Hallo bajati,
bevor ich Dir meine Gedanken schreibe stelle ich mich kurz vor:
Ich bin Anfang 50, Alkoholiker und trinke jetzt schon lange keinen Alkohol mehr. Ich trank über 10 Jahre abhängig und die meiste Zeit davon heimlich. Ich hatte Frau und 2 Kinder und habe bis zum Schluss funktioniert.
Meine Gedanken zu Deiner Geschichte:
Ich halte es erst mal für völlig unerheblich, ob Dein Mann nun Alkoholiker ist oder ob er Missbrauch betreibt. Auch die Antwort auf die Frage, wie er sich jeden Tag 4 Liter Bier reinschütten kann ist im Grunde nicht wichtig. Er wird einen "Grund" dafür haben, sei es nun weil er tatsächlich süchtig ist und nicht mehr anders kann oder sei es, weil er einfach Bock darauf hat. Das ist aber im Grunde völlig egal.
Das einzige was aus meiner Sicht hier entscheidend ist, ist, wie es Dir damit geht und was DU möchtest. Es geht um DICH und nicht um ihn. Es bringt Dir auch überhaupt nichts, wenn Du weißt das er nicht süchtig ist und er aber trotzdem weiter trinkt. Es bringt Dir auch nichts, wenn Du weißt das er süchtig ist und er aber nicht aufhören möchte oder kann.
Du bist für DEIN Leben verantwortlich, er ist für seines verantwortlich. Was er tut, so scheint es mir, verletzt Dich zutiefst. Für ihn jedoch scheint es ok zu sein und er tut nichts illegales. Und vielleicht sieht er gar nicht was er Dir damit antut, oder er will es nicht sehen oder er kann es nicht sehen. Ich jedenfalls dachte immer, ich tue ja niemanden etwas, weil ich ja heimlich trank und nie, zumindest körperlich, aggressiv wurde. Ich dachte immer: solange es niemand weiß, schade ich damit auch niemanden. Weit gefehlt, das weiß ich heute. Aber heute funktioniert mein Hirn ja wieder normal, also einigemaßen zumindest

Damals war es ein Suchthirn, mit ganz anderen Maßstäben und einer komplett anderen Wahrnehmung.
Wenn Du also bereits mit ihm gesprochen hast, wenn Du ihm bereits gesagt hast, wie es Dir damit geht und was Du Dir wünschen würdest, wenn er von Dir weiß, was seine Trinkerrei für Dich bedeutet, dann bleibt Dir letztlich nur noch, DEINE Konsequenzen aus seinem Verhalten zu ziehen. Und ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass Ihr zahlreiche Gespräche dieser Art bereits hattet. Und er genau weiß was los ist. Ich meine, Du nächtigst ja nicht umsonst im Kinderzimmer.
Es geht also um Dich und nicht um ihn. Wenn Du etwas verändern möchtest, dann ändere Dich. Ändere Deine Denkweise und fasse auch mal Konsequenzen ins Auge, die vielleicht bisher nicht erwogen hast. Und vielleicht brauchst Du dazu auch Hilfe, also mehr als die Kommunikation hier in diesem Forum.
Ich kenne Dein bzw. Euer Leben nicht, ich kenne nicht Deinen / Euren Hintergrund, ich "weiß" nur das, was Du hier geschrieben hast. Sicher hast Du Gründe, weshalb Du (noch) bei ihm bleibst, weshalb Du seinen Konsum erträgst und Dein Leben dadurch in den Hintergrund stellst. Und ich will Dir diese Gründe auch nicht absprechen, denn das steht mir nicht zu.
Ich kann Dir hier nur schreiben, aus der Sicht eines Alkoholikers und ausgestattet mit meinen eigenen Erfahrungen, dass es bei einem Trinker nichts verändert, wenn der/die Angehörige sich den Kopf darüber zerbricht, warum der Trinker trinkt und es nicht einfach lässt. Es bringt auch nichts wenn sich ein Anghöriger darüber Gedanken macht, was er alles tun könnte um das Verhalten des Trinkers zu verändern. Es bringt auch nicht, wenn ein Angehöriger dem Trinker Vorwürfe macht und ihn mit Kritik überzieht, oder Alternativ ihn anfleht doch endlich etwas zu ändern und ihn gar noch mit Liebe überschüttet. Der Trinker hat immer genug und für ihn selbst auch gut nachvollziehbare Gründe, warum das was er tut, richtig ist und sozusagen so sein muss.
Das Einzige was helfen kann, und da stütze ich mich nun nicht auf eigene Erfahrungen, sondern auf das was ich von anderen Alkoholikern erfahren habe, ist ein klares Handeln seitens der Anghörigen. Klare Ansagen und entsprechend konsequentes Handeln ist das, was den größen Erfolg verspricht. Was nicht unbedingt bedeutet, dass der Trinker dann tatsächlich mit dem Trinken aufhört (die wenigsten Alkoholiker hören mit dem Trinken auf, die meisten leben bis zu ihrem Tod damit), aber es bedeutet in jedem Fall, dass der Anghörige sich sein Leben zurück holt. Notfalls dadurch, dass er/sie den Trinkenden verlässt und ein neues, ein eigenes Leben beginnt. Manchmal führt so ein konsequentes Handeln aber auch dazu, dass der Trinkende "aufwacht", und dann doch bemerkt, was ihm eigentlich wichtig im Leben ist. Eine Garantie dafür gibt es aber natürlich nicht und es ist auch nicht so selten, dass Beziehungen scheitern, NACHDEM der trinkende Partner aufgehört hat. Denn auch dieser Prozess, also der Prozess zurück in ein Leben ohne Alkohol, ist eine große Herausforderung, nicht nur für den ehemaligen Trinker sondern auch für den Partner/die Partnerin.
Ich hoffe, ich konnte Dir näher bringen was ich eigentlich sagen wollte. Ich wollte sagen: nicht er steht im Mittelpunkt Deines Lebens sondern DU. Du kannst Dich, Deine Einstellungen und Dein Leben verändern. Seines solltest Du ihm lassen. Wenn er es ändern möchte, dann kann er das jederzeit tun. Hilfe dazu gibt es genüg, wollen muss er aber selbst.
Alles Gute für Dich! Und einen guten Austausch hier im Forum wünsche ich Dir.
LG
Gerchla