In der Anfangszeit meiner Nüchternheit hatte ich aber auch mal so eine Phase, in der ich dachte, wenn ich gewusst hätte, wie einfach das Aufhören ist, hätte ich es vielleicht anders gemacht, früher aufgehört. Bei genauem Nachdenken gehts da aber nur um die Schlussphase, als ich es selbst schon wirklich schlimm fand, davor hätte ich einfach nicht aufgehört. Nützt auch nix, mir darüber heute den Kopf zu zerbrechen, es war einfach so wie es war.
Ausserdem war ich dann mit 41 noch mal Berufsanfängerin nach meinem endlich abgeschlossenen Studium und da gab es dann im Job Leute um mich herum, die ihre Karriere relativ straight verfolgt hatten. Ich hab einiges versemmelt, weil ich lange lieber rumgehangen bin und meine Verachtung der Leistungsgesellschaft ausgelebt habe.
Einerseits war ich ein bisschen neidisch, dass die im gleichen Alter höher auf der Leiter standen als ich. Der Gedanke, hätte ich vielleicht besser früher angefangen (und nicht so viel gesoffen und gegiftet), war schon mal da. Andererseits war mir aber auch klar, dass ich so wie die ja noch nie leben wollte und auch den Preis, den die bezahlt hatten, nicht bezahlen wollte.
Ich wollte halt lieber reichlich verfreakt in den Tag reinleben, und das habe ich relativ lange auf meine Art auch genossen. Alles auf einmal geht halt nicht - gleichzeitig faul in der Sonne liegen und Karriere machen ist schwierig. Und meine Prioritäten liegen klar in der Sonne, die Arbeit muss sich anpassen, bis heute.
Und einfach war das Aufhören ja auch erst dann, als ich so weit war. Ich habe auch schon mal versucht, einen absoluten Traumurlaub 5 Jahre später nochmal zu wiederholen, das war auch nicht mehr das Gleiche, klappte so nicht mehr, weil ich mich zu sehr verändert hatte. Ich schätze, beim Saufen ist es ähnlich, früher fand ich es gut, heute eben nicht mehr.
Abgesehen davon hätte ich vieles von meiner Unangepasstheit und Verrücktheit wegen fehlender Traute ohne Saufen und ohne Drogen womöglich nie entwickelt, und das fände ich schade. Besoffen habe ich halt doch vieles gemacht, was eigenlich "nicht ging", vor allem nicht unter spiessbürgerlichen Gesichtspunkten. Aber nachdem ichs mal konnte, ging Einiges davon jetzt eben auch nüchtern. Nur meine Geschichte macht mich erst zu der, die ich bin.