Hallo Jessi,
Du hast ja jetzt schon viele Meinungen gehört. Ich will Dir einfach mal ein paar Gedanken von mir da lassen:
Ich will nicht darüber spekulieren, ob Du mit Deiner Mengenangabe uns gegenüber ehrlich bist, ob Du Dir selbst gegenüber ehrlich bist. Denn das ist ja letztlich Deine Sache. Und die Menge macht auch nicht automatisch die Abhängigkeit, wenngleich natürlich Viel-Trinker gefährdeter sind als jene, die moderat trinken. Und ich habe auch keine Ahnung, ob diese Werte von denen Du sprichst, durch irgendeinen anderen Einfluss, also jenseits von Alkohol, zustande kommen können, da fehlt mir der komplette medizinische Hintergrund.
Aber unabhängig davon ob nun Deine Mengenangaben stimmen oder nicht oder die Werte evtl. auch anders zustande kommen könnten, kann ich Dir auf die Frage, ob ich glaube, dass Du ein Alkoholproblem hast, nur eines antworten, nämlich: Ja, natürlich hast Du ein Alkoholproblem. Selbstverständlich hast Du ein Problem mit Alkohol, alleine schon deshalb, weil Du Dich mit diesem Thema beschäftigst bzw. beschäftigen musst.
Menschen ohne Alkoholproblem machen sich keine Gedanken über ihren Konsum. Menschen mit Alkoholproblem tun das i. d. R. schon, auch wenn sie es lange nicht wahr haben wollen. Irgendwann kommt der Punkt, wo "man" darüber nachdenkt, ob das alle im grünen Bereich ist, was man da so alkoholtechnisch fabriziert. Ja, es mag auch Menschen mit Alkoholproblem geben die sich keine Gedanken über ihren Konsum machen aber ich habe tatsächlich noch keine/n getroffen. Am Ende haben mir doch alle immer erzählt, dass sie es irgendwann mal vermutet, befürchtet oder gewusst haben, dass da irgendwas nicht stimmen kann. Und alle haben auch immer versucht Argumente zu finden, die ihre Angst, Vermutung oder Befürchtung widerlegen. Also im Grunde so wie Du das jetzt auch machst. Wäre doch schön, wenn wir Dir hier schreiben würden: Bei der Menge die Du trinkst kannst Du gar kein Problem haben..... Wäre schön oder?
Ich bin also der Meinung, dass Du ein Problem hast. Wie groß dieses Problem jedoch ist, wie weit fortgeschritten es ist, ob Du bereits abhängig bist oder ob Du "nur" Missbrauch betreibst und ob Du diesen Missbrauch bereits in bedenklichem, regelmäßigen Maß betreibst oder ob Du da erst am Anfang stehst, das kann ich Dir nicht sagen.
Aber alleine die Tatsache, dass Du darüber nachdenkst, Du könntest ein Problem haben bedeutet, dass da ein Problem ist. Nur wie groß dieses Problem ist, sagt es zunächst nicht aus. Es könnte also sein, dass dieses Problem "eigentlich" ein ganz kleines ist. Nach dem Motto: Problem erkannt, Problem gebannt. Das wäre z. B. dann der Fall, wenn Du ab sofort einfach keinen, also überhaupt gar keinen, Alkohol mehr trinken würdest. Auf unbestimmte Zeit, aber mindestens, sagen wir mal für den Rest dieses Jahres. Ich schreib' das jetzt einfach mal so.
Wenn Du das liest und Dir der Gedanke kommt, dass das ein verdammt langer Zeitraum ist und dass Du Dir das irgendwie so aber nicht vorstellen kannst, das eigentlich auch nicht willst, dann ist Dein Problem bereits größer als Du vielleicht denkst. Jemanden der kein Problem mit Alkohol hat, den interessiert es überhaupt nicht, ob er jetzt z. B. für den Rest dieses Jahres keinen Alkohol mehr trinkt. Das macht ihm/ihr keine Angst, weil der Alkohol spielt keine Rolle in dessen Leben.
Wie ist das bei Dir? Was macht dieser Gedanke mit Dir? Kein Problem? - dann probiere es doch einfach aus. Ab jetzt, sofort. Also ich meine, hey, ob Du diesen einen Wodka die Woche jetzt trinkst oder einfach weg lässt, das macht doch keinen Unterschied. Oder doch?
Wenn Du also jetzt wirklich Klarheit für Dich möchtest, dann mach' einfach mal Nägel mit Köpfen. Trinke keinen Alkohol mehr, gar keinen mehr, auch kein Glas wenn Dein Kind schläft. Und wenn Dir das die nächsten Monate problemlos von der Hand geht, wenn auch Dein Kopf nicht immer wieder an Alkohol denkt sondern Du ihn einfach weglassen kannst, ohne dass Du darüber immer wieder nachdenken musst, dann weißt Du, Du hattest höchstwahrscheinlich kein Problem.
Gelingt Dir das nur unter großer Anstrengung, mit dem Gefühl eines Verzichts, mit dem Wunsch eigentlich schon mal was trinken zu wollen, dann weißt Du, dass es Spitz auf Knopf steht und Du ungedingt dran bleiben solltest um das dauerhaft in den Griff zu bekommen.
Gelingt es Dir gar nicht, und Du musst einfach weiter trinken, dann weißt Du, dass Du jetzt einen sehr guten Plan brauchst, um nicht noch tiefer in die Suchtspirale hinein gezogen zu werden. Hier wäre dann auf jeden Fall auch externe Hilfe dringend angeraten.
So, und jetzt wünsche ich Dir einfach von Herzen, dass Du nur ein klitzekleines Problem hast, welches Du ganz einfach selbst in den Griff bekommst und dass Dein Kind bei Dir bleiben darf und dass sich die ganze Sache überhaupt positiv für Dich entwickelt. Das wünsche ich Dir sehr.
LG
gerchla