Ich stelle in den letzten Monaten und Wochen fest, dass die Menschen bezüglich dieser Pandemie und allem was da gerade so passiert, immer dünnhäutiger werden (was ich gut nachvollziehen kann). Und manchmal stelle ich das auch an mir selbst fest. Das erschreckt mich dann, denn ich bin jemand, der gerne sehr genau darauf achtet, was meine Gedanken mit mir machen. Und wenn ich Gedanken habe, die aufwühlend für mich sind oder mich gar in Wut versetzen, dann ist das für mich ein ernstzunehmendes Warnsignal.
Dieses Warnsignal habe ich in den letzten Wochen ein paar mal bei mir wahr genommen. Es ging dabei immer um diese Pandemie, darum, dass ich direkt in einer der Branchen arbeite, die massivst von den aktuellen Maßnahmen betroffen ist. Sie gingen darum, dass es bis zum heutigen Tag für diese Branche keine Perspektive gibt, nicht mal eine vage.
Natürlich kreisen dann die Gedanken auch darum, wie man es "richtig machen könnte", das "die da oben" null Plan haben und dass ich es besser wüsste (welch erschreckend überhebliche Gedanken das doch im Grunde sind). Gerade wieder diese Geschichte mit der zurückgenommenen Osterruhe....
Ich komme dann aber meist schnell wieder zurück zu mir selbst. Immer den Gedanken im Kopf, wo ICH die Möglichkeit habe etwas zu verändern und wo nicht. Und ich komme immer wieder darauf zurück, dass ich überzeugt davon bin, dass diese auwühlenden oder Wut erzeugenden Gedanken, wenn ich sie denn ständig oder auch einfach nur zu oft denke und zulasse, mein ganzes Ich und mein ganzes Wohlbefinden negativ beeinflussen.
Und so schaffe ich es, wofür ich sehr dankbar bin, immer wieder zu mir zurück zu kommen und für das dankbar zu sein, was ich habe. Und das ist, ehrlich gesagt, ziemlich viel. Trotz Perspektivlosigkeit was mein berufliches Umfeld betrifft, trotz der ganzen (wirklich nicht schönen) Einschränkungen, trotz der negativen Prognosen was die Auswirkungen auf die Wirtschaft betrifft, trotz der nicht (mehr) vorhandenen kulturellen Angebote. Man könnte das nun noch weiter Fortsetzen...
Und ich will mir auch nicht zu viele Gedanken darüber machen, was irgendwann mal sein könnte oder sein wird, weil "die da oben" heute alles falsch machen. Denn ich weiß, dass ich deren Job nicht machen möchte, nicht für Millionen von Euro. Und das es meistens ohnehin anders kommt als man denkt, das ist etwas, das gerade ich durch meine eigenen Geschichte gelernt habe.
Und wenn dann oft das Argument kommt, dass man halt das Risiko eingehen muss, dass ein paar mehr Leute an diesem Virus sterben (dafür dann aber die Wirtschaft retten und unser normales Leben wieder möglich wird), dann denke ich immer an einen Spruch von meinem Ex-Chef, der manchmal sagte "mit anderer Leute Arsch ist gut durch Feuer fahren" (entschuldigt bitte die etwas vulgäre Ausdrucksweise aber so lautet der Spruch halt). Übersetzt heißt das für mich immer: "So lange ich nicht betroffen bin, ist ja alles gut".
Auch Vergleiche mit vergangenen Pandemien (gerne wird hier die Pest und die spanische Grippe hergenommen) und wieviel Prozent der Bevölkerung damals starben im Vergleich zu den, diesbezüglich lächerlichen, Zahlen bezogen auf Corona, schrecken mich eher ab als das ich da irgendetwas Sinnvolles heraus lesen können.
Denn da werden einerseits Äpfel mit Birnen verglichen (medizinischer Standard und Wissen anno Tobak und heute) andererseits werden aber auch Schicksale zu einer bloßen Statisitk oder Zahl gemacht. Hier starben 25 % der Weltbevölkerung bei Corona sind es bisher nur 0,03 % (meine Zahlen sind nur beispielhaft ohne Rechtsanspruch). Gestorben sind in beiden Fällen MENSCHEN, dahinter dann noch die Schicksale der Hinterbliebenen. Aber solange die die eigenen Eltern, der eigene Partner / Partnerin, das eigenen Kind unter diesen "Zahlen" ist, ist ja alles ok. Wie gesagt, ""mit anderer Leute Arsch ist gut durch Feuer fahren".
Uns so ist es für mich wichtig, für mich selbst zu sorgen, auch oder besonders in dieser schwierigen Zeit, wo man die Ohnmacht noch deutlicher spürt als in normalen Zeiten. Wo noch klarer wird, wie wenig man eigentlich selbst in der Hand hat und wo man aber genau deshalb schnell in Gefahr gerät, sich in einen (oft auch medial gepuschten) Erregungs- und Empörungsstrudel hinein ziehen zu lassen. Ich kann und will immer nur für mich sprechen. Wenn ich das tue, also wenn mir das passiert, ich mich hinein ziehen lasse, dann ist das Ergebnis immer das Gleiche: Es geht mir danach schlechter als vorher. Und ich bin immer wieder einfach nur dankbar, dass es meist gar nicht dazu kommt oder wenn, ich es relativ schnell erkenne und ich wieder zu mir und dem was ich in der Hand habe zurück finden kann.
In diesem Sinne: Wir werden diese Pandemie überstehen, natürlich werden wir das. Und es muss nicht alles so fürchterlich und schrecklich werden, wie wir das im Moment vielleicht glauben. Nein, dass muss es nicht.
Liebe Grüße
gerchla