
    Das sollen nur Denkanstöße gewesen sein!

    Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass Du tatsächlich auf den Weg eines normalen, moderaten Konsums findest und noch nicht in die Abhängigkeit gerutscht bist!

    Gruß
    Greenfox

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Mahlzeit,
    erstmal an jeden Glückwunsch der den Absprung geschafft hat. 44.
    Wieso man trinkt weiß ich oftmals selber nicht genau.
    Ja Problem ist halt schon teilweise mein Umfeld. Es wird zwar keiner gemobbt wenn er nichts trinkt
    aber da gibt es halt noch den gewissen Gruppenzwang. Wochenende ist bei uns immer Action angesagt und etwas mehr Promille
    können ja nicht schaden um die Hemmungen fallen zu lassen. Was mir auch schon selbst aufgefallen ist an meiner Person ist, dass ich unter
    Alkoholeinfluss viel gesprächiger bin wie ohne. Wenn ich nüchtern bin, bin ich eher der zurückhaltende Kerl der nicht so gesprächig ist.

    Macht euch einen schönen Tag bei dem Wetter :clap:

  • Wochenende ist bei uns immer Action angesagt und etwas mehr Promille können ja nicht schaden um die Hemmungen fallen zu lassen.

    Wie Du siehst, kann es sehr wohl schaden ...

    Es rettet uns kein höh’res Wesen,

    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen

    können wir nur selber tun!

  • Hallo Fabio,

    schön, dass Du Dir in Deinem Alter schon Gedanken über Deinen Alkoholkonsum machst. Schade aber, dass Du das tun musst.

    Ich bin Ende 40, Alkoholiker und lebe seit mehreren Jahren ohne Alkohol.

    Meine beiden Vorschreiber haben eigentlich schon alles gesagt. Ich kann dem nur voll zustimmen. Was den Einstieg in die Sucht betrifft, so unterscheide ich mich von den beiden. Die haben das ja ähnlich erlebt wie Du. Ich habe zwar ab und an an den Wochenende etwas mehr getrunken, war auch mal betrunken, das aber relativ selten. Ich habe viele Jahre lang "nur" mein Feierabend-Bier getrunken. Ganz traditionell bayrisch :o
    Und wirklich meist nur das eine Bier, vielleicht ab und an mal ein zweites. Also wenig aber sehr regelmäßig.... So kann man auch recht gut in die Sucht hinein rutschen.

    Was das zurück finden zu kontrolliertem Konsum betrifft: Ich habe das mehrfach versucht - ich habe das auch mal eine Zeit lang durchgehalten. Am Anfang meiner Sucht war es leichter, später wurde es immer schwerer und irgendwann war es nicht mehr möglich. Genauso verhielt es sich mit Trinkpausen. Anfangs konnte ich monatelang pausieren, später mal ein paar Wochen, dann Tage und am Ende war es ein Erfolg, wenn ich mal nur 6 Bier am Tag getrunken habe.

    Ich würde Dir wünschen, dass Du diese Alarmsignale, die Du ja scheinbar selbst wahrgenommen hast, wirklich ernst nimmst. In Deinem Alter schon sein Leben an den Alk zu verschleudern ist mehr als bedauernswert. Ich weiß schon wie schwer es ist, besonders wenn man noch jung ist. Der Freundeskreis, die geilen Partys, das Gemeinschaftsgefühl, einfach dazu gehören usw. Ja, auch ich habe durchaus positive Erinnerungen an Alkohol... Aber, wenn Du süchtig wirst, wird er Dein Leben vernichten. Nicht mehr und nicht weniger.

    Probiers doch einfach mal aus und trinke mal längere Zeit gar nichts. So wie Greenfox es vorschlägt, einfach mal einen Monat nichts trinken. Und schau mal, wie es Dir dabei geht und wie viel Zeit Du damit verbringst an Alkohol zu denken. Ich bin, wenn ich ehrlich bin, der Meinung, dass man bereits zumindest ein Problem mit Alkohohl hat, wenn man beginnt darüber nachzudenken, dass man eines haben könnte. Was aber im Umkehrschluss nicht heißen soll, dass diejenigen die nicht darüber nachdenken keines haben können. Ob Du bereits süchtig bist oder "nur" missbrauch betreibst wird Dir so einfach niemand sagen können. Deshalb: versuch einfach mal längere Zeit keinen Alkohol zu trinken und schau wie es Dir damit geht. Besonders der von Dir beschriebene Kontrollverlust wenn Du trinkst sollte Dir schon zu denken geben. Kontrollverlust ist eines der Anzeichen für eine Sucht...

    Ich wünsche Dir alles Gute und eine hoffentlich nicht süchtige Zukunft!

    LG
    gerchla

  • Hallo Fabio,

    bist Du noch da?

    Wie wäre es mit einer kleinen Challenge? 8)

    Jetzt gehst Du morgen, am Samstag, mal mit Deinen Kumpels aus und bestellst nur Alkoholfreies. Wann hast Du das das letzte Mal getan? Wenn Deine Freunde nachfragen, sag Du machst einen Test.

    Und dann schau mal, was passiert:
    Wie verhalten sich die anderen mit steigendem Pegel? Wie verhältst DU Dich? Wie geht es Dir an diesem Abend und in der Nacht? Und wie geht es Dir dann Sonntag Morgen, wenn Du aufstehst? Sei neugierig auf dieses Experiment und dann erzähle uns von Deinen Erlebnissen, wenn Du magst. ;)

    LG
    Pinguin

    „Erfolg ist nicht auf Erfolg aufgebaut. Er ist auf Fehlern aufgebaut. Er ist auf Frustration aufgebaut. Manchmal ist er auf Katastrophen aufgebaut.“

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