Hallo Pyrophoric,
Ich muss das erst mal sacken lassen. Bin aber froh zum ersten Mal solche Worte zu hören.
Das kann ich gut verstehen. Also beides meine ich. Einmal, dass Du das erst mal sacken lassen musst und auch, dass Du froh darüber bist solche Worte von ihm zu hören. Denn das gibt Dir ja sicher etwas Hoffnung, ein kleiner Schimmer, dass er vielleicht ja doch....
Aus meiner Erfahrung: Erst mal sind es nur Worte. Worte sind etwas, mit dem ein nasser Alkoholiker gerne spielt. Unbewusst manchmal, manchmal auch ganz bewusst um die für ihn erhoffte Reaktion zu provozieren, oft sagt er aber auch Dinge, die er in diesem Moment auch so meint, die aber auf längere Sicht bedeutungslos sind, weil ihn dann die Realität der Sucht wieder eingeholt hat.
Ich möche Deinem Mann gar nicht unterstellen, dass er es in dem Momant, wo er diesen Brief an Dich geschrieben hat, nicht auch so gemeint hat. Ich weiß das von mir selbst. Ich war mir oft "ganz sicher", dass ich es ab jetzt ganz anders machen werde..... Ich weiß nicht, wie oft ich diese Situationen hatte. Nur ein einziges Mal habe ich es dann wirklich anders gemacht. Das war an dem Tag, an dem ich den bisher letzten Tropfen Alkohol meines Lebens getrunken habe.
Wichtig ist aus meiner Sicht, wie Du jetzt mit diesem Brief, dieser Aussage von ihm, umgehst. Wäre ich an Deiner Stelle, so würde ich ihm sagen, dass es schön ist und Dich freut, dass er jetzt etwas unternehmen möchte. Und dass er das jetzt doch auch einfach erst mal tun soll. Ich sage Dir ehrlich: Ich würde mich est mal nicht in seine SHG setzen. Ich würde ihm sagen, dass das jetzt erst mal sein Ding ist, seine Sucht die er da bekämpft, gegen die er etwas unternimmt. Ich würde es offen lassen, ob Du zu einem späteren Zeitpunkt einmal bereit bist mit in die Gruppe zu gehen. Du kannst ihm ja sagen, dass Du bereits eine eigenen Gruppe hast und das Du diese weiterhin besuchen möchtest.
Ich würde mich sehr deutlch abgrenzen, nach wie vor. Damit lässt Du ihn keneinesfalls im Stich sondern "sorgst" nur dafür, dass er diesen Prozess eigenverantwortlich an geht. Und das halte ich für sehr wichtig, denn, ich schrieb es häufiger hier im Forum, er ist für sich selbst verantwortlich. Idealerweise wird ihm klar, dass er diese Sucht für sich überwindet und nicht für Dich. Denn wenn er es "nur" für Dich tut, dann wäre jede Vestimmung, jeder Streit, jede Auseinandersetzung die ihr in Eurer weiteren Beziehung habt (und sicher wie ganz normale andere Paare auch haben würdet) ein hochgradiger Anlass wieder zu trinken. Nach dem Motto: "Nur wegen Dir habe ich mit dem Saufen aufgehört und jetzt kommst Du mir mit xyz".
Bitte verstehe es auch nicht falsch, wenn ich Dir schreibe, dass ich sehr skeptisch bin was seine tatsächlichen Ambitionen bzw. das tatsächliche Umsetzen seiner Ankündigungen betrifft. Auch wenn Du das so zum ersten Mal hörst. Es gehört auch "zur Kunst" des Alkoholikers, den dramaturgischen Bogen langsam immer mehr zu spannen. Ich hab' auch nicht all mein Pulver auf einmal verschossen. Ich habe wohldosiert immer noch eines drauf gesetzt. Ich hab z. B. meine Mama mal bei einem Verkehrsunfall fast sterben lassen, nur um die Dinge zu erreichen, die ich eben erreichen wollte. Dabei war es Anfangs nur ein kleiner Unfall, dann kamen Komplikationen dazu und dann gings irgendwann dem Ende entgegen. Ach so: Meine Mama hatte übrigens nie einen Verkehrsunfall. Ich habe alles von vorne bis hinten frei erfunden. In den Zeiten wo ich z. B. in die Spezialklinik nach xy zu Besuch gefahren bin (mit Übernachtung weil der Weg ja so weit war) konnte ich ungestöhrt trinken. Nichts anderes wollte ich doch und meine Scheinwelt noch ein wenig weiter aufrecht erhalten. Irgendwie Zeit gewinnen. Ich weiß gar nicht mehr wieviele Herzinfarkte meine Mama dann in diesem krankenhaus noch hatte und immer knapp überlebte. Diese ganze Schmierengeschichte von mir zog sich über Monate. Monate, in denen sie nur dazu diente mir Trinkzeiten zu ermöglichen und, was viel wichtiger war, mich in die Rolle des armen, bemittleidenswerten und aufopferungsvollen Sohnes zu bringen. Denn wer so mit solch einer enormen Geschichte belastet ist, für den hat man Veständnis, den lässt man in Ruhe, den kommt man jetzt nicht mit anderen Dingen. Und den spricht man auch nicht darauf an, was einem gerade nicht passt. Denn der ist ja gerade in so eine Ausnahmesituation. Nichts andere wollte ich mit dieser gigantischen Lügengeschichte erreichen und nichts anderes habe ich erreicht. Es war die letzte große Lügengeschichte meiner Karriere, die bis zum Tag x, also dem Tag meines Ausstiegs, andauerte.
Ich kann es nur nochmal sagen: Worte sind nur Worte. Bei einem nassen Alkoholiker zählen ausschließlich Taten. Und das dann auch über einen längeren Zeitraum, nicht nur ein paar Wochen oder Monate.
ber das es sicher trotzdem Leute geben wird, die in seiner Gesellschaft Alkohol irgendwo trinken würden und das auch kein Problem für ihn wäre.
Dieser Satz hier ist z. B. einer, der mir die Nackenhaare aufstehen lässt. Als ich wirklich aufgehört hatte, also in den ersten Tagen und Wochen ohne Alkohol, war genau das etwas, worüber ich mir u. a. ganz viele Gedanken machte: Die Angst, dass andere in meiner Gegenwart trinken, die Angst, dass diese mich animieren doch mitzutrinken, die Angst, dass diese mich fragen, warum ich nicht trinke, die Angst, dass mir jemand sagt: eines kannst doch trinken. NIEMALS hätte ich von mir gesagt oder auch nur gedacht, dass das kein Problem für mich wäre.
In dem Moment als mir bewusst wurde, dass ich weg will von dieser Sucht wurde mir auch klar, wie mächtig und gefährlich sie ist. Ich hatte mehr als nur Respekt, ich hatte richtig Angst, dass ich es vielleicht doch nicht schaffen könnte. Obwohl ich bereit war ALLES dafür zu tun, also auch Therapie, Psychologe etc. Trotzdem hatte ich anfangs regelrecht Angst, war verunsichert. Niemals hätte ich sagen können, das es kein Problem für mich ist, wenn in meiner Gegenwart Alkohol getrunken wird. Im Gegenteil, ich habe die ersten 2 Jahre Veranstaltungen /Situationen in den ich vermutete, dass getrunken wird vermieden so gut es ging. Tut mir leid, aber so eine Aussage seinerseits lässt mich stark daran zweifeln, dass er den Schuss wirklich gehört hat.
Dennoch will ich Dir Deine Hoffnung nicht nehmen. Die Frage, die nur Du Dir beantworten kannst ist, wieviel Raum Du dieser Hoffnung in Deinem Leben geben möchtest. Klar, die Hoffnung, sie stirbt ja zuletzt. Hält man aber zulange an ihr fest, kann es auch gut sein, dass man vor ihr stirbt (in diesem Fall meine ich das im übertragenen und nicht im wörtlichen Sinne).
Alles alles Gute wünsche ich Dir.
LG
gerchla