Hallo Baustein,
ich möchte einfach ein paar Gedanken von mir da lassen, die mir beim Lesen Deiner Zeilen und auch beim Lesen der Beiträge anderer Forumsteilnehmer:innen so gekommen sind.
Vielleicht kurz zum mir: Ich bin Anfang 50, trank weit über 10 Jahre abhängig und lebe jetzt schon lange ohne Alkohol. Ich war ein heimlicher Trinker und darin so "geübt", dass selbst meine Familie (Frau und zwei Kinder) nicht wussten, dass ich (zum Ende hin) am Tag mindestens 10 Bier + x intus hatte. Meine Frau glaubte es auch nicht, als ich mich outete, ich musste ihr erst meine ganzen Verstecke zeigen, bevor sie wirklich verstand, was da eigentlich passiert war. Natürlich bemerkte sie über Jahre hinweg, dass ich mich veränderte und dass unsere Beziehung den Bach runter geht. Woran das aber genau lag, das wusste sie nicht.
Letztlich habe ich es geschafft vom Alkohol weg zu kommen, für meine Ehe war es zu spät. Da war zuviel passiert und sie war im Grunde schon Jahre vor meinem Outing verloren. Ich möchte noch sagen, dass ich natürlich, wie wahrscheinlich fast alle Alkoholiker, mehrmals versucht habe mit dem Trinken aufzuhören. Gründe dafür hat es genug gegeben und einer der sträksten Gründe, weshalb ich es immer wieder versucht habe, war die Liebe zu meinen Kindern. Ich wollte ihnen das nicht antun. Du darfst mir glauben, dass ich meine Kinder geliebt habe wie nichts und niemand anderen auf dieser Welt (das ist heute noch so

). Es ist eine andere Liebe als die, welche man zu einem Partner:in empfinden kann. Für mich die stärkste Liebe die ich in meinem Leben empfunden habe und nicht einmal diese Liebe reichte aus um mich vom Trinken weg zu bekommen. Es kann durchaus sein, dass auch Marina Dich wirklich liebt (ich kann das nicht beurteilen), die Sucht aber einfach stärker ist, wie so oft in Beziehungen wo einer der Partner trinkt.....
Ich schreibe das einfach nur deshalb um Dir aus meinen eigenen Erfahrungen heraus zu schildern, wie mächtig diese Sucht eingentlich ist und wie ohnmächtig Außen- oder Nebenstehende dabei sind. Übrigens, warum ich dann doch aufgehört habe kann ich nicht genau sagen. Ich kann nur sagen, dass es in diesem Moment einfach "Klick" gemacht hat und ich nicht mehr wollte oder konnte. An meine Kinder oder meine Frau habe ich in diesem Moment nicht gedacht, jedenfalls nicht in die Richtung, dass ich es für sie tun will. Mir war im Gegenteil ganz klar, dass ich mit meinem Outing das Leben meiner Familie erst mal komplett an die Wand fahre. Nichts würde mehr so sein wie es war und ihre scheinbar relativ "heile" Welt würde pulverisiert werden. Am Ende kam es dann auch ganz genau so. Die geplante und gedachte Zukunft meiner Frau / Familie war gelöscht, sie standen vor dem Nichts und ich trennte mich dann auch bald und wir fingen alle von vorne an.
Sowas macht die Alkoholsucht.......
So, jetzt hast Du einen kleinen Einblick in meine Geschichte, einen ganz kleinen Einblick.
Jetzt zu meinen Gedanken:
Ich brachte ihr auch den gewünschten Wein, weil mir klar ist, dass sie den Alkohol brauchen würde.
- ich bin kein geübter Co-Alkoholiker.
In meinen Augen bist du sehr wohl geübt bzw. Co-abhängig. Durch dein Tun, ihr den gewünschten Wein zu bringen, förderst du Ihre Sucht und bringst ihr Verständnis, Aufmerksamkeit und Fürsorge entgegen.
Du bist in die Suchterkrankung deiner Partnerin verstrickt. Aus deinen Zeilen lese ich diffuse Ängste.
Das sehe ich ganz genauso wie Britt. Schon bei Deinem Brief dachte ich mir, dass Co-Abhängigkeit eine große Rolle spielen könnte. Du kannst das natürlich anders sehen. Spontan musste ich auch an ein Helfersyndrom denken. Wissen tue ich das natürlich nicht und es liegt in Deiner Hand, ob Du Dich damit beschäftigen möchtest bzw. Dir evtl. diesbezüglich Hilfe suchst oder einfach erst mal beraten lässt. Vielleicht warst Du diesbezüglich ja auch schon aktiv und weißt deshalb was Sache ist.
Ich kann mir vorstellen, warum sie aggressiv auf mich reagiert: Ich entspreche nicht ihren Vorgaben, den Alkoholpegel aufrecht zu erhalten, wie sie es braucht. Ich störe sie in der Befriedigung ihrer Sucht.
Ich würde das etwas pragmatischer sehen. Sie ist schlicht und ergreifend krank. Nämlich suchtkrank. Das was Du erlebst sind sozusagen die Begleiterscheinungen. Diese sind bei den Betroffenen durchaus unterschiedlich. Sie wird aggressiv und beleidigend. Andere werden physisch gewaltätig (übrigens auch Frauen), wieder andere versinken in Selbstmitleid bis hin zu Suizidgedanken. Nicht selten ist es auch ein unberechbares Wechselspiel all dieser Gefühle und Zustände. Jetzt so, im nächsten Moment so, gibt es auch.
Am Ende ist der Betroffe schlicht schwer krank. Das "gute" an dieser Krankenheit: der/die Betroffene hat es selbst in der Hand sie zu heilen bzw. zum Stillstand zu bringen (im Gegensatz z. B. zu anderen schweren Krankeiten wie Krebs, wo man es selbst oft nicht mehr in der Hand hat). Das schlechte dabei ist allerdings, dass Suchterkrankungen unglaublich schwer zu überwinden sind und dass nur der Betroffene selbst sie überwinden kann. Von Außen kann zwar Unterstützt und geholfen werden, jedoch ist das nur dann wirksam oder erfolgreich, wenn der Betroffene das auch möchte bzw. aktiv seine Krankheit überwinden möchte. Anderfalls kann man als Angehöriger/Außenstehender diesem Menschen beim langsamen sterben zu sehen, ohne es verhindern zu können. Diese Tatsache zu akzeptieren oder überhaupt irgendwie erfassen zu können fällt selbst mir, als ehemalig abhängigen Trinker, schwer.
Bei meinem Freund Uwe, hatte ich das Gefühl, ihm zu helfen - eine sehr sensible und zurückhaltende Hilfe meinerseits. Trotzdem, alles kam dann plötzlich und unerwartet. Ich glaube nicht, dass eine professionelle Hilfe die Katastrophe hätte verhindern können.
Das liest sich ein wenig so, als würdest Du Dir selbst bestätigen wollen, dass auch niemand anderes Deinem Freund hätte helfen können und dass Du ja alles Menschenmögliche getan hast. Ich kenne jetzt die Geschichte von Uwe nicht, aber wenn er ebenfalls tief in der Alkoholsucht gefangen war, dann trifft es auch für ihn zu, dass nur er selbst sich hätte retten können. Professionelle Hilfe hilft eben auch nur dann, wenn der Betroffene sie auch in Anspruch nehmen will. Er/sie muss wollen. Und wenn er/sie wirklich will, von innen heraus, dann ist es nicht selten der Fall, dass auch ganz niederschwellige Hilfsangebote schon eine sehr große Hilfe sein könne. Wie z. B. Selbsthilfegruppen. Ich habe jetzt schon länger und auch über dieses Forum hinaus Kontakte zu vielen ehemaligen Trinkern und Trinkerinnen. Und da sind gar nicht wenige dabei, die sogar ausschließlich durch "ihre" Selbsthilfgruppe zu einem dauerhaften Leben ohne Alkohol gefunden haben. Also ein ganz niederschwelliges Angebot, keine Therapheuten, keine Ärzte, "lediglich" andere ehemals trinkende Menschen.
Natürlich ist der klassische, der professionelle Weg über Entgiftung und Therapie ein ratsamer und einer, der, wenn er denn mal angetreten wird, gewisse Erfolgsaussichten hat. Aber auch hier scheitern am Ende mehr, als Erfolg haben. Der Rückfall in die Sucht (innerhalb der ersten beiden Jahre) ist eher die Regel als die Ausnahme. Nicht wenige "brauchen" mehrere Anläufe, manche brauchen dann ganz andere Hilfe, es ist sehr individuell. Aber die Basis eines möglichen Erfolgs ist immer der Betroffene selbst. Wenn der nicht will, dann wird es nicht funktionieren. Und wenn er will, dann ist es immernoch kein Freibrief dafür, dass es auch klappt.
Die Trennung oder das Loslassen von einem Partner ist nicht so einfach, wenn Liebe und Gefühle im Spiel sind: Liebe lässt sich nicht abschalten oder wegdiskutieren, sie ist da oder verschwindet langsam. Meist hat man nicht unbedingt eine Kontrolle darüber.
Das würde ich Dir sofort genauso unterschreiben. Ja, das sehe ich ganz genauso. Liebe lässt sich nicht einfach abschalten und oft lässt sie sich auch nicht so einfach erklären. Insofern kann ich Dich hier durchaus verstehen.
Aber helfen tut Dir das jetzt auch nichts. Im Grunde hast Du die Alternative, an der Seite des Menschen den liebst mit unter zu gehen, genau wie sie ein Opfer ihrer Sucht oder Deiner Co-Abhängigkeit zu werden oder aber Du schaffst es, sie in Liebe los zu lassen. Um wieder Dein Leben leben zu können. Aktuell ist Dein Leben und Dein Wohlbefinden (so nehme ich es wahr) komplett von ihr abhängig.
Wenn Du sie in Liebe los lässt, dann lässt Du sie nicht im Stich. Du rettest damit Dein eigenes Leben, für das Du verantwortlich bist. Sie ist wiederum für ihr Leben verantwortlich und, so nehme ich mal an, sie könnte jederzeit auf Deine Hilfe zählen, wenn sie ernsthaft etwas gegen ihre Sucht unternehmen würde. Und genau das ist aus meiner Sicht der springende Punkt: Wenn sie bereit ist etwas zu tun, von sich aus, nicht von Dir iniziert oder so, dann beginnt eine Unterstützung Deinerseits einen Sinn zu machen. Auch das ist dann kein einfacher Weg, für beide nicht, aber es wäre wenigstens einer, wo am Ende sowas wie Hoffnung zu sehen wäre.
Wenn sie aber weiter trinken will, wenn sie nichts ändert, egal warum, dann kannst Du Dich nur selbst retten oder mit ihr gemeinsam unter gehen.
Das waren meine Gedanken. Ich wünsche Dir von Herzen, dass sich ein Weg für Dich auftut.
LG
Gerchla