Hallo Thomas,
herzlich Willkommen bei uns im Forum. Schön, dass Du Dich dazu entschieden hast hier aktiv mitzuschreiben.
Ich bin Anfang 50, Alkoholiker und trinke jetzt schon lange keinen Alkohol mehr. Davor trank ich weit über 10 Jahre abhängig, die meiste Zeit heimlich. Ich hatte damals Familie, also Frau und 2 Kinder und konnte meinen Konsum verheimlichen. Obwohl ich zum Ende hin dann wirklich erhebliche Mengen an Alkohol zu mir nahm.
Nach Deinem ersten Post dachte ich mir noch "erstaunlich, dass er es scheinbar geschafft hat in eine Art kontrolliertes Trinken zurück zu finden". Und ich habe mich gefragt, was Dich so belastet, wenn Du keinen Kontrollverlust mehr hast und in größeren Abständen ab und an mal "handelsübliche" Mengen trinkst. Es hat mich natürlich sehr erstaunt, weil ich das in dieser Forum tatsächlich noch nie von jemanden gehört oder erzählt bekommen habe.
Nach Deinem zweiten Post jedoch sehe ich jetzt viel klarer. Du trinkst nicht ab und zu mal was sondern regelmäßig. Zwar (noch) nicht täglich aber offenbar immer am Wochenende und die Tage werden mehr. Da tut sich also was, wenn ich das mal so schreiben darf. In die falsche, aber, aufgrund Deiner Suchterkrankung, logische Richtung. Leider. Und Du trinkst heimlich, auch etwas ganz fatales, wie ich aus reichlich eigener Erfahrung weiß. Es scheint mir so, als stündest Du gerade am Anfang eines Neustarts, aber eben nicht in Richtung Abstinenz sondern genau in die andere Richtung. Deshalb ist es m. E. ganz hervorragend, dass Du Dich jetzt damit beschäftigst und dem ganzen einen Riegel vorschieben möchtest.
Und ich denke jetzt gerade an ein Gespräch zurück, dass ich vor einiger Zeit mit einem Bekannten (ebenfalls Alkoholiker, aktuell trocken) geführt habe. Er hat mir erzählt, dass er 10 Jahre trocken war und dann wieder angefangen hat. So ähnlich wie Du das auch schilderst. Und auch er hat erst mal nur ein Bier getrunken und dann wochenlang nichts mehr. Und auch bei ihm kamen genau die gleichen Gedanken auf wie Du sie von Dir schilderst. Und er hat fast 3 Jahre ohne Probleme kontrollieren können, auch wenn es, wie er selbst sagt, ganz langsam etwas mehr wurde. Aber alles noch "im grünen Bereich", wo sich ein Außensstehender keine Gedanken machen würde. Und dann kamen ein paar Probleme, nach seinen eigenen Angaben noch nicht mal richtig schlimme sondern eigentlich durchaus lösbare, und bei ihm brachen alle Dämme.
Er trank dann wieder jahrelang exzessiv, nach 10 Jahren komplett ohne und fast 3 Jahren moderat, bis er irgendwann dann nochmal den Absprung geschafft hat.
Was ich damit sagen will: Du machst das jetzt genau richtig! Hinschauen und überlegen, wie Du ganz weg kommen kannst von dem Zeug.
Nun bin ich (leider) nicht in der Lage Dir zu sagen wie das jetzt geht. Also, wie es funktioniert, dass Du auf die zwei Bier und den Picollo dauerhaft verzichten kannst. Ich könnte jetzt sagen: "Mensch, die zwei Bier und der Picollo, das ist doch im Grunde nichts. Lass sie doch einfach auch noch weg und verabschiede Dich von dieser Gewohnheit". Ich weiß aber natürlich, dass Du das sicher längst getan hättest, wenn es denn so einfach für Dich wäre.
Deshalb möchte ich mich der Frage von AmSee anschließen. Aus welchem Grund trinkst Du am Wochenende diese 2 Bier und den Picollo? Was gibt Dir das? Ich denke, Du wirst eine Wirkung spüren, wenn Du das Zeug in 1 Stunde runter kippst, so habe ich das jedenfalls gelesen. Auf eine Stunde gesehen ist das keine "normale" Menge mehr sondern ich empfinde es schon als recht sportlich. Ich denke, Du wirst es spüren, wirst die Wirkung spüren.
Kannst Du sagen, was Du damit bezwecken möchtest? Geht es darum, mal für kurze Zeit abschalten zu können? Und wenn ja, weshalb willst Du Dich betäuben?
Sind jetzt viele Fragen und viele auch spekulativ, denn vielleicht ist es ganz anders oder Du empfindest es ganz anders.
Ich bin jemand, der hier im Forum oft über den Sinn des Lebens schreibt und darüber, dass man mit sich selbst im Reinen sein sollte. Ich weiß nicht, ob ich Dich damit erreichen kann. Bei mir war das so, dass ich mich nach meinem Ausstieg mit diesen Themen besschäftigt habe. Ich wollte natürlich wissen, warum ich da hinein gerutscht bin. Weshalb ich Alkohol missbraucht habe und was ich tun kann um künftig ein Leben ohne Alkohol zu führen.
Am Anfang stieß ich auf die "oberflächlichen" Gründe, also Stress, auch war ich gerne mal anders als ich eigentlich war und ich nutzte den Alkohol auch um locker zu werden. Wie gesagt, alles so Dinge, die wahrscheinlich auf die meisten erst mal zu treffen. Das reichte mir aber nicht, denn ich merkte irgendwann, dass andere Menschen auch Stress haben, andere Menschen auch Probleme haben (noch viel gößere als ich sie damals hatte) und trotzdem deswegen nicht trinken. Also ging ich tiefer und fand langsam heraus, dass bei mir ein paar grundsätzliche Dinge nicht gepasst haben. Ich will darauf jetzt nicht in die Tiefe eingehen, denn das würde jetzt den Rahmen sprengen.
Jedenfalls wurde mir klar, dass ich mir mal Gedanken darüber machen muss, wer ich eigentlich bin und wer ich eigentlich sein möchte. Was der Sinn meines Lebens ist und wie ich diesen erreichen kann. Ich habe darüber nachgedacht, ob ich mich selbst eigentlich gut so finde, wie ich bin und ob ich mich selbst eigentlich liebe. Mit dem Ergebnis, dass es da noch "Optimierungsbedarf" bei mir gibt und ich überlegte, wie ich das "optimieren" könnte.
Ich schreibe das jetzt mal so, auch wenn ich merke, dass es sich ziemlich sülzig anhört. Ich kann es nur gerade nicht anders formulieren und das waren tatsächlich die Dinge, die mich lange, sehr lange, beschäftigt haben.
Ich fand dann zu all meinen offenen Fragen auch Antworten, das war wunderbar. Ich wusste dann, wo ich hin will, wer ich sein will und was mein (Lebens-)Sinn ist. Und natürlich wusste ich, dass ich NICHTS von dem was ich erreichen wollte, erreichen kann, wenn ich Alkohol trinke. Gleichzeitig verlor der Alkohol aber auch mehr und mehr an Bedeutung, je mehr ich mit mir und meinem eingeschlagenen Lebensweg voran schritt. Ich wurde immer ruhiger und immer zufriedener. Und auch immer dankbarer diesen Weg so gehen zu dürfen.
Was will ich Dir damit jetzt also sagen? Ich möchte Dich im Grunde einfach nur dazu ermutigen, bei Dir selbst genau hinter die Kulissen zu blicken. Wo willst Du hin? Wo siehst Du den Sinn Deines Lebens? Wer möchtest Du sein und bist Du derjenige schon? Und welche Rolle hat dabei der Alkohol? Was brauchst Du um zufrieden zu sein, um nicht den Wunsch zu verspüren etwas durch Alkohol manipulieren zu wollen?
Ok, war jetzt bisl viel Psychozeugs, ich kann mich heute nicht so gut ausdrücken. Ich lass es aber jetzt mal stehen, vielleicht ist die ein oder andere Anregung für Dich dabei. Ich habe diesen Prozess damals übrigens nicht selbst einfach so "ins Leben" gerufen. Ich war verzweifelt, ich dachte ich müsste an meiner Schuld zerbrechen (ich trennte mich nach meinem Ausstieg von meiner Familie, alle litten fürchterlich darunter) und hatte große Angst, dass ich darüber auch scheitern könnte. Ein Mönch und ein sehr guter Freund waren meine großen Hilfen damals. Vor allem mit dem Mönch habe ich viele Stunden gesprochen, immer wieder und von meinem Freund habe ich dann wieder anderen Input bekommen. Irgendwann kam dann meine jetzige Frau dazu, der ich dann auch viel über mein Inneres erzählt habe, wobei ich immer darauf geachtet habe sie nicht zu sehr zu belasten.
Es war ein Prozess und das ist es heute noch. Den Gedanken in irgendeiner Form irgendwie und irgendwann mal wieder Alkohol zu trinken habe ich, seit ich diesen Weg gehe, nie gehabt. Dafür bin ich sehr sehr dankbar.
Alles Gute für Dich und einen guten Austausch hier im Forum wünsche ich Dir.
LG
gerchla